Leitsatz (redaktionell)
I.
1. Ein Anspruch eines Arbeitnehmers auf Entfernung eines Abmahnungsschreibens aus seiner Personalakte ist regelmäßig verwirkt, wenn der Arbeitnehmer diesen Anspruch nicht innerhalb eines halben Jahres geltend gemacht hat.
2. Dem Arbeitnehmer ist es nach Treu und Glauben verwehrt, die in einem Abmahnungsschreiben enthaltenen Tatsachenangaben zu bestreiten, sofern er nicht innerhalb der Verwirkungsfrist von regelmäßig einem halben Jahr entweder den Entfernungsanspruch geltend gemacht oder eine Gegendarstellung zu dem im Abmahnungsschreiben enthaltenen Sachverhalt abgegeben hat.
3. An im Abmahnungsschreiben enthaltene bloße Schlußfolgerungen und Wertungen des Arbeitgebers ist der Arbeitnehmer nie gebunden.
4. Die Verwirkung ist von amtswegen zu berücksichtigen.
II.
1. Es besteht grundsätzlich kein Erfahrungssatz dahingehend, daß ein fehlerhaftes Arbeiten organisationsmäßig nachgeordneter Arbeitnehmer in zahlreichen Fällen typischerweise darauf zurückzuführen ist, daß der unmittelbare Vorgesetzte seine diesbezügliche Aufsichts-, Belehrungs- und Überwachungspflichten gegenüber den Arbeitnehmern objektiv versäumt hat (kein Anscheinsbeweis). Ein solcher Geschehensablauf ergibt auch keine so starke tatsächliche Vermutung, daß er für sich allein im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung weitere Beweise für solche Unterlassungen des Vorgesetzten überflüssig macht (keine sogenannte verkürzte Beweislast).
2. Weder die arbeitsvertragliche Pflicht eines Vorgesetzten, zur Aufklärung der Ursachen von Fehlern seiner nachgeordneten Mitarbeiter beizutragen, noch seine prinzipielle Verantwortlichkeit für ein ordnungsgemäßes Arbeiten seiner nachgeordneten Mitarbeiter lassen einen sogenannten Gefahrenkreis des Vorgesetzten entstehen, der es gerechtfertigt erscheinen ließe, vom Vorgesetzten in dessen Kündigungsschutzprozeß zu verlangen, er müsse dartun oder gar beweisen, daß er die festgestellten Fehler der ihm nachgeordneten Arbeitnehmer nicht zu vertreten hat, indem er seine diesbezügliche Aufsichts-, Belehrungs- und Überwachungspflichten gegenüber diesen Arbeitnehmern erfüllt hat.
Normenkette
BGB §§ 242, 286-287, 1004; KSchG § 1 Abs. 2 Fassung 1969-08-25
Fundstellen
DB 1985, 1140-1140 (LT1-4) |
DB 1985, 927-927 (L2) |
AiB 1991, 386 (L1) |
ARST 1985, 125-125 (L1-4) |
ARST 1985, 158-158 (T) |
ArbuR 1985, 291-291 (L1-3) |