Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs über Arbeitsbedingung der Beschäftigten des DGB in den neuen Bundesländern
Normenkette
BetrVG § 76 Abs. 6, § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Beschluss vom 26.05.1993; Aktenzeichen 18 TaBV 27/93) |
ArbG Düsseldorf (Beschluss vom 08.01.1993; Aktenzeichen 3 BV 179/92) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 26. Mai 1993 – 18 TaBV 27/93 – aufgehoben. Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. Januar 1993 – 3 BV 179/92 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle zur Regelung der Arbeitszeit und des Gehalts der Beschäftigten des Arbeitgebers in den neuen Bundesländern.
Antragsteller und Arbeitgeber ist der Deutsche Gewerkschaftsbund, weiterer Beteiligter der in seinem Bereich gebildete Gesamtbetriebsrat. Für die beim Deutschen Gewerkschaftsbund beschäftigten Arbeitnehmer bestehen keine Tarifverträge. In einer Betriebsvereinbarung vom 16. Mai 1983 trafen die Beteiligten deshalb folgende Regelung:
„§ 1
1) …
2) Die formellen und materiellen Arbeitsbedingungen der beim DGB Beschäftigten werden – soweit die Einzelbetriebsräte in der Bundesvorstandsverwaltung und bei den Landesbezirken zuständig sind und die zu regelnden Fragen über deren Bereich hinausgehen – durch Betriebsvereinbarungen zwischen dem GBV und dem GBR geregelt.
3) Arbeitsbedingungen im Sinne des Abs. 2 sind insbesondere die Allgemeinen Anstellungsbedingungen, die für die Entlohnung maßgebenden Tätigkeitsmerkmale oder sonstige Kriterien, die Entgelte der Beschäftigten, Einstellungsrichtlinien und personelle Fragebogen.
§ 2
…
§ 3
Auf Antrag einer Partei ist die andere Seite verpflichtet, unverzüglich in Verhandlungen mit dem Ziel einer Einigung über die beantragte Regelung einzutreten. Kommt es zu keiner Einigung über die angestrebte Regelung, so kann jede Partei das Scheitern der Verhandlungen erklären und die Einigungsstelle anrufen.
§ 4
1) Die im Bedarfsfall zu bildende Einigungsstelle besteht aus je drei Beisitzern, die vom GBV und GBR bestellt werden, und einem unparteiischen Vorsitzenden, auf dessen Person sich beide Parteien einigen müssen. Kommt eine Einigung über die Person des Vorsitzenden nicht zustande, so wird der unparteiische Vorsitzende aus einer Liste, die vom GBR und GBV vereinbart wird, ausgelost. Steht der/die Ausgeloste nicht zur Verfügung, wird erneut ausgelost. Alle Mitglieder der Einigungsstelle müssen Mitglied einer DGB-Gewerkschaft sein.
2) Die Einigungsstelle faßt ihre Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit nach mündlicher Beratung. Sie sind schriftlich niederzulegen.
3) Die Einigungsstelle entscheidet verbindlich, wenn beide Seiten sich der Entscheidung im voraus unterworfen oder sie nachträglich angenommen haben oder wenn es sich um formelle oder materielle Arbeitsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 2 handelt.
4) …
§ 5
…
§ 6
…
§ 7
Die Betriebsvereinbarung tritt am 16.05.1983 in Kraft. Sie kann von jeder Seite unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten schriftlich gekündigt werden. Bis zum Inkrafttreten einer neuen Betriebsvereinbarung gelten die gekündigten Vorschriften weiter.”
Zu dieser Betriebsvereinbarung existiert eine von den Vertretern der Beteiligten unterzeichnete Protokollnotiz vom selben Tage mit folgendem Wortlaut:
1) Die Vereinbarung wird in der übereinstimmenden Erkenntnis abgeschlossen, daß der DGB und seine organisatorischen Untergliederungen Tendenzbetriebe im Sinne des BetrVG sind (§ 9 Abs. 2 Satz 2, § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 9 d der Satzung). Beschlüsse der Einigungsstelle können nicht über den vom Bundeskongreß und Bundesausschuß beschlossenen Rahmen hinausgehen.
2) Die zuständigen Organe des DGB und GBR sind sich darüber einig, daß im Bereich der Beschäftigten von Gewerkschaften Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen – mangels einer für sie zuständigen Tarifvertragspartei – üblicherweise n i c h t durch Tarifvertrag geregelt werden und Betriebsvereinbarungen hierüber ausdrücklich zulässig sind.
Diese Betriebsvereinbarung (BV 1983) ist gekündigt.
Gemäß § 7 der Satzung des Arbeitgebers ist der Bundeskongreß das höchste Organ des Bundes. Weitere Organe sind der Bundesausschuß, der Bundesvorstand und die Revisionskommission. Der Bundesausschuß ist das höchste Organ des Bundes zwischen den (in jedem vierten Jahr stattfindenden) Bundeskongressen. Aufgabe des Bundesausschusses ist es u.a., den Haushalt des Bundes zu beschließen sowie die Gehalts- und Anstellungsbedingungen der Angestellten des Bundes zu bestätigen (§ 8 Abs. 3 b und i der Satzung).
Im Juli 1990 beschloß der Geschäftsführende Bundesvorstand eine vorläufige Regelung für die Anstellungsbedingungen in den neuen Bundesländern. Diese Übergangsregelung sah u.a. ein Gehaltsniveau von 50 % des westlichen Gehaltsniveaus vor und eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. Die entsprechenden Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat führten zur Bildung einer Einigungsstelle. Diese fällte am 8. Mai 1991 unter Vorsitz von Herrn Werner V einen Spruch. Dieser sah die Einstufung der Beschäftigten des Arbeitgebers in den neuen Bundesländern nach dem jeweils gültigen Tätigkeitskatalog vor. Entsprechend der vorgenommenen Einstufung war folgende Gehaltsstaffel vorgesehen: ab 1. Juli 1991 60 %, ab 1. August 1992 72 %, ab 1. August 1993 86 % und ab 1. April 1994 100 % der analogen Gehaltssätze, wie sie für die alten Bundesländer gelten.
Hinsichtlich der Arbeitszeit enthielt der Einigungsstellenspruch folgende Regelung:
„Die regelmäßige Arbeitszeit für die Beschäftigten des DGB in den neuen Bundesländern beträgt 40 Stunden wöchentlich.
Rechtzeitig vor dem 1.7.1992 treten beide Parteien in Verhandlungen über eine weitere Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit ein.”
