Entscheidungsstichwort (Thema)

Leitende Angestellte. Ressortleiter einer Tageszeitung

 

Leitsatz (redaktionell)

Von den konkreten Organisationsformen, Kompetenzverteilungen und Einflußmöglichkeiten hängt es ab, ob Ressortleiter als leitende Angestellte i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG anzusehen sind.

§ 5 Abs. 4 BetrVG enthält weder Regelbeispiele oder eine authentische Interpretation zu § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG noch widerlegliche oder unwideriegliche Vermutungstatbestände, sondern gibt eine Entscheidungshilfe, wenn bei der Sachverhaltswürdigung Zweifel bleiben, es sich also um einen Grenzfall handelt, bei dem sowohl eine Einordnung des Angestellten als Arbeitnehmer i.S.d. § 5 Abs. 1 BetrVG als auch eine Einordnung als leitender Angestellter i.S.d. § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG vertretbar erscheint.

 

Normenkette

BetrVG § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3, Abs. 4

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Beschluss vom 22.03.1993; Aktenzeichen 19 TaBV 226/92)

ArbG Essen (Beschluss vom 22.06.1992; Aktenzeichen 5 (6) BV 91/90)

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. März 1993 – 19 TaBV 226/92 – aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Ressortleiter J. (Beteiligter zu 3) leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) gehört der Zeitungsgruppe W. (W.) an. Die W Zeitungsverlagsgesellschaft E. B. und J. F. GmbH & Co. KG (im folgenden W. KG genannt) führt als zentrales Dienstleistungsunternehmen der Zeitungsgruppe die Verwaltungs- und Verlagsgeschäfte, insbesondere das Anzeigen- und Vertriebsgeschäft, das Finanz- und Rechnungswesen, die allgemeine Verwaltung und die Personal Verwaltung. Der Personalleiter der W. KG, Herr H., ist gleichzeitig Prokurist der im vorliegenden Verfahren beteiligten Arbeitgeberin. Bei ihr sind alle publizistischen Abteilungen angesiedelt. Sie erstellt in redaktioneller Hinsicht die Mantel- und Lokalseiten der „W.”, einer regionalen Familien- und Lokalzeitung mit einer Druckauflage zwischen 650.000 und 750.000. Insgesamt beschäftigt die Arbeitgeberin etwa 370 Arbeitnehmer, darunter 257 Redakteure. 77 Redakteure sind in der zentralen Redaktion E. und 180 Redakteure in den 29 Lokal- und Bezirksredaktionen eingesetzt. Außerdem sind noch freie Mitarbeiter und sog. Pauschalisten für die Arbeitgeberin tätig.

Für alle personellen, sachlichen und inhaltlichen Belange der Zentral-, Bezirks- und Lokalredaktionen (Gesamtredaktion) ist der Chefredakteur uneingeschränkt verantwortlich. Er ist Vorgesetzter aller Redakteure und sonstigen Arbeitnehmer. Im Rahmen der vorgegebenen Tendenz trifft er die endgültige Entscheidung über den Inhalt und die Aufmachung der Zeitung. Die von ihm zu beachtenden Herausgeberrichtlinien der W./Stand: Januar 1973, die seit 1949 unverändert sind, lauten wie folgt:

„Die politische Haltung der Zeitung ist überparteilich und unabhängig, sie ist entschieden sozial unter Ablehnung aller totalitären Bestrebungen. Der Zeitungsinhalt wird objektiv gestaltet, um dem Leser die Bildung einer eigenen Meinung zu ermöglichen. Der Charakter einer Familien- und Lokalzeitung soll gewahrt werden.”

