Entscheidungsstichwort (Thema)
Reisekosten eines Betriebsratsmitglieds
Orientierungssatz
Zur Verpflichtung des Arbeitgebers zur Erstattung von Kosten, die durch Entsendung eines Betriebsratsmitglieds zu einer Besprechung mit Mitgliedern anderer Betriebsräte entstanden sind.
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 11.01.1993; Aktenzeichen 4 TaBV 9/92) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 29.07.1992; Aktenzeichen 13 BV 7/92) |
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) zur Erstattung von Kosten, die durch die Entsendung eines Betriebsratsmitglieds zu einer Besprechung mit Mitgliedern anderer Betriebsräte entstanden sind.
Die Beteiligte zu 2 ist die Hamburger Niederlassung eines Großunternehmens, das mehr als 40 Betriebsstätten in der Bundesrepublik Deutschland unterhält. Der Beteiligte zu 1 ist der in der Niederlassung Hamburg gebildete Betriebsrat. Daneben besteht für das Unternehmen ein Gesamtbetriebsrat.
Zwischen den Beteiligten bestand ein Konflikt über Mitbestimmungsrechte in bestimmten Fragen der Vergütung der Außendienstmitarbeiter und Vertriebsbeauftragten. Die unternehmenseinheitliche Vergütung der mehr als 2.500 Mitarbeiter im Außendienst und der Vertriebsbeauftragten ist in Gesamtbetriebsvereinbarungen ("Quip 1" und "Quip 2") geregelt. Diese "Quoten- und Incentive-Pläne" für den kaufmännischen Außendienst Teil I und für Vertriebsbeauftragte des kaufmännischen Außendienstes Teil II sehen eine teilweise variable Vergütung der Außendienstmitarbeiter und Vertriebsbeauftragten vor. Für die Frage der Vorgabe der jeweiligen Vertriebsziele, die von dem Vertriebsbeauftragten zu erfüllen und damit für die Höhe der Vergütung von Bedeutung ist, beansprucht der Betriebsrat, aber auch Betriebsräte anderer Niederlassungen des Unternehmens, ein Mitbestimmungsrecht. Nach den Gesamtbetriebsvereinbarungen ist die Vorgabe der jeweiligen Vertriebsziele dem Arbeitgeber überlassen. Mit Beschluß vom 10. April 1991 hatte das Landesarbeitsgericht Hamburg (- 5 TaBV 3/91 -) die Beschwerde des Betriebsrates gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Bestimmung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Schaffung einer Betriebsvereinbarung in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung für die Außendienstmitarbeiter der Niederlassung Hamburg nach § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG wegen offensichtlicher Unzuständigkeit der Einigungsstelle zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte angenommen, die Unzuständigkeit der Einigungsstelle ergebe sich aus dem Vorliegen abschließender Regelungen für das gesamte Unternehmen. Dagegen hat eine in der Niederlassung Hamburg eingerichtete Einigungsstelle "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung" ihre Zuständigkeit bejaht. Weiter ist bei dem Arbeitsgericht Hamburg ein Beschlußverfahren auf Feststellung der Zuständigkeit des Betriebsrats in diesen Fragen anhängig.
Außerdem bestanden zwischen dem Betriebsrat sowie den Betriebsräten anderer Niederlassungen und dem Gesamtbetriebsrat Meinungsverschiedenheiten über das Verhalten des Gesamtbetriebsrats in der Frage der Gesamtbetriebsvereinbarungen "Quip 1 und Quip 2" und über angebliche Eingriffe des Gesamtbetriebsrats in Zuständigkeiten der Betriebsräte der Niederlassungen. Die Frage der Zusammenarbeit der örtlichen Betriebsräte mit dem Gesamtbetriebsrat war außerdem Gegenstand eines eigenständigen Tagesordnungspunkts einer für den 14. - 16. Mai 1991 anberaumten Betriebsräteversammlung.
Der Betriebsrat beschloß am 30. April 1991 die Entsendung des Betriebsratsvorsitzenden sowie des Mitglieds des Betriebsrats und Gesamtbetriebsrats von L zu einem für den 7. Mai 1991 in Bremen angesetzten Treffen mit Mitgliedern von Betriebsräten norddeutscher Niederlassungen des Unternehmens. Die an die Arbeitgeberin gerichtete Mitteilung des Betriebsratsvorsitzenden über den Betriebsratsbeschluß lautet wie folgt:
"...Subjekt: Vorbereitung der BRe-Versammlung und
GBR-Problematik
Der Betriebsrat hat beschlossen, Herrn von L
und mich zu obigen Themen am 7.5. nach Bremen zu
entsenden."