Desweiteren enthielt der Spruch folgende Schlußbestimmung:
„7) Revisionsklausel
Ergeben sich während der Gültigkeit dieser Einigungsstellen-Entscheidung in den neuen Bundesländern soziale und/oder materielle Veränderungen bzw. Konflikte, die die kontinuierliche Tätigkeit in den DGB-Organisationsstellen behindern oder gefährden, so kann der GBV oder der GBR zur Überwindung der Schwierigkeiten die Aufnahme von Verhandlungen verlangen.
Die jeweils andere Seite ist dann ohne schuldhafte Verzögerung verpflichtet, diesem Verhandlungsverlangen nachzukommen.”
Der Bundesausschuß des Arbeitgebers bestätigte unter dem 6. November 1991 die Änderung der Anstellungsbedingungen durch den Spruch der Einigungsstelle vom 8. Mai 1991.
In der Folgezeit forderte der Gesamtbetriebsrat die Aufnahme von Verhandlungen über eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit und eine vorzeitige Angleichung des Gehaltsniveaus. Zum Jahresende 1991, Jahresanfang 1992 kam es zu unterschiedlichen Protestresolutionen und Beschwerdebriefen von seiten der in den neuen Bundesländern beschäftigten Mitarbeiter. Am 4. März 1992 beschloß der Geschäftsführende Bundesvorstand nach vorausgegangenen Verhandlungen vorbehaltlich der Beschlußfassung durch Bundesvorstand und Bundesausschuß die Angleichung der Wochenarbeitszeit mit Wirkung vom 1. Juli 1992. Der Bundesvorstand lehnte in seiner Sitzung vom 7. April 1992 die Angleichung ab. Auch eine vorzeitige Angleichung des Gehaltsniveaus wurde abgelehnt. Der Gesamtbetriebsrat wurde mit Schreiben vom 19. Juni 1992 auf die Gültigkeit des Einigungsstellenspruchs vom 8. Mai 1991 verwiesen.
Nach vorangegangener Anrufung des Arbeitsgerichts durch den Gesamtbetriebsrat kam es erneut zu einem Einigungsstellenverfahren, und zwar wiederum unter dem Vorsitz von Werner V.
Die Einigungsstelle fällte am 19. November 1992 mehrheitlich einen Spruch. Dieser sieht eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 37 Stunden für die Beschäftigten des Arbeitgebers in den neuen Bundesländern vor ab 1. Januar 1993. Die Gehaltsstaffel gemäß dem Spruch vom 8. Mai 1991 ist dahin abgeändert worden, daß bereits ab 1. Januar 1994 (statt 1. April 1994) die Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern 100 % des Westgehalts erhalten.
Mit seinem am 2. Dezember 1992 bei Gericht eingegangenen Antrag hat der Arbeitgeber die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle sei für eine erneute Entscheidung über Arbeitszeit und Gehalt der in den neuen Bundesländern beschäftigten Arbeitnehmer nicht zuständig gewesen. Der Spruch der Einigungsstelle vom 8. Mai 1991 habe beide Fragen verbindlich geregelt. Eine Kündigung dieses als Betriebsvereinbarung wirkenden Spruchs sei nicht erfolgt. Die Revisionsklausel lasse eine erneute Entscheidung nicht zu. Zum einen sei nur die Aufnahme von Verhandlungen bei Änderung der Verhältnisse vorgesehen, nicht aber eine erneute verbindliche Entscheidung der Einigungsstelle. Dies gelte entsprechend für die Aufnahme von Verhandlungen über die Arbeitszeit. Zum anderen liege eine wesentliche Änderung der Situation in den neuen Bundesländern auch nicht vor. Die vom Gesamtbetriebsrat benannten Einzelfälle reichten insoweit nicht aus. Er, der Arbeitgeber, habe im übrigen durch Einrichtung neuer Stellen, durch Ausstattung der Geschäftsstellen mit EDV und durch weitere Maßnahmen Sorge getragen, die Arbeitsüberlastung abzubauen.
Der Spruch der Einigungsstelle sei auch deshalb unwirksam, weil er den vom Bundesausschuß mit Bestätigung des Spruchs vom 8. Mai 1991 festgelegten finanziellen Rahmen überschreite. Gemäß Nr. 1 Satz 2 der Protokollnotiz zur BV 1983 könnten Beschlüsse der Einigungsstelle nicht über diesen Rahmen hinausgehen. Gemeint sei auch der finanzielle Haushaltsrahmen. Durch die Herabsetzung der Arbeitszeit und die Vorverlagerung der Anhebung der Gehälter auf 100 % sei der Rahmen überschritten, der mit Billigung des Einigungsstellenspruchs vom 8. Mai 1991 bis 1994 festgelegt gewesen sei.
Der Spruch der Einigungsstelle verletze auch die Tendenzschutzregelung des § 118 BetrVG. Bei der betrieblichen Lohngestaltung für die Arbeitnehmer des Deutschen Gewerkschaftsbundes in den neuen Bundesländern hätte die Einigungsstelle die koalitionspolitische Betätigung bezogen auf die Tarifpolitik in den neuen Bundesländern berücksichtigen müssen. Die Gewerkschaftsmitglieder in den neuen Bundesländern dürften kaum Verständnis dafür haben, daß Gewerkschaftsfunktionäre Westlohn erhielten, wenn sie gleichzeitig für alle anderen Mitglieder niedrigere Ostlöhne vereinbarten. Durch die Ausübung des Beteiligungsrechts in der Weise, wie es die Einigungsstelle in ihrem Spruch vom 19. November 1992 getan habe, werde die geistig-ideelle Zwecksetzung des Antragstellers ernstlich beeinträchtigt.
Schließlich habe die Einigungsstelle ihren Spruch außerhalb des ihr eingeräumten Gestaltungs- und Ermessensspielraums gefällt. Die Entscheidung enthalte eindeutig erkennbar keine sachgerechte Interessenabwägung.
Der Arbeitgeber hat beantragt
festzustellen, daß der Beschluß der Einigungsstelle vom 19. November 1992 unwirksam ist.
Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Zuständigkeit der Einigungsstelle als gegeben angesehen. Dies folge für die Frage der Arbeitszeit ohne weiteres aus dem Spruch vom 8. Mai 1991. Dieser habe im Grunde eine Regelung nur bis zum 30. Juni 1992 getroffen, wie aus der Bestimmung ersichtlich werde, rechtzeitig vor dem 1. Juli 1992 träten beide Parteien in Verhandlungen über eine weitere Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit ein. Dieser Passus sei eindeutig auch dahin zu verstehen, daß bei einer nicht zustande kommenden Einigung erneut die Entscheidung der Einigungsstelle herbeigeführt werden könne.