Der Chefredakteur wird in seiner Abwesenheit von den stellvertretenden Chefredakteuren vertreten. Ihnen sind auch besondere Aufgabenbereiche übertragen. Der stellvertretende Chefredakteur B. ist Leiter der politischen Redaktionen und außerdem selbst Ressortleiter Politik. Er ist Vorgesetzter aller in der Zentralredaktion tätigen Redakteure, technischen Assistenten und Sekretärinnen. Der stellvertretende Chefredakteur Z. ist für die tägliche Produktion der Zentralredaktion, die nichtpolitischen Ressorts und die Reportagenredaktion verantwortlich. Der stellvertretende Chefredakteur P. ist mit den Personalangelegenheiten der Gesamt redaktion sowie mit der Erstellung des Etats und mit der Kostenkontrolle betraut. Er leitet und beaufsichtigt die Arbeit der Bezirks- und Lokalredaktionen. Gegenüber allen dort tätigen Redakteuren ist er publizistisch weisungsbefugt.

Die stellvertretenden Chefredakteure und außerdem der Chef vom Dienst Redaktionstechnik, Herr T., gehören der Chefredaktion an. Sie ist ein beratendes Gremium, das mit der sachlichen und personellen Leitung der Gesamtredaktion sowie mit der Bestimmung der Linie, des Inhalts und der Gestaltung der Zeitung befaßt ist. Die anfallenden personellen, organisatorischen und fachlichen Entscheidungen pflegt sie in kooperativem, auf Konsens angelegtem Handeln zu treffen und durchzuführen. Die Chefredaktion und die Geschäftsführung des Verlages handeln jährlich den Gesamtetat der Redaktion aus. Wenn keine Einigung zustande kommt, entscheidet die Gesellschafterversammlung. Dieser Gesamtetat, der die Stellenpläne und den Honoraretat mit umfaßt, bildet den finanziellen Rahmen für die Redaktionsarbeit. Die Chefredaktion verteilt in Abstimmung mit den Ressortleitern den zur Verfügung stehenden Gesamtetat auf die einzelnen Ressorts und setzt dabei auch die Schwerpunkte. Insbesondere bei etaterhöhenden Vorhaben muß die Chefredaktion mit der Personalverwaltung der W. KG Rücksprache nehmen. Über Einstellungen, Stellenbesetzungen, Entlassungen und förmliche Abmahnungen entscheidet die Chefredaktion. Für den Vollzug sorgt dann die Personalverwaltung der W. KG.

Die Zentralredaktion besteht u.a. aus den Ressorts Kultur. Sport und Wirtschaft. Der beteiligte Arbeitnehmer Dr. J. leitet das Ressort Kultur, in dem drei weitere Redakteure und eine Sekretärin arbeiten. Die Ressorts sind organisatorisch abgegrenzt und haben auf ihrem publizistischen Sachgebiet den Zeitungsmantel zu bestücken. Der Gesamtumfang des Zeitungsmantels und der Anteil der einzelnen Ressorts wird vorgegeben. Da der Gesamtrahmen und die Aufteilung auf die verschiedenen Ressorts Schwankungen unterliegen, wird hierüber regelmäßig täglich diskutiert, zum Beispiel in der Spiegelkonferenz. Im Rahmen der Ressortanteile finden auch Auswahlen statt. Die Ressortleiter bestimmen täglich, welche Beiträge ihrer Ressorts „nach oben koromen” und damit in den Vordergrund gestellt werden. Bei Nachrichten trifft letztendlich der Ressortleiter die Entscheidung. Wenn der Ressortleiter gegen die unveränderte Veröffentlichung eines Meinungsartikels Bedenken hat, findet im Regelfall zunächst eine kollegiale Diskussion statt. Läßt sich dadurch ausnahmsweise der Konflikt nicht lösen, so wird zumeist entweder auf diesen Artikel verzichtet oder der Artikel vom Ressortleiter selbst verfaßt. Es ist aber auch denkbar, daß der Konfliktfall der Chefredaktion vorgelegt wird.

Die Redakteure schreiben ihre Beiträge zum Teil am Terminal. Die Beiträge werden in einigen Ressorts praktisch bis zur Satzreife bearbeitet und in anderen Ressorts noch von Redaktionsassitenten überarbeitet. Artikel von größerer Bedeutung werden üblicherweise von Kollegen gegengelesen.

