Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenvertretung. Zuständigkeit. Jobcenter. Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung. Auswahlverfahren vor Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Personalgestellung an die gemeinsame Einrichtung iSv. § 44b SGB II
Leitsatz (amtlich)
Die bei dem Träger einer gemeinsamen Einrichtung iSv. § 44b SGB II bestehende Schwerbehindertenvertretung hat ein Unterrichtungs- und Anhörungsrecht nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Arbeitnehmer, der nach der Begründung des Arbeitsverhältnisses der gemeinsamen Einrichtung (Jobcenter) zugewiesen werden soll, wenn sich unter den Bewerbern mindestens ein schwerbehinderter Mensch befindet. Das Beteiligungsrecht erstreckt sich auch auf die Teilnahme an dem für die Begründung des Arbeitsverhältnisses maßgeblichen Auswahlverfahren einschließlich dazu geführter Vorstellungsgespräche (§ 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX).
Orientierungssatz
1. Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ist eine personelle Einzelmaßnahme und damit eine „Angelegenheit” iSv. § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Das Unterrichtungsund Anhörungsrecht der Schwerbehindertenvertretung umfasst die Teilnahme an dem für die Begründung des Arbeitsverhältnisses maßgeblichen Auswahlverfahren und an den mit den Bewerbern geführten Vorstellungsgesprächen (§ 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX). Dies gilt auch dann, wenn der Bewerber nach Begründung des Arbeitsverhältnisses einem Dritten im Wege der Personalgestellung zugewiesen werden soll.
2. Für die Wahrnehmung des Beteiligungsrechts an dem Auswahlverfahren, das für die Begründung des Arbeitsverhältnisses mit dem Träger einer gemeinsamen Einrichtung nach § 44b SGB II (Jobcenter) maßgebend ist, ist die beim Träger der gemeinsamen Einrichtung gebildete Schwerbehindertenvertretung zuständig.
Normenkette
SGB IX § 81 Abs. 1 S. 10, § 95 Abs. 1-2; SGB II §§ 44b, 44d Abs. 4, 6, § 44g Abs. 2, § 44h Abs. 3, 5, §§ 44i, 44k; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1; ArbGG § 83 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 14.06.2012; Aktenzeichen 18 TaBV 515/12) |
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 25.01.2012; Aktenzeichen 1 BV 41/11) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Juni 2012 – 18 TaBV 515/12 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über den Umfang der Beteiligungsrechte der Antragstellerin bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen zwischen der Beteiligten zu 2. und Arbeitnehmern, die dem Beteiligten zu 4. im Wege der Personalgestellung zugewiesen werden sollen.
Die Antragstellerin ist die bei der zu 2. beteiligten Agentur für Arbeit F gebildete Schwerbehindertenvertretung. Das zu 4. beteiligte Jobcenter ist eine gemeinsame Einrichtung nach § 44b SGB II in Trägerschaft der Agentur für Arbeit F und des Landkreises M. Bei dem Jobcenter ist die zu 3. beteiligte Schwerbehindertenvertretung gebildet.
Die Beteiligte zu 2. schrieb extern vier befristete Stellen für Arbeitsvermittler aus, die nach Abschluss des Arbeitsvertrags dem Beteiligten zu 4. im Wege der Personalgestellung zugewiesen werden sollten. Unter den acht Bewerbern befanden sich drei schwerbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50. Es wurde ein Auswahlgespräch durchgeführt, an dem neben Vertretern der Beteiligten zu 2. und zu 4. die Gleichstellungsbeauftragte der Beteiligten zu 2. in Vertretung für die verhinderte Gleichstellungsbeauftragte des Beteiligten zu 4. sowie die Beteiligte zu 3. teilnahmen. Die Antragstellerin wurde hingegen nicht beteiligt. Erst nach der Personalauswahlentscheidung wurde die Antragstellerin zur Einstellung und Zuweisung der beiden ausgewählten schwerbehinderten Bewerber angehört.
Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, sie hätte bereits am Auswahlverfahren beteiligt werden müssen. Sie habe ein Recht auf Einsicht in die entscheidungserheblichen Teile der Bewerbungsunterlagen sowie auf Teilnahme an den Vorstellungsgesprächen; andernfalls könne sie ihr Beteiligungsrecht bei der Einstellung nicht sachgerecht ausüben. Ihre Zuständigkeit richte sich nach den Kompetenzen des Dienststellenleiters der Beteiligten zu 2. Dieser sei nicht nur für den formalen Akt der Begründung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch für das Auswahlverfahren zuständig.