Der Arbeitgeber lehnte die Teilnahme der Betriebsratsmitglieder an dem Treffen in Bremen ab. Für die gleichwohl durchgeführte Reise entstanden dem Betriebsratsmitglied von L Aufwendungen, die entsprechend der bei der Arbeitgeberin geltenden Reisekostenregelung 173,88 DM für Fahrtkosten (276 km 0,63 DM) und 21,00 DM für Spesen betragen und die der Betriebsrat im vorliegenden Verfahren geltend macht. Ein weiteres vom Betriebsrat eingeleitetes Verfahren bezüglich der Kostenerstattung für die Reise des Betriebsratsvorsitzenden ist noch beim Arbeitsgericht Hamburg anhängig (12 BV 82/91).
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin habe die durch die Entsendung des Betriebsratsmitglieds von L nach Bremen entstandenen Kosten gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG zu tragen. Die Entsendung von Mitgliedern des Betriebsrats zu dem Treffen in Bremen habe der örtlichen Betriebsratsarbeit gedient. Die Besprechung des Konflikts zwischen den Betriebsräten der einzelnen Niederlassungen und dem Gesamtbetriebsrat, insbesondere die zu beobachtende Nichtausübung von Mitbestimmungsrechten durch den Gesamtbetriebsrat, habe dazu gedient, Strategien zu entwickeln, den Gesamtbetriebsrat zu einer besseren Interessenwahrnehmung zu veranlassen. Auch habe das Gespräch den Sinn gehabt, zu prüfen, wie auf der bevorstehenden Betriebsräteversammlung ein gemeinsames Vorgehen zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem Gesamtbetriebsrat erreicht werden könne. Schließlich sollte auch das Verhalten des Gesamtbetriebsrats in der "Quip-Angelegenheit" und dem angeblich darin liegenden Eingriff in die Zuständigkeit der Betriebsräte der einzelnen Niederlassungen besprochen werden. Dabei sei nicht nur die Entsendung des Betriebsratsvorsitzenden, sondern auch die des Mitglieds des Betriebsrats von L erforderlich gewesen, da beide für unterschiedliche Sachfragen zuständig seien.
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Beteiligte zu 2) zu verpflichten, an das Be-
triebsratsmitglied Walter von L Reisekosten
in Höhe von 173,88 DM und Spesen in Höhe von
21,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Juli 1991
zu zahlen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Sie hat im wesentlichen die Ansicht vertreten, die geltend gemachten Kosten seien nicht erstattungsfähig, da sie nicht durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstanden seien. Die für die Entsendung angegebenen Besprechungsinhalte seien zu pauschal und ließen nicht erkennen, um welche Streitpunkte es gegangen sein soll. Der Betriebsrat der einzelnen Niederlassungen habe nicht die Befugnis, zur Vorbereitung einer Betriebsräteversammlung Reisen zu unternehmen, die allein dem Zweck dienen sollen, andere Betriebsräte zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Für einen Informations- und Meinungsaustausch biete die Betriebsräteversammlung Gelegenheit. Auch soweit der Betriebsrat die Entsendung zu dem Zweck der Besprechung der Gesamtbetriebsvereinbarungen "Quip 1 und Quip 2" beschlossen habe, fehle es an einer Betriebsratstätigkeit, da Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in dieser Frage nicht bestünden.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Betriebsrats dem Antrag stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Arbeitgeberin mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, daß die Arbeitgeberin gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG die der Höhe nach unstreitigen Reisekosten des Betriebsratsmitglieds von L für die Reise vom 7. Mai 1991 nach Bremen zu tragen hat.
I. Gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß hierunter auch die erforderlichen Aufwendungen einzelner Betriebsratsmitglieder fallen, die ihnen bei der Wahrnehmung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben entstehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG Beschlüsse vom 18. Januar 1989 - 7 ABR 89/87 - und vom 28. August 1991 - 7 ABR 46/90 - AP Nr. 28 und 39 zu § 40 BetrVG 1972; zuletzt BAG Urteil vom 11. August 1993 - 7 AZR 619/92 -, n.v.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen im Entscheidungsfall hat das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler bejaht.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß das Betriebsratsmitglied von L mit seiner Reise nach Bremen gesetzliche Aufgaben des Betriebsrats wahrgenommen hat. Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, eine Rechtsfrage, die allein nach objektiven Maßstäben zu beantworten ist (BAG Urteil vom 11. August 1993, aaO; GK-Wiese, BetrVG, 5. Aufl., § 40 Rz 9, § 37 Rz 21 f.).
a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ging es dem Betriebsrat bei seinem Entsendungsbeschluß darum, seine Vorstellungen hinsichtlich der Vergütungsregelung für Außendienstmitarbeiter im Vorfeld der unmittelbar bevorstehenden Betriebsräteversammlung mit den in Bremen zusammengekommenen Betriebsratsmitgliedern aus anderen Betrieben der Arbeitgeberin abzustimmen und insbesondere einen insoweit bestehenden Zuständigkeitskonflikt zwischen dem Gesamtbetriebsrat und den einzelnen Betriebsräten zu erörtern. Damit gehörte der zu besprechende Fragenkreis zu den gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegenden Fragen der betrieblichen Lohngestaltung. Die Verwirklichung seiner Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte aber zählt zu den gesetzlichen Hauptaufgaben des Betriebsrats (vgl. statt aller GK-Wiese, aaO, § 37 Rz 23).
b) Diese gesetzliche Aufgabenstellung des Betriebsrats entfiel im Entscheidungsfall nicht grundsätzlich deshalb, weil die Vergütung der Außendienstmitarbeiter durch Gesamtbetriebsvereinbarungen ("Quip 1" und "Quip 2") geregelt war. Dabei kommt es nicht einmal entscheidend darauf an, ob, wie der Betriebsrat vorträgt, noch Teilaspekte dieser Vergütungsregelung (wie z.B. die Vorgabe der jährlichen Vertriebsziele) mit den Betriebsräten der einzelnen Betriebe vereinbart werden mußten oder ob es sich um eine abschließende Regelung handelte. Denn selbst im letzteren Falle verblieb dem Betriebsrat jedenfalls das in § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG enthaltene Initiativrecht, auf eine Änderung der bestehenden Regelung hinzuwirken.
c) Für den Entscheidungsfall kann letztlich auch dahinstehen, ob für eine solche Regelung allein der Gesamtbetriebsrat zuständig war, wie es das Landesarbeitsgericht Hamburg in seinem Beschluß vom 10. April 1991 - 5 TaBV 3/91 - unter Berufung auf den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 6. Dezember 1988 (- 1 ABR 44/87 - AP Nr. 37 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung) angenommen hatte. An der Richtigkeit dieses Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Hamburg bestehen Zweifel. Das Bundesarbeitsgericht nimmt eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für Fragen der betrieblichen Lohngestaltung in der Regel nur an, wenn der Arbeitgeber eine freiwillige Leistung nur unternehmenseinheitlich gewähren will (besonders deutlich BAG Beschluß vom 11. Februar 1992 - 1 ABR 51/91 - AP Nr. 50 zu § 76 BetrVG 1972). Hier ging es dagegen um einen variablen Bestandteil der Vergütung und damit um einen Teil des Grundlohns. Aber selbst wenn der Gesamtbetriebsrat allein zuständig gewesen sein sollte, nimmt dies dem einzelnen Betriebsrat nur das Recht, mit dem Arbeitgeber eine eigene Vereinbarung zu treffen oder zu versuchen, eine solche Vereinbarung über die Einigungsstelle durchzusetzen. Nicht gehindert ist er jedoch, wie das Landesarbeitsgericht im vorliegenden Verfahren zutreffend erkannt hat, einen Versuch zu unternehmen, seine abweichenden Vorstellungen durch Einflußnahme auf die Willensbildung im Gesamtbetriebsrat durchzusetzen. Erst recht ist es Aufgabe des Betriebsrats, seine eigene Zuständigkeit bei einem Zuständigkeitskonflikt mit dem Gesamtbetriebsrat zu wahren. Jedenfalls solange diese Zuständigkeitsfrage noch nicht mit Rechtskraftwirkung zwischen den Beteiligten entschieden ist, muß dem Betriebsrat an einer Klärung dieser Frage gelegen sein. Dem Landesarbeitsgericht ist in seiner Würdigung zu folgen, daß hierzu Gespräche mit anderen Betriebsräten des Unternehmens sinnvoller sein können als die sofortige Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens. In welchem Umfang der einzelne Betriebsrat hierbei Aktivitäten auf Kosten des Arbeitgebers entfalten darf, ist eine Frage der Erforderlichkeit (dazu I 2), beeinflußt aber nicht die zutreffende Erkenntnis des Landesarbeitsgerichts, daß der Versuch der Wahrung der eigenen Mitbestimmungsrechte zu den gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrats gehört.