Die Ressortleiter organisieren die redaktionelle Arbeit in ihren Ressorts und kontrollieren die Einhaltung des für ihren Bereich vorgegebenen Budgets. Die von den einzelnen Redakteuren zu verrichtende Arbeit bestimmt sich nach der Sachgebietsaufteilung innerhalb des jeweiligen Ressorts. Zweifelsfragen über die Arbeitsverteilung werden kollegial diskutiert. Über verbleibende Streitfälle entscheidet zunächst der Redaktionsleiter, ggf. noch die Chefredaktion. Wenn Redakteure eine Dienstreise unternehmen wollen, wenden sie sich zunächst an ihren Redaktionsleiter. Befürwortet er die Dienstreise, so wird der Dienstreiseantrag an die Chefredaktion weitergeleitet. Die Urlaubszeiten werden kollegial abgesprochen und mit dem Ressortleiter abgestimmt. Im Rahmen seiner Weisungsbefugnisse genehmigt er Überstunden und gewährt er Freizeitausgleich. Bei der Neueinstellung eines Redakteurs für sein Ressort wählt er grundsätzlich einen ihm geeignet erscheinenden Kandidaten aus. Der Chefredakteur folgt in der Regel diesem Vorschlag. Auch auf Versetzungen und Umgruppierungen nimmt der Ressortleiter regelmäßig Einfluß.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Ressortleiter seien keine leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG.

Er hat beantragt

festzustellen, daß es sich bei dem Ressortleiter Dr. Hans J. um einen Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG handelt.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, diesen Antrag abzuweisen. Sie hat gemeint, die Ressortleiter hätten eine unter § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG fallende Schlüsselstellung inne, zumindest seien sie nach § 5 Abs. 4 BetrVG als leitende Angestellte anzusehen.

Das Arbeitsgericht hat den Feststellungsantrag des Betriebsrats abgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Arbeitgeberin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses, während der Betriebsrat Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragt.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Landesarbeitsgericht. Den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeits gerichts läßt sich nicht entnehmen, daß der Ressortleiter Dr. J. kein leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG, sondern Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG ist.

I. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht den Feststellungsantrag für zulässig erachtet und den Betriebsrat, die Arbeitgeberin sowie den Arbeitnehmer, dessen betriebsverfassungsrechtlicher Status umstritten ist, am Verfahren beteiligt. Soweit das Landesarbeitsgericht den Feststellungsantrag für begründet angesehen hat, rügt die Arbeitgeberin mit Erfolg die Verletzung materiellen Rechts.

II. Das Landesarbeitsgericht hat den Leiter des Ressorts Kultur Dr. J. nicht als leitenden Angestellten angesehen und dies im wesentlichen wie folgt begründet: Die Erstellung der Mantel- und Lokalseiten sei für Bestand und Entwicklung der Unternehmensgruppe unzweifelhaft von grundlegender Bedeutung. Die bei der Arbeitgeberin anfallenden typischen Unternehmerfunktionen würden jedoch ausschließlich von der Chefredaktion wahrgenommen. Sie bestimme im Rahmen der ihr vorgegebenen Tendenz den Inhalt und die Gestaltung der Zeitung. Ihr obliege die personelle und sachliche Führung der Gesamtredaktion. Die Chefredaktion sorge für die Verwirklichung der Tendenz gemäß den Herausgeberrichtlinien, bestimme maßgeblich über den jeweiligen Anteil der einzelnen Ressorts und verteile den zur Verfügung stehenden Etat auf die einzelnen Ressorts. Den Ressortleitern seien zwei Hierarchiestufen (Chefredakteur und jeweils zuständiger stellvertretender Chefredakteur) übergeordnet. Die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungsspielräume würden bereits auf den beiden höheren Entscheidungsstufen verbraucht. Den Ressortleitern stehe keine Personalverantwortung mit einem bedeutenden eigenen Entscheidungsspielraum zu. Ihnen komme nur eine „schlichte Vorgesetztenfunktion” zu. Der Ressortleiter Dr. J., der unablässig in einem nicht unerheblichen Umfang selbst schreibe, erledige zusammen mit den Redakteuren seines Ressorts, im Regelfall eigenverantwortlich, die Tagesgeschäfte und insbesondere die Routineangelegenheiten. Seine gesamte Arbeit erfolge unter der Verantwortung und Kontrolle des Chefredakteurs.

