Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschlußverfahren zum Kündigungsschutz
Leitsatz (amtlich)
Im Beschlußverfahren zum Kündigungsschutz (§ 126 InsO) kann das Rechtsbeschwerdegericht entsprechend § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Arbeitsgerichts zurückverweisen. Eine Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht ist ausgeschlossen.
Haben die Betriebspartner einen Interessenausgleich nach § 125 InsO abgeschlossen, so ist ein späteres Beschlußverfahren zum Kündigungsschutz nach § 126 InsO gleichwohl zulässig, wenn wegen einer weiteren Betriebsänderung ein Interessenausgleich nicht zustande kommt.
Leitsatz (redaktionell)
Beschluß des Arbeitsgerichts ohne Gründe (§ 551 Nr. 7 ZPO)
Normenkette
InsO § 126; ZPO § 551 Nr. 7, § 565 Abs. 1 S. 2, § 566a; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Herford (Zwischenurteil vom 10.06.1999; Aktenzeichen 1 BV 11/99) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2, 3, 5, 7, 8, 9, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 18, 20, 21, 23, 25, 26, 27, 29, 31, 34, 39 und 42 wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Herford vom 10. Juni 1999 – 1 Bv 11/99 – aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Anhörung und Entscheidung – auch über die Kosten der Beteiligten im Rechtsbeschwerdeverfahren – an eine andere Kammer des Arbeitsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
A. Die Beteiligten zu 3. bis 43. wurden von der Gemeinschuldnerin als Arbeitnehmer beschäftigt. Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 30. Dezember 1998 der Konkurs eröffnet und gleichzeitig der Antragsteller zum Konkursverwalter bestellt. Der Beteiligte zu 2. ist der die Belegschaft vertretende Betriebsrat. Am 18. Januar 1999 schlossen der Konkursverwalter und der Betriebsrat einen Interessenausgleich iSv. § 125 InsO. Als Grundlage festgehalten wurde der Entschluß des Konkursverwalters, „das Unternehmen in einem um ca. 50 % reduzierten Umfang zunächst weiterzuführen”, um einen Käufer für das Unternehmen zu finden. Demzufolge sollten 21 Arbeitsplätze abgebaut und 16 auf einer Liste festgelegte Arbeitnehmer entlassen werden. Im weiteren Verlauf des Verfahrens stellte der Konkursverwalter Masseunzulänglichkeit fest. Dies wurde am 20. Februar 1999 veröffentlicht. Mit Schreiben vom 9. März 1999 wies er den Betriebsrat darauf hin, zum damaligen Zeitpunkt sollten keine weiteren Kündigungen ausgesprochen werden, es werde aber angesichts der Schwierigkeit der Überleitung auf eine Auffanggesellschaft darüber nachgedacht, den Betrieb endgültig stillzulegen. Am 17. März 1999 teilte der Konkursverwalter dem Betriebsrat seine Absicht mit, den Betrieb stillzulegen. Die Beteiligten des Gesprächs kamen überein, der Konkursverwalter solle einen Entwurf für einen weiteren Interessenausgleich vorlegen. Dies tat er mit Schreiben vom 19. März 1999. Mit Schreiben vom 6. April 1999 beantwortete er verschiedene Fragen des Betriebsrats. Unter anderem wies er darauf hin, er beabsichtige die Betriebsstillegung zum 30. April 1999. In einem Gespräch am 13. April 1999 erklärte der Betriebsrat, er könne nicht in Verhandlungen eintreten, da er über den Entwurf des Interessenausgleichs nicht abschließend beraten habe. Mit Schreiben vom 16. April 1999 teilte der Betriebsrat mit, er sehe sich zu Verhandlungen nicht in der Lage, da sich nach seiner Kenntnis zahlreiche Interessenten über eine Übernahme informiert hätten und der Konkursverwalter ihn hierüber nicht unterrichtet habe. Weiterhin heißt es in dem Schreiben:
„Der Betriebsrat erwartet von Ihnen zunächst eine eingehende Information über die Zusammenhänge, die dazu geführt haben sollen, daß der Betrieb jetzt tatsächlich überhaupt nicht fortgeführt werden kann. Insbesondere erwartet der Betriebsrat auch eingehende Informationen darüber, warum unter diesen Voraussetzungen weiterhin ein Unternehmensberater masseschmälernd durch Sie beauftragt wird … Insbesondere ist es auch nicht hinnehmbar, daß ohne Information des Betriebsrats … Belegschaftsversammlungen durchgeführt werden. Eine solche hat auf Veranlassung Ihres Beauftragten … am 14. April 1999 stattgefunden … Auf dieser Belegschaftsversammlung ist wiederum ein neues Stillegungskonzept dargestellt worden, das die Betriebsschließung zum 31. Mai 1999 vorsieht …”
Darauf machte der Konkursverwalter am 22. April 1999 das vorliegende Verfahren anhängig.
