Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen: 10 AZR 258/02

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifauslegung. Geschlossene Abteilung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vollzugszulage nach § 6 TV Allg. Zulage steht Angestellten in geschlossenen Abteilungen oder Stationen bei Psychiatrischen Krankenanstalten für die Zeit ihrer überwiegenden Beschäftigung in diesem Bereich zu. Bei der Berechnung der Zeiten „in” einer geschlossenen Abteilung oder Station sind dabei alle Zeiten zu berücksichtigen, die der Angestellte (hier: Diplom-Sozialarbeiter) entweder auf der geschlossenen Station oder mit Probanden dieser Station außerhalb (z. B. in seinem Dienstzimmer) verbringt. Nicht zu berücksichtigen sind dagegen Zeiten für Tätigkeiten ohne persönlichen Kontakt mit Probanden, selbst wenn es sich dabei um Zusammenhangstätigkeiten (z. B. Verwaltungsarbeiten) handelt.

 

Normenkette

TV Allgemeine Zulage § 6

 

Verfahrensgang

ArbG Nienburg (Urteil vom 13.01.2000; Aktenzeichen 1 Ca 1072/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.01.2003; Aktenzeichen 10 AZR 258/02)

 

Tenor

Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 13.01.2000 – 1 Ca 1072/99 – wird zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Weitergewährung einer Vollzugszulage.

Der Kläger ist seit dem 20.05.1986 als Diplom-Sozialarbeiter beim beklagten Land im Niedersächsischen Landeskrankenhaus W. in der Fachabteilung B. beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) nebst diesen ergänzenden Tarifverträgen in der jeweiligen Fassung Anwendung. Mit Schreiben vom 04.08.1992 wurde dem Kläger die so genannte Vollzugszulage nach § 6 des Tarifvertrages über Zulagen an Angestellte (TV Allg. Zulage) in Höhe von 186,84 DM brutto zuerkannt. Diese Tarifbestimmung hat folgenden Wortlaut:

„Angestellte bei Justizvollzugseinrichtungen, in abgeschlossenen Vorführbereichen der Gerichte sowie in geschlossenen Abteilungen oder Stationen bei Psychiatrischen Krankenanstalten, die ausschließlich dem Vollzug von Maßregeln der Sicherung und Besserung dienen, erhalten für die Zeit ihrer überwiegenden Beschäftigung in diesen Einrichtungen, Bereichen bzw. Abteilungen oder Stationen eine Vollzugszulage.”

In der Fachabteilung des Krankenhauses in B. sind von insgesamt 200 Betten 75 Betten dem Maßregelvollzug nach § 64 StGB zugeordnet, der auf 4 Stationen durchgeführt wird. Der Kläger betreut die Patienten der geschlossenen Station 3 der forensischen Abteilung. Im Rahmen seiner Arbeit als Sozialarbeiter führt er Gruppen- und Einzelgespräche, erledigt Verwaltungsarbeiten, führt Hausbesuche von Angehörigen zur Vorbereitung der Entscheidung über Vollzugslockerungen durch und unternimmt in Einzelfällen Ausflüge mit Probanden. Die Einzelgespräche finden im Dienstzimmer des Klägers statt, das durch mehrere verschlossene Türen getrennt außerhalb der Station 3 liegt. Auf dem Weg zu den Gesprächen werden die Probanden begleitet und bewacht.

Der Kläger führte im Verlaufe des Rechtsstreits über seine einzelnen Tätigkeiten für die Dauer von vier Wochen (03.09. bis 28.09.2001) Protokolle, auf die das Gericht Bezug nimmt. Die Protokolle wurden täglich vom Chefarzt Dr. H. bzw. in dessen Vertretung von dem Oberarzt der Station 4 Dr. A. gegengezeichnet.

Inhaltlich differenzierte der Kläger bei den Eintragungen, die er in 5-Minuten-Schritten vornahm, zwischen folgenden Kategorien, wobei er sich über die Dokumentationsmethode und den Zeitraum mit dem Chefarzt Dr. H. abgestimmt hatte:

  • VT – Verwaltungstätigkeiten mit Patientenbezug (z. B. Stellungnahmen, Anträge, Dokumentationen)
  • AT – Aktivitäten außerhalb der Klinik (Begleitung bei Ausführung, Transport, Hausbesuch etc.)
  • PB – Patientenbesprechung (Team, Supervision, Frühbesprechung, Übergabe)
  • PK – Tätigkeit mit Patientenkontakt
  • gS – Tätigkeit auf der geschlossenen Station
  • B – Tätigkeit wird im eigenen Büro ausgeübt

Bei der Auswertung fasste der Kläger alle Tätigkeiten zusammen, die weder auf der geschlossenen Station noch mit Patientenkontakt erfolgten. Die sich danach ergebende Zeit von 2.680 Minuten stellte er der dokumentierten Gesamtarbeitszeit von 9.795 Minuten gegenüber. „Hilfsweise” rechnete er die Zeiten von insgesamt 1.980 Minuten heraus, die am 19.09. und am 20.09.2001 im Rahmen einer Fahrt in den Harz sowie am 25.09.2001 durch einen Patientenbesuch anfielen, so dass sich danach eine Relation von 7.815 zu 2.680 Minuten ergibt.

Mit Wirkung ab 01.09.1999 stellte das beklagte Land die Zahlung der Zulage ein, ohne dass sich der Arbeitsbereich geändert hätte. Mit Schreiben vom 26.08.1999 machte der Kläger seinen Anspruch auf Weitergewährung der Vollzugszulage geltend.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er erfülle unverändert die Voraussetzungen zur Zahlung der Vollzugszulage. An ihn würden durch den ständigen Umgang mit Straffälligen erhöhte Anforderungen gestellt, weil er seinen Dienst unter schwierigen äußeren und psychischen Bedingungen leisten müsse. Von ihm würde eine erhöhte Wachsam...

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