Entsprechendes gelte für die Revisionsklausel gemäß Nr. 7 des Spruchs vom 8. Mai 1991. Die für eine erneute Entscheidung auch hinsichtlich des Gehalts angesprochene Änderung der Verhältnisse in den neuen Bundesländern sei gegeben. Seit Inkrafttreten des Spruchs vom 8. Mai 1991 habe eine krisenhafte Zuspitzung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in den neuen Bundesländern stattgefunden. Die Beschäftigten des Arbeitgebers in den neuen Bundesländern arbeiteten unter einer außergewöhnlich hohen Belastung, die durch die bekannte Anspannung der sozialen und wirtschaftlichen Situation hervorgerufen werde. Die Umstände verlangten einen außerordentlichen Einsatz von den Sekretären und Sekretärinnen, überbeanspruchten diese zu einem großen Teil und gefährdeten deren Gesundheit. Sie führten damit unausweichlich zu einem hohen Maß an Unzufriedenheit und machten den Antragsteller nach innen und außen unglaubwürdig. Im Hinblick auf diese Gegebenheiten sei es verständlich, nachvollziehbar und sachlich begründet gewesen, wenn er, der Gesamtbetriebsrat, die Notwendigkeit der Revision des Einigungsstellenspruchs mit dem Ziel der forcierten Anpassung der Gehälter der Angestellten in den neuen Bundesländern unter entsprechender Verkürzung der Arbeitszeit angestrebt habe.
Die Protokollnotiz zur nachwirkenden BV 1983 stehe dem Spruch der Einigungsstelle nicht entgegen. Nr. 1 Satz 2 der Protokollnotiz nehme Bezug auf den in Satz 1 aaO angesprochenen Tendenzcharakter des Arbeitgebers. Dementsprechend seien auch in Satz 2 nur solche Beschlüsse gemeint, die einen entsprechenden Tendenzbezug hätten. Es sei hingegen nicht ein „finanzieller” Rahmen gemeint. Das mit der BV 1983 angestrebte paritätische Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats bei den formellen und materiellen Arbeitsbedingungen werde praktisch beseitigt, wenn Beschlüsse der Einigungsstelle nur im finanziellen Rahmen der Beschlüsse des Bundesausschusses bzw. Bundeskongresses möglich seien. Damit würden nämlich durch die Hauptorgane des Arbeitgebers Entscheidungen vorgegeben, die von der Einigungsstelle nur noch nachvollzogen werden könnten. Dies sei eine Vorstellung, die zu feudalen Verhältnissen führe.
Ein Verstoß gegen die Tendenzschutzbestimmung des § 118 BetrVG liege nicht vor. Die geistig-ideelle Zwecksetzung des Arbeitgebers werde nicht ernstlich beeinträchtigt, wenn dieser seinen Mitarbeitern das zukommen lasse, was er und seine Einzelgewerkschaften nach außen forderten. Hier sei vielmehr sogar eine Förderung der Zwecksetzung anzunehmen.
Der angegriffene Spruch überschreite schließlich auch nicht die der Einigungsstelle gesetzte Ermessensgrenze. Mit der gefundenen Regelung liege der DGB durchaus auf einer Linie mit anderen Gewerkschaften des DGB. Einige Gewerkschaften hätten zwischenzeitlich sogar günstigere Regelungen festgelegt. Selbstverständlich koste die um drei Monate vorgezogene Erhöhung der Gehälter den Arbeitgeber Geld. Diese Erhöhung stelle aber nichts anderes dar als ein gerechtes Entgelt für die von den Arbeitnehmern erbrachte Leistung.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Arbeitgebers stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat ihn auf die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Arbeitgeber die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.
Entscheidungsgründe
II. Auf die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist der Beschluß des Landesarbeitsgerichts aufzuheben. Die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts ist zurückzuweisen.
A. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
Dem Arbeitgeber ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist zu gewähren.
1. Der Arbeitgeber hat gegen den ihm am 13. Juli 1993 zugestellten Beschluß des Landesarbeitsgerichts mit Schriftsatz vom 10. August 1993 Rechtsbeschwerde eingelegt. Dieser Schriftsatz ist am 16. August 1993 und damit nach der am Freitag, dem 13. August 1993 ablaufenden Rechtsbeschwerdefrist beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Der Schriftsatz wurde übersandt in einem ordnungsgemäß adressierten und frankierten Briefumschlag, der auch die korrekte neue Postleitzahl des Bundesarbeitsgerichts enthält; postalisch abgestempelt ist der Umschlag offenbar am 16. August 1993.
Der Arbeitgeber hat mit Schriftsatz vom 27. August 1993 – bei Gericht eingegangen am selben Tage – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist beantragt. Der Verfahrensbevollmächtigte des Arbeitgebers hat zur Begründung im einzelnen vorgetragen, der Rechtsbeschwerdeschriftsatz sei auf seine Weisung mit Datum 10. August 1993 gefertigt worden. Am 11. August 1993 sei er nachmittags bis nach Büroschluß abwesend gewesen. Nach seiner gegen 20.00 Uhr erfolgten Rückkehr habe er – wie in solchem Fall üblich – die Post einschließlich der auf dem Schreibtisch bereitliegenden Rechtsbeschwerdeschrift fertiggestellt. Er selbst sei dann gegen 22.00 Uhr zur Hauptpost in Kassel gefahren und habe den ordnungsgemäß adressierten und frankierten Brief in den dort befindlichen Briefkasten geworfen. Dieser werde um 22.00 Uhr letztmalig bzw. gegen 6.30 Uhr des Folgetages erstmalig geleert. Bei Einwurf in einen der Briefkästen des Hauptpostamtes Kassel bis 6.30 Uhr könne mit einer Zustellung noch am selben Tage gerechnet werden.
Die Richtigkeit dieser Angaben hat der Verfahrensbevollmächtigte an Eides Statt versichert.