III. Die tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts rechtfertigen noch nicht die Annahme, der Ressortleiter Dr. J. sei nicht leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG. sondern Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG. Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG ist leitender Angestellter, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb regelmäßig Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebes von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgebend beeinflußt; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften. Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein. Auch diese Neufassung des funktionalen Grundtatbestandes des leitenden Angestellten verwendet mehrere unbestimmte Rechtsbegriffe, deren Anwendung durch die Tatsachengerichte im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin zu überprüfen ist, ob die Bewertungsmaßstäbe nicht verkannt sind, die Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände vertretbar erscheint und kein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegt (BAGE 26, 36, 59 = AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972, zu IV 2 der Gründe; BAGE 26, 345, 355 = AP Nr. 2 zu § 5 BetrVG 1972, zu III 2 g der Gründe; BAG Beschluß vom 9. Dezember 1975 – 1 ABR 80/73 – AP Nr. 11 zu § 5 BetrVG 1972, zu IV der Gründe; BAGE 32, 381, 385 = AP Nr. 22 zu § 5 BetrVG 1972, zu B I 1 e der Gründe). Auch dieser eingeschränkten Überprüfung hält jedoch der angegriffene Beschluß nicht stand.

1. Dem Landesarbeitsgericht ist insoweit zu folgen, als es angenommen hat, daß bei der Auslegung der Neufassung des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG jedenfalls weitgehend an die bisherige Rechtsprechung angeknüpft werden kann (vgl. u.a. MünchArbR-Richardi. § 25 Rz 34; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither. BetrVG. 17. Aufl., § 5 Rz 154; Hess/Schlochauer/Glaubitz. BetrVG. 4. Aufl., § 5 Rz 53; Kraft. GK-BetrVG. 4. Aufl. (Nachtrag). § 5 Rz 18; Trümner in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider. BetrVG. 3. Aufl., § 5 Rz 214. jeweils m.w.N.). Die generalklauselartige frühere Fassung des § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG hatte zu Meinungsverschiedenheiten und Auslegungsschwierigkeiten geführt. Teilweise wurde sogar die Auffassung vertreten, die Regelung sei nicht justitiabel und deshalb wegen Unbestimmtheit verfassungswidrig. In Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur entschied das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 24. November 1981 (BVerfGE 59, 104 = AP Nr. 27 zu § 5 BetrVG 1972), daß bereits die im früheren § 5 Abs. 3 Nr. 3 BetrVG enthaltene Umschreibung des Personenkreises der leitenden Angestellten dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot entsprach. Mit der Neufassung des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG wollte der Gesetzgeber die Tatbestandsmerkmale des funktionalen Grundtatbestandes lediglich präzisieren, nicht aber den Personenkreis der leitenden Angestellten einschränken oder ausdehnen (vgl. BT-Drucks. 11/2503 S. 24 und 30).

2. Während § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 BetrVG auf formale Merkmale abstellen, die – wie das Landesarbeitsgericht richtig ausführt – nicht vorliegen, enthält § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG eine funktionsbezogene Umschreibung des leitenden Angestellten. Die in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG verwandten Worte „sonstige Aufgaben” bringen zum Ausdruck, daß nicht nur nach Nr. 1 und 2, sondern auch nach Nr. 3 der Angestellte unternehmerische Führungsaufgaben wahrnehmen muß (vgl. BT-Drucks. 11/2503 S. 30).

