Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung eines Angestellten. Anwendbarkeit des BAT-O
Leitsatz (redaktionell)
Ersetzung der wegen Anwendung der unrichtigen Vergütungsordnung verweigerten Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung eines Angestellten; Anwendung des BAT-O in privatrechtlich organisierter Forschungseinrichtung auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsstätte in Ostberlin liegt; Gleichbehandlungsgrundsatz und unterschiedliche Vergütung von Arbeitnehmern in Westberlin und Ostberlin; Anschluß an BAG Urteil vom 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 2 Nrn. 1, 4, § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
LAG Berlin (Beschluss vom 29.03.1994; Aktenzeichen 5 TaBV 3/93) |
ArbG Berlin (Beschluss vom 06.05.1993; Aktenzeichen 73 BV 102/93) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 29. März 1994 – 5 TaBV 3/93 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die für die Eingruppierung eines Arbeitnehmers maßgebliche Vergütungsordnung.
Die Arbeitgeberin ist eine in der Rechts form einer GmbH betriebene Forschungseinrichtung, die ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. Ihre Gesellschafter sind die Bundesrepublik Deutschland und das Land Berlin. Die Arbeitgeberin wendet aufgrund eines von ihrer Rechtsvorgängerin abgeschlossenen und fortgeltenden Haustarifvertrages vom 10. Juni 1966 (TVAng HHI) die für den öffentlichen Dienst geltenden Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) an.
Am 24. September 1990 schlossen die Arbeitgeberin und weitere Forschungseinrichtungen mit der Gewerkschaft ÖTV und mit der DAG einen Tarifvertrag über den Geltungsbereich von Tarifverträgen für institutionell geförderte Forschungseinrichtungen (Nichtanwendungstarifvertrag – NATV), dessen einziger Paragraph lautete:
Die zwischen den Tarifvertragsparteien abgeschlossenen Tarifverträge finden auf Angestellte, Arbeiter und zu ihrer Ausbildung Beschäftigte im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik (einschließlich Berlin-Ost) auch nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland bis auf weiteres keine Anwendung.
Anfang 1992 stellte die Arbeitgeberin für eine im ehemaligen Ostteil Berlins neueingerichtete Betriebsstätte mehrere Arbeitnehmer ein, u.a. den Angestellten H.. Sie vereinbarte mit H. wie auch mit den anderen Arbeitnehmern (ausgenommen zwei) die Anwendung des BAT-O, in dessen VergGr. II a H. eingruppiert wurde. Der Betriebsrat stimmte zwar den Einstellungen zu, widersprach aber den Eingruppierungen mit Schreiben vom 23. Dezember 1991, in dem es u.a. hieß:
Der Betriebsrat hat in seiner Sitzung am 20. Dezember 1991 der Eingruppierung von … gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG widersprochen, da diese gegen den für das HHI gültigen Haustarifvertrag verstößt, in dem vereinbart ist, den BAT (West) mit einigen Abänderungen anzuwenden. Eine Eingruppierung nach dem BAT (Ost) entgegen dem für das HHI geltenden Tarifvertrag würde darüber hinaus die Einführung neuer Vergütungsgrundsätze im HHI bedeuten, ohne daß mit dem Betriebsrat darüber nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG Einvernehmen erzielt worden wäre; eine solche Eingruppierung würde folglich gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen.
Ein weiterer Widerspruchsgrund ergibt sich aus § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG, da kein betrieblicher oder persönlicher Grund erkennbar ist, weshalb … gegenüber den übrigen Mitarbeitern/innen des HHI durch Zahlung einer niedrigeren Vergütung benachteiligt werden soll.
Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, die Eingruppierung des Angestellten H. verstoße nicht gegen den TVAng HHI. Aufgrund des NATV finde dieser keine Anwendung, da der Arbeitsort H. im Beitrittsgebiet liege. Maßgebliche Vergütungsordnung sei der von ihr auf die Betriebsstätte im Beitrittsgebiet angewandte BAT-O. Wenn man in dieser Vergütungspraxis die Einführung eines mitbestimmungspflichtigen neuen Entlohnungsgrundsatzes sähe, läge in einer eventuellen Verletzung des Mitbestimmungsrechts gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG dennoch kein Gesetzesverstoß im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Ein solcher Verstoß setze voraus, daß das Gesetz gerade der personellen Einzelmaßnahme entgegenstehe. Tatsächlich sei es aber auch gar nicht zu einer Änderung der Entlohnungsgrundsätze gekommen. Sie habe schon immer ihre Angestellten nach der Vergütungsordnung der Angestellten des Bundes entlohnt. Diesen Grundsatz befolge sie auch mit der Anwendung des BAT-O auf die Arbeitsverhältnisse derjenigen Angestellten, deren Arbeitsstätte im Beitrittsgebiet liege. Der räumliche Geltungsbereich des BAT-O bestimme sich nach dem Ort, an dem die Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung auf Dauer zu erbringen hätten. Die daraus folgenden Unterschiede der Vergütung verletzten auch nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Angestellten H. in die Gehaltsgruppe II a des BAT-O zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, maßgebliche Vergütungsordnung für die Eingruppierung des Angestellten sei die des BAT. Er habe der Einführung der Vergütungsordnung des BAT-O nicht zugestimmt. Einen Vergütungsgrundsatz, die eigenen Arbeitnehmer „spiegelbildlich” wie diejenigen des öffentlichen Dienstes des Bundes zu behandeln, gebe es bei der Arbeitgeberin nicht. Im übrigen sei auch dieser Grundsatz nicht eingehalten. Die betroffenen Arbeitnehmer seien nämlich vom Anwendungsbereich des BAT-O nicht erfaßt, da ihre Arbeitsverhältnisse nicht im Ostteil Berlins „begründet worden” seien. Maßgeblich sei insoweit der Sitz der Arbeitgeberin in Westberlin. Die Arbeitnehmer verrichteten ihre Tätigkeit nur in einer räumlich abgeteilten Arbeitsstätte, nicht aber in einer selbständigen organisatorischen Untergliederung. Die unterschiedliche Vergütung der Arbeitnehmer in Westberlin und Ostberlin verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihm auf die Beschwerde der Arbeitgeberin stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht hat die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers H. zu Recht ersetzt. Die Gehaltsgruppenordnung des BAT-O ist die für H. maßgebliche Vergütungsordnung (I). Die Eingruppierung verletzt nicht den Gleichbehandlungsgrundsatz (II).
I. Die umstrittene Eingruppierung verstößt nicht gegen eine Bestimmung im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.
1. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Eingruppierung des Arbeitnehmers ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats als Mitbeurteilungsrecht und nicht als Mitgestaltungsrecht zu verstehen. Die Eingruppierung des Arbeitnehmers in eine im Betrieb angewandte Lohn- oder Gehaltsgruppenordnung ist regelmäßig keine konstitutive Maßnahme, sondern ein Akt der Rechtsanwendung. Die Beteiligung des Betriebsrats soll sicherstellen, daß diese Rechtsanwendung möglichst zutreffend erfolgt. Sie dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der Lohn- und Gehaltsgruppenordnung in gleichen und vergleichbaren Fällen, damit der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit und der Transparenz der im Betrieb vorgenommenen Eingruppierungen (Senatsbeschluß vom 9. Februar 1993 – 1 ABR 51/92 – AP Nr. 103 zu § 99 BetrVG 1972; Senatsbeschluß vom 27. Juli 1993 – 1 ABR 11/93 – AP Nr. 110 zu § 99 BetrVG 1972). Nicht entscheidend ist es, ob diese Vergütungsordnung kraft Tarifbindung wirkt, auf einer Betriebsvereinbarung beruht, aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung im Betrieb allgemein zur Anwendung kommt oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen wurde (Senatsbeschluß vom 23. November 1993 – 1 ABR 34/93 – AP Nr. 111 zu § 99 BetrVG 1972).
