Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an Verweisungsbeschluß
Normenkette
ZPO §§ 21, 29, 36 Nr. 6; ArbGG § 48; GVG § 17a
Verfahrensgang
ArbG Chemnitz (Beschluss vom 27.03.1997; Aktenzeichen 6 Ca 5865/97) |
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Rosenheim bestimmt.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten um die Zahlung von Arbeitsentgelt. Mit seiner beim Arbeitsgericht Chemnitz erhobenen Klage begehrt der Kläger von dem mit „F. H., Inh. der Firma H. -Ingenieure, … B.” bezeichneten Beklagten die Zahlung rückständigen Arbeitsentgelts und rückständiger Zuschüsse zu vermögenswirksamen Leistungen für die Monate November 1996 bis Januar 1997. Im Anstellungsvertrag ist der Arbeitgeber mit „H. Ingenieure, … B.” bezeichnet. Nach eigenen Angaben erhielt der Kläger eine Lohn- und Gehaltsabrechnung für November 1996 von der „H. -Bau, … C.”
Nachdem der Kläger mit gerichtlichem Schreiben auf Bedenken gegen die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Chemnitz hingewiesen worden war, erklärte er, diese ergebe sich aus § 29 ZPO, da sich der Arbeitsort in C. befinde. Er arbeite dort bei „H.-Bau, Niederlassung in C..”
Daraufhin erklärte sich das Arbeitsgericht Chemnitz für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Rosenheim, Kammern Traunstein. Dieses erklärte sich nach Gewährung rechtlichen Gehörs ebenfalls für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit zurück an das Arbeitsgericht Chemnitz. Durch Beschluß vom 29. August 1997 hat dieses die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt und den Rechtsstreit gem. § 36 Nr. 6 ZPO dem Bundesarbeitsgericht zur Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Zuständig ist das Arbeitsgericht Rosenheim; die zuständige Kammer ergibt sich aus dem Geschäftsverteilungsplan dieses Gerichts. Der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Chemnitz ist bindend.
1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Die Arbeitsgerichte Chemnitz und Rosenheim haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt.
2. Rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse sind für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. Die bindende Wirkung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO zu beachten (vgl. statt vieler: Beschluß vom 11. Januar 1982 – 5 AR 221/81 – AP Nr. 27 zu § 36 ZPO; Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 – AP Nr. 11 zu § 17 a GVG = EzA § 36 ZPO Nr. 18 = NZA 1994, 479 f.). Nur so kann der Zweck des § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. erreicht werden, unnötige und zu Lasten der Parteien gehende Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden. Das bedeutet: Es ist das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, dieser ist ausnahmsweise nicht bindend.
Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend. Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht entfalten (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 – BAGE 70, 374 = AP Nr. 39 zu § 36 ZPO = EzA § 17 a GVG Nr. 1). Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluß dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefaßt ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem von ihnen beruht (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 As 4/92 – a.a.O., zu II 3 a der Gründe; BGHZ 71, 69, 72 f. = NJW 1978, 1163, 1164).
3. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben. Die Verweisung an das Arbeitsgericht Rosenheim ist entgegen dessen Auffassung nicht offensichtlich gesetzwidrig; der Grundsatz des rechtlichen Gehörs ist nicht verletzt.
Der Kläger hatte zwar in der Klageschrift vorgetragen, er sei bei dem Beklagten in dessen Niederlassung C. beschäftigt. In seiner Stellungnahme zur örtlichen Zuständigkeit hat er sich aber in erster Linie auf § 29 ZPO bezogen und dazu vorgetragen, er arbeite „dort bei H. -Bau, Niederlassung in C..” Der Beklagte war in der Klageschrift ganz anders bezeichnet worden. Es hätte nun zwar nahegelegen, den Kläger insoweit zur Präzisierung seines Vertrages aufzufordern. Wenn das Arbeitsgericht Chemnitz aber bei diesem Vortrag in seinem Verweisungsbeschluß auf § 21 (Gerichtsstand der Niederlassung) nicht einging, kann das aber nicht als offensichtlich gesetzwidrig angesehen werden. Rechtliches Gehör ist dem Kläger nicht versagt worden, da er zur Frage der örtlichen Zuständigkeit Stellung genommen hat.
Allerdings hat der Senat mehrfach entschieden, daß im Hinblick auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) bei Arbeitsverhältnissen i.d.R. von einem einheitlichen (gemeinsamen) Erfüllungsort auszugehen ist, und daß dies der Ort ist, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat (BAG Beschluß vom 12. März 1992 – 5 AS 10/91 –, n.v.; BAG Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 – a.a.O.; BAG Beschlüsse vom 30. März 1994 – 5 AS 6/94 –, vom 10. Juli 1995 – 5 AS 12/95 –, vom 23. Oktober 1996 – 5 AS 6/96 – und vom 17. April 1997 – 5 AS 8/97 –, juris). Auf die Frage, von wo aus das Arbeitsentgelt gezahlt wird und wo sich die Personalvertretung befindet, kommt es regelmäßig nicht an. Die genannten Beschlüsse betrafen sämtlich Fälle außerhalb des Anwendungsbereichs der inzwischen außer Kraft getretenen Anl. I zum Einigungsvertrag, Kap. VIII Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 15 b), dd), wonach für Arbeitsrechtssachen unter anderem das Kreisgericht zuständig war, in dessen Bereich sich der Sitz des Betriebes befindet, und das Kreisgericht, in dessen Bereich der Arbeitsort liegt, wenn dieser nicht mit dem Sitz des Betriebes zusammenfällt. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Erfüllungsort für die Arbeitsleistung eines Bauleiters, der von einer bestimmten Niederlassung aus eingesetzt wird, ist aber diese Niederlassung. Dies ist jedoch keinesfalls unumstritten. Auch in der neueren Literatur wird teilweise mit vertretbaren Gründen ein anderer Standpunkt eingenommen (vgl. Krasshöfer-Pidde/Molkenbur, NZA 1988, 236, 237 f.; Ostrop/Zumkeller, NZA 1994, 644; 1995, 16).
Der Senat hat mehrfach ausgesprochen, daß von einer offensichtlichen Gesetzwidrigkeit nicht die Rede sein kann, wenn sich ein Arbeitsgericht dieser – vom Senat im Grundsatz nicht geteilten – Auffassung anschließt (Beschlüsse vom 8. März 1995 – 5 AS 1/95 –, vom 29. Mai 1995 – 5 AS 11/95 –, vom 10. Juli 1995 – 5 AS 12/95 – und vom 17. April 1997 – 5 AS 8/97 –, alle juris). Auch daran hält der Senat fest.
Es ist wünschenswert, daß gerade auch in Fragen der rechtlichen Zuständigkeit die höchstrichterliche Rechtsprechung durchgängig befolgt wird. Das rechtfertigt es jedoch nicht, eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung und damit eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel, daß rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend sind, schon immer dann anzunehmen, wenn von einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen wird.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke
Fundstellen