a) Die Tätigkeit darf sich nicht in Aufsichts- oder Überwachungsfunktionen erschöpfen. Auch die rein arbeitstechnische, „vorprogrammierte” Durchführung unternehmerischer Entscheidungen gehört nicht zur Unternehmensleitung (BAG Beschluß vom 9. Dezember 1975 – 1 ABR 80/73 – AP Nr. 11 zu § 5 BetrVG 1972, zu III 4 a der Gründe; BAG Beschluß vom 10. Februar 1976 – 1 ABR 61/74 – AP Nr. 12 zu § 5 BetrVG 1972, zu IV 4 a der Gründe; BAG Beschluß vom 8. Februar 1977 – 1 ABR 22/76 – AP Nr. 16 zu § 5 BetrVG 1972, zu II 5 a der Gründe; BAGE 51, 1, 9 = AP Nr. 32 zu § 5 BetrVG 1972, zu C I 3 d der Gründe). Eine fachlich oder rechtlich begrenzte unternehmerische Teilaufgabe genügt dagegen, sofern sie für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung ist. Auf Bestand und Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs wird abgestellt, um zu gewährleisten, daß nur Schlüsselpositionen erfaßt werden, die für die Verwirklichung der unternehmerischen Zielsetzung besonders wichtig sind. Um welchen Bereich der Unternehmensführung es sich handelt, ist unerheblich. Der Angestellte muß nicht auch auf personellem Gebiet eine Schlüsselposition innehaben. Nicht einmal eine Vorgesetzteneigenschaft ist unbedingt erforderlich (vgl. BAGE 26, 36, 53 = AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972, zu III 2 c der Gründe; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 4. Aufl., § 5 Rz 54; Trümner in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 3. Aufl., § 5 Rz 228; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 5 Rz 160). Vielmehr genügt es, daß der Angestellte mit wirtschaftlichen, technischen, kaufmännischen, organisatorischen oder wissenschaftlichen Führungsaufgaben betraut ist (vgl. BAGE 26, 36, 53 = AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972, zu III 2 c der Gründe; BAG Beschluß vom 4. Dezember 1974 – 1 ABR 48/73 – AP Nr. 4 zu § 5 BetrVG 1972, zu III 1 a der Gründe; BAGE 51, 1, 9 f. = AP Nr. 32 zu § 5 BetrVG 1972, zu C I 3 e der Gründe). Je enger allerdings das Aufgabengebiet ist, um so sorgfältiger sind die Tatbestandsmerkmale des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG zu prüfen.

b) Eine unter § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG fallende Schlüsselposition hat der Angestellte nur dann, wenn er selbst unternehmerische Führungsentscheidungen trifft oder sie maßgeblich beeinflußt. Dies galt schon nach der bisherigen Gesetzesfassung (BAGE 32, 381, 384 = AP Nr. 22 zu § 5 BetrVG 1972. zu B I 1 a der Gründe) und ist durch die Neufassung noch verdeutlicht worden. Eine maßgebliche Einflußnahme liegt vor, wenn der Angestellte aufgrund seiner Position Fakten schafft, die bei der Findung der Unternehmens- oder betriebsleitenden Entscheidungen nicht unbeachtet gelassen werden können (BT-Drucks. 11/2503 S. 30; ebenso BAGE 32, 381, 384 = AP Nr. 22 zu § 5 BetrVG 1972, zu B I 1 a der Gründe).