Das Mitbeurteilungsrecht beschränkt sich nicht auf die Frage, ob die vom Arbeitgeber vorgenommene Bewertung der Tätigkeit der von ihm zugrunde gelegten Vergütungsordnung entspricht. Der Betriebsrat darf auch prüfen, ob die vom Arbeitgeber angewandte Ordnung überhaupt für die Eingruppierung des Arbeitnehmers maßgeblich ist, ob der Arbeitgeber also den richtigen Tarifvertrag angewandt hat (Senatsbeschluß vom 27. Januar 1987 – 1 ABR 66/85 – AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972).
2. Von diesen Grundsätzen ausgehend ist die Eingruppierung der Arbeitgeberin nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß es sich bei der Vergütungsordnung des BAT-O um die für H. maßgebliche Vergütungsordnung handelt.
a) Mit der Anwendung des BAT-O verstößt die Arbeitgeberin nicht gegen eine tarifliche Regelung.
aa) Nach dem TVAng HHI gilt für die Betriebe der Arbeitgeberin zwar grundsätzlich die Gehaltsgruppenordnung des BAT. Durch den Nichtanwendungstarifvertrag (NATV) vom 24. September 1990 ist der räumliche Anwendungsbereich des TVAng HHI jedoch beschränkt worden. Er findet keine Anwendung auf Arbeitnehmer der Arbeitgeberin im Gebiet der ehemaligen DDR einschließlich Ostberlins. H. ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für eine Tätigkeit in einer in Ostberlin gelegenen Betriebsstätte eingestellt worden. Dort ist er ausschließlich und auf Dauer beschäftigt. Damit arbeitet er in dem von der Tarifgeltung ausgenommenen Gebiet.
Eine solche Beschränkung des Geltungsbereichs eines Tarifvertrages ist zulässig. Die Tarifvertragsparteien können dabei auch an die Arbeitsstätte oder die Betriebsstätte anknüpfen (vgl. etwa Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 256, 258; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rz 27 ff. – beide m.N.). Zwar wird gerade beim Firmentarifvertrag der räumliche Geltungsbereich sich regelmäßig auf alle zum Unternehmen gehörenden Betriebe erstrecken. Die Tarifvertragsparteien sind aber auch hier grundsätzlich frei, den Anwendungsbereich räumlich oder nach anderen Kriterien zu begrenzen (vgl. Däubler, a.a.O., Rz 254). Das ist für den vorliegenden Fall schon deshalb unbedenklich, weil der NATV nicht zu einer Einschränkung, sondern nur dazu geführt hat, daß die Tarifgeltung nicht automatisch auf hinzukommende Betriebe oder Betriebsteile erweitert wurde und damit einen Bereich mit ganz anderen Rahmenbedingungen erfaßt hätte, an dessen Einbeziehung bei Abschluß des TVAng HHI niemand denken konnte. Für solche Fallgestaltungen wird sogar generell eine einschränkende Auslegung dahin erwogen, daß sich vor dem Beitritt abgeschlossene Firmentarifverträge im Zweifel nicht auf neuerworbene Betriebe oder Betriebsteile im Beitrittsgebiet erstrecken (vgl. Däubler, a.a.O., Rz 1774; Gaul, BB 1990, Beilage 37, S. 29, 30).
bb) Das „Einfrieren” des Geltungsbereichs bedeutet, daß grundsätzlich alle Arbeitsstätten in dem Beitrittsgebiet von der Anwendung ausgenommen werden und nicht nur solche, die einen eigenständigen Betrieb bilden. Dies entspricht dem erkennbaren Sinn des NATV. Wegen der unterschiedlichen Wirtschaftsbedingungen sollen die dem öffentlichen Dienst des Bundes entsprechenden Tarifbedingungen vorläufig nicht angewandt werden, soweit die Arbeitsverhältnisse im Beitrittsgebiet vollzogen werden. Im Ergebnis wird damit die im Einigungsvertrag in Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 1 enthaltene Regelung genutzt, wonach die Erstreckung tariflicher Arbeitsbedingungen des öffentlichen Dienstes auf das Beitrittsgebiet von einer ausdrücklichen Vereinbarung der Tarifvertragsparteien abhängig ist.