Der Konkursverwalter hat behauptet, er habe am 17. März 1999 die Verhandlungen über den Abschluß einer erneuten Betriebsvereinbarung aufgenommen. An diesem Tag habe er den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend darüber informiert, daß der Betrieb spätestens zum 31. Mai 1999 stillgelegt werde. Zu diesem Zeitpunkt hätten weitere Aufträge nicht mehr vorgelegen. Übernahmeverhandlungen seien spätestens seit Mitte März 1999 nicht mehr geführt worden. Pläne für eine Übernahme durch Mitglieder der Belegschaft seien nicht weiter verfolgt worden. Es sei möglich, daß die Wartung und das Ersatzteilgeschäft weitergeführt würden. Er habe diesbezüglich jedoch keine Absprachen getroffen.
Der Konkursverwalter hat beantragt
festzustellen, daß die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der Beteiligten zu 3., 5., 7. bis 35. und 37. bis 42. durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und sozial gerechtfertigt ist.
Die weiteren Beteiligten haben mit Ausnahme der Beteiligten zu 4., 10., 17., 19., 22., 28., 30., 41. und 43. beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Die Beteiligten zu 2., 3., 9., 12., 21., 23., 38. und 40. haben die Auffassung vertreten, das Antragsrecht des Konkursverwalters sei durch den Interessenausgleich vom 18. Januar 1999 verbraucht. Es fehle auch an einer umfassenden Unterrichtung und an der Wahrung der Frist des § 126 Abs. 1 Satz 1 InsO. Sie haben behauptet, der Antragsteller habe am 17. März 1999 den Betriebsrat lediglich über seine Stillegungsabsicht unterrichtet. Die Fortführung des Ersatzteil- und Reparaturgeschäftes stehe außer Frage. Abgesehen davon habe eine Firma W auf einer Fachmesse mit der Weiterführung der „Traditionsmarke” der Gemeinschuldnerin geworben.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Mit der vom Arbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehren die Rechtsbeschwerdeführer zum Teil weiterhin und zum Teil erstmals die Zurückweisung des Antrags.
B I. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
1. Sie ist gem. §§ 122 Abs. 3 Satz 2, 126 Abs. 2 Satz 2 InsO an sich statthaft. Dem steht nicht entgegen, daß die Zulassung nicht verkündet wurde, sondern lediglich in den Gründen des angefochtenen Beschlusses enthalten ist. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Rechtsmittelzulassung in den unterzeichneten Gründen ausreichend, und zwar auch dann, wenn sie in den lediglich vom Vorsitzenden unterzeichneten Gründen einer erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Entscheidung enthalten ist(BAG 11. Dezember 1998 – 6 AZB 48/97 – AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 30 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 36).