2. Rechtsfehlerfrei ist auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, daß die Reise des Betriebsratsmitglieds von L erforderlich war, um die soeben dargestellte Aufgabe des Betriebsrats wahrzunehmen.
a) Die Würdigung des Beschwerdegerichts, ob vom Betriebsrat verursachte Kosten für die Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben erforderlich waren, unterliegt in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur einer eingeschränkten Nachprüfung. Bei dem Begriff der Erforderlichkeit in § 40 Abs. 1 BetrVG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dessen Anwendung dem Beschwerdegericht ein Beurteilungsspielraum zusteht. Die Anwendung dieses Rechtsbegriffs durch das Beschwerdegericht kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff selbst verkannt wurde und ob die Abwägung der Besonderheiten des Einzelfalles vollständig, ohne inneren Widerspruch und frei von Verstößen gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorgenommen worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG Beschluß vom 17. Februar 1993 - 7 ABR 19/92 - AP Nr. 37 zu § 40 BetrVG 1972, m.w.N.).
b) Ein derartiger Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts ist weder von der Rechtsbeschwerde aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Insbesondere hat das Landesarbeitsgericht seiner Würdigung der Erforderlichkeit die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde gelegt. Danach (vgl. z.B. BAG Urteil vom 16. März 1988 - 7 AZR 557/87 - AP Nr. 63 zu § 37 BetrVG 1972, m.w.N.) hat der Betriebsrat die Frage der Erforderlichkeit nicht nur nach seinem subjektiven Ermessen zu beantworten; vielmehr muß er sich auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten stellen, der die Interessen des Betriebes einerseits und des Betriebsrats und der Arbeitnehmerschaft andererseits gegeneinander abzuwägen hat. Entscheidend ist dabei der Zeitpunkt der Beschlußfassung des Betriebsrats; unerheblich ist, ob rückblickend aus späterer Sicht die aufgewendeten Kosten im streng objektiven Sinn erforderlich waren. Die gerichtliche Kontrolle muß sich darauf beschränken, ob ein vernünftiger Dritter unter den im Zeitpunkt der Beschlußfassung geltenden Umständen ebenfalls eine derartige Entscheidung getroffen hätte.
c) In Anwendung dieser Grundsätze ist das Landesarbeitsgericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß der Betriebsrat die Reise von zwei Betriebsratsmitgliedern nach Bremen angesichts der besonderen Verhältnisse im Unternehmen der Arbeitgeberin und der geringen Ausgabenhöhe für erforderlich halten durfte. Entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerde hat sich das Landesarbeitsgericht insbesondere auch mit der Frage befaßt, warum der Betriebsrat die Entsendung von zwei Betriebsratsmitgliedern für erforderlich halten durfte. Auch diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist ersichtlich rechtsfehlerfrei.
II. Im wesentlichen wendet die Rechtsbeschwerde gegen den angefochtenen Beschluß ein, das Landesarbeitsgericht habe den seiner Würdigung zugrunde gelegten Reisezweck in rechtsfehlerhafter Weise festgestellt. Auch diese Angriffe der Rechtsbeschwerde sind unbegründet.
1. Die Rechtsbeschwerde rügt, der Zweck der Reise des Betriebsratsmitglieds von L sei aus der schriftlichen Mitteilung des Betriebsrats an die Arbeitgeberin vom 30. April 1991 nicht zu entnehmen gewesen, sondern erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens vom Betriebsrat "scheibchenweise nachgeschoben" worden. Das Landesarbeitsgericht hätte sich daher in Erfüllung seiner Amtsermittlungspflicht das Protokoll der Betriebsratssitzung vorlegen lassen müssen und insbesondere den erst im gerichtlichen Verfahren erfolgten Sachvortrag des Betriebsrats über den Zweck der Reise nicht als unstreitig behandeln dürfen, da die Arbeitgeberin bereits im Schriftsatz vom 11. Juni 1992 unter Beweisantritt darauf hingewiesen habe, daß sich dieser behauptete Zweck weder aus der Mitteilung des Betriebsrats ergeben habe noch der Arbeitgeberin in sonstiger Weise vor Antritt der Reise mitgeteilt worden sei.