2. Dem form- und fristgerecht gestellten Wiedereinsetzungsantrag ist stattzugeben. Der Arbeitgeber war ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Rechtsbeschwerdefrist gehindert, § 233 ZPO.
a) Der Rechtsbeschwerdeführer hat glaubhaft gemacht, daß sein Verfahrensbevollmächtigter die Rechtsbeschwerdeschrift am 11. August 1993 zur Post gegeben hat. Dies hat der Verfahrensbevollmächtigte selbst unter detaillierter Schilderung des tatsächlichen Ablaufs eidesstattlich versichert. Die eidesstattliche Versicherung ist ein zulässiges Mittel der Glaubhaftmachung, § 294 ZPO. Es liegt hier keine eidesstattliche Versicherung des Anwalts über einen Dritten betreffende Tatsachen vor, sondern über eigene Wahrnehmungen und Handlungen. Der Senat hat keinen Anlaß, von der Unrichtigkeit der eidesstattlichen Versicherung des Verfahrensbevollmächtigten auszugehen. Zwar widerstreitet der Umstand, daß der Briefumschlag offenbar erst am 16. August 1993 bei der Post abgestempelt worden ist, der Behauptung, er sei schon am 11. August 1993 in den Postbriefkasten eingeworfen worden. Hieraus allein läßt sich aber nicht auf eine unzutreffende eidesstattliche Versicherung schließen. Die Möglichkeit einer Verzögerung der Abfertigung des Briefes bei der Post ist nicht mit Gewißheit auszuschließen.
Für die Glaubhaftmachung genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 52. Aufl., § 294 Rz 1, m.N.). Angesichts der eindeutigen eidesstattlichen Versicherung des Verfahrensbevollmächtigten kann diese hinsichtlich der Richtigkeit des geschilderten Ablaufs nicht verneint werden.
Danach ist also als glaubhaft anzusehen, daß der Verfahrensbevollmächtigte des Arbeitgebers die Rechtsbeschwerdeschrift am Abend des 11. August 1993 in den Briefkasten eingeworfen hat.
b) Hiervon ausgehend ist aber die Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist nicht als verschuldet im Sinne des § 233 ZPO anzusehen. Bei Ablauf der Frist mit dem 13. August 1993 konnte der Rechtsbeschwerdeführer bei normalem Postlauf davon ausgehen, daß eine am Abend des 11. August 1993 eingeworfene Postsendung das am selben Ort befindliche Bundesarbeitsgericht noch rechtzeitig erreichen werde. Das gilt selbst dann, wenn man von einem Einwurf erst nach 22.00 Uhr ausgeht, so daß auf die Leerung um 6.30 Uhr des Folgetages – also des 12. August 1993 – abzustellen ist. Auch dann bestand ein ausreichender Zeitraum, so daß unter normalen Umständen mit einem Zugang der Sendung jedenfalls am nächsten Tage – also dem 13. August 1993 – gerechnet werden konnte (vgl. dazu auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO, § 233 Rz 154, m.N.).
Bei dieser Sachlage kann ein Verschulden auch nicht darin gesehen werden, daß der Verfahrensbevollmächtigte sich am 13. August 1993 nicht nach dem rechtzeitigen Eingang der Rechtsbeschwerdeschrift erkundigte (vgl. BVerfG Beschluß vom 11. Januar 1991 – 1 BvR 1435/89 – NJW 1992, 38; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, aaO, § 233 Rz 155; Zöller/Greger, ZPO, 18. Aufl., § 233 Rz 23 – Postverkehr –, beide m.w.N.).
Schließlich kann dem Verfahrensbevollmächtigten auch kein Vorwurf gemacht werden daraus, daß er die Rechtsbeschwerdeschrift nicht selbst bei dem am Ort befindlichen Gericht abgab. Hierzu hätte dann Anlaß bestanden, wenn er mit einem rechtzeitigen Eingang im normalen Postverkehr nicht rechnen konnte. Das war aber – wie dargelegt – nicht der Fall.
3. Dem Arbeitgeber ist daher Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist zu gewähren.
B. Die danach zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
Der Spruch der Einigungsstelle erzeugt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts jedenfalls deshalb keine Rechtswirkungen, weil er im Sinne der Protokollnotiz Nr. 1 Satz 2 zur BV 1983 den von der Einigungsstelle zu beachtenden Rahmen der Beschlüsse des Bundesausschusses und des Bundeskongresses überschreitet. Bei dieser Sachlage kann die Frage der Nachwirkung der BV 1983 dahingestellt bleiben.
I. 1. Die Einigungsstelle ist im freiwilligen Einigungsstellenverfahren tätig geworden aufgrund der BV 1983. Der zu überprüfende Spruch regelt keine Gegenstände, die der zwingenden Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 BetrVG unterliegen.
a) Dies gilt ohne weiteres für die Dauer der wöchentlichen Regelarbeitszeit, die vom Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht erfaßt wird (ständige Senatsrechtsprechung in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in der Literatur – vgl. etwa Senatsbeschluß vom 13. Oktober 1987, BAGE 56, 197, 210 f. = AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu II 2 der Gründe; Senatsbeschluß vom 31. Januar 1989 – 1 ABR 67/87 – AP Nr. 15 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang; a.A. etwa Klebe in Däubler/ Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 73; Fitting/ Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 87 Rz 44).
Entsprechendes gilt aber auch für die Vorziehung der Anhebung der Gehälter der in den neuen Bundesländern beschäftigten Arbeitnehmer des Arbeitgebers auf 100 % des Westgehalts vom 1. April auf den 1. Januar 1994. Hierin liegt kein mitbestimmungspflichtiger Tatbestand nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Nach ständiger Senatsrechtsprechung erstreckt sich dieses Mitbestimmungsrecht nur auf den Strukturrahmen für die Entgeltbemessung, die innerbetriebliche Lohnordnung, nicht hingegen auf die Höhe der zugeordneten Entgelte (vgl. zuletzt etwa Senatsbeschluß vom 28. April 1992 – 1 ABR 68/91 – AP Nr. 11 zu § 50 BetrVG 1972).
Der Spruch der Einigungsstelle vom 19. November 1992 bezieht sich aber ausschließlich auf die Höhe der Entgelte, nämlich 100 % statt 86 % der Westgehälter bereits ab 1. Januar 1994. Die maßgebliche Lohngruppenordnung bleibt unverändert. Diese hatte schon der Spruch der Einigungsstelle vom 8. Mai 1991 festgelegt, indem er die Einstufung „nach dem jeweils gültigen Tätigkeitskatalog” beschloß. Zugleich traf dieser Spruch eine Entscheidung über die Höhe der Entgelte, nämlich eine zeitlich gestaffelte Anbindung an die jeweilige Höhe der Westgehälter. Insoweit beinhaltete der Spruch vom 8. Mai 1991 mitbestimmungspflichtige Regelungen neben solchen, die nicht der Mitbestimmung unterlagen.