Die Antragstellerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass die Beteiligte zu 2. verpflichtet ist, die Antragstellerin nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX vor der Entscheidung zur Besetzung einer Stelle, die der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt, auch dann zu unterrichten und anzuhören, wenn die Bewerber nach erfolgter Einstellung einem Dritten im Wege der Personalgestellung zugewiesen werden sollen, soweit sich unter den Bewerbern mindestens ein schwerbehinderter oder einem schwerbehinderten gleichgestellter Mensch befindet.
Die Beteiligte zu 2. hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2. hat die Ansicht vertreten, der Antrag sei mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, da die in § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX geregelte Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei der Einstellung nicht streitig sei, sondern allein die davon zu trennende Beteiligung am Auswahlverfahren nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX. Jedenfalls sei der Antrag unbegründet. Die Beteiligte zu 2. habe die formale Einstellungsentscheidung zu treffen, so dass die Antragstellerin daran zu beteiligen sei. Davon seien das Stellenbesetzungsverfahren und die Entscheidung über die Besetzung von Dienstposten bei dem Beteiligten zu 4. zu trennen. Für diese sei die Geschäftsführerin des Beteiligten zu 4. zuständig, so dass mit der Beteiligten zu 3. zutreffend die in der gemeinsamen Einrichtung gebildete Schwerbehindertenvertretung am Auswahlverfahren beteiligt worden sei. Dafür spreche auch, dass dem Beteiligten zu 4. die jeweiligen Stellen zur Bewirtschaftung übertragen würden.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 2. zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 2. das Ziel der Antragsabweisung weiter. Die Antragstellerin begehrt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde. Der Senat hat die Beteiligten zu 3. und zu 4. in der Rechtsbeschwerdeinstanz am Verfahren beteiligt.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 2. zu Recht zurückgewiesen. Es ist – dem Arbeitsgericht folgend – zutreffend davon ausgegangen, dass der zulässige Feststellungsantrag begründet ist.
I. Der Antrag ist in der gebotenen Auslegung zulässig.
1. Die Antragstellerin begehrt die Feststellung, dass sie an dem der Begründung eines Arbeitsverhältnisses vorausgehenden Auswahlverfahren auch dann von Anfang an zu beteiligen ist, wenn der Bewerber nach erfolgter Begründung des Arbeitsverhältnisses mit der Beteiligten zu 2. dem Beteiligten zu 4. im Wege der Personalgestellung zugewiesen werden soll, soweit sich unter den Bewerbern mindestens ein schwerbehinderter oder einem schwerbehinderten gleichgestellter Mensch befindet. Nach dem Wortlaut des Antrags und dessen Begründung geht es der Antragstellerin um die Beteiligung an den Auswahlverfahren, die für die Begründung von Arbeitsverhältnissen mit der Beteiligten zu 2. maßgeblich sind. Die Antragstellerin möchte ausweislich der Antragsbegründung an den Auswahlverfahren von Anfang an beteiligt werden, wenn die Beteiligte zu 2. Arbeitsverhältnisse begründen will und unter den Bewerbern mindestens ein schwerbehinderter oder einem schwerbehinderten gleichgestellter Mensch ist. Ihr Begehren umfasst das Recht auf Einsicht in die entscheidungserheblichen Teile der Bewerbungsunterlagen sowie das Recht auf Teilnahme an den Vorstellungsgesprächen nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX. Dem steht nicht entgegen, dass im Antrag nur die Vorschrift des § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX genannt ist. Aus der Antragsbegründung ist ersichtlich, dass das gemäß § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX bestehende Unterrichtungsrecht nach Ansicht der Antragstellerin durch § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX konkretisiert wird. Die Antragstellerin macht das Beteiligungsrecht nach § 95 Abs. 2 SGB IX im gesetzlichen Rahmen geltend. Ihr Begehren schließt daher das Recht zur Einsichtnahme in die Bewerbungsunterlagen und zur Teilnahme an Vorstellungsgesprächen ein, sofern nicht der schwerbehinderte Bewerber die Einschaltung der Schwerbehindertenvertretung ablehnt, § 81 Abs. 1 Satz 10 SGB IX.
