Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. unentgeltliche Nebentätigkeit. Auslegung von Arbeitsverträgen. Unklare Bezugnahmeklausel
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Lässt die objektive Auslegung eines Dienstvertrags drei Ergebnisse als gleichermaßen vertretbar erscheinen, führt dies zur Anwendung der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB.
b) Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gemäß zu Lasten des Verwenders.
2. Bei einer unklaren Bezugnahmeklausel, die an sich eine Vergütung nach mehreren Tarifverträgen bzw. mehreren Entgeltsgruppen zulässt, ist die für den Kläger günstigste vertretbare Auslegung anzuwenden.
Normenkette
TVöD § 3 Abs. 3; BGB § 305 c Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 10.11.2009; Aktenzeichen 4 Ca 6223/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 2009 - 4 Ca 6223/09 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Festvergütung des Klägers. Dabei ist insbesondere die Auslegung einer vertraglichen Bezugnahmeklausel im Streit.
Der Kläger ist seit dem 01. Mai 1994 bei der beklagten Stadt als Leitender Arzt/Chefarzt der Neurochirurgischen Klinik und Ambulanz beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien liegt der Dienstvertrag vom 11. Mai 1994 (Ablichtung als Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 12 - 27 d.A.) zu Grunde, in welchem es - soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung - heißt:
"§ 1
Dienstverhältnis
(2) Das Dienstverhältnis ist bürgerlichrechtlicher Natur. Neben den Regelungen dieses Vertrages finden auf das Dienstverhältnis die §§ 6 bis 10, 13, 14, 18 Absatz 2 und 3, 36, 37 Absatz 1 und 2, 38, 47, 48, 52, 66 und 70 des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) vom 23.02.1961, die vom Krankenhausträger erlassenen Satzungen, Dienstanweisungen und Hausordnungen Anwendung; es gilt die jeweils gültige Fassung
§ 8
Vergütung im dienstlichen Aufgabenbereich
Der Arzt erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich eine Vergütung entsprechend der Vergütungsgruppe I BAT der Anlage 1a zum BAT (VKA), d.h. Grundvergütung nach § 27 BAT, Ortszuschlag nach Maßgabe des § 29 BAT, eine allgemeine Zulage sowie eine Zuwendung und ein Urlaubsgeld entsprechend der tariflichen Regelungen zum BAT in der jeweils gültigen Fassung.
Wird der BAT oder der maßgebende Vergütungstarif im Bereich der VKA durch einen anderen Tarifvertrag ersetzt, so tritt an die Stelle der vereinbarten BAT-Vergütungsgruppe die entsprechende Vergütungsgruppe des neuen Tarifvertrages unter Berücksichtigung etwaiger Überleitungsbestimmungen.
Bei § 8 des Dienstvertrags vom 11. Mai 1994 handelt es sich um eine Musterklausel, welche die Beklagte zur damaligen Zeit in allen Chefarztdienstverträgen verwendete. Die Beklagte erteilte dem Kläger eine Nebentätigkeitserlaubnis und räumte ihm das Recht zur Liquidation der gesondert berechenbaren wahlärztlichen Leistung ein. Aus dem Bereich der stationär betreuten Patienten erhielt der Kläger in den letzten drei Jahren Honorare in Höhe von knapp € 700.000,-.
Mit Wirkung zum 01. Oktober 2005 trat der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2005 in Kraft, vereinbart zwischen der A. und der B. einerseits und C. andererseits, sowie für den Bereich der Krankenhäuser, Pflege- und Betreuungseinrichtungen dessen Besonderer Teil Krankenhäuser (BT-K). Ebenfalls am 01. Oktober 2005 trat der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom 13. September 2005 in Kraft, vereinbart zwischen der B. einerseits und C. andererseits.
Durch den Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum TVöD-BT-K vom 01. August 2006, abgeschlossen zwischen der B. einerseits und C. andererseits, wurde der bisherige BT-K mit Wirkung zum 01. August 2006 aufgegliedert in den Besonderen Teil Krankenhäuser neuer Fassung und den Besonderen Teil Pflege- und Betreuungseineinrichtungen (BT-B). Ebenfalls traten rückwirkend zum 01. August 2006 der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) vom 17. August 2006 sowie der Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern in den TV-Ärzte/VKA und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Ärzte/VKA) vom 17. August 2006 in Kraft, vereinbart jeweils zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände einerseits und dem D. andererseits.
Am 01. Januar 2007 trat der landesbezirkliche Tarifvertrag, abgeschlossen zwischen dem D. und der Beklagten, in Kraft, welcher der Sanierung der Beklagten dienen soll und deshalb einzelne Abweichungen zum TV-Ärzte, u.a. ein ermäßigtes Entgelt, festlegt (Sanierungs-TV). Wegen der Regelungen des Sanierungs-TV wird auf Bl. 67 - 69 d.A. verwiesen.
Die Beklagte zahlte an den Kläger bis September 2005 ein...