Der zur Überprüfung anstehende Spruch vom 19. November 1992 läßt die Gehaltsgruppenordnung unberührt. Es bleibt unverändert bei der Anwendung des jeweiligen Tätigkeitskataloges und auch der einzelnen Stufen. Der Spruch trifft sachlich nur hinsichtlich der Höhe der Gehälter eine Entscheidung, indem er sie ab 1. Januar 1994 auf 100 % der Westgehälter festlegt. Dies wird deutlich auch aus dem Spruch selbst, der die Formulierung wählt: „… beträgt die Gehaltshöhe …”.
Diese Regelung ist nicht mehr als mitbestimmungspflichtige Schaffung oder Änderung einer Vergütungsgruppenordnung anzusehen, sondern nur als Neufestlegung der Höhe innerhalb der festgelegten und unveränderten Vergütungsgruppen. Etwas anderes kann auch dem Senatsbeschluß vom 28. April 1992 (aaO, zu B III 2 b bb der Gründe) nicht entnommen werden. Der Senat hat die dort geregelte Vergütung der Beschäftigten der Gewerkschaft ÖTV auf 50 % des Gehalts der Arbeitnehmer in den alten Bundesländern zwar in erster Linie als Regelung der Höhe des Entgelts verstanden, ihr aber auch die Qualität einer mitbestimmungspflichtigen Schaffung einer „Vergütungsgruppe Ost” beigemessen. Bei dieser Entscheidung ging es aber um die erstmalige Schaffung einer Vergütungsgruppenordnung überhaupt. Vorliegend wurde die Vergütungsgruppenordnung schon durch den Spruch der Einigungsstelle vom 8. Mai 1991 geschaffen. Bei dieser Sachlage stellt die Neufestsetzung des Prozentsatzes des jeweiligen Westgehalts mit dem Spruch vom 19. November 1992 nicht nur „in erster Linie”, sondern ausschließlich eine die Höhe der Vergütung betreffende Regelung dar. Diese ist als solche dann nicht mitbestimmungspflichtig.
b) Keine Bedenken bestehen gegen den Spruch der Einigungsstelle unter dem Gesichtspunkt des § 77 Abs. 3 BetrVG, wonach Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. Es gibt keine Tarifverträge über Arbeitsbedingungen der bei Gewerkschaften beschäftigten Arbeitnehmer, diese sind auch nicht üblich (vgl. auch Protokollnotiz Nr. 2 zur BV 1983). Die Sperrwirkung tritt aber nur ein, wo räumlich, fachlich und persönlich der Abschluß von Tarifverträgen üblich ist (vgl. Senatsbeschluß vom 28. April 1992, aaO, zu B II 1 a bb der Gründe).
Gleichfalls keine Bedenken bestehen gegen die Beteiligung des Gesamtbetriebsrats. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 28. April 1992 (aaO) im einzelnen dargelegt, daß der bei einer Gewerkschaft gebildete Gesamtbetriebsrat für den Abschluß einer Gesamtbetriebsvereinbarung zuständig ist, in der unternehmenseinheitlich alle die Arbeitsbedingungen geregelt werden sollen, an deren einheitlicher Gestaltung ein berechtigtes Interesse besteht. Dies gilt angesichts der Besonderheit, daß der Arbeitgeber als Gewerkschaft Tarifverträge für seine Arbeitnehmer nicht abschließen kann, andererseits aber wie jeder Arbeitgeber die Möglichkeit zur Schaffung einheitlicher Arbeitsbedingungen haben muß. Darüber hinaus ist der Gesamtbetriebsrat für den hier allein betroffenen Bereich der nicht der Mitbestimmung unterliegenden Regelung ohnehin zuständig, wenn der Arbeitgeber – wie vorliegend – nur bereit ist, mit dem Gesamtbetriebsrat auf überbetrieblicher Ebene eine Vereinbarung zu treffen (Senatsbeschluß vom 28. April 1992, aaO, zu B II 1 b der Gründe). Dies gilt entsprechend dann auch für die Beteiligung des Gesamtbetriebsrats bei Durchführung des Einigungsstellenverfahrens.
2. Ist davon auszugehen, daß der Regelungsgegenstand des Spruchs der Einigungsstelle keinen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand erfaßt, erzeugt der Spruch Rechtswirkungen nur, wenn die Beteiligten sich ihm im voraus endgültig unterworfen oder ihn nachträglich angenommen haben, § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Sie kann nicht aus der BV 1983 abgeleitet werden, auch wenn man von deren Nachwirkung ausgeht.
a) Gemäß § 4 Abs. 3 BV 1983 entscheidet die Einigungsstelle allerdings verbindlich, wenn es sich um formelle oder materielle Arbeitsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 2 BV 1983 handelt. Die Dauer der wöchentlichen Regelarbeitszeit und die Höhe des Gehalts sind zweifellos materielle Arbeitsbedingungen in diesem Sinne (vgl. dazu auch § 1 Abs. 3 BV 1983). Insoweit sind auch die Regelungsgegenstände des Spruchs vom 19. November 1992 erfaßt.
Die Erklärung einer Vorabunterwerfung kann zumindest dann in einer Betriebsvereinbarung erfolgen, wenn die erfaßten Fälle eindeutig angegeben sind, wovon hier auszugehen ist (vgl. Fitting/ Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 76 Rz 29; GK-Kreutz, BetrVG, 4. Aufl., § 76 Rz 60 und Rz 102; vgl. auch Senatsbeschluß vom 28. Februar 1984 – 1 ABR 37/82 – AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang, zu B II 2 der Gründe).
b) Auch unter Berücksichtigung dieser Ausgangslage scheitert die Verbindlichkeit der Entscheidung im vorliegenden Fall allerdings an der fehlenden Bestätigung durch den Bundesausschuß des Arbeitgebers. Gemäß Nr. 1 Satz 2 der Protokollnotiz zur BV 1983 können Beschlüsse der Einigungsstelle nicht über den von Bundeskongreß und Bundesausschuß beschlossenen Rahmen hinausgehen. Dies ist vorliegend angesichts der fehlenden Bestätigung aber anzunehmen.
aa) Protokollnotizen kann verschiedene Wirkung zukommen. Sie können selbst eine Regelung enthalten und sind dann als ergänzende Betriebsvereinbarungen anzusehen, wenn sie die formellen Voraussetzungen erfüllen. Ihnen kann aber auch die Wirkung einer authentischen Interpretation der Betriebsvereinbarung oder eines bloßen Hinweises auf den Willen der Betriebsparteien zukommen, der dann bei der Auslegung zu beachten ist (vgl. GK-Kreutz, aaO, § 77 Rz 55; zur Protokollnotiz bei Tarifverträgen Hagemeier/ Kempen/Zachert/Zilius, TVG, 2. Aufl., § 1 Rz 234).