2. Mit diesem Verständnis ist der Antrag zulässig.
a) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie macht ihr Beteiligungsrecht als Schwerbehindertenvertretung aus § 95 Abs. 2 SGB IX gegenüber der Beteiligten zu 2. geltend.
b) Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist nicht zweifelhaft, an welchen Maßnahmen und Entscheidungen die Antragstellerin beteiligt werden soll.
c) Der Antrag genügt den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO.
aa) Der Antrag ist darauf gerichtet, das Bestehen eines Rechtsverhältnisses festzustellen. Der Streit um die Reichweite eines gesetzlichen Beteiligungsrechts betrifft den Inhalt eines Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten. Dieser ist einer gesonderten Feststellung zugänglich (vgl. für Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats: BAG 17. Juni 2008 – 1 ABR 38/07 – Rn. 16).
bb) Die Antragstellerin besitzt das erforderliche Feststellungsinteresse.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Mitbestimmung nach dem BetrVG können das Bestehen, der Inhalt und der Umfang eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats von den Betriebsparteien unabhängig von einem konkreten Konfliktfall einer gerichtlichen Klärung zugeführt werden, wenn die Betriebsparteien insoweit unterschiedlicher Auffassung sind und die Maßnahme, für die ein Mitbestimmungsrecht in Anspruch genommen wird, häufiger im Betrieb auftritt und sich auch in Zukunft jederzeit wiederholen kann (vgl. etwa BAG 17. Juni 2008 – 1 ABR 38/07 – Rn. 17). Dies gilt für die Geltendmachung von Beteiligungsrechten der Schwerbehindertenvertretung entsprechend.
(2) Danach ist das Feststellungsinteresse zu bejahen. Zwischen den Beteiligten besteht Streit, ob die Antragstellerin an den für die Begründung von Arbeitsverhältnissen mit der Beteiligten zu 2. maßgeblichen Auswahlverfahren zu beteiligen ist. Diese Frage ist nach wie vor streitig. Die Beteiligte zu 3. hat zwar mitgeteilt, sie sei am 14. August 2012 darüber unterrichtet worden, dass die Antragstellerin mit sofortiger Wirkung bei Einstellungen an den Auswahlverfahren teilnahmeberechtigt sei. Das prozessuale Verhalten der Beteiligten zu 2. zeigt jedoch, dass sie das Beteiligungsrecht der Antragstellerin nach wie vor bestreitet. Es ist davon auszugehen, dass die Beteiligte zu 2. auch zukünftig Arbeitnehmer einstellen wird, um sie dem Beteiligten zu 4. im Wege der Personalgestellung zuzuweisen. Der Antrag ist geeignet, die Streitfrage zwischen den Beteiligten zu klären.
3. Einer Sachentscheidung durch den Senat steht nicht entgegen, dass die Beteiligten zu 3. und zu 4. von den Vorinstanzen nicht am Verfahren beteiligt wurden. Dies konnte in der Rechtsbeschwerdeinstanz wirksam nachgeholt werden.
a) Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben im Beschlussverfahren ua. die Stellen ein Recht auf Anhörung, die im Einzelfall beteiligt sind. Beteiligt ist jede Stelle, die durch die begehrte Entscheidung in ihrer Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist. Das ist von Amts wegen noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen. Ist die Anhörung in den Tatsacheninstanzen unterblieben, stellt dies einen Verfahrensfehler dar. Einer darauf gestützten Zurückverweisung bedarf es nicht, wenn die Anhörung in der Rechtsbeschwerdeinstanz nachgeholt wird und der Beteiligte Gelegenheit erhält, sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern (vgl. BAG 6. November 2013 – 7 ABR 76/11 – Rn. 22; 17. April 2012 – 1 ABR 84/10 – Rn. 15).
b) Hier waren die Beteiligten zu 3. und zu 4. anzuhören. Das vorliegende Verfahren betrifft die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Antragstellerin und der Beteiligten zu 3. Damit sind die Rechtspositionen der Beteiligten zu 3. und zu 4. unmittelbar von der begehrten Entscheidung betroffen. Der Senat hat den Beteiligten zu 3. und zu 4. deshalb Gelegenheit gegeben, sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern.
II. Der Antrag ist begründet. Die Beteiligte zu 2. ist auch dann verpflichtet, die Antragstellerin an einem der Begründung eines Arbeitsverhältnisses vorausgehenden Auswahlverfahren zu beteiligen, wenn der Bewerber nach der Begründung des Arbeitsverhältnisses dem Beteiligten zu 4. zugewiesen werden soll, sofern sich ein schwerbehinderter oder ein einem schwerbehinderten gleichgestellter Mensch beworben hat.
