Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung anderweitigen Verdienstes bei unwiderruflicher Freistellung von der Arbeitspflicht. Freistellung. Annahmeverzug. Auskunftsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Stellt der Insolvenzverwalter den Arbeitnehmer unwiderruflich von der Arbeitspflicht unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche frei, so hat er keinen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitnehmer über die Höhe des im Freistellungszeitraum anderweitig erzielten Arbeitsverdienstes, wenn er nicht die Anrechnung mit dem Arbeitnehmer vereinbart hat.
Leitsatz (redaktionell)
Hinweis der Geschäftsstelle
Das Bundesarbeitsgericht bittet, sämtliche Schriftsätze in 7facher Ausfertigung bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, § 615 Sätze 1-2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 19.07.2000; Aktenzeichen 10 Ca 10339/00) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Juli 2000 – 10 Ca 9705/00 – und 10 Ca 10339/00 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. Oktober 1999 bis zum 31. Oktober 1999 in Anspruch. Im Wege der Widerklage verlangt der Beklagte vom Kläger Auskunft über die Höhe des in diesem Zeitraum anderweit erzielten Arbeitsentgeltes.
Der Kläger war seit Oktober 1996 als Karosseriklempner im Betrieb der Gemeinschuldnerin tätig. Seine monatliche Vergütung betrug zuletzt 3.174,– DM brutto.
Die Gemeinschuldnerin kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 27. Juli 1999 zum 31. Oktober 1999 wegen Insolvenz und nochmals unter dem 25. August 1999 zum 30. September 1999. In beiden Schreiben, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (vgl. dazu die Schreiben in Kopie Bl. 26 und 27 d.A.), wurde der Kläger von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt, wobei die Freistellung unter dem 25. August 1999 „unwiderruflich unter Aufrechnung auf Urlaubsansprüche” erfolgte. Am 1. Oktober 1999 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet und der jetzige Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Eine weitere Kündigung erfolgte durch den Beklagten unter dem 1. Oktober 1999.
Am 16. Februar 2000 schlossen die Parteien im Kündigungsschutzverfahren zum Aktenzeichen 10 Ca 21890/99 des Arbeitsgerichts Berlin den folgenden Vergleich:
- Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Autohaus K. in W. GmbH und Herrn R. S. durch die Kündigung vom 27.7.1999 aus dringenden betriebsbedingten Gründen (insolvenzbedingte Betriebsstillegung) zum Ablauf des 31.10.1999 beendet worden ist.
- Der Insolvenzverwalter verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zum Kündigungstermin ordnungsgemäß abzurechnen und die Arbeitsentgeltansprüche nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen.
- Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.
Mit der dem Beklagten am 29. März 2000 zugestellten Klage hat der Kläger, der in diesem Zeitraum keine Sozialleistungen von dritter Seite erhalten hat, die einen Anspruchsübergang ausgelöst hätten, das Arbeitsentgelt für Oktober 1999 verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, dass aufgrund der bereits vorerfolgten Freistellung § 615 Satz 2 BGB nicht anzuwenden sei.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.174,– DM brutto zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen;
widerklagend,
den Kläger zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, ob und in welcher Höhe er im Zeitraum 1.10. bis 31.10.1999 Gehalt aus der Verwertung seiner Arbeitskraft erzielt hat.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers entgegengetreten und hat gemeint, der Kläger müsse sich anderweitigen Arbeitsverdienst anrechnen lassen, daher sei er auch zur Erteilung der mit der Widerklage geforderten Auskunft verpflichtet.
Das Arbeitsgericht Berlin hat der Klage unter Abweisung der Widerklage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger einen Anspruch auf Arbeitsentgelt gegen den Insolvenzverwalter aufgrund des bis zum 31. Oktober 1999 bestehenden Arbeitsverhältnisses habe. Eine Anrechnung von anderweitigem Verdienst für Oktober 1999 käme nicht in Betracht, da die Parteien in dem gerichtlichen Vergleich vom 16. Februar 2000 keine ausdrückliche Regelung über die Anrechnung anderweitigen Verdienstes getroffen hätten, obwohl zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses der in Frage kommende Zeitraum bereits abgelaufen gewesen sei. Im Zusammenhang mit der bereits zuvor von der Gemeinschuldnerin ausgesprochenen Freistellung von der Arbeitspflicht sei der Vergleich dahingehend auszulegen, dass sich der Kläger den anderweitigen Verdienst nicht auf die Gehaltszahlung durch den Beklagten anrechnen lassen müsse.
Wegen der konkreten Begründung und des weiteren erstinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf das Urteil des A...