2. Die Rechtsbeschwerdefrist ist gewahrt. Dies kann festgestellt werden, obwohl die Vorakte Zustellungsnachweise nicht enthält. Da der angegriffene Beschluß eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung (Beschwerde zum Landesarbeitsgericht) enthält, gilt die Jahresfrist des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG. Daher wahrte die am 5. August 1999 anhängig gemachte Rechtsbeschwerde in jedem Fall die Frist zur Anfechtung des am 10. Juni 1999 verkündeten Beschlusses.
II. Im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beteiligt sind die Arbeitnehmerin K und der Arbeitnehmer P (Beteiligte zu 4. und 43.). Dagegen sind die übrigen der zuletzt erstinstanzlich Beteiligten auch im Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt.
Im Beschlußverfahren beteiligt sind die durch das Verfahren materiell-rechtlich unmittelbar Betroffenen. Im Verfahren nach § 126 InsO sind dies gem. § 126 Abs. 2 Satz 1 InsO neben dem Insolvenz- bzw. Konkursverwalter und dem Betriebsrat die im Antrag bezeichneten Arbeitnehmer, soweit sie nicht mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder den geänderten Arbeitsbedingungen einverstanden sind. Erste Voraussetzung für die materiell-rechtliche Betroffenheit und damit die Beteiligtenstellung ist daher die Bezeichnung im Antrag. Als weitere Voraussetzung muß hinzutreten, daß die Arbeitnehmer nicht ihr Einverständnis mit der Kündigung kundgetan haben.
Hinsichtlich der Beteiligten zu 4. und 43. fehlt es schon an einem im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht und in dem in der Rechtsbeschwerdeinstanz gestellten Antrag des Konkursverwalters. Dementsprechend betrifft der angefochtene Beschluß diese beiden Arbeitnehmer nicht. Von den übrigen in der Rechtsbeschwerde angeführten Arbeitnehmern waren auch die zu beteiligen, die erst- und/oder zweitinstanzlich sich nicht geäußert und keinen Zurückweisungsantrag gestellt haben. Darin allein liegt kein Einverständnis iSv. § 126 Abs. 2 Satz 1 InsO. Die bloße Untätigkeit im Beschlußverfahren genügt dazu nicht. Schweigen im Rechtsverkehr kann nur in besonderen Ausnahmefällen, in denen der Schweigende nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zum Ausspruch eines abweichenden Willens verpflichtet gewesen wäre, als rechtsgeschäftliche Erklärung zu verstehen sein(BAG 22. April 1998 – 5 AZR 191/97 – AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 96 zu III 2 b der Gründe). Im Beschlußverfahren sind Beteiligte nicht verpflichtet, sich zu äußern und Anträge zu stellen, § 83 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 ArbGG. Ihr Schweigen im Beschlußverfahren allein kann daher nicht als Einverständnis mit der Kündigung verstanden werden. Auch die Arbeitnehmerin K war zu beteiligen. Zwar hat sie ursprünglich erklärt, sie halte die Kündigung „für gerechtfertigt”. Sowohl aus dem Protokoll wie aus dem Tatbestandsteil des angefochtenen Beschlusses ergibt sich aber, ohne daß Berichtigungsanträge gestellt wurden, daß sie im Anhörungstermin beantragt hat, den Antrag zurückzuweisen, sich also gerade gegen die Kündigung wandte. Damit fehlt es an einer eindeutigen Einverständniserklärung.
III. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
1. Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung mit folgenden beiden Sätzen begründet: „Die vom Antragsteller erfolgte schriftliche Aufforderung zur Aufnahme von Verhandlungen über einen Interessenausgleich ist innerhalb von drei Wochen nach Aufforderung nicht zustande gekommen. Der Antragsteller hat schließlich dargelegt, daß die von ihm bezeichneten Arbeitnehmer gekündigt werden können wegen dringender betrieblicher Erfordernisse, da für eine Weiterführung der Gemeinschuldnerin weder ein Interessent vorhanden ist, noch die Gemeinschuldnerin über entsprechend Masse verfügt, um eine Nachfolgefirma weiterführen zu können, mithin also die Kündigung wegen dringender betrieblicher Erfordernisse sämtlicher Arbeitnehmer bedingt ist und eine soziale Auswahl im Hinblick auf die Nichtfortführung der gesamten Firma bzw. des gesamten Betriebes nicht möglich ist”.