1. Das Beteiligungsrecht folgt aus § 95 Abs. 2 SGB IX.
a) Nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX muss der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend unterrichten. Danach steht der Schwerbehindertenvertretung ein Unterrichtungs- und Anhörungsrecht zu, wenn sich ein schwerbehinderter oder gleichgestellter behinderter Mensch um eine Stelle bewirbt. Die Entscheidung über Bewerbungen und die Begründung eines Arbeitsverhältnisses ist eine personelle Einzelmaßnahme und damit eine „Angelegenheit” iSv. § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX. Sie berührt den Bewerber als einzelnen schwerbehinderten Menschen (BAG 17. August 2010 – 9 ABR 83/09 – Rn. 14, 20, BAGE 135, 207 zur Bewerbung auf eine Beförderungsposition; BVerwG 21. Juni 2007 – 2 A 6.06 – Rn. 32 f.; Cramer/Fuchs/Hirsch/Ritz SGB IX 6. Aufl. § 95 Rn. 12; Kossens/von der Heide/Maaß SGB IX 3. Aufl. § 95 Rn. 14; Esser/Isenhardt in jurisPK-SGB IX § 95 Rn. 17; Hohmann in Wiegand Schwerbehindertenrecht Stand April 2014 § 95 SGB IX Rn. 97). Die rechtliche und tatsächliche Stellung dieses Bewerbers ist anders als die eines nicht behinderten Bewerbers betroffen. Nach § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX soll er zum Schutz vor Benachteiligung im Bewerbungsverfahren durch die Schwerbehindertenvertretung unterstützt werden (BAG 17. August 2010 – 9 ABR 83/09 – Rn. 20, aaO).
b) Das Unterrichtungs- und Anhörungsrecht umfasst die Teilnahme am Auswahlverfahren. Der Gesetzgeber hat die Unterrichtungs- und Anhörungspflichten in § 81 Abs. 1 Satz 4, 7, 8 und 9 iVm. § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX näher ausgestaltet (vgl. BAG 17. August 2010 – 9 ABR 83/09 – Rn. 20, BAGE 135, 207). Danach ist die Schwerbehindertenvertretung von Anfang an in das Auswahlverfahren einzubeziehen, um den Schutz vor Benachteiligung im Bewerbungsverfahren zu gewährleisten. Sie soll an der Willensbildung des Arbeitgebers mitwirken. Dazu steht ihr das Recht auf Einsicht in die entscheidungserheblichen Teile der Bewerbungsunterlagen und das Recht auf Teilnahme an Vorstellungsgesprächen zu. Die Schwerbehindertenvertretung kann ihr Beteiligungsrecht nur dann sachgerecht ausüben, wenn sie Einsicht in die entscheidungserheblichen Teile der Bewerbungsunterlagen nehmen und an Vorstellungsgesprächen teilnehmen kann.
c) Das Beteiligungsrecht ist auch nicht in den Fällen eingeschränkt, in denen der Bewerber nach Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht in den Betrieb oder die Dienststelle des Vertragsarbeitgebers eingegliedert, sondern einem Dritten im Wege der Personalgestellung zugewiesen werden soll. Eine solche Einschränkung ergibt sich insbesondere nicht aus § 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Danach fördert die Schwerbehindertenvertretung die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle, vertritt ihre Interessen in dem Betrieb oder der Dienststelle und steht ihnen beratend und helfend zur Seite. Diese Bestimmung legt die grundlegenden Pflichten der Schwerbehindertenvertretung fest. Die in § 95 Abs. 1 SGB IX enthaltene Aufzählung der Aufgaben ist jedoch nicht abschließend (Kossens/von der Heide/ Maaß SGB IX 3. Aufl. § 95 Rn. 14; Esser/Isenhardt in jurisPK-SGB IX § 95 Rn. 17; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 95 Rn. 4). Eine Begrenzung der in § 95 Abs. 2 SGB IX vorgesehenen Beteiligungsrechte auf die Fälle, in denen der Arbeitnehmer in den Betrieb oder die Dienststelle des Vertragsarbeitgebers eingegliedert werden soll, ist dieser Vorschrift nicht zu entnehmen. Der Zweck der gesetzlichen Regelung, die Teilhabechancen schwerbehinderter Menschen sicherzustellen, erfordert die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei der Entscheidung über die Begründung von Arbeitsverhältnissen vielmehr auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer nach der Begründung des Arbeitsverhältnisses einem Dritten im Wege der Personalgestellung zugewiesen werden soll.
