Die seit den späten 60er Jahren vor allem in zahlreichen Verwaltungen und Behörden der Bundesrepublik eingeführte gleitende Arbeitszeit enthält bereits einige grundlegende Regelungselemente, die auch für eine Weiterentwicklung in Richtung zu mehr Flexibilität unabdingbar sind:
- Für jeden Mitarbeiter wird ein Zeitkonto geführt, auf dem Schwankungen der geleisteten regelmäßigen Arbeitszeit sich im Zeitverlauf ausgleichen.
- Jeder Mitarbeiter enthält ein gleich bleibendes Monatsentgelt, unabhängig von der im jeweiligen Monat tatsächlich geleisteten Arbeitszeit.
- Es wird ein Zeitrahmen festgelegt, innerhalb dessen die individuelle Regelarbeitszeit hinsichtlich ihrer Dauer, Lage und Verteilung frei bestimmt werden kann.
- Die individuell geleisteten Arbeitszeiten werden auch individuell erfasst, sei es durch Selbstaufschreibung, Stechuhren, Zeitzähler oder elektronischem Zeiterfassungssystem.
Bei Einführung der Gleitzeit ging es den Einrichtungen und Betrieben hauptsächlich darum, den Mitarbeitern angesichts der teilweise äußerst angespannten Arbeitsmarktlage attraktive Arbeitszeitbedingungen zu bieten. Die Flexibilität der Arbeitszeit wurde als ein Zugeständnis an den Mitarbeiter betrachtet. Die betrieblichen Flexibilitätserfordernisse blieben dagegen in den meisten Gleitzeitvereinbarungen weitgehend unerwähnt.
Inzwischen haben sich die Anforderungen an Gleitzeitsysteme wie auch an flexible Arbeitszeitsysteme grundlegend gewandelt. Im Vordergrund steht nunmehr die beiderseits interessengerechte Nutzung zeitlicher Flexibilitätsspielräume durch Mitarbeiter und Betrieb. Neu gegenüber "herkömmlichen" Gleitzeitsystemen ist also vor allem, dass auch betriebliche Flexibilitätserfordernisse mithilfe der Gleitzeit bewältigt werden sollen. Hierbei stellt sich zunehmend das Problem, dass tarifvertragliche Arbeitszeitverkürzungen mit dem betrieblichen Erfordernis einer mindestens gleich bleibenden, möglicherweise aber auch längeren zeitlichen Ansprechbarkeit zumindest in patienten- bzw. bürgernahen Funktionen zusammentreffen. Hier ist eine Entkoppelung von Betriebszeit und Arbeitszeit erforderlich. Dies bedingt wiederum die Entkoppelung von Person und (zu besetzender) Funktion. Rein personenbezogene Kernzeitregelungen reichen zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten Ansprechbarkeit der jeweiligen Funktionen oftmals nicht mehr aus.
Bei einer Weiterentwicklung herkömmlicher Gleitzeitregelungen in Richtung verlängerter Ansprechzeiten und größerer Kapazitätsorientierung der Arbeitszeitflexibilität stoßen die herkömmlichen Gleitzeitsysteme sehr schnell an ihre Grenzen, da sie erhebliche Restriktionen beinhalten, die überflüssig und bezogen auf die neue Zielsetzung hinderlich sind.
Beispiele für Restriktionen bei herkömmlichen Gleitzeitkonten sind:
Freie Tage auf Zeitkonto
Freie Tage auf Zeitkonto sind bei herkömmlichen Gleitzeitvereinbarungen in aller Regel nur bei positivem Gleitzeitsaldo möglich. Das bedeutet: Der Mitarbeiter muss auf seinem Gleitzeitkonto erst einige Stunden "erarbeitet" haben, bevor ein "Gleittag" genommen werden darf. Dadurch wird das Ansparen von Zeitguthaben zum Hauptinteresse der Mitarbeiter.
Übertragung von Zeitguthaben
Die übliche Regel, eine Übertragung von Zeitguthaben auf den Folgemonat nur bis zu einem bestimmten Höchstwert zuzulassen (meist 10 Stunden), schränkt die betrieblichen Flexibilitätsspielräume ein. Ein Effekt solcher Regelungen ist, dass zum Monatsende Mitarbeiter, die schon einige Guthabenstunden auf dem Zeitkonto haben, kaum mehr zu Zusatzarbeit (beispielsweise zu Vertretung erkrankter Kollegen) bereit sein werden, sie müssten ja dem Betrieb Arbeitsstunden schenken. Der unerwünschte Ausweg besteht in der Anordnung von Überstunden, die auf einem extra Überstundenkonto verrechnet werden und damit nicht der Übertragbarkeitsbegrenzung unterliegen.
Übertragung von Zeitschulden
Meist dürfen Zeitschulden ab einer bestimmten Grenze (selten mehr, oft weniger als 10 Stunden) nicht mehr in den Folgemonat übertragen werden, vielmehr führen sie zu Entgeltabzügen. Dies führt dazu, dass die Mitarbeiter immer ein gewisses Zeitguthaben vorhalten – auch wenn einmal weniger zu tun ist.
Lange Kernzeiten
Lange Kernzeiten erschweren das stundenweise Abbummeln von Zeitguthaben in Form von auch für die Mitarbeiter attraktiven mehrstündigen Freizeitblöcken (z. B. als halbe freie Tage). Gleichzeitig erzwingen lange Kernzeiten die Anwesenheit jedes einzelnen Mitarbeiters auch dann, wenn u. U. eine teilweise Besetzung der jeweiligen Funktion genügen würde. Und schließlich behindert eine lange Kernzeitspanne Gruppenabsprachen zur Sicherstellung einer verbesserten Ansprechbarkeit der jeweiligen Funktionen – etwa am späten (Freitag-)Nachmittag.
Überfrachtung der Kernzeiten
Da die Gleitzeitspannen "dem Arbeitnehmer gehören", der Arbeitgeber also insoweit kein Direktionsrecht hat, verlagert sich die betrieblich notwendige interne Kommunikation – z. B. die Abhaltung von Besprechungen – in die Kernzeit. Damit ist aber die Ansprechbarkeit...