2. Mit dieser Rüge verkennt die Rechtsbeschwerde bereits im Ansatz, daß der Betriebsrat und die Betriebsratsmitglieder bei der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben keiner Kontrolle durch den Arbeitgeber unterliegen. Insbesondere brauchen sie ihm über ihre derzeitige oder ihre geplante Betriebsratstätigkeit keine detaillierte Auskunft zu geben und erst recht nicht seine Zustimmung einzuholen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BAG Urteil vom 6. August 1981 - 6 AZR 505/78 - AP Nr. 39 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe, m.w.N.). Sie müssen sich lediglich vor dem Verlassen ihres Arbeitsplatzes unter stichwortartiger Angabe der geplanten Tätigkeit rechtzeitig abmelden, um dem Arbeitgeber die Arbeitseinteilung zu ermöglichen (BAG Beschluß vom 23. Juni 1983, BAGE 43, 109 = AP Nr. 45 zu § 37 BetrVG 1972, m.w.N.); in gleicher Weise muß sich ein freigestelltes Betriebsratsmitglied abmelden, wenn es den Betrieb verläßt, weil es für Betriebsratsaufgaben erreichbar sein muß (BAG Urteil vom 31. Mai 1989 - 7 AZR 277/88 - AP Nr. 9 zu § 38 BetrVG 1972). Diesen Anforderungen genügte die Mitteilung des Betriebsrats an die Arbeitgeberin vom 30. April 1991. Auf die Rügen der Rechtsbeschwerde, der Betriebsrat habe der Arbeitgeberin den Reisezweck vor Antritt der Reise nicht konkret genug dargelegt, kommt es daher nicht an.
3. Ganz anders stellt sich die Darlegungslast des Betriebsrats bzw. des Betriebsratsmitglieds gegenüber dem Gericht dar, wenn es um die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber dem Arbeitgeber geht. Dann muß der Antragsteller das Gericht davon überzeugen, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Anspruch tatsächlich vorliegen; soweit das Gericht eine nähere Substantiierung des Sachvortrags verlangt, kann deshalb vom Antragsteller nicht geltend gemacht werden, der Arbeitgeber würde hierdurch Kenntnis von den Einzelheiten der durchgeführten Betriebsratsarbeit erlangen (vgl. schon BAG Urteil vom 24. Juli 1991 - 7 AZR 61/90 -, n.v., zu I 3 c der Gründe). Denn dies ist allein Folge des gebotenen rechtsstaatlichen Verfahrens, das erfordert, daß den Verfahrensbeteiligten derselbe Kenntnisstand wie dem Gericht vermittelt wird.
Der Betriebsrat war daher erst im Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht gehalten, den Reisezweck so substantiiert vorzutragen, wie es das Gericht für erforderlich hielt, um würdigen zu können, ob die Reise nach der im Zeitpunkt der Beschlußfassung vorhandenen Willensbildung des Betriebsrats der Wahrnehmung gesetzlicher Aufgaben des Betriebsrats dienen sollte. Diese Würdigung war nicht nur anhand des Protokolls der Betriebsratssitzung möglich; vielmehr oblag es auch unter Berücksichtigung des im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatzes (§ 83 Abs. 1 ArbGG) der freien Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts, aufgrund welcher Umstände es den Vortrag des Betriebsrats über den Reisezweck für wahr hielt. Auch auf der Grundlage des Untersuchungsgrundsatzes ist das Gericht nur zur Amtsermittlung verpflichtet, soweit es Zweifel an der Richtigkeit des Sachvortrags über entscheidungserhebliche Tatsachen hegt (vgl. z.B. Matthes in Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 1990, § 83 Rz 87, 94, 101). Daß das Landesarbeitsgericht ersichtlich an der Richtigkeit des vom Betriebsrat vorgetragenen Reisezwecks nicht zweifelte, nachdem die Arbeitgeberin insoweit auch in ihrem Schriftsatz vom 11. Juni 1992 nur seine nicht rechtzeitige Mitteilung gerügt hatte, kann deshalb entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht als verfahrensfehlerhaft angesehen werden.
Weller Schmidt Steckhan
Stappert Lappe
Fundstellen
Haufe-Index 440992 |
BB 1995, 1034 |
BB 1995, 1034-1035 (T) |
NZA 1995, 796 |
NZA 1995, 796-798 (ST1-2) |