Die Protokollnotiz enthält in Nr. 1 Satz 2 eine Regelung, die als ergänzende Betriebsvereinbarung anzusehen ist. Sie erfüllt die formellen Voraussetzungen, da sie unstreitig von Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat unterzeichnet ist, und zwar von den Personen, die auch die Betriebsvereinbarung selbst unterzeichnet haben. Die Protokollnotiz ist ausdrücklich als solche zur BV 1983 bezeichnet. Mit der in Satz 2 Nr. 1 getroffenen Bestimmung, daß Beschlüsse der Einigungsstelle nicht über den genannten Rahmen hinausgehen können, wird die Verbindlichkeit von Einigungsstellensprüchen angesprochen. Satz 2 enthält also eine zumindest klarstellende Regelung, inwieweit die Einigungsstelle Beschlüsse fassen kann mit Wirkung für die Beteiligten. Dies ist nicht mehr nur ein Auslegungshinweis, sondern hat den Charakter einer verbindlichen Anweisung, also einer Regelung. Selbst wenn man nicht soweit gehen wollte, müßte man der Bestimmung mindestens die Bedeutung einer verbindlichen Interpretation der Betriebsvereinbarung beimessen, was im Ergebnis hier auf dasselbe hinauslaufen würde.
bb) Hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Überschreitung des „Rahmens”, die nicht ausdrücklich geregelt sind, ist zu berücksichtigen, daß es vorliegend um die Regelung einer Entscheidung der Einigungsstelle im freiwilligen Verfahren geht. Beschlüsse der Einigungsstelle in diesem Bereich sind niemals per se verbindlich, sondern nur bei vorheriger Unterwerfung oder nachträglicher Annahme. Da letztere aber den Betriebspartnern immer offensteht, hat die Bindung der Einigungsstelle an einen Beschlußrahmen nur dort einen erkennbaren Sinn, wo sie sonst ausnahmsweise verbindlich entscheiden könnte. Dies ist nach der BV 1983 generell der Fall hinsichtlich der Regelung der formellen und materiellen Arbeitsbedingungen, § 4 Abs. 3 BV 1983.
Dieser Zusammenhang rechtfertigt die sachgerechte Auslegung von Betriebsvereinbarung und Protokollnotiz dahin, daß bei Überschreitung des „Rahmens” eine ansonsten – wegen der Unterwerfungserklärung – gegebene Verbindlichkeit des Spruchs nicht anzunehmen ist. Diese Interpretation schließt die nachträgliche Annahme eines Spruchs der Einigungsstelle, der den Rahmen überschreitet, durch den Arbeitgeber nicht aus. Daß die Beteiligten – mindestens aber der Arbeitgeber – dies in der Vergangenheit wohl so gesehen haben, zeigt der Umstand der ausdrücklichen Bestätigung des Spruchs der Einigungsstelle vom 8. Mai 1991 durch den Bundesausschuß am 6. November 1991. Sie wäre wenig verständlich, wenn ohnehin von einer endgültigen Bindung auszugehen wäre.
c) Ist bei einer am Wortlaut, systematischen Zusammenhang und erkennbar werdenden Zweck der Regelung – einschließlich der Protokollnotiz – orientierten Auslegung davon auszugehen, daß Beschlüsse der Einigungsstelle, die den Rahmen im Sinne der Nr. 1 Satz 2 der Protokollnotiz überschreiten, nicht verbindlich sind und damit keine Rechtswirkungen erzeugen, bleibt weiterhin zu klären, welcher „Rahmen” gemeint ist. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist hierunter (auch) der finanzielle Rahmen im Sinne satzungsgemäßer Bestätigung der Arbeitsbedingungen zu verstehen. Dies ergibt wiederum eine am Wortlaut orientierte sinngerechte Auslegung der Bestimmungen.
aa) Richtig ist zwar, daß Satz 1 Nr. 1 der Protokollnotiz einen Hinweis auf den Charakter des DGB als Tendenzbetrieb enthält. Hieraus kann aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht geschlossen werden, Satz 2 erfasse nur „Rahmenbeschlüsse”, die der Tendenzverwirklichung dienen. Es ist nicht nachvollziehbar, inwieweit hieraus ein für Beschlüsse der Einigungsstelle verbindlicher Rahmen abgeleitet werden kann. Da die BV 1983 die Regelung von Arbeitsbedingungen betrifft, müßten die Tendenzbeschlüsse sich auf Arbeitsbedingungen beziehen. Zu denken wäre allenfalls an nach außen gerichtete Beschlüsse zu gewerkschaftlichen Zielsetzungen wie etwa zur Einführung der 35-Stunden-Woche. Einmal abgesehen davon, daß die konkreten lohnpolitischen Forderungen in erster Linie von den Einzelgewerkschaften jeweils für ihren Bereich gestellt werden, nicht aber auf Beschlüsse des Bundesausschusses oder des Bundeskongresses des DGB zurückgehen, bliebe die Bedeutung der Bindung der Einigungsstelle an den „Rahmen” eines derartigen Beschlusses unklar. Die Verabschiedung einer wöchentlichen Arbeitszeit etwa von 34 Stunden würde zwar den „Rahmen” überschreiten, aber noch nicht die Tendenz negativ beeinträchtigen, da die Tendenz – Verkürzung der Arbeitszeit – nur gefördert werden kann, wenn die Gewerkschaft hinsichtlich ihrer eigenen Arbeitnehmer eine Vorreiterrolle spielte. Eine Tendenzbeeinträchtigung läge viel eher vor, wenn die Einigungsstelle hinter einer derartigen nach außen gerichteten lohnpolitischen Forderung zurückbliebe – den Rahmen also gerade nicht überschritte –, weil dies die Gewerkschaft dem Vorwurf aussetzte, den eigenen Mitarbeitern das nicht zu gewähren, was sie in der Tarifauseinandersetzung von anderen Arbeitgebern verlangt.