Der dem Angestellten eingeräumte Entscheidungsspielraum läßt sich nicht abstrakt, sondern nur einzelfallbezogen feststellen. Dabei spielen vor allem Größe und Struktur des jeweiligen Unternehmens sowie die vom Arbeitgeber frei bestimmte Unternehmensorganisation eine entscheidende Rolle. Unter anderem kommt es darauf an, wie stark die Unternehmensleitung zentralisiert oder dezentralisiert ist (BAGE 32, 381, 394 = AP Nr. 22 zu § 5 BetrVG 1972, zu B IV 1 der Gründe; BAGE 51, 1, 8 = AP Nr. 32 zu § 5 BetrVG 1972, zu C I 3 c der Gründe). Bei höherer Delegationsbereitschaft und kooperativem Führungsstil ist die Zahl der leitenden Angestellten größer als bei einer zentralistischen Organisation und geringer Delegationsbereitschaft. Dementsprechend darf auch die Delegationsstufe, auf der sich der Angestellte befindet, nicht überbewertet werden. Je tiefer die Entscheidungsstufe in der Unternehmenshierarchie liegt, auf der der Angestellte Unternehmens- oder betriebsleitende Aufgaben erfüllt, um so größer ist zwar die Wahrscheinlichkeit, daß wesentliche unternehmerische Entscheidungsspielräume bereits auf den höheren Entscheidungsstufen verbraucht wurden. Von welcher Delegationsstufe ab keine leitenden Angestellten mehr zu finden sind, läßt sich jedoch nicht abstrakt, sondern nur einzelfallbezogen bestimmen. Im Beschluß vom 29. Januar 1980 (BAGE 32, 381, 394 = AP Nr. 22 zu § 5 BetrVG 1972, zu B IV 1 der Gründe) hat das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich darauf hingewiesen, daß unter Umständen sogar noch auf der vierten Leitungsstufe Entscheidungen zu treffen sein können, die in manchen Konzernunternehmen nicht einmal Vorstandsmitgliedern vorbehalten sind. Ausschlaggebend sind die konkreten Kompetenzverteilungen und der Ablauf der Entscheidungsprozesse im jeweiligen Unternehmen.

3. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zwar ausgegangen, hat sie aber nicht konsequent angewandt.

a) Der Ressortleiter Kultur ist, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, nicht schon wegen weitreichender Personalverantwortung als leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG anzusehen. Im personellen Bereich liegt die Entscheidungsbefugnis für die wenigen ihm unterstellten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (4 von insgesamt rd. 370 Arbeitnehmern) bei der Chefredaktion. Bei Neueinstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Abmahnungen hat er lediglich Vorschlagsrechte. Auch bei einer „schlichten Vorgesetzteneigenschaft” können Vorschlagsrechte bestehen, die von der Personalleitung in der Regel aufgegriffen werden. Entscheidend ist, daß die Vorschlage des Ressortleiters der Überprüfung durch die Chefredaktion unterliegen. Der Ausnahmefall, daß dem Fachvorgesetzten eine Großzahl von Arbeitnehmern unterstellt ist und der Personalleiter lediglich seine Vorentscheidung umsetzt (vgl. BAGE 51, 1, 9 = AP Nr. 32 zu § 5 BetrVG 1972, zu C I 3 d der Gründe), liegt nicht vor. Das Gewicht der Stellungnahme des Ressortleiters bei personellen Maßnahmen, die seinen Aufgabenbereich betreffen, kann allerdings unterstützend herangezogen werden, wenn seine fachliche Funktion innerhalb der Gesamtredaktion als unternehmerische Führungsaufgabe mit einer dem § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG entsprechenden Bedeutung anzusehen ist.

b) Ein Teil der Literatur zählt die Ressortleiter zu den leitenden Angestellten (Löffler/Ricker. Handbuch des Presserechts, 2. Aufl., 34, Kapitel Rz 9; Redeker. BB 1988, 63, 65; Rüthers, DB 1972, 2471, 2475 – in der Regel –; offengelassen von Plander, RdA 1979, 275, 279 Fn. 49). Dem vom Betriebsrat erwähnten Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 10. März 1992 (– 1 ABR 57/91 – n.v.) läßt sich nicht entnehmen, daß Ressortleiter generell keine leitenden Angestellten sind. In dieser Entscheidung ist die Frage, ob Ressortleiter als leitende Angestellte anzusehen sind, nicht weiter problematisiert worden. Die Beteiligten waren sich im dortigen Verfahren darüber einig, daß es sich bei dem Angestellten um einen Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG handelte. Meinungsverschiedenheiten bestanden darüber, ob der Angestellte wegen seiner eingeschränkten Kompetenzen und der Organisationsstruktur des Unternehmens überhaupt als Ressortleiter anzusehen war.

