Verfahrensgang

ArbG Cottbus (Urteil vom 09.10.1991; Aktenzeichen 2 Ca 1769/91)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 09. Oktober verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus – 2 Ca 1769/91 – wird auf Ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin war seit 1964 bei der Handelsorganisation (HO) und deren Rechtsnachfolgerin, der GLIG Handelsgesellschaft mbH in einer Verkauf stelle in S. beschäftigt. Seit dem 25. Januar 1991 war sie bei der Beklagten tätig, nachdem diese die Verkaufsstelle mit Wirkung vom gleichen Tag von der GLIG Handelsgesellschaft mbH durch Vertrag übernommen hatte. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung zum 30. Juni 1991.

Mit der Klage begehrt die Klägerin Zahlung einer Abfindung in rechnerisch unstreitiger Höhe. Sie stützt sich dabei auf den Tarifvertrag über die Qualifizierung und Milderung der wirtschaftlichen Nachteile im Zusammenhang mit der Privatisierung (GPH-TV). Dieser wurde von der Gewerkschaft, deren Mitglied die Klägerin ist und einer Gesellschaft zur Privatisierung des Handels mbH nach dem 25. Januar 1991 mit Wirkung ab den 01. Januar 1991 „für alle zur Gesellschaft gehörenden Unternehmen gem. Anlage im Rahmen rechtsgeschäftlich begründeter Tarifführerschaft geschlossen”. Zu den Unternehmen der Anlage zum TV gehört die GLIG Handelsgesellschaft mbH, nicht die Beklagte. Nach § 8 Abs. 1 GPH-TV erhalten u. a. alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nicht auf einen neuen Arbeitgeber übergeht und gekündigt wird, eine Abfindung in Höhe von 25% ihres tariflichen Bruttomonatseinkommens pro anrechnungsfähigem Beschäftigungsjahr. § 4 Abs. 2 GPH-TV verpflichtet den Betriebsübernehmer bei Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen zur Zahlung der Abfindung, die hätte gezahlt werden müssen, wenn der Betriebsübergang nicht stattgefunden hätte und der Arbeitnehmer gekündigt worden wäre.

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7332,– DM nebst 4% Zinsen seit den 01. Juli 1991 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt:

Die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es auf die fehlende Tarifbindung der Beklagten und darauf verwiesen, daß der GPH-TV erst nach Übergang des Betriebes auf die Beklagte abgeschlossen wurde. Die vereinbarte Rückwirkung führe nicht zur Zahlungspflicht der Beklagten. Für zurückliegende Zeiträume könne nur ein bei Tarifabschluß Tarif gebundener verpflichtet werden.

Gegen dieses der Klägerin am 04. November 1991 zugestellte Urteil hat sie mit einem am 04. Dezember 1991 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sie nach rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 04. Februar 1991 mit einem dort am gleichen Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie stützt sich zusätzlich auf § 2 des zwischen der GLIG-Handelsgesellschaft mbH und der Beklagten abgeschlossenen Übernahmevertrages. In ihm heißt es u. a.:

„Besitzstand der Arbeitnehmer

(1) Der neue Inhaber tritt gemäß § 613a Abs. 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus dem übergegangenen Arbeitsverhältnis ein.

(2) Er ist verpflichtet, die von den Arbeitnehmern bei der GLIG-Handelsgesellschaft mbH erbrachten Verdienstzeiten (Zeiten der Betriebszugehörigkeit) als bei ihm zurückgelegte Dienstzeiten anzuerkennen, soweit die Arbeitnehmer hierdurch vertragliche oder gesetzliche Ansprüche erworben haben …”

Die Klägerin meint, durch diese Vereinbarung habe die Beklagte die tarifvertraglichen Ansprüche auf Zahlung einer Abfindung in den zwischen ihr und der Klägerin bestehenden Einzelarbeitsvertrag eingefügt und anerkannt.

Die Klägerin beantragt:

Auf die Berufung der Klägerin das am 09. Oktober 1991 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus – 2 Ca 1769/91 – abzuändern und die Berufungsbeklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7332,– DM nebst 4% Zinsen seit dem 01. Juli 1991 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, mit der vertraglichen Verpflichtung der Beklagten, in die Rechte und Pflichten aus den übergegangenen Arbeitsverhältnis einzutreten, sei sie nicht verpflichtet worden, zukünftige tarifliche Regelungen zu übernehmen. Da Rechtsnormen des Kollektivrechts mit der Betriebsübergang nur noch als Individualrecht weitergelten, könnten nachträgliche Änderungen des Kollektivrechts nicht auf das nur noch einzelvertraglich geltenden Tarifrecht durchgreifen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt ihrer vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

A. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

B. In der Sache ist die Berufung erfolglos.

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann Ansprüche auf Zahlung einer Abfindung weder aus dem GPH-TV, noch aus dem Gesetz oder dem Übernahmevertrag herleiten.

1. Der GPH-TV gilt nicht Kraft Tarifbindung. Es fehlt die nach §§ 4 Abs. 1, 3 Abs. 1 TVG erforderliche b...

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