Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsentlastung wegen Betriebsratstätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Freistellungspflicht des Arbeitgebers nach § 37 Abs. 2 BetrVG erschöpft sich nicht darin, den Betriebsratsmitgliedern die zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderliche freie Zeit zu gewähren. Auch bei der Zuteilung des Arbeitspensums muß der Arbeitgeber auf die Inanspruchnahme des Betriebsratsmitglieds durch Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit angemessen Rücksicht nehmen.
Normenkette
BetrVG 1972 § 37 Abs. 2; BGB § 611; ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Beschluss vom 30.03.1989; Aktenzeichen 5 TaBV 3/89) |
ArbG Essen (Beschluss vom 15.11.1988; Aktenzeichen 6 BV 66/88) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. März 1989 – 5 TaBV 3/89 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der antragstellende Betriebsrat von dem Arbeitgeber im Beschlußverfahren eine anteilige pauschale Freistellung der beiden beteiligten Betriebsratsmitglieder durch prozentuale Verringerung ihrer Arbeitsbelastung verlangen kann.
Der beteiligte Arbeitgeber gehört neben vier weiteren Unternehmen der D… -Versicherungsgruppe an, einer betrieblichen Sozialeinrichtung … mit Hauptsitz in K…. Der antragstellende Betriebsrat ist in der Niederlassung in E…, der “Bezirksleitung E… ”, gebildet, in der der Arbeitgeber u.a. rund 135 Innendienstmitarbeiter beschäftigt. Der Betriebsrat besteht aus sieben Mitgliedern. Ihm gehören der beteiligte Betriebsratsvorsitzende L… sowie das beteiligte Betriebsratsmitglied B… an.
Die beiden Betriebsratsmitglieder werden vom beteiligten Arbeitgeber als Sachbearbeiter in der Schadensabteilung der Bezirksleitung E… eingesetzt, und zwar in der Schadensgruppe 8300. In dieser Arbeitsgruppe sind insgesamt neun Sachbearbeiter mit der Regulierung von Kfz-Unfallschäden beschäftigt. Jährlich werden dort rund 12.000 Schadensfälle bearbeitet. Die laufenden Eingänge werden nach der jeweiligen Schadensendnummer ungefähr gleichmäßig auf alle neun Sachbearbeiter verteilt. Das Arbeitspensum bestimmt sich nach sogenannten “Arbeitsraten”. Die Arbeitsraten wurden zuletzt im Juni 1988 – in Abstimmung mit dem Betriebsrat – neu aufgeteilt. Danach beträgt die (theoretische) Arbeitsrate der beiden beteiligten Betriebsratsmitglieder ebenso wie die der anderen vollzeitbeschäftigten Schadenssachbearbeiter jeweils 1,2. Das bedeutet, daß auf jeden Sachbearbeiter von 100 Eingängen jeweils zwölf Vorgänge entfallen; ein Sachbearbeiter ist teilzeitbeschäftigt und wird entsprechend weniger belastet.
Soweit Sachbearbeiter wegen Krankheit oder Urlaub vertreten werden müssen, werden die Eingänge auf die verbleibenden Sachbearbeiter gleichmäßig verteilt. Die tatsächlichen Arbeitsraten betragen daher für alle Sachbearbeiter bis zu 1,9.
In wöchentlichen Abständen haben die Sachbearbeiter sogenannte Arbeitsrückstandsmeldungen zu verfassen. Falls ein Sachbearbeiter einen überdurchschnittlich hohen Rückstand aufzuarbeiten hat, kann er dadurch entlastet werden, daß Vorgänge an einen Kollegen oder eine Aushilfskraft abgegeben werden. Diese Regelung wendet der Arbeitgeber auf die beiden beteiligten Betriebsratsmitglieder auch insoweit an, wie sie Betriebsratstätigkeit verrichten und dadurch in Arbeitsrückstand geraten. Der Arbeitgeber hindert die Betriebsratsmitglieder nicht daran, Zeiten für Betriebsratssitzungen oder andere Betriebsratstätigkeiten in Anspruch zu nehmen. Die Betriebsratsmitglieder müssen jedoch ebenso wie ihre Kollegen die volle Arbeitsrate erfüllen. Nur wenn ein überdurchschnittlich großer Arbeitsrückstand aufgelaufen ist, haben sie die Möglichkeit, – nachträglich – entlastet zu werden.
In der ersten Jahreshälfte 1988 faßte der Betriebsrat den Beschluß, daß der Betriebsratsvorsitzende L… zu 25 %, sein Stellvertreter zu 20 % sowie die übrigen Betriebsratsmitglieder zu jeweils 10 % von ihrer tatsächlichen Arbeitsbelastung pauschal freizustellen seien. Nach einer Berechnung des Betriebsrats wandte der Betriebsratsvorsitzende L… im ersten Quartal 1988 insgesamt 64 1/3 Stunden bzw. 8,3 Arbeitstage, im zweiten Quartal 8,21 Arbeitstage, im dritten Quartal 6,72 Arbeitstage und im vierten Quartal 9,38 Arbeitstage für Betriebsratstätigkeit auf. Der Arbeitgeber lehnt eine pauschale Arbeitsentlastung der Betriebsratsmitglieder ab. Verhandlungen über eine gütliche Einigung blieben erfolglos.