aa) Für die Einordnung der Angestellten sind nicht ihre Funktionsbezeichnungen entscheidend, sondern der konkrete Zuschnitt ihres Aufgabenbereichs und die ihnen eingeräumten Entscheidungsbefugnisse und Einflußmöglichkeiten auf die Unternehmensführung. Die Arbeitgeberin hat bereits in den Tatsacheninstanzen vorgetragen, der Ressortleiter entscheide frei darüber, worüber berichtet werde, in welchem Umfang und an welcher Stelle der Zeitung. Im wesentlichen bestimme er den Inhalt des ihm sachlich zugeordneten Zeitungsteils. Diesem Vorbringen wird das Landesarbeitsgericht nachzugehen haben. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Ergänzung ihres Sachvortrages zu geben.

bb) Bedeutsame unternehmerische Aufgaben und ein erheblicher Entscheidungsspielraum lassen sich – entgegen der Ansicht des Betriebsrats – nicht schon deshalb verneinen, weil dem Ressortleiter die Tendenz der Zeitung, die personelle und sachliche Ausstattung des Ressorts, der Etat für das Ressort und der dem Ressort zur Verfügung stehende Platz in der Zeitung vorgegeben sind. Die Neufassung des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG stellt ausdrücklich klar, daß Vorgaben unschädlich sein können. Entscheidend ist, welche Entscheidungsbefugnisse und Einflußmöglichkeiten dem Angestellten innerhalb der zu beachtenden Rahmenbedingungen eingeräumt sind. Im vorliegenden Fall kommt es vor allem auf die Führungsbefugnisse im fachlichen, journalistischen Bereich an.

cc) Der von der Arbeitgeberin verfolgte Unternehmens zweck besteht in der redaktionellen Erstellung der Mantel- und Lokalseiten für eine Tageszeitung mit einer Auflage zwischen 650.000 und 750.000 Exemplaren. Die Bestimmung des Inhalts dieser Seiten ist, wie das Landesarbeitsgericht richtig erkannt hat, eine der wichtigsten Aufgaben bei der Führung dieses Unternehmens und auch für die ganze Unternehmensgruppe von grundlegender Bedeutung. Damit kommt es darauf an, inwieweit der Ressortleiter Kultur im Unternehmen der Arbeitgeberin bei der Verwirklichung des Unternehmensziels „Zeitungmachen” selbst frei entscheidet oder Vorentscheidungen trifft, an denen nicht vorbeigegangen werden kann. Dabei ist nicht ausschlaggebend, ob er in der Betriebshierarchie auf der zweiten oder dritten Delegationsstufe steht. Vielmehr ist konkret zu prüfen, wie der Entscheidungsprozeß auf den einzelnen Delegationsstufen verläuft, in welchem Umfang also einerseits der Chefredakteur, die ihn beratende Chefredaktion und der für die nichtpolitischen Ressorts zuständige stellvertretende Chefredakteur die Arbeit des Ressortleiters steuern und welche Handlungsspielräume andererseits dem Ressortleiter Kultur verbleiben. In diesem Zusammenhang kann auch die Ausgestaltung der Tageskonferenzen eine wichtige Rolle spielen, mit der sich das Landesarbeitsgericht nicht näher auseinandergesetzt hat.

dd) Unerheblich ist es, ob sich die Gestaltung der Tageszeitung als Erledigung eines „Tagesgeschäfts” bezeichnen läßt. Die Herausgabe einer Tageszeitung erfordert es, tagtäglich weitreichende unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Über das Erscheinungsbild der Mantel- und Lokalseiten, die Auswahl der Themen und ihre journalistische Aufbereitung ist täglich neu zu befinden. Diese Produktgestaltung ist für die Absatzchancen der Zeitung und damit für die erfolgreiche Verwirklichung des Unternehmens zwecks entscheidend.