2. Die Wahrnehmung des Beteiligungsrechts an dem für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses durch die Beteiligte zu 2. maßgeblichen Auswahlverfahren nach § 95 Abs. 2 SGB IX obliegt der Antragstellerin und nicht der Beteiligten zu 3. Das beruht darauf, dass die Beteiligte zu 2. als Träger der gemeinsamen Einrichtung die Entscheidung über die Begründung des Arbeitsverhältnisses zu treffen hat.
a) Die Zuständigkeitsverteilung zwischen der Schwerbehindertenvertretung des Trägers und der bei der gemeinsamen Einrichtung gebildeten Schwerbehindertenvertretung ergibt sich aus § 44i SGB II iVm. § 44h SGB II. Nach § 44i SGB II gilt für die Schwerbehindertenvertretung die Regelung des § 44h SGB II entsprechend. Nach § 44h Abs. 3 SGB II ist die Personalvertretung der gemeinsamen Einrichtung zuständig, soweit deren Trägerversammlung oder deren Geschäftsführer Entscheidungsbefugnisse in personalrechtlichen, personalwirtschaftlichen, sozialen oder die Ordnung der Dienststelle betreffenden Angelegenheiten zustehen. Gemäß § 44h Abs. 5 SGB II bleiben dagegen die Rechte der Personalvertretungen der abgebenden Dienstherren und Arbeitgeber unberührt, soweit die Entscheidungsbefugnisse bei den Trägern verbleiben.
b) Danach ist die Antragstellerin bei der Begründung von Arbeitsverhältnissen durch die Beteiligte zu 2. und damit auch an den vorausgehenden Auswahlverfahren zu beteiligen.
aa) Die Entscheidungsbefugnis für die Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen liegt nicht bei der gemeinsamen Einrichtung, sondern bei dem Träger und damit bei der Beteiligten zu 2. Das folgt aus § 44d Abs. 4 SGB II. Die Regelungen in § 44d Abs. 6, § 44g Abs. 2 SGB II sowie § 44k SGB II stehen dem nicht entgegen.
(1) Nach § 44d Abs. 4 SGB II übt die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer der gemeinsamen Einrichtung über die Beamtinnen und Beamten sowie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen in der gemeinsamen Einrichtung Tätigkeiten zugewiesen worden sind, die dienst-, personal- und arbeitsrechtlichen Befugnisse sowie die Dienstvorgesetzten- und Vorgesetztenfunktion aus mit Ausnahme der Befugnisse zur Begründung und Beendigung der mit den Beamtinnen und Beamten sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bestehenden Rechtsverhältnisse. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung stehen der Geschäftsführerin oder dem Geschäftsführer der gemeinsamen Einrichtung nicht die Befugnisse zur Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu. Diese Befugnisse verbleiben bei den jeweiligen Trägern, die weiterhin Dienstherren oder Arbeitgeber sind (vgl. BT-Drs. 17/1555 S. 26; OVG Berlin-Brandenburg 28. November 2013 – 62 PV 18.12 – Rn. 24; Weißenberger in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 44d Rn. 26; Knapp in jurisPK-SGB II 3. Aufl. § 44d Rn. 52; Korte in LPK-SGB II 5. Aufl. § 44d Rn. 5).
(2) Die Regelung über die Mitwirkungsrechte der Geschäftsführer der gemeinsamen Einrichtung bei personalrechtlichen Entscheidungen des Trägers bestätigt dieses Verständnis. Nach § 44d Abs. 6 SGB II hat die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer ein Anhörungs- und Vorschlagsrecht bei personalrechtlichen Entscheidungen, die in der Zuständigkeit der Träger liegen. Nach § 44g Abs. 2 SGB II erfolgen spätere Zuweisungen an die gemeinsame Einrichtung mit Zustimmung der Geschäftsführerin oder des Geschäftsführers der gemeinsamen Einrichtung nach den tarif- und beamtenrechtlichen Regelungen. Diese Mitwirkungsrechte sollen die Geschäftsführer in die Lage versetzen, den Personalkörper der gemeinsamen Einrichtung mitzugestalten. Diese Mitwirkungsrechte setzen die Zuständigkeit des Trägers für die Entscheidung über die Begründung von Arbeitsverhältnissen denknotwendig voraus (vgl. BVerwG 24. September 2013 – 6 P 4.13 – Rn. 18, BVerwGE 148, 36 zur Zuständigkeit des Trägers bei der Zuweisung).