2. Dem folgt der Senat nicht. Der angefochtene Beschluß ist nach § 564, § 551 Nr. 7 ZPO, § 72 Abs. 5, § 92 Abs. 2 Satz 1 ArbGG aufzuheben, weil er im Rechtssinne nicht mit Gründen versehen ist.
a) Die Berücksichtigung dieses Verfahrensmangels scheitert nicht schon an § 76 Abs. 4, § 96 a Abs. 2 ArbGG. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nach § 126 Abs. 2 Satz 2, § 122 Abs. 3 InsO ist keine Sprungrechtsbeschwerde. Deshalb sind die § 76 Abs. 4, § 96 a Abs. 2 ArbGG nicht anwendbar.
b) Die Rechtsbeschwerde hat auf zulässige Weise eine entsprechende Verfahrensrüge erhoben.
Die Geltendmachung eines unbedingten Revisionsgrundes setzt regelmäßig eine zulässige Verfahrensrüge nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO voraus(BAG 28. September 1961 – 2 AZR 32/60 – BAGE 11, 276). Dies gilt insbesondere auch für den Revisionsgrund von § 551 Nr. 7 ZPO (BAG 12. Januar 1994 – 4 AZR 133/93 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk Nr. 22 zu A der Gründe). Die zulässige Erhebung einer Verfahrensrüge erfordert nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 ZPO neben der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben. Dies gilt trotz des Grundsatzes der Amtsermittlung auch im Beschlußverfahren(Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 94 Rn. 16).
Die Rechtsbeschwerde hat gerügt, das Arbeitsgericht habe sich auf lediglich neun Zeilen mit der Rechtslage auseinandergesetzt und die Argumentation des Betriebsrats weder in formeller noch in materieller Hinsicht auch nur ansatzweise aufgenommen und gewürdigt. Dies genügt den Anforderungen einer Verfahrensrüge nach § 551 Nr. 7 ZPO. Zwar hat die Rechtsbeschwerde die verletzte Rechtsnorm (§ 313 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) nicht konkret angegeben. Dies ist jedoch unschädlich. Zur Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm genügt, daß die Richtung des Revisionsangriffs erkennbar ist(Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 58. Aufl. § 554 Rn. 10 m.w.N.). Dies ist hier der Fall. Wenn gerügt wird, das Arbeitsgericht habe sich auch nicht ansatzweise mit der Rechtslage und der Argumentation der Beteiligten auseinandergesetzt hat, enthält schon dies die Rüge, der angefochtene Beschluß sei nicht mit Gründen im Rechtssinne versehen. Außerdem wird in der Rechtsbeschwerdebegründung auch konkret gerügt, welcher erstinstanzliche Sachvortrag vom Arbeitsgericht nicht beschieden worden ist.
c) Die Verfahrensrüge ist auch begründet.
„Nicht mit Gründen versehen” iSv. § 551 Nr. 7 ZPO ist eine Entscheidung, wenn aus ihr nicht zu erkennen ist, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgeblich waren. Auch wenn eine Begründung nicht vollständig fehlt, fehlen Gründe im Rechtssinn, wenn diese gänzlich unverständlich sind, so daß sie die für die Entscheidung maßgebenden Überlegungen nicht erkennen lassen, etwa bei leeren Redensarten oder einer bloßen Wiedergabe des Gesetzestextes. Nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung auch dann, wenn auf einzelne Ansprüche oder auf einzelne selbständige Angriffs- oder Verteidigungsmittel überhaupt nicht eingegangen wurde. Dagegen genügt es nicht, wenn die Gründe zu den einzelnen Ansprüchen und Angriffs- und Verteidigungsmitteln nur sachlich unvollständig, unzureichend, unrichtig oder sonst rechtsfehlerhaft sind(BGH 21. Dezember 1962 – I ZB 27/62 – BGHZ 39, 333, 336 f.; BAG 4. September 1972 – 2 AZR 467/71 – AP ZPO § 551 Nr. 9; BAG 16. Juni 1998 – 5 AZR 255/98 – AP ZPO § 543 Nr. 3 = EzA ZPO § 543 Nr. 10 zu 3 der Gründe).
