Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Beschwerde
Leitsatz (amtlich)
Seit dem In-Kraft-Treten von § 78a ArbGG am 1. Januar 2005 ist eine außerordentliche Beschwerde wegen Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht mehr statthaft.
Normenkette
ArbGG §§ 78, 78a; ZPO § 574; GVG § 17a; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
- Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Februar 2005 – 10 Ta 527/04 – wird als unzulässig verworfen.
- Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
- Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 114.777,78 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I. Mit seiner “außerordentlichen Beschwerde” wendet sich der Kläger gegen einen Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts, durch den der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für fünf von sieben Klageanträgen für unzulässig erklärt, der Rechtsstreit insoweit an das Landgericht Frankfurt am Main verwiesen und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Der Kläger rügt Verstöße gegen die richterliche Hinweispflicht sowie die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
Entscheidungsgründe
II. Die “außerordentliche Beschwerde” ist unzulässig. Sie ist nicht statthaft, weil sie vom Gesetz nicht vorgesehen ist (§ 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 574 Abs. 1 ZPO).
1. Nach der Neuregelung des § 78 ArbGG sowie der §§ 564 ff. ZPO durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juni 2001 (BGBl. I S. 1887) ist die Rechtsbeschwerde nur noch in den in § 574 Abs. 1 ZPO geregelten Fällen zulässig. Dies gilt gem. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG auch im Rechtswegbestimmungsverfahren nach § 17a GVG. Eine außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit neben den im Gesetz genannten Fällen scheidet damit grundsätzlich aus. Nach der Senatsrechtsprechung kommt lediglich bei krass rechtswidrigen Verweisungsbeschlüssen, die Ausdruck einer nicht mehr hinnehmbaren willkürlichen Rechtsfindung sind, in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das Bundesarbeitsgericht in Betracht, wenn dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege notwendig ist. Erforderlich hierfür ist, dass es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung von rechtskräftigen Verweisungsbeschlüssen kommt und keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten, oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, der Rechtsstreit werde von diesem nicht prozessordnungsgemäß betrieben, obwohl er gem. § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (zuletzt Senat 17. Juni 2004 – 5 AS 3/04 – AP ZPO § 36 Nr. 60 = EzA ZPO 2002 § 36 Nr. 2, zu II 1b der Gründe; ebenso BGH 9. April 2002 – X ARZ 24/02 – NZA 2002, 813, zu II 3 der Gründe). Diese Voraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor.
2. Die Zulassung einer außerordentlichen Beschwerde wegen Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs in Analogie zum Nichtzulassungsbeschwerderecht (§ 72a ArbGG) scheidet aus. Es fehlt eine planwidrige Regelungslücke. Hat das Gericht den Anspruch einer Partei auf rechtliches Gehör verletzt, ist nach § 78a ArbGG auf Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei das Verfahren fortzusetzen. Mit dieser zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Bestimmung hat der Gesetzgeber den Plenarbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 2003 (– 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395) umgesetzt und die Möglichkeit der Korrektur einer fehlerhaften Verweigerung rechtlichen Gehörs geschaffen. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, bei der Rüge der Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG die Anrufung einer weiteren Instanz vorzusehen. Er kann von der Eröffnung des Rechtsmittelzugs Abstand nehmen, sofern er eine angemessene Kontrolle der Verletzung des Verfahrensgrundrechts anderweitig vorsieht (BVerfG 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02 – aaO, zu C III 1a der Gründe). Dem entspricht § 78a ArbGG. Nach § 78a Abs. 5 ArbGG hat das Gericht einer begründeten Rüge abzuhelfen und das Verfahren fortzuführen, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. Die Eröffnung einer Beschwerdemöglichkeit zum Bundesarbeitsgericht ist von Verfassungs wegen nicht zwingend erforderlich (im Ergebnis ebenso zu § 321a ZPO: BGH 7. März 2002 – IX ZB 11/02 – BGHZ 150, 133; BFH 12. Dezember 2002 – V B 185/02 – BFHE 200, 46; BVerwG 16. Mai 2002 – 6 B 28/02 – NJW 2002, 2657).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 GKG.
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck
Fundstellen
Haufe-Index 1413191 |
BAGE 2007, 330 |
HFR 2006, 307 |