Vom Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn sind gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MiLoG auch Praktika ausgenommen, die begleitend zu einer Berufs- oder Hochschulausbildung durchgeführt werden. Ausbildungsbegleitende Praktika dienen dazu, praktische berufliche Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen zu den im Ausbildungsgang bzw. Studienfach erworbenen theoretischen Inhalten zu erwerben. Für das Vorliegen einer Ausbildungsbegleitung ist deshalb entscheidend, inwieweit die zu erwerbenden Fertigkeiten zu dem Ausbildungsgang/Studienfach passen und eine praktische Fortbildung darstellen. Ausbildungsbegleitend kann ein Praktikum zudem nur dann sein, wenn es während der Ausbildungs- bzw. Studiendauer erfolgt und sich zwischen dem Praktikum und dem Ausbildungsstadium des Praktikanten eine Verbindung herstellen lässt.
Wie Orientierungspraktika fallen auch ausbildungsbegleitende Praktika nur für einen Zeitraum von maximal 3 Monaten nicht unter das MiLoG (siehe hierzu Ziffer 1.3.4.2.2). Darüber hinaus setzt die Ausnahme vom Mindestlohn für begleitende Praktika voraus, dass der Praktikant nicht bereits zuvor ein Praktikantenverhältnis mit demselben Ausbildenden eingegangen ist. Aus dem Wortlaut der Norm geht hervor, dass nicht jedes vorangegangene Praktikumsverhältnis schädlich ist, sondern nur "ein solches Praktikumsverhältnis ….", d. h. ein die Berufs- oder Hochschulausbildung begleitendes Praktikum. Insofern sind Fallgestaltungen möglich, in denen andere Praktika, für die Anwendung der Nr. 3 unschädlich sind. Beispielsweise wäre denkbar, dass sich an ein Pflichtpraktikum gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG ein ausbildungsbegleitendes Praktikum nach § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MiLoG anschließt. Von der Mindestlohnausnahme des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MiLoG kann auch nach einem freiwilligen Orientierungspraktikum i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 MiLoG Gebrauch gemacht werden (siehe hierzu Ziffer 1.3.4.2.2).
Das Gesetz legt nicht eindeutig fest, für welchen Zeitraum das Vorbeschäftigungsverbot gilt. Insbesondere ist fraglich, ob das Tatbestandsmerkmal ‹zuvor› als zeitlich uneingeschränktes sog. Anschlussverbot für ein 2. begleitendes Praktikum bei demselben Arbeitgeber zu verstehen ist und damit mehrere studien- bzw. ausbildungsbegleitende Praktika beim selben Arbeitgeber auch bei erheblichem zeitlichen Abstand zwischen den Praktika ausgeschlossen sind. Gegen ein solches Verständnis spricht der Zweck der Regelung. Dieser besteht darin, zu verhindern, dass die in § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MiLoG vorgesehene Ausnahme vom Mindestlohn zu aneinandergereihten Praktika, in denen fast gar nichts bezahlt wird, missbraucht wird. Zur Verwirklichung dieses Zwecks bedarf es jedoch keines lebenslangen Anschlussverbots. Insofern erscheint es nicht abwegig, diesbezüglich die neue Rechtsprechung des BAG zu § 14 Abs. 2 TzBfG heranzuziehen, wonach das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar sein kann, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. So gesehen könnte ein früheres die Berufs- oder Hochschulausbildung begleitendes Praktikum mit demselben Praktikumsgeber der Ausnahmeregelung nicht entgegenstehen, wenn dieses schon sehr lange zurückliegt oder seinerzeit nur sehr kurz angedauert hat.
Bis zur rechtlichen Klärung der Frage, wie das Anschlussverbot des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 MiLoG zu interpretieren ist, sollte der Praktikant danach gefragt werden, ob er schon jemals zuvor für den Arbeitgeber tätig war. Ist dies der Fall, sollte zur Vermeidung eines Rechtsrisikos ‹nicht zuvor› als ‹niemals zuvor› ausgelegt werden.