An einer diesen Anforderungen genügenden Begründung des angefochtenen Beschlusses fehlt es. Mit dem ersten Satz seiner Begründung hebt das Arbeitsgericht darauf ab, Verhandlungen über einen Interessenausgleich seien nicht innerhalb von drei Wochen nach schriftlicher Aufforderung durch den Antragsteller zustande gekommen. Dies erschöpft sich im Versuch einer bloßen Wiederholung des Gesetzestextes von § 126 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. InsO und wird, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt, der Argumentation der Beteiligten auch nicht ansatzweise gerecht. Der Antragsteller hat selbst nie behauptet, eine schriftliche Aufforderung ausdrücklich abgegeben zu haben. Er ging in erster Linie davon aus, daß die erste Alternative von § 126 Abs. 1 Satz 1 InsO erfüllt sei, daß nämlich am 17. März 1999 aufgenommene Verhandlungen über mehr als drei Wochen erfolglos blieben. Worin das Arbeitsgericht die Erfüllung der anderen Alternative sieht, macht seine inhaltlich rein formelhafte Begründung nicht deutlich. Mit dem zweiten Satz versucht das Arbeitsgericht, seine Feststellungen der sozialen Rechtfertigung der Kündigungen mit dem Hinweis auf den Sachvortrag des Antragstellers hinsichtlich der Betriebsstillegung zu begründen. Nicht erkennbar wird dabei aber, aus welchen Gründen es allein auf die Sachdarstellung des Antragstellers ankommen und warum der Vortrag ua. des Betriebsrats zur Weiterführung von Betriebsteilen nicht beachtlich sein soll. Es bleibt auch hier unklar, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen der getroffenen Entscheidung zugrunde liegen. Gänzlich außer acht ließ das Arbeitsgericht schließlich die Streitpunkte „Verbrauch des Antragsrechts aufgrund des Interessenausgleichs vom 18. Januar 1999” und „ausreichende Unterrichtung des Betriebsrats über die Betriebsänderung als Antragsvoraussetzung nach § 126 Abs. 1 Satz 1 InsO”.
Daß eine derartig oberflächliche Begründung unzureichend ist, belegt ein Vergleich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Anforderungen an eine der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs(Art. 103 Abs. 1 GG) genügende Begründung gerichtlicher Entscheidungen. Danach ist es zwar verfassungsrechtlich nicht geboten, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich auseinanderzusetzen. Es muß aber erkennbar sein, daß das Gericht das tatsächliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung erwogen hat. Dazu müssen die wesentlichen der Rechtsverfolgung und -verteidigung dienenden Tatsachen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden(BVerfG Beschluß vom 22. November 1983 – 2 BvR 399/81 – BVerfGE 65, 293 zu II der Gründe; BVerfG 2. Kammer des Zweiten Senats Beschluß vom 18. Mai 1996 – 2 BvR 2847/95 – NJW 1996, 2785; BVerfG 1. Kammer des Ersten Senats Beschluß vom 7. Oktober 1996 – 1 BvR 520/95 – NJW 97, 122 zu 1 a der Gründe). Dies trifft auf den angefochtenen Beschluß nicht zu. Mit dessen Begründung werden der Tatsachenvortrag und der wesentliche Inhalt des Streitstoffs vollständig verfehlt.