cc) Der Arbeitsplatz H. liegt in Ostberlin. Zwar hat das Landesarbeitsgericht keine näheren Feststellungen zum Grad der organisatorischen Selbständigkeit dieser Betriebsstätte getroffen. Es steht aber fest, daß es sich um neueingerichtete Arbeitsplätze handelt und die betroffenen Arbeitnehmer ausschließlich dort arbeiten, also ausschließlich in dem Bereich, dessen Besonderheiten die Beschränkung des Tarifvertrages Rechnung tragen sollte. Es liegt kein Fall sog. „Außenarbeiten” vor, bei denen der Arbeitnehmer die Tätigkeit außerhalb des Stammbetriebes erbringt (wie etwa ein Monteur oder ein angestellter Außendienstmitarbeiter) und die Vergütungsgrundsätze des Stammbetriebes gleichsam „ausstrahlen” (vgl. dazu etwa Däubler, a.a.O., Rz 257).
Beide Vorinstanzen sind daher zu Recht davon ausgegangen, daß der TVAng HHI die in Ostberlin bestehende Einrichtung der Arbeitgeberin nicht erfaßt.
b) Das Landesarbeitsgericht hat weiter angenommen, mit der Anwendung des BAT-O habe die Arbeitgeberin keinen neuen Vergütungsgrundsatz eingeführt. Dem ist gleichfalls zu folgen.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die Arbeitgeberin habe schon immer den Grundsatz angewandt, daß ihre Arbeitnehmer nicht nur nach dem BAT (vermittelt durch den TVAng HHI), sondern darüber hinaus faktisch immer so zu vergüten seien wie entsprechende Angestellte des öffentlichen Dienstes. Die allgemein bei der Arbeitgeberin angewendeten Entlohnungsgrundsätze bedeuteten, daß sich die Vergütung stets nach der Vergütung der Angestellten im öffentlichen Dienst zu richten habe. Folgerichtig habe die Arbeitgeberin auch den sog. Absenkungserlaß angewandt (vgl. dazu BAG Beschluß vom 3. Dezember 1985 – 4 ABR 7/85 –, BAGE 50, 277 = AP Nr. 1 zu § 74 BAT).
Die der rechtlichen Beurteilung des Landesarbeitsgerichts zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen sind von der Rechtsbeschwerde mit Verfahrensrügen nicht angegriffen worden. Die Rechtsbeschwerde rügt lediglich, es sei unklar, wie das Landesarbeitsgericht zu seinen Feststellungen gelangt sei. Dies ist jedoch keine ordnungsgemäße Verfahrensrüge.
Auch die rechtliche Würdigung der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat ausdrücklich darauf abgestellt, daß die Arbeitgeberin nicht nur den TVAng HHI befolgt, also den dort in Bezug genommenen BAT angewandt hat, sondern daß die Angestellten ganz allgemein spiegelbildlich wie entsprechende Angestellte des öffentlichen Dienstes behandelt wurden. Daß dies nicht nur deshalb geschah, weil der Tarifvertrag ohnehin alle Vergütungsfragen abschließend regelt und für einen verallgemeinernden Grundsatz gar kein Raum blieb, belegt das Landesarbeitsgericht damit, daß die Arbeitgeberin nach der Teilkündigung der Vergütungsordnung des BAT den Absenkungserlaß anwandte, obwohl er nicht durch den TVAng HHI in Bezug genommen war (vgl. BAG Beschluß vom 3. Dezember 1985, a.a.O.).
