Rz. 13
Gemäß der in Satz 3 geregelten Frist der nächsten 3 Lohn- und Gehaltszahlungen muss der Arbeitnehmer nicht damit rechnen, dass nach deren Ablauf noch selbst aufzubringende Anteile des Gesamtsozialversicherungsbeitrags von seinem Lohn oder Gehalt einbehalten werden, es sei denn, der Abzug ist ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden ist und dadurch ein Abzug der Arbeitnehmeranteile vom Lohn oder Gehalt nicht mehr möglich ist. Bei Satz 3 handelt es sich um eine Schutzvorschrift für den Beschäftigten; deshalb ist ein Beitragsabzug später als bei den 3 nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nur dann erlaubt, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist (BT-Drs. 11/2221 S. 24), wenngleich das Nachholverbot nicht den Schutz des Arbeitnehmers vor verspäteter Lohn- und Gehaltszahlung bezweckt (BSG, Urteil v. 29.6.2000, B 4 RA 57/98 R; BAG, Urteil v. 8.11.2006, 5 AZR 712/05; BAG, Urteil v. 1.2.2006, 5 AZR 395/05; LAG Düsseldorf, Urteil v. 26.7.2006, 12 Sa 357/06).
Rz. 14
Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn auch Arbeitsentgelt für die Vergangenheit gezahlt wird. Die Nachberechnung von Beiträgen ergibt sich in vielen Fällen dadurch, dass dem Arbeitnehmer durch arbeitsgerichtliches Urteil für die Vergangenheit ein erhöhter Lohn- oder Gehaltsanspruch zugebilligt wird. Auch kann durch einen schlichten Fehler des Arbeitgebers in der Vergangenheit ein zu niedriges Arbeitsentgelt gezahlt worden sein. Dieser Fehler wird durch Nachzahlung des Arbeitsentgelts an den Arbeitnehmer berichtigt. Demgemäß wird die Auffassung vertreten, dass der Arbeitgeber bei Nachzahlung von Arbeitsentgelt für abgelaufene Lohn- oder Gehaltszahlungszeiträume – unabhängig davon, wie lange diese zurückliegen – auch berechtigt ist, die auf die Nachzahlung entfallenden Arbeitnehmeranteile der Beiträge vom Arbeitsentgelt zu kürzen (BAG, Urteil v. 15.12.1993, 5 AZR 326/93).
Rz. 15
Da es sich beim Lohnabzug rechtstechnisch um eine Aufrechnung (§ 387 BGB) handelt (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 20.12.2022, L 2 BA 47/20; so wohl auch BAG, Urteil v. 18.12.2008, 8 AZR 105/08; vgl. aber BAG, Urteil v. 30.4.2008, 6 AZR 725/02) müssen beim nachträglichen Beitragsabzug die Pfändungsfreigrenzen des § 394 Satz 1 BGB eingehalten werden (BSG, Urteil v. 25.10.1990, 12 RK 27/89; BAG, Urteil v. 18.12.2008, 8 AZR 105/08; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 20.12.2022, L 2 BA 47/20; abweichend LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 23.2.2022, 25 Sa 1472/20).
Rz. 16
Der Ausgleich der Interessen der Versicherten und Versicherungsträger an einer vollständigen Beitragsfeststellung und -erhebung sowie dem Interesse der Arbeitgeber, nicht im Nachhinein mit unerwarteten Beitragsforderungen belastet zu werden, die sie mit Rücksicht auf § 28g Satz 3 häufig auch hinsichtlich des Versichertenanteils im Ergebnis wirtschaftlich zu tragen haben, erfolgt nach der gesetzlichen Konzeption dabei vorrangig über die Verjährungsregelungen. Diese Regelungen schützen gutgläubige Arbeitgeber vor Nachforderungen von Beiträgen, die nicht innerhalb der 4 zurückliegenden Kalenderjahre fällig geworden sind (so BSG, Urteil v. 15.12.2015, B 12 R 11/14 R).