Im Juli 1988 leitete der Betriebsrat das vorliegende Beschlußverfahren ein.
Der Betriebsrat hat vorgetragen, das Beschlußverfahren sei für die begehrte Freistellung von Betriebsratsmitgliedern die richtige Verfahrensart. Er mache einen eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch gegen den Arbeitgeber geltend und nicht etwa individualrechtliche Ansprüche der einzelnen Betriebsratsmitglieder. Der geltend gemachte Anspruch auf pauschale, prozentuale Verringerung der tatsächlichen Arbeitsbelastung der beteiligten Betriebsratsmitglieder L… und B… stehe dem Betriebsrat selbst zu und ergebe sich unmittelbar aus § 37 Abs. 2 BetrVG. Im vorliegenden Falle komme wegen der besonderen Art der Arbeitszuweisung nur eine Freistellung in pauschalierter Form in Betracht. Die bloße Möglichkeit einer nachträglichen Entlastung sei unzureichend, um die betriebsverfassungsrechtlichen Rechte der Betriebsratsmitglieder zu wahren. Mit dieser Verfahrensweise würden die Betriebsratsmitglieder einer unzulässigen Zwangslage ausgesetzt. Sie müßten sich stets wegen übergroßer Arbeitsrückstände sowohl gegenüber dem Arbeitgeber wie auch gegenüber ihren Kollegen und den Versicherungsnehmern rechtfertigen. Für den Betriebsratsvorsitzenden L… sei eine Freistellung in Höhe von mindestens 20 % der tatsächlichen Arbeitsrate, für das Betriebsratsmitglied B… in Höhe von 10 % angemessen und erforderlich. Im Jahre 1988 habe der Betriebsratsvorsitzende für Betriebsratstätigkeiten im ersten Quartal 14,56 %, im zweiten Quartal 19,09 %, im dritten Quartal 13,71 % und im vierten Quartal 18,39 % der Arbeitstage aufgewandt, die zur Bearbeitung von Schadensfällen effektiv, also nach Abzug der arbeitsfreien Tage wegen Urlaubs, Krankheit, Überstunden oder Dienstreisen, zur Verfügung gestanden hätten. Für das Betriebsratsmitglied B… ergäben sich nach dieser Berechnung für das Jahr 1988 im ersten Quartal 10,85 %, im zweiten Quartal 10,91 %, im dritten Quartal 8,98 % und im vierten Quartal 9,39 %. Für die Zukunft sei mit einem höheren Anteil zu rechnen, da bislang einige Betriebsratsaufgaben – wie z.B. die Durchführung von Betriebsversammlungen – noch nicht hätten erfüllt werden können.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Betriebsratsvorsitzenden L… in Höhe von 20 % sowie das Betriebsratsmitglied B… in Höhe von 10 % von der normalen Arbeitstätigkeit zu entlasten.
Die beteiligten Betriebsratsmitglieder haben keinen Antrag gestellt.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Er hat vorgetragen, das Beschlußverfahren sei nicht die richtige Verfahrensart. Dem Betriebsrat als betriebsverfassungsrechtlichem Organ werde kein Recht streitig gemacht. Streitgegenstand seien vielmehr individualrechtliche Ansprüche, die allenfalls von den einzelnen Betriebsratsmitgliedern selbst im Urteilsverfahren geltend gemacht werden könnten. Im übrigen komme er seinen betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten aus § 37 Abs. 2 BetrVG nach. Die von ihm praktizierte Form der Freistellung sei nicht zu beanstanden. Die vom Betriebsrat dargelegten Aktenrückstände wirkten sich lediglich zu Lasten unfallgeschädigter Anspruchsteller aus. Wegen der Verschiedenartigkeit der Schadensfälle sei stets nur im Einzelfall über eine Arbeitsentlastung zu entscheiden. Außerdem könne nach seinem Rechtsverständnis ein Betriebsratsmitglied nur insoweit einen Anspruch auf Arbeitsentlastung haben, wie es sein Arbeitspensum nicht noch zusätzlich zu seinen Betriebsratsaufgaben erledigen könne. Über die Art und Weise der Freistellung habe dann allein der Arbeitgeber zu entscheiden. Darüber hinaus könne der Betriebsrat entsprechend § 38 Abs. 2 BetrVG nicht einseitig bestimmen, welche Betriebsratsmitglieder pauschal freizustellen seien. Nach der gerichtlichen Feststellