Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmungsrecht bei Pattsituation in Arbeitnehmergruppe
Leitsatz (redaktionell)
Können sich die Mitglieder einer Arbeitnehmergruppe nicht mehrheitlich einigen, welches Betriebsratsmitglied aus dieser Gruppe Kandidat für den Vorsitz im Betriebsrat gemäß § 26 Abs 2 Satz 1 BetrVG sein soll (Patt-Situation) so geht das Bestimmungsrecht nicht auf das Betriebsratsplenum über. Diese Pattsituation ist vielmehr durch Losentscheid aufzulösen.
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Beschluß vom 26.2.1987 6 ABR 54/85.
Normenkette
BetrVG § 26 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 07.06.1985; Aktenzeichen 9 (7) TaBV 37/84) |
ArbG Mainz (Entscheidung vom 22.08.1984; Aktenzeichen 2 BV 15/84) |
Gründe
A. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters.
Im Betrieb des Arbeitgebers (Beteiligter zu 8), einem Unternehmen der pharmazeutischen Industrie, ist am 22./23. Mai 1984 ein 23-köpfiger Betriebsrat (Beteiligter zu 7) gewählt worden. Ihm gehörten elf gewerbliche Arbeitnehmer, die überwiegend Mitglieder der IG-Chemie-Papier-Keramik (Beteiligter zu 9) sind, und 12 Angestellte an (die Antragsteller zu 1) bis 6) und die Beteiligten zu 12, 14 bis 16, 19 und 20). Sechs Angestellte sind Mitglieder der IG-Chemie-Papier-Keramik (Beteiligte zu 9), vier der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (Beteiligte zu 13) und zwei des Verbandes der angestellten Akademiker und leitender Angestellter in der chemischen Industrie (Beteiligter zu 10).
In der konstituierenden Sitzung des Betriebsrats am 4. Juni 1984 wurde der Angestellte Z zum Wahlleiter bestellt. Sodann berieten die Gruppen getrennt über den Vorschlag ihres Kandidaten für den Vorsitz im Betriebsrat gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Die Gruppe der gewerblichen Arbeitnehmer schlug mit der Mehrheit der Stimmen den Arbeiter S vor. Die Gruppe der Angestellten konnte sich nicht einigen. Auf die Kandidaten T und Z entfielen in geheimer Wahl, auch in der Wiederholungswahl, je sechs Stimmen. Ein Antrag auf Losentscheid erhielt bei 6 : 6 Stimmen keine Mehrheit. Daraufhin erklärte der Wahlleiter Z, es könne von einem Vorschlag der Gruppe der Angestellten nicht ausgegangen werden. Vor dem Betriebsratsplenum erklärte der Beteiligte zu 5), nach Auffassung der Betriebsratsmitglieder der Listen 2 und 3 müsse der Kandidat der Angestellten für den Betriebsratsvorsitzenden durch Losentscheid ermittelt werden. Man beteilige sich unter Vorbehalt an der Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und seines Stellvertreters, behielte sich aber vor, eine arbeitsgerichtliche Überprüfung des Verfahrens zu beantragen.
In den sich anschließenden getrennten Wahlgängen wurde der Arbeiter S zum Vorsitzenden und der Angestellte Z zum stellvertretenden Vorsitzenden des Betriebsrats gewählt. Der in diesem Wahlgang ebenfalls vom Betriebsratsplenum vorgeschlagene Angestellte T erhielt weniger Stimmen als Z.
Die Antragsteller, vertreten durch den Gewerkschaftssekretär des Bezirks Mainz/Bad Kreuznach der DAG, haben danach das vorliegende Beschlußverfahren eingeleitet. Sie haben gemeint, das Verfahren für den Vorschlag des aus der Gruppe der Angestellten zu bestimmenden Kandidaten für den Vorstand des Betriebsrats sowie die anschließende Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters sei gesetzwidrig durchgeführt worden. Wenn innerhalb einer Gruppe weder eine mehrheitliche Verständigung auf einen der Angehörigen noch mehrheitlich auf das Verfahren möglich sei, so sei der Kandidat für den Betriebsratsvorsitz durch Losentscheid zu bestimmen. Dem Betriebsratsplenum stehe kein Vorschlagsrecht zu.
Die Antragsteller haben beantragt,
1. die Wahl des Beteiligten zu 11) zum
Betriebsratsvorsitzenden und die des
Beteiligten zu 12) zum stellvertretenden
Betriebsratsvorsitzenden für unwirksam
zu erklären,
2. festzustellen, daß die Entscheidung,
wer in der Gruppe in den Fällen des
§ 26 Abs. 2 BetrVG aus ihrer Mitte als
Mitglied für den Vorsitz vorgeschlagen
werden soll, durch das Los zu entscheiden
sei, wenn bei einem oder bei innerhalb der
Gruppe mehrheitlich beschlossenen und durchgeführten
weiteren Auswahlverfahren jeweils
Stimmengleichheit erzielt werde.
Der Antragsgegner hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Er hat ebenso wie die Beteiligten zu 9), 11) und 12) gemeint, das Vorschlagsverfahren und die sich daran anschließende Wahl sei rechtens gewesen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zu 1) als unbegründet und den Antrag zu 2) als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die arbeitsgerichtliche Entscheidung abgeändert und den Anträgen der Antragsteller entsprochen.
In der Zwischenzeit ist der Antragsteller zu 3) bei der Arbeitgeberin und aus dem Betriebsrat ausgeschieden. Für ihn rückte der in der Rechtsbeschwerdeinstanz beteiligte Angestellte G (Beteiligter zu 17) nach. Der Antragsteller zu 6) ist zwischenzeitlich durch Ausgliederung eines Betriebsteils nicht mehr Mitarbeiter in diesem Betrieb der Arbeitgeberin. Für ihn ist der in der Rechtsbeschwerdeinstanz beteiligte Angestellte N (Beteiligter zu 18) in den Betriebsrat nachgerückt.
Hinsichtlich der Antragsteller zu 3) und 6) wurde das Verfahren insgesamt in der Rechtsbeschwerdeinstanz eingestellt. Weiter wurde das Verfahren bezüglich des Feststellungsantrags zu 2. eingestellt, den die verbleibenden Antragsteller nicht mehr aufrechterhielten.
Der Betriebsrat und die Beteiligten zu 11) und 12) verlangen mit der zugelassenen Beschwerde die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung zum Antrag zu 1., während die Antragsteller zu 1), 2), 4) und 5) die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde beantragen, soweit sie noch anhängig ist.
B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerden für zulässig erachtet und zur Sache ausgeführt, es sei zu beanstanden, daß die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden und die seines Stellvertreters ohne Herbeiführung eines Personenvorschlages aus der Gruppe der gewerblichen Arbeitnehmer (gemeint ist die Gruppe der Angestellten) durchgeführt worden sei. Nach § 26 Abs. 2 BetrVG schlage jede Gruppe, sofern ihr mehr als ein Drittel der Mitglieder des Betriebsrats angehöre, aus ihrer Mitte je ein Mitglied für den Vorsitz vor. Die Gruppe der Angestellten habe sich nicht dadurch ihres gemäß § 26 Abs. 2 BetrVG bestehenden Vorschlagsrechts begeben, daß sie sich trotz wiederholter Abstimmung nicht mehrheitlich auf einen Kandidaten habe einigen können. Die Frage, wie zu entscheiden sei, wenn zwei vorgeschlagene Gruppenkandidaten jeweils die Hälfte der Stimmen erhielten, sei streitig. Die Auffassung, in diesen Fällen könne die Gruppe in die Wahl zwei Kandidaten einbringen, widerspreche dem klaren Wortlaut des Gesetzes. Es sei auch nicht so, daß bei einer Pattsituation davon auszugehen sei, daß nur der Kandidat der anderen Gruppe zur Wahl des Betriebsratsvorsitzenden zur Verfügung stehe, weil ein Vorschlag der anderen Gruppe nicht zustande gekommen sei. Eine solche Pattsituation dokumentiere keine Unfähigkeit der Gruppe, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen. Durch die vom Gesetz gegebene Möglichkeit, daß eine Gruppe sich aus einer Zahl von Mitgliedern gerader Zahl zusammensetze, sei bereits die Möglichkeit der Nichteinigung vorgegeben. Sie werde nicht durch ein undemokratisches Verhalten der Gruppe verursacht, sondern gerade dadurch, daß die zur Gruppe gehörenden Mitglieder ihren ausgeübten, nicht übereinstimmenden Willen verwirklichen wollen. Zur Lösung der Pattsituation bleibe nur der Losentscheid, ohne daß die betreffende Gruppe sich hierauf einigen müsse, wenn zuvor demokratische Mehrheitsentscheidungen gescheitert seien und eine Übereinstimmung über eine weitere Verfahrensweise zur Ermittlung eines Kandidaten mit Mehrheit nicht zu erreichen sei. Eine andere Kandidatenfindung widerspreche dem Gruppenprinzip. Der Losentscheid sei ein demokratisch zu billigendes Regelungsmittel bei Wahlen, wie die §§ 23, 25 Wahlordnung BetrVG oder die §§ 33 Landkreisordnung Rheinland-Pfalz, 40 Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz zeigten. Wenn auch die Ausübung des Vorschlagsrechts nicht als Wahl, sondern im Rahmen der Geschäftsführungstätigkeit des Betriebsrats zu sehen sei, so handele es sich jedoch nicht um die Frage der Beschlußfassung in sachlichen oder personellen Angelegenheiten, sondern um die Auswahl von Personen. Da somit das Gruppenrecht der Gruppe der Angestellten nicht beachtet worden sei und der Betriebsrat den Vorsitzenden nicht aus zwei vorzuschlagenden gewählt habe, sei die Wahl des Vorsitzenden und die seines Stellvertreters anfechtbar erfolgt.
II. Dieser Auffassung stimmt der Senat im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung zu.
1. Das Landesarbeitsgericht hat es allerdings versäumt, neben den Antragstellern und dem zum stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden gewählten Angestellten Z die verbleibenden weiteren fünf Betriebsratsmitglieder der Angestelltengruppe zu beteiligen. Diese sind nämlich im vorliegenden Verfahren ebenfalls beteiligungsbefugt. Durch die von den Antragstellern angestrebte Entscheidung werden Umfang und Art des auch ihnen als Mitglieder einer Gruppe nach § 26 Abs. 2 BetrVG zugewiesenen Vorschlagsrechts beschrieben und damit sind sie unmittelbar in einer betriebsverfassungsrechtlichen Position materiell betroffen, § 83 Abs. 3 ArbGG (BAGE 39, 259 = AP Nr. 5 zu § 83 ArbGG 1979). Der Senat hat deshalb die weiteren Mitglieder der Angestelltengruppe des Betriebsrats im Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt, auch die für die aus dem Betrieb ausgeschiedenen Antragsteller zu 3) und 6) nachgerückten Betriebsratsmitglieder der Angestelltengruppe.
2. Die vom Landesarbeitsgericht beteiligten Gewerkschaften IG-Chemie-Papier-Keramik und Deutsche Angestellten-Gewerkschaft und der Verband der angestellten Akademiker und leitender Angestellter in der chemischen Industrie sind jedoch nicht beteiligungsbefugt. Denn sie werden durch die Wahl des Vorstands im Betriebsrat nicht in eigenen materiellen betriebsverfassungsrechtlichen Positionen berührt (BAG Beschluß vom 19. September 1985 - 6 ABR 4/85 - EzA § 19 BetrVG 1972 Nr. 22; BAG Beschluß vom 30. Oktober 1986 - 6 ABR 52/83 - zur Veröffentlichung bestimmt). Das Interesse an der Zusammensetzung des Vorstands wegen der nach § 2 Abs. 1 BetrVG gesetzlich gebotenen Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften genügt nicht (BAG, aaO). Der Senat hat daher die in den Vorinstanzen beteiligten Verbände lediglich zu ihrer Beteiligungsbefugnis angehört.
3. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 5) war entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde unabhängig von der Frage zulässig, ob diese beiden Beteiligten bei ihrer Antragstellung durch den Gewerkschaftssekretär der DAG ordnungsgemäß vertreten waren oder nicht. Die form- und fristgerecht eingelegte und ordnungsgemäß und rechtzeitig begründete Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 5) als ohnehin beteiligungsbefugte Betriebsratsmitglieder der Angestelltengruppe wäre auch statthaft gewesen, wenn sie in erster Instanz das Verfahren nicht mit eingeleitet hätten und vom Arbeitsgericht auch nicht beteiligt worden wären. Denn auch derjenige Beteiligte ist rechtsmittelbefugt, der zu Unrecht nicht am Verfahren beteiligt und in der Vorinstanz nicht gehört worden ist (BAG Beschluß vom 15. Juli 1960 - 1 ABR 3/59 - AP Nr. 10 zu § 76 BetrVG). Nichts anderes gilt für den Fall, in dem Beteiligte bei der Antragstellung fehlerhaft vertreten worden sein mögen, im übrigen aber von weiteren Antragstellern zulässige Anträge gestellt worden sind, über die sachlich entschieden worden ist.
4. Die Wahl des Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden des Betriebsrats ist unwirksam. Denn dabei ist § 26 Abs. 2 BetrVG verletzt worden, wonach die Gruppe aus ihrer Mitte ein Mitglied für den Vorsitz vorschlägt, wenn jeder Gruppe im Betriebsrat mehr als ein Drittel der Mitglieder angehört und der Betriebsrat aus den beiden Vorgeschlagenen den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter zu wählen hat. Daran haben sich die Betriebsratsmitglieder nicht gehalten, in dem sie über zwei Kandidaten der Angestelltengruppe entschieden, die nicht aus der Gruppe, sondern im Plenum vorgeschlagen worden sind.
a) Der Wortlaut des § 26 Abs. 2 BetrVG weist nicht dem Betriebsrat, sondern der Gruppe das Vorschlagsrecht zu. Die Bestimmung ist Ausdruck des Gruppenschutzes für eine der Anzahl der Mitglieder nach nicht unbedeutende Gruppe im Betriebsrat. Im Gegensatz zu § 26 Abs. 1 Satz 2 BetrVG sollen der Vorsitzende und sein Stellvertreter nicht nur derselben Gruppe angehören. Vielmehr ist unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gesichert, daß Vorsitzender und sein Vertreter der jeweils anderen Gruppe angehören, wobei die Gruppe in ihrem Vorschlagsrecht autonom ist. Das Betriebsratsplenum hat nur die Entscheidung, wer Vorsitzender und wer stellvertretender Vorsitzender wird. Wortlaut und Schutzzweck der Norm verbieten daher grundsätzlich ein Vorschlagsrecht des gesamten Betriebsrats. Der Wortlaut des § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG verbietet zusätzlich, daß der Vorsitzende des Betriebsrats und sein Stellvertreter aus einem größeren Kandidatenkreis als zwei Vorgeschlagenen gewählt wird.
b) Das Betriebsverfassungsgesetz enthält weder in § 26 Abs. 2 BetrVG noch an anderer Stelle Regelungen über das Vorschlagsverfahren. Im Schrifttum wird lediglich angenommen, daß die positive Entscheidung einer Gruppe über die Person des in den Vorstand zu wählenden Gruppenmitglieds den Betriebsrat bindet. Das von seiner Gruppe bestimmte Betriebsratsmitglied ist zu wählen (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 26 Rz 19; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 26 Rz 16; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 26 Rz 25; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 26 Rz 17; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 26 Rz 11 und 17; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 26 Rz 17). Das war auch die Auffassung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG Beschluß vom 19. März 1974 - 1 ABR 44/73 - AP Nr. 1 zu § 26 BetrVG) im Anschluß an die Begründung zum Regierungsentwurf (BT-Drucks. 6/1786, S. 39). Dem folgt der Senat. Der gesetzlich ausgeprägte Gruppenschutz steht einer Befugnis des Betriebsrats entgegen.
c) Steht dem Betriebsratsplenum nach einhelliger Auffassung im Fall des § 26 Abs. 2 BetrVG grundsätzlich kein Vorschlagsrecht zu, so können doch tatsächliche Fallgestaltungen denkbar sein, in denen das Bestimmungsrecht dem Betriebsratsplenum ausnahmsweise zukommen mag. Das könnte dann gelten, wenn eine Gruppe von ihrem Vorschlagsrecht keinen Gebrauch macht. Der Gedanke der Funktionsfähigkeit des Betriebsrats legt es nahe anzunehmen, der Betriebsrat sei lediglich hinsichtlich des von der anderen Gruppe bestimmten Mitglieds gebunden und könne seinerseits das Betriebsratsmitglied der anderen Gruppe entsprechend der Sollvorschrift des § 26 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vorschlagen und wählen (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 26 Rz 21; Dietz/Richardi, aaO, § 26 Rz 17; Galperin/Löwisch, aaO, § 26 Rz 20; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, aaO, § 26 Rz 19; Wiese, aaO, § 26 Rz 19). Die Frage braucht aber nicht entschieden zu werden.
TEXTd) Der Betriebsrat hat jedenfalls kein Vorschlagsrecht, wenn eine Gruppe von ihrem Vorschlagsrecht Gebrauch machen will, sich aber auch nach mehrmaligen Versuchen nicht auf ein Mitglied mehrheitlich einigen kann (so aber Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 26 Rz 18; Wiese, aaO, § 26 Rz 16 und § 38 Rz 40). In diesem Fall muß das vorzuschlagende Mitglied der Gruppe durch Losentscheid bestimmt werden (so auch Galperin/Löwisch, aaO, § 26 Rz 19; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 26 Rz 28; Brecht, BetrVG 1972, § 26 Rz 10). Denn es besteht auch nicht die Möglichkeit, daß die Gruppe zwei Mitglieder benennt oder zwei Mitglieder der Gruppe im Betriebsratsplenum zur Wahl vorgeschlagen werden (so aber Dietz/Richardi, aaO, § 26 Rz 15 und Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, aaO, § 26 Rz 20). Einen solchen Ausweg verbietet der eindeutige Gesetzestext des § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Der Losentscheid ist auch vorzunehmen, wenn sich die Gruppenmitglieder weder vor der ersten Abstimmung noch hinterher auf einen Losentscheid einigen. Der Losentscheid ist das demokratisch übliche, vielfach gesetzlich legitimierte Mittel, um Pattsituationen bei Wahlen aufzulösen (§§ 23 Abs. 1 und Abs. 2, 25 Abs. 4 WahlO zum BetrVG 1972; vgl. zum staatlichen Wahlrecht §§ 31 Abs. 2, 41 Abs. 2 Niedersächsisches Landeswahlgesetz; §§ 48 Abs. 2, 51 Abs. 2 Niedersächsische Gemeindeordnung; § 32 Abs. 1 Landeswahlgesetz Nordrhein-Westfalen; § 32 Kommunalwahlgesetz Nordrhein-Westfalen; § 35 Abs. 2, 3 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen). Zwar stellt die Nominierung des in den Vorstand zu wählenden Mitglieds einer Arbeitnehmergruppe keine Wahl im Sinne der §§ 7 bis 20 BetrVG und der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz dar. Vielmehr handelt es sich um Akte der Geschäftsführung des Betriebsrats (BAGE 28, 219 = AP Nr. 2 zu § 26 BetrVG 1972). Da es sich jedoch um eine personelle Auswahl aus einem genau bezeichneten Berechtigtenkreis mit dem Erfordernis der Abstimmung und Mehrheitsfindung handelt, sind die Grundprinzipien demokratischer Wahlakte im nicht näher geregelten Vorschlagsverfahren des § 26 Abs. 2 BetrVG heranzuziehen, zumal § 26 Abs. 1 Satz 1 selbst dem Begriff Wahl enthält. Dazu gehört auch der Losentscheid bei Stimmengleichheit für zwei Kandidaten bei einem zu vergebenden Amt. Die Auflösung der Pattsituation durch Losentscheid entspricht nicht nur demokratischen Gepflogenheiten, sondern genügt auch dem in § 26 Abs. 2 BetrVG betonten Gruppenschutz. Bei Erfüllung der quotenmäßigen Voraussetzung der Norm haben die Arbeitnehmergruppen eigene, gegen die jeweils andere Gruppe abgrenzbare Rechte, die sie selbständig ausüben sollen. Die Mitwirkung der Mitglieder der anderen Gruppe ist ausgeschlossen und kann allenfalls zugelassen werden, wenn sich die Gruppe ihres Rechtes und damit ihres Schutzes selbst begibt. Das mag der Fall sein, wenn sie untätig bleibt, nicht aber wenn die Mitglieder der Gruppe durch Ausübung ihrer Stimmrechte eine Pattsituation herbeiführen. In diesem Fall beruht die Unfähigkeit zur relativen Mehrheitsentscheidung gerade auf der aktiven Inanspruchnahme der den Mitgliedern der Gruppe zugebilligten Rechte. Das ist mit dem Untätigsein nicht zu vergleichen. In diesem Fall ist auch anders als im Fall des Untätigbleibens die Funktionstüchtigkeit des Betriebsrats entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht gefährdet. Denn der Losentscheid innerhalb der Gruppe führt zu eindeutigen Ergebnissen der Gruppe.
e) Stand dem Betriebsratsplenum somit kein Vorschlagsrecht nach § 26 Abs. 2 BetrVG zu und war er auch nicht berechtigt, einen weiteren Kandidaten der Angestellten in die Wahl mit einzubeziehen, sind die von ihm getroffenen Beschlüsse über die Wahl der Betriebsratsmitglieder S und Z zum Vorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden des Betriebsrats rechtsunwirksam.
Dr. Jobs Schneider Dörner
Möller-Lücking Fischer
Fundstellen
DB 1987, 1995-1996 (LT) |
BetrR 1987, 398-402 (LT1) |
RdA 1987, 313 |
AP § 26 BetrVG 1972 (LT1), Nr 5 |
EzA § 26 BetrVG 1972, Nr 4 (LT) |