ee) Bestehende unternehmerische Entscheidungsbefugnisse und Einflußmöglichkeiten der Ressortleiter auf die Unternehmensführung können nicht mit der Begründung relativiert werden, durch eine gezielte Einstellungs–, Versetzungs- und Entlassungspolitik könne eine Konformität der journalistischen Arbeit sichergestellt werden. Leitende Angestellte verlieren ihren Status auch nicht dadurch, daß der Bestand ihres Arbeitsverhältnisses gefährdeter ist als der anderer Arbeitnehmer. Zusätzliche Arbeitsplatzrisiken ergeben sich schon daraus, daß ein Versagen in einer Schlüsselposition schwerwiegendere Folgen für das Unternehmen hat.

ff) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist es unerheblich, daß der Ressortleiter Dr. J. „unablässig in nicht unerheblichem Umfang selbst schreibt”. Für die Eigenschaft als leitender Angestellter ist es nicht erforderlich, daß der Arbeitnehmer ausschließlich die in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG genannten Aufgaben wahrnimmt. Auch Angestellte auf höchster Leitungsebene verrichten zumindest gelegentlich Arbeiten, die für sich allein nicht die Anforderungen des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG erfüllen. Selbst Chefredakteure pflegen noch Artikel zu schreiben. Jedenfalls reicht es aus, daß die unternehmerischen Führungsaufgaben die Tätigkeit des Angestellten prägen (BAG Beschluß vom 25. Oktober 1989 – 7 ABR 60/88 – AP Nr. 42 zu § 5 BetrVG 1972, zu II 4 der Gründe). Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht davon ausgegangen werden, daß bei der Tätigkeit des Ressortleiters Dr. J. das Fertigen eigener Artikel im Vordergrund steht.

gg) Da der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht feststeht, kann der Senat selbst keine abschließende Entscheidung treffen. Die Sache muß zur erneuten Anhörung und Entscheidung zurückverwiesen werden.

4. Gelangt das Beschwerdegericht nach weiterer Sachaufklärung zu dem Ergebnis, daß es sich um einen Grenzfall handelt, so ist § 5 Abs. 4 BetrVG zu prüfen.

a) Diese Vorschrift, deren rechtsdogmatische Einordnung umstritten ist, hat den Inhalt der Legaldefinition des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG nicht geändert. Die materiellen Kriterien des funktionalen Grundtatbestandes sind ausschließlich dem § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG zu entnehmen. Nach Wortlaut, Gesetzessystematik und Gesetzesmaterialien handelt es sich weder um Regelbeispiele oder eine authentische Interpretation zu § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG (so Martens. RdA 1989, 73, 83 f.) noch um einen widerleglichen oder unwiderleglichen Vermutungstatbestand (vgl. u.a. H.-P. Müller, DB 1988, 1697, 1699; G. Müller, DB 1989, 824; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 5 Rz 24).

b) § 5 Abs. 4 BetrVG greift nicht ein, wenn Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der in § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG verwandten unbestimmten Rechtsbegriffe bestehen. Ebensowenig macht § 5 Abs. 4 BetrVG eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts überflüssig. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine gesetzestechnische Neuschöpfung, die eine Entscheidungshilfe geben soll, wenn bei der Sachverhaltswürdigung Zweifel bleiben, d.h. wenn die festgestellten Tatsachen sowohl die Einordnung des Angestellten als Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 BetrVG als auch seine Einordnung als leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BetrVG vertretbar erscheinen lassen (vgl. u.a. MünchArbR-Richardi. § 25 Rz 53; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 5 Rz 178 ff.; Hess/Schlochauer/Glaubitz. BetrVG, 4. Aufl., § 5 Rz 115; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl. (Nachtrag), § 5 Rz 44; Buchner, NZA 1989, Beilage 1, S. 2, 9; Dänzer-Vanotti. NZA 1989, Beilage 1, S. 30, 33; Steindorff. ArbuR 1988, 266, 268; Wlotzke. DB 1989, 111, 122).

 

Unterschriften

Schliemann, Dr. Müller-Glöge, Kremhelmer, Straub, Kleinke

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1076708

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