In dem Grundsatz, die eigenen Angestellten immer wie die entsprechenden Angestellten des öffentlichen Dienstes zu vergüten, ist ein allgemeiner, abstrakt geltender Entlohnungsgrundsatz im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu sehen (BAG Beschluß vom 3. Dezember 1985 – 4 ABR 60/85 –, BAGE 50, 258 = AP Nr. 2 zu § 74 BAT; vgl. auch BAG Beschluß vom 27. Januar 1987 – 1 ABR 66/85 – AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972, zu B III 2 b der Gründe). Die Bedenken des Betriebsrats gegen die betriebsverfassungsrechtlichen Folgen sind nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht weist zu Recht darauf hin, daß es dem Betriebsrat offensteht, im Rahmen seines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG die Beschränkung oder die Einführung eines anderen Entlohnungsgrundsatzes zu initiieren. Sein Mitbestimmungsrecht wird nicht ausgeschaltet.
bb) Ist danach von einem betrieblichen Entlohnungsgrundsatz auszugehen, die Angestellten wie entsprechende Angestellte des öffentlichen Dienstes des Bundes zu vergüten, liegt in der Anwendung des BAT-O keine Abweichung. Das Landesarbeitsgericht hat nämlich zu Recht angenommen, daß auch für vergleichbare Angestellte des Bundes der BAT-O gegolten hätte, da das Arbeitsverhältnis dann ebenfalls im Sinne des § 1 Abs. 1 BAT-O im Beitrittsgebiet „begründet” worden wäre.
Wie der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden hat, ist das Arbeitsverhältnis dann im Beitrittsgebiet begründet, wenn es dazu in räumlichem Bezug steht. Wird ein Arbeitnehmer für eine Tätigkeit im Beitrittsgebiet eingestellt und dort auf unbestimmte Zeit beschäftigt, ist dieser Bezug gegeben. Auf Ort und Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses kommt es nicht an, ebensowenig darauf, ob die Beschäftigungsdienststelle ihren Sitz im Beitrittsgebiet hat (BAG Urteil vom 24. Februar 1994 – 6 AZR 588/93 – AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O, zur Veröffentlichung auch in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Urteile vom 24. Februar 1994 – 6 AZR 968/93 und 6 AZR 14/94 –, beide n.v.; zuletzt bestätigt durch Urteil vom 6. Oktober 1994 – 6 AZR 324/94 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Dem schließt sich der Senat an. Die Regelung des BAT-O ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß nach dem Einigungsvertrag die Erstreckung der tariflichen Arbeitsbedingungen des öffentlichen Dienstes auf das Beitrittsgebiet von einer ausdrücklichen Vereinbarung der Tarifvertragsparteien abhängig sein sollte. Dadurch wurde den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit eröffnet, durch abweichende Tarifregelungen den Unterschieden der wirtschaftlichen Verhältnisse in den alten und neuen Bundesländern vorübergehend Rechnung zu tragen. Danach kann es für die Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs folgerichtig nicht auf den Sitz der Dienststelle, sondern nur auf den Ort ankommen, an dem die Arbeitsleistung auf Dauer zu erbringen ist (BAG Urteil vom 24. Februar 1994 – 6 AZR 968/93 –, zu II 2 der Gründe).
cc) Das Arbeitsverhältnis H. ist in diesem Sinne gem. § 1 Abs. 1 BAT-O im Beitrittsgebiet begründet worden. H. wurde ausschließlich für eine Tätigkeit in der von der Arbeitgeberin in Ostberlin neueingerichteten Betriebsstätte eingestellt, er wird auch ausschließlich dort beschäftigt. Seine Arbeitsleistung erbringt er also im Beitrittsgebiet. Als Angestellter des öffentlichen Dienstes wäre er vom Geltungsbereich des BAT-O erfaßt worden. Mit seiner Eingruppierung in die Gehaltsgruppenordnung des BAT-O wahrt die Arbeitgeberin demnach den von ihr nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts schon immer praktizierten Vergütungsgrundsatz, ihre Angestellten vergütungsmäßig so zu behandeln wie vergleichbare Angestellte des öffentlichen Dienstes des Bundes.