Eine Beschränkung von Satz 2 Nr. 1 der Protokollnotiz auf – wie immer zu verstehende – „Tendenzbeschlüsse” ergibt danach keinen erkennbaren Sinn.
bb) Sie ist auch durch den Wortlaut nicht geboten. Satz 2 Nr. 1 der Protokollnotiz stellt auf den „beschlossenen Rahmen” ab. Der Begriff des Rahmens deckt u.a. ohne weiteres auch einen finanziellen Rahmen ab, dem in Fragen der Arbeitsbedingungen eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. etwa auch § 71 Abs. 3 Satz 4 BPersVG – Bindung der Einigungsstelle an den Rahmen der Haushaltsgesetze).
Weiter ist für die Bestimmung des „beschlossenen” Rahmens maßgeblich, welche Beschlüsse Bundesausschuß und Bundeskongreß des DGB überhaupt fällen können. Dies wiederum ist festgelegt in der Satzung des DGB. Daß die Verfasser der Protokollnotiz diese im Auge hatten, ergibt sich gerade auch aus Satz 1 Nr. 1 der Protokollnotiz. Dort ist nämlich u.a. ausdrücklich auf § 9 Abs. 2 Satz 2 der Satzung des DGB Bezug genommen. § 9 regelt die Befugnisse des Bundesvorstandes. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 der Satzung vertritt der Bundesvorstand den Bund nach innen und nach außen. Gemäß Satz 2 ist er dabei aber „an die Satzung des Bundes und an die Beschlüsse von Bundeskongreß und Bundesausschuß gebunden”. Die Kompetenzen des Bundeskongresses bzw. des Bundesausschusses – also die Bereiche, in denen diese für den Bundesvorstand verbindliche Beschlüsse fassen können – ergeben sich wiederum aus §§ 7 und 8 der Satzung. Im Zusammenhang mit der hier in Streit stehenden Regelung von Arbeitsbedingungen sind insoweit als einschlägig zu nennen die Befugnisse des Bundesausschusses, den Haushalt des Bundes zu beschließen (§ 8 Abs. 3 b) und vor allem die Gehalts- und Anstellungsbedingungen der Angestellten des Bundes zu bestätigen (§ 8 Abs. 3 i).
Wenn also Satz 2 Nr. 1 der Protokollnotiz Beschlüsse der Einigungsstelle an den „von Bundeskongreß und Bundesausschuß beschlossenen Rahmen” bindet, Satz 1 Nr. 1 der Protokollnotiz ausdrücklich auf die in § 9 Abs. 2 Satz 2 der Satzung enthaltene Bindung auch des die BV 1983 abschließenden Bundesvorstandes verweist, kann dies sinnvoll nur dahin verstanden werden, daß die satzungsmäßigen Rechte vom Bundeskongreß und Bundesausschuß – soweit sie die Regelung von Arbeitsbedingungen der Beschäftigten berühren – nicht beeinträchtigt werden sollten. Das gebietet auch der Grundsatz einer satzungskonformen Auslegung.
d) Dies läuft im Ergebnis zwar darauf hinaus, daß ein Spruch der Einigungsstelle letztlich erst mit Bestätigung des Bundesausschusses wirksam wird. Das steht jedoch nicht in einem unauflösbaren Widerspruch zu der in § 4 Abs. 3 BV 1983 getroffenen Regelung, die Einigungsstelle entscheide verbindlich, wenn es sich um formelle oder materielle Arbeitsbedingungen handele. Verbindlichkeit ist hier nicht zu verstehen im Sinne einer anerkannten gesetzlichen Verbindlichkeit, sondern als pauschale Vorabunterwerfung des Arbeitgebers unter entsprechende Sprüche der Einigungsstelle. Der Arbeitgeber gibt dabei letztlich eine vertragliche Erklärung ab; durch die beiderseitige Annahme – sei es vorab, sei es nachträglich – erst wird aus dem unverbindlichen Vorschlag der Einigungsstelle eine beide Seiten bindende Regelung (von einer vertraglichen Bindung geht etwa auch aus Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 76 Rz 107; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 76 Rz 29; Müller, Festschrift für Barz, 1974, S. 489, 497). Diese Erklärung kann wie jede auf Abschluß eines Vertrages gerichtete Erklärung unter einem Vorbehalt abgegeben werden in dem Sinne, daß die endgültige Wirksamkeit der Annahme von einer Genehmigung einer weiteren Stelle abhängig gemacht wird.
Wenn also der Bundesvorstand des Arbeitgebers als das diesen an sich nach außen vertretende und damit auch zum Abschluß von Betriebsvereinbarungen bzw. zur Abgabe einer Unterwerfungserklärung zuständige Organ sich einer im freiwilligen Einigungsstellenverfahren ergehenden Entscheidung unterwirft unter dem Vorbehalt, daß – im Ergebnis – die satzungsgemäßen Rechte von Bundeskongreß und Bundesausschuß nicht beschnitten werden, bedeutet dies, daß zwar der Bundesvorstand an seine abgegebene Unterwerfungserklärung gebunden ist, die Entscheidung also nur noch von der satzungsgemäßen Beteiligung des Bundeskongresses bzw. – speziell bezüglich des Gesichtspunktes Bestätigung von Arbeitsbedingungen – des Bundesausschusses abhängt. Insoweit gibt die in § 4 Abs. 3 BV 1983 geregelte Verbindlichkeit der Entscheidung auch bei der hier vertretenen Auslegung einen Sinn.
e) Richtig ist, daß auf diese Weise die letzte Entscheidung über die Arbeitsbedingungen doch wieder auf den Arbeitgeber zurückfällt. Damit wird die „Tarifersatzfunktion” des Verfahrens beschränkt, aber nicht gänzlich entwertet. Die Einigungsstelle kann mit ihrer – für den Vorstand verbindlichen – Entscheidung ein gewichtiges Datum setzen. Wenn die letzte Entscheidung praktisch dem Gremium Bundesausschuß zukommt, ist zu berücksichtigen, daß dieser eine Aufsichts- und Kontrollfunktion hat. Diese sollte gewährleisten, daß Beschlüsse der Einigungsstelle nur dann nicht bestätigt werden, wenn dies aus übergeordneten Gesichtspunkten als nicht tragbar erscheint. Auch die Zusammensetzung etwa des Gremiums Bundesausschuß – 100 von den Gewerkschaften zu entsendende Mitglieder, Bundesvorstand und Landesbezirksvorsitzende – gibt hierfür eine gewisse Gewähr.
