Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahlberechtigung von Auszubildenden in einem Ausbildungsbetrieb
Leitsatz (redaktionell)
Bestätigung der Senatsrechtsprechung vom 20. März 1996 – 7 ABR 46/95 – AP Nr. 9 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung und – 7 ABR 41/95 – AP Nr. 32 zu § 19 BetrVG 1972.
Normenkette
BetrVG § 5 Abs. 1, §§ 7, 19
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 30. Januar 1996 – 3 TaBV 1/95 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die antragstellende Arbeitgeberin bildet junge Menschen im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen in unterschiedlichen Berufsgruppen aus. Die Ausbildung erfolgt auf der Grundlage des § 56 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und vergleichbarer Vorschriften. Die Ausbildungsverträge werden zwischen der Arbeitgeberin und den Rehabilitanden geschlossen. Die berufspraktischen Unterweisungen finden überwiegend in der Ausbildungsstätte der Arbeitgeberin statt. Dieser ist eine staatliche Berufsschule angegliedert, in der die schulische Ausbildung erfolgt.
In einem zwischen den Beteiligten anhängig gewesenen Beschlußverfahren hat das Landesarbeitsgericht Hamburg durch rechtskräftigen Beschluß vom 3. Juni 1991 – 5 TaBV 1/91 – auf einen Feststellungsantrag des Betriebsrats entschieden, daß die bei der Arbeitgeberin zum 1. August 1990 im Rahmen der beruflichen Ausbildung aufgenommenen Rehabilitanden Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG sind. Vorausgegangen war ein Streit der Beteiligten über die Arbeitnehmereigenschaft der Rehabilitanden dieses Ausbildungsjahrgangs, weil mit ihnen keine schriftlichen Ausbildungsverträge abgeschlossen worden waren.
Im Zeitpunkt der letzten Betriebsratswahl vom 19. Mai 1994 beschäftigte die Arbeitgeberin 142 Arbeitnehmer; 246 Rehabilitanden befanden sich in der Ausbildung und beteiligten sich an der Wahl. Es wurde ein aus neun Personen bestehender Betriebsrat gewählt. Das Wahlergebnis ist am 20. Mai 1994 bekanntgemacht worden. Mit ihrem am 31. Mai 1994 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat die Arbeitgeberin die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl geltend gemacht, weil die bei ihr zur Ausbildung befindlichen Rehabilitanden keine Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG seien. Ihre Ausbildung vollziehe sich nicht im Rahmen der arbeitstechnischen Zwecksetzung des Betriebes, der auf die Durchführung von Ausbildung beschränkt sei.
Die Arbeitgeberin hat beantragt
festzustellen, daß die Betriebsratswahl vom 19. Mai 1994 unwirksam ist.
Der beteiligte Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Er ist der Auffassung gewesen, dem Wahlanfechtungsbegehren stehe die Rechtskraft des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 3. Juni 1991 – 5 TaBV 1/91 – entgegen. Überdies seien einige Auszubildende Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin setze sie zur Durchführung von Auftragsarbeiten oder in sogenannten Partnerbetrieben ein.
Das Arbeitsgericht hat die Unwirksamkeit der Wahl festgestellt. Die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats, deren Zurückweisung die Arbeitgeberin beantragt.
Entscheidungsgründe
B. Die Vorinstanzen haben die Betriebsratswahl zu Recht für unwirksam erklärt.
1. Bei der Betriebsratswahl ist gegen § 7 BetrVG und damit gegen eine wesentliche Wahlvorschrift (§ 19 Abs. 1 BetrVG) verstoßen worden. Es haben sich 246 Rehabilitanden an der Wahl beteiligt, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein.
Nach der neueren Rechtsprechung des Senats sind berufliche Rehabilitanden, die ihre berufspraktische Ausbildung in reinen Ausbildungsbetrieben erhalten, keine Arbeitnehmer i.S. des § 5 BetrVG. Denn ihre Ausbildung vollzieht sich nicht im Rahmen der arbeitstechnischen Zwecksetzung des Ausbildungsbetriebes, der sich darauf beschränkt, anderen Personen eine berufspraktische Ausbildung zu vermitteln. Sie sind deswegen nicht in den Betrieb eingegliedert und gehören betriebsverfassungsrechtlich nicht zu den Arbeitnehmern dieses Betriebes (BAG Beschluß vom 21. Juli 1993 – 7 ABR 35/92 – BAGE 74, 1 = AP Nr. 8 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung; BAG Beschluß vom 26. Januar 1994 – 7 ABR 13/92 – BAGE 75, 312 = AP Nr. 54 zu § 5 BetrVG 1972).