II. Durch die Anwendung der Gehaltsregelung des BAT-O wird der Arbeitnehmer H. nicht im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG benachteiligt, ohne daß dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt wäre. Der Betriebsrat macht zu Unrecht einen Verstoß der Arbeitgeberin gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz geltend. Ein solcher Verstoß kann zwar eine Benachteiligung im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG darstellen (Senatsbeschluß vom 6. Oktober 1978 – 1 ABR 51/77 – AP Nr. 10 zu § 99 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 3. Dezember 1985 – 4 ABR 7/85 –, BAGE 50, 277 = AP Nr. 1 zu § 74 BAT). Die Anwendung des BAT-O ist aber nicht gleichheitswidrig.
1. Der arbeitsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung verbietet nach ständiger Rechtsprechung sowohl die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung zwischen Arbeitnehmern in einer bestimmten Ordnung. Eine Gruppenbildung muß sachlichen Kriterien entsprechen. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt (ständige Rechtsprechung vgl. zuletzt BAG Urteil vom 15. November 1994 – 5 AZR 682/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, m.w.N.). Im Bereich der Arbeitsvergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Anders ist dies jedoch, wenn der Arbeitgeber Vergütung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip, einer abstrakten Regelung gewährt. Von einer solchen Regelung darf er wiederum nur bei sachlichen Gründen abweichen (vgl. etwa BAG Urteil vom 27. Juli 1988 – 5 AZR 244/87 – AP Nr. 83 zu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAG Urteil vom 15. November 1994 – 5 AZR 682/93 –, beide m.w.N.).
Die Arbeitgeberin vergütet H. wie die anderen Arbeitnehmer in der Arbeitsstätte in Ostberlin nach den niedrigeren Vergütungssätzen des BAT-O. Sie behandelt diese damit ungleich im Verhältnis zu den im alten Bundesgebiet beschäftigten Arbeitnehmern, die die höhere Vergütung nach dem BAT erhalten. Für die abweichende Behandlung bestehen jedoch sachliche Gründe, nämlich die unterschiedlichen Wirtschaftsbedingungen in den alten Bundesländern und dem Beitrittsgebiet. Unter Berücksichtigung der gänzlich verschiedenen Wirtschaftsstrukturen im Zeitpunkt des Beitritts sowie der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen und Lebenshaltungskosten ist es nicht sachlich ungerechtfertigt, für eine Übergangszeit Vergütungsabschläge vorzusehen. Auf dieser Überlegung beruht die Beschränkung des Anwendungsbereichs des TVAng HHI durch den NATV ebenso wie die Regelung des BAT-O. Auch der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat in seiner Entscheidung vom 24. Februar 1994 (– 6 AZR 588/93 – AP Nr. 1 zu § 1 BAT-O, zu II 3 der Gründe) angenommen, daß es nicht sachwidrig ist und nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, wenn den auseinanderklaffenden Grundbedingungen in den alten und neuen Bundesländern für eine Übergangszeit durch unterschiedliche Tarifregelungen Rechnung getragen wird. Diese Wertung entspricht auch der Regelung des Einigungsvertrages. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß sich die Differenz zwischen den Vergütungsgruppen kontinuierlich verringert, wie die Tarifentwicklung zeigt (von ursprünglich 60 % des jeweiligen Westgehalts über 70 % ab 1. Juni 1992, 74 % ab 1. Dezember 1992, 80 % ab 1. Juli 1993, 82 % ab 1. Oktober 1994 auf 84 % ab 1. Oktober 1995).
2. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, daß zwei Arbeitnehmer in der Arbeitsstätte in Ostberlin Vergütung nach den Gehaltssätzen des BAT erhalten. Diese Arbeitnehmer standen nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Arbeitgeberin in Arbeitsverhältnissen in den alten Bundesländern, in denen sie bereits nach dem BAT vergütet wurden. Sie waren nur bei Weiterzahlung dieser Vergütung bereit, eine Beschäftigung im Beitrittsgebiet anzunehmen. Insoweit handelt es sich um individuell bedingte Abweichungen von dem betrieblichen Vergütungsgrundsatz, nur Gehälter nach dem BAT-O zu zahlen.
Unterschriften
Dieterich, Wißmann, Rost, Breier, Elias
Fundstellen