2. Der Senat kann nicht ausnahmsweise selbst in der Sache entscheiden(vgl. BSG 14. September 1994 – 3/1 RK 36/93 – BSGE 75, 74). Sie ist auch nicht zugunsten der Rechtsbeschwerdeführer zur Endentscheidung reif. Insbesondere ist die Sachrüge der Rechtsbeschwerde unbegründet, das Antragsrecht des Antragstellers sei durch den Interessenausgleich vom 18. Januar 1999 „verbraucht”.
a) Der Antrag gemäß § 126 Abs. 1 Satz 1 InsO ist zulässig, wenn innerhalb der geregelten Frist ein Interessenausgleich iSv. § 125 InsO nicht zustande kommt. Dies bedeutet schon nach dem Wortlaut der Vorschrift, daß im Fall des Zustandekommens eines Interessenausgleichs das Verfahren nach § 126 InsO nicht gegeben sein sollte. Dies deckt sich mit dem Zweck der Regelung, wie er im Regierungsentwurf seinen Niederschlag gefunden hat(BT-Drucks 12/243 S 149 f.):
„Ist eine umfassende Klärung der Rechtmäßigkeit von Kündigungen durch einen Interessenausgleich nicht möglich …, so kann der Verwalter die soziale Rechtfertigung der geplanten Entlassungen in einem besonderen Beschlußverfahren … feststellen lassen.”
Deshalb ist mit der überwiegenden Ansicht der Literatur (Nerlich/Römermann-Hamacher InsO § 126 Rn. 5; Zwanziger Arbeitsrecht der InsO § 126 Rn. 6, Heidelberger Kommentar zur InsO-Irschlinger, § 126 Rn. 6; Giesen ZIP 98, 46, 51 f.) davon auszugehen, daß im Fall des Abschlusses eines Interessenausgleichs iSv. § 125 InsO ein Antrag nach § 126 InsO unzulässig ist, zumindest soweit mit dem Interessenausgleich eine umfassende Regelung der Folgen der Betriebsänderung angestrebt wurde und nicht nur ein Teilinteressenausgleich vorliegt.
b) Beschränkt ist diese Sperrwirkung jedoch auf den Gegenstand des Interessenausgleichs, dh. die jeweilige Betriebsänderung(Irschlinger aaO § 126 Rn. 6). Der Interessenausgleich vom 18. Januar 1999 betraf eine andere Betriebsänderung als die, die der Antragsteller zum Anlaß seines Antrags genommen hat. Auch ein in mehreren Stufen über einen längeren Zeitraum durchgeführter Personalabbau kann allerdings eine einheitliche Betriebseinschränkung bzw. -stillegung iSv. § 111 Satz 2 Nr. 1 BetrVG sein. Dabei muß es sich jedoch um einen kontinuierlichen Abbau gehandelt haben. Dient die vorhergehende Verminderung der Belegschaft dagegen der Rationalisierung, um den Betrieb in vermindertem Umfang fortführen zu können, und stabilisiert sich der Personalbestand zunächst auf niedrigerem Niveau, fehlt es an einer einheitlichen Betriebsänderung(BAG 9. Mai 1995 – 1 ABR 51/94 – AP Nr. 33 zu § 111 BetrVG 1972 = EzA BetrVG 1972 § 111 Nr. 30 zu B II 1 der Gründe). Eine solche setzt grundsätzlich eine einheitliche Planungsentscheidung des Arbeitgebers voraus.
Hier ergibt sich aus den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Arbeitsgerichts im Tatbestandsteil der Gründe des angefochtenen Beschlusses, daß unstreitig der Interessenausgleich vom 18. Januar 1998 unter der Einschätzung geschlossen wurde, eine teilweise Sanierung werde möglich sein, und daß der Antragsteller erst später zu der Auffassung gelangte, auch ein Teilbetrieb könne nicht weitergeführt werden. Auf der Grundlage dieses Sachverhalts handelte es sich nicht um eine einheitliche Betriebsänderung, da die Personalreduzierung durch den Interessenausgleich vom 18. Januar 1999 einer Betriebsfortführung in vermindertem Umfang diente und zu einer Stabilisierung des Personalbestandes auf niedrigerem Niveau für mehrere Monate führte.