Es bleibt zwar dabei, daß die „Tarifhoheit” nicht voll auf die Einigungsstelle übertragen wird. Eine Verpflichtung der Gewerkschaft hierzu besteht aber auch nicht. Umgekehrt ist zu bedenken, daß bei einer auch von Bundesausschuß und Bundeskongreß unabhängigen Entscheidung der Einigungsstelle die Entscheidung über die Lohn- und Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter des DGB letztlich von der Person des Einigungsstellenvorsitzenden abhängt, dessen Stimme im Zweifel den Ausschlag gibt. Dies ginge über die angestrebte Tarifersatzfunktion hinaus, da den Beteiligten bei Tarifverhandlungen die Möglichkeit des Arbeitskampfs zur Verfügung steht. Es erscheint wenig wahrscheinlich, daß angesichts der zentralen Bedeutung der Personalkosten für den Haushalt der Arbeitgeber DGB sich einer derartigen Entscheidung unterwerfen wollte, ohne wenigstens die satzungsgemäßen Kontrollrechte seiner Organe Bundeskongreß und Bundesausschuß zu wahren. Auch diese Überlegung spricht für die Auslegung von Satz 2 Nr. 1 der Protokollnotiz – zugegeben denkbar unglücklich und unklar formuliert – im hier verstandenen Sinne. Daß in der Vergangenheit dies auch so gehandhabt wurde und damit zumindest nach dem Verständnis des Arbeitgebers so gesehen wurde, zeigt die unter dem 6. November 1991 erfolgte Bestätigung des Spruchs der Einigungsstelle durch den Bundesausschuß. Hierfür wäre kein Anlaß gewesen, wenn der Spruch bereits endgültig verbindlich gewesen wäre. Auch die den Beschluß vom 19. November 1992 fassende Einigungsstelle hat dies wohl so verstanden, wenn sie im Eingangssatz ihrer Entscheidung ausdrücklich festhält: „Unter Beachtung der Protokollnotiz Nr. 1 zur Betriebsvereinbarung vom 16. Mai 1983 – Vorbehalt für Beschlüsse von Einigungsstellen, die von beiden Seiten als wirksam anerkannt wird –, fällt die Einigungsstelle … folgenden Spruch”. Wollte die Einigungsstelle nur ihre Auffassung zum Ausdruck bringen, daß sie sich mit ihrer Entscheidung „im Rahmen der Beschlüsse von Bundeskongreß und Bundesausschuß” halte, hätte es des eingeschobenen Satzteils nicht bedurft. Gerade der Hinweis auf den „Vorbehalt” macht deutlich, daß auch die Einigungsstelle davon ausging, daß ihr Spruch noch der Bestätigung durch den Bundesausschuß bedurfte.
3. Ist also davon auszugehen, daß der Spruch der Einigungsstelle bindende Wirkung nur erhält bei Bestätigung durch den Bundesausschuß – soweit nicht vorher schon ein ausfüllungsfähiger Rahmen gesetzt ist –, bleibt festzustellen, daß eine solche Bestätigung nicht erfolgt ist. Der Bundesausschuß hatte den Spruch vom 8. Mai 1991 bestätigt. Der damit gesetzte Rahmen ist mit dem Spruch der Einigungsstelle vom 19. November 1992 überschritten, da sowohl die Arbeitszeit verkürzt als auch das Gehalt im Ergebnis erhöht worden ist. Es hätte also einer neuen Entscheidung des Bundesausschusses bedurft. Die vom Vorstand des Arbeitgebers in der BV 1983 unter Vorbehalt abgegebene Unterwerfungserklärung ist also nicht wirksam geworden. Damit entfaltet der Spruch der Einigungsstelle keine Rechtswirkungen.
Ob die BV 1983 überhaupt nachwirkt, kann bei dieser Sachlage offenbleiben. Freiwillige Betriebsvereinbarungen wirken an sich nicht nach. In der vorliegenden Betriebsvereinbarung haben die Betriebspartner die Nachwirkung aber ausdrücklich vereinbart (§ 7 Satz 2 BV 1983). Die Frage, ob eine derartige Nachwirkung wirksam vereinbart werden kann, ist umstritten (bejahend LAG Düsseldorf Beschluß vom 23. Februar 1988 – 16 TaBV 13/88 – NZA 1988, 813; Blanke in Däubler/Klebe/Kittner/Schneider, aaO, § 77 Rz 59; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, 4. Aufl., Rz 1026; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 77 Rz 61; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 77 Rz 44; dagegen GK-Kreutz, aaO, § 77 Rz 340; von Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, 2. Aufl., § 11 III 8 b, S. 204). Gegen die Zulässigkeit wird vor allem eingewandt, solche Betriebsvereinbarungen würden sonst ständig nachwirken, wenn ein Betriebspartner zur Ablösung nicht bereit sei (vgl. GK-Kreutz, aaO; s. auch BAG Beschluß vom 12. August 1982 – 6 ABR 98/79 – AP Nr. 5 zu § 77 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe – allerdings ohne Stellungnahme zur vereinbarten Nachwirkung).
Die Frage bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Der Senat gibt jedoch zu erwägen, ob nicht bei fehlender ausdrücklicher Konfliktlösung der freiwilligen Vereinbarung einer Nachwirkung zugleich die schlüssige Vereinbarung der Lösung von Konfliktfällen durch eine verbindliche Entscheidung der Einigungsstelle zu entnehmen ist – im Ergebnis der Regelung des § 87 Abs. 2 BetrVG entsprechend (vgl. LAG Düsseldorf Beschluß vom 23. Februar 1988, aaO; dagegen aber GK-Kreutz, aaO, § 77 Rz 340). Damit wäre die Gefahr einer von den Betriebspartnern vernünftigerweise nicht gewollten Perpetuierung ausgeschlossen.
II. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers ist der Beschluß des Landesarbeitsgerichts danach aufzuheben und die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts zurückzuweisen. Soweit das Arbeitsgericht festgestellt hat, „daß der Beschluß der Einigungsstelle vom 19. November 1992 unwirksam gewesen ist”, muß es auch nach den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts richtig heißen: „… unwirksam ist”. Eine sachliche Änderung ergibt sich daraus nicht, weshalb der Senat auch von einer ausdrücklichen Klarstellung im Tenor abgesehen hat.
Unterschriften
Dr. Weller, Dr. Rost, Dr. Reinecke, Dr. Feucht, Lappe
Fundstellen