Diese Rechtsprechung hat der Senat zwischenzeitlich in mehreren Entscheidungen verteidigt und bekräftigt (BAG Beschluß vom 20. März 1996 – 7 ABR 46/95 – AP Nr. 9 zu § 5 BetrVG 1972 Ausbildung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; BAG Beschluß vom 20. März 1996 – 7 ABR 34/95 – EzA § 5 BetrVG 1972 Nr. 60; BAG Beschluß vom 12. September 1996 – 7 ABR 61/95 –, BB 1997, 104). An ihr hält der Senat fest, zumal er sich mit den von der Rechtsbeschwerde geäußerten Bedenken bereits im Beschluß vom 20. März 1996 (– 7 ABR 46/95 –, a.a.O.) eingehend auseinandergesetzt hat und neue Gesichtspunkte nicht vorgetragen worden sind.
Auch die Behauptung des Betriebsrats, im Rahmen der berufspraktischen Ausbildung würden Fremdaufträge für Dritte durchgeführt bzw. die berufspraktische Ausbildung werde in Partnerbetrieben der Arbeitgeberin erbracht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach den mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erschöpft sich der arbeitstechnische Zweck des Ausbildungswerks ausschließlich in der Durchführung von Ausbildung. Weitergehende Zwecke werden nicht verfolgt. Der Vortrag des Betriebsrats läßt nicht erkennen, daß eine auch anderen Zwecken dienende eigenständige organisatorische, zur Berufsausbildung geeignete Einheit vorhanden ist, in der die dort beschäftigten Auszubildenden ihre berufspraktische Einweisung schwerpunktmäßig erhalten und damit aus dem übrigen Ausbildungsbetrieb herausgelöst sind (BAG Beschluß vom 12. September 1996 – 7 ABR 61/95 –, zu B II 2 a der Gründe). Das gilt auch für die Behauptung, einzelne Ausbildungsgruppen leisteten unter Anleitung ihrer Ausbilder externe Auftragsarbeiten. Denn die Verfolgung eigener Hilfs- oder Nebenzwecke durch die Arbeitgeberin setzt zumindest voraus, daß die Ausbilder diese Arbeiten nicht in ihrer Eigenschaft als Ausbilder, sondern deswegen ausführen, weil es zu ihren Aufgaben gehört, Werk- oder Dienstleistungen zu erbringen.
2. Der Arbeitnehmerstatus der Rehabilitanden, die sich an der Wahl vom Mai 1994 beteiligt haben, ist durch den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 3. Juni 1991 – 5 TaBV 1/91 – nicht rechtskräftig festgestellt. Die materielle Rechtskraft dieses Beschlusses beschränkt sich auf die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft der zum 1. August 1990 aufgenommenen Rehabilitanden. Diese haben zwischenzeitlich ihre Ausbildung abgeschlossen und den Betrieb der Arbeitgeberin vor Durchführung der streitigen Betriebsratswahl verlassen.
a) Beschlüsse im arbeitsgerichtlichen Verfahren zur Entscheidung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen sind der formellen und materiellen Rechtskraft fähig. Die Rechtskraftwirkungen bestimmen sich nach den für Urteilsverfahren geltenden Grundsätzen (BAG Beschluß vom 20. März 1996 – 7 ABR 41/95 – AP Nr. 32 zu § 19 BetrVG 1972, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B II 2 der Gründe).
b) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts führt eine Änderung der Rechtsprechung nicht zu einer Durchbrechung der Rechtskraft (BAG Beschluß vom 20. März 1993 – 7 ABR 41/95 –, a.a.O.). Ungeachtet dessen steht der rechtskräftige Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 3. Juni 1991 – 5 TaBV 1/91 – einer erneuten Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft der Auszubildenden des Berufsbildungswerks der Arbeitgeberin nicht entgegen. Eine erneute Entscheidung ausschließende Identität der Streitgegenstände liegt nicht vor. In dem damaligen Verfahren – 5 TaBV 1/91 – hatte der Betriebsrat beantragt festzustellen, daß die bei der Arbeitgeberin zum 1. August 1990 zur Ausbildung aufgenommenen Rehabilitanden Arbeitnehmer i.S. des § 5 Abs. 1 BetrVG sind. Diesem Antrag hat das Landesarbeitsgericht stattgegeben und eine entsprechende Feststellung getroffen. Nach Antrag und Tenor der Beschwerdeentscheidung war der Streitgegenstand auf die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft der zum 1. August 1990 zur Ausbildung aufgenommenen Rehabilitanden begrenzt. Das Feststellungsbegehren erstreckte sich nicht darauf, ob Rehabilitanden generell und ohne Rücksicht auf individuelle Umstände Arbeitnehmer im Sinne des BetrVG sein können. Die Beschränkung des Feststellungsbegehrens auf einen Ausbildungsjahrgang erklärt sich aus der damaligen Weigerung der Arbeitgeberin, die Arbeitnehmereigenschaft dieser Rehabilitanden anzuerkennen, weil sie mit ihnen ausnahmsweise keine schriftlichen Ausbildungsverträge geschlossen hatte. Die Arbeitnehmereigenschaft der übrigen und künftiger Rehabilitanden mit schriftlichen Ausbildungsverträgen war im damaligen Verfahren auf Grund der früheren ständigen Rechtsprechung des Senats nicht streitig.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Schiele, G. Güner
Fundstellen