3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache entsprechend § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO an eine andere Kammer des Arbeitsgerichts zurückzuverweisen.
Zwar regelt § 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG iVm. § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO ausdrücklich nur den Fall einer Zurückverweisung an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts. Der Gesetzgeber geht jedoch ersichtlich von dem Normalfall einer Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluß des Landesarbeitsgerichts aus. Eine entsprechende Anwendung des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf den Fall einer Zurückverweisung an das Arbeitsgericht bei einem Beschluß nach § 126 Abs. 2 InsO ist geboten. § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO stellt ein sachgerechtes Mittel dar, die Rechtsauffassung des Obergerichts durchzusetzen(BVerfG Beschluß vom 25. Oktober 1966 – 2 BvR 291, 656/64 – BVerfGE 20, 336 345). Nicht nur der mögliche Anschein einer Voreingenommenheit des Vordergerichts, sondern auch andere Umstände können es im Interesse einer unbefangenen Rechtsfindung geraten erscheinen lassen, die erneute Verhandlung und Entscheidung nicht dem bisherigen Spruchkörper zu überlassen(BVerfG, aaO). Die auch in anderen Prozeßordnungen geregelte Möglichkeit der Zurückverweisung an einen anderen Spruchkörper ist erst recht erforderlich, wenn wie in einem Beschlußverfahren nach § 126 Abs. 2 InsO im Gegensatz zu den übrigen arbeitsgerichtlichen Verfahren lediglich eine Tatsacheninstanz tätig wird und die Rechtsbeschwerdeinstanz auf die Prüfung der Nichtanwendung oder der unrichtigen Anwendung einer Rechtsnorm beschränkt ist. Auch in dem insoweit vergleichbaren Fall der Zurückverweisung an die erste Instanz auf eine Sprungrevision hin ist allgemein anerkannt, daß § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO entsprechend anwendbar ist(Musielak/Ball ZPO § 566 a Rn. 8; Thomas/Putzo, ZPO 20. Aufl. § 566 a Rn. 8; Stein/Jonas/Grunsky ZPO 21. Aufl. § 566 a Rn. 15; MünchKomm/ZPO-Walchshöfer § 566 a Rn. 24).
Wenn demgegenüber bei der Sprungrevision in den Fällen, daß das Revisionsgericht die weitere Behandlung der Sache durch einen anderen Spruchkörper für geboten erachtet, in der Regel die Zurückverweisung an das Berufungsgericht vorzuziehen sein dürfte(so Stein/Jonas/Grunsky aaO Rn. 15), so scheidet eine solche Möglichkeit hier aus. Bei der Sprungrevision beruht die Wahlmöglichkeit, an das erstinstanzliche Gericht bzw. an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, auf der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 566 a Abs. 5 ZPO. Eine solche Regelung hat der Gesetzgeber, bei dem eine Kenntnis des § 566 a Abs. 5 ZPO vorausgesetzt werden kann, bei dem Beschlußverfahren nach § 126 Abs. 2, § 122 Abs. 3 InsO nicht geschaffen. Eine analoge Anwendung des § 566 a Abs. 5 ZPO auf § 126 Abs. 2 InsO ist deshalb nicht gerechtfertigt.
4. Über die zu erstattenden Kosten im Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht (§ 126 Abs. 3 Satz 2 InsO) wird das Arbeitsgericht nach der Zurückverweisung ebenfalls zu entscheiden haben.
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Engel, Sieg
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.01.2000 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 267 |
BB 2000, 1632 |
FA 2000, 164 |
FA 2000, 324 |
KTS 2000, 649 |
NZA 2001, 170 |
AP, 0 |
DZWir 2000, 506 |
NJ 2000, 503 |
NZI 2000, 498 |
NZI 2001, 73 |
ZInsO 2000, 684 |