(3) Die Regelung in § 44k SGB II rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Nach § 44k Abs. 1 SGB II übertragen die Träger mit der Zuweisung von Tätigkeiten nach § 44g Abs. 1 und 2 SGB II der gemeinsamen Einrichtung die entsprechenden Planstellen und Stellen sowie Ermächtigungen für die Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit befristeten Arbeitsverträgen zur Bewirtschaftung. Damit wird die weitgehende Übertragung dienst- und arbeitsrechtlicher Befugnisse auf den Geschäftsführer (§ 44d Abs. 4 SGB II) personalwirtschaftlich abgesichert. Dies führt jedoch nicht zu einer Ausdehnung der dienst- und arbeitsrechtlichen Befugnisse der Geschäftsführer über die Regelung in § 44d Abs. 4 SGB II hinaus (Weißenberger in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 44k Rn. 3).
bb) Die Zuständigkeit des Trägers für die Begründung von Arbeitsverhältnissen nach § 44d Abs. 4 SGB II umfasst auch die Durchführung des Auswahlverfahrens.
(1) Der Träger entscheidet nach § 44d Abs. 4 SGB II nicht nur darüber, ob er einen Arbeitsvertrag abschließt, sondern auch darüber, mit welchem Bewerber der Arbeitsvertrag geschlossen werden soll. Damit kann die Entscheidung über die Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht vom Auswahlverfahren getrennt werden. Die Auswahlentscheidung wird durch das Auswahlverfahren vorbereitet und bestimmt. Die Träger sind für diese Entscheidungen verantwortlich (vgl. Knapp in jurisPK-SGB II 3. Aufl. § 44d Rn. 55.1; Weißenberger in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 44d Rn. 26). Sie haben auch durch die Ausgestaltung des Auswahlverfahrens sicherzustellen, dass die Auswahlentscheidung dem Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) entspricht (vgl. BAG 21. Januar 2003 – 9 AZR 72/02 – zu A II 2 a der Gründe, BAGE 104, 295). Dieser Verantwortung können sie nur gerecht werden, wenn sie auch für das Auswahlverfahren zuständig sind (Weißenberger in Eicher/Spellbrink SGB II 3. Aufl. § 44d Rn. 26).
(2) Der Zuständigkeit des Trägers für das Auswahlverfahren steht nicht entgegen, dass eine Zuweisung zu der gemeinsamen Einrichtung beabsichtigt ist.
Das gilt schon deshalb, weil die Entscheidung über die Begründung des Arbeitsverhältnisses von der Zuweisungsentscheidung zu trennen ist. Der Abschluss des Arbeitsvertrags setzt die Zuweisung nicht voraus. Das Arbeitsverhältnis endet auch nicht ohne weiteres mit der Beendigung der Zuweisung. Im Übrigen ist auch die Zuweisungsentscheidung vom Träger zu treffen, auch wenn sie unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Geschäftsführers der gemeinsamen Einrichtung steht (vgl. BVerwG 24. September 2013 – 6 P 4.13 – Rn. 18, BVerwGE 148, 36). Unterliegt es der Personalhoheit des Trägers, aus seinem Personal die Beschäftigten für die Tätigkeit in der gemeinsamen Einrichtung auszuwählen, so fällt das Auswahlverfahren vor der Begründung des Arbeitsverhältnisses erst recht in die Zuständigkeit des Trägers.
Es kann dahinstehen, ob an einem Auswahlverfahren, in dem es sowohl um die Begründung des Arbeitsverhältnisses als auch um die Zuweisungsentscheidung und damit verbunden um die Ausübung der Mitwirkungsrechte durch die Geschäftsführerin des Beteiligten zu 4. geht (vgl. dazu Knapp in jurisPK-SGB II 3. Aufl. § 44d Rn. 55.1 mwN; Schmidt/Ubrich PersR 2011, 371, 373; Heumann ZfPR 2012, 49, 50), der Beteiligten zu 3. ebenfalls Beteiligungsrechte zustehen. Jedenfalls ist die Antragstellerin an einem Auswahlverfahren zu beteiligen, das der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der Beteiligten zu 2. dient.
Unterschriften
Gräfl, Kiel, M. Rennpferdt, Maaßen, Krollmann
Fundstellen
Haufe-Index 7536443 |
BAGE 2015, 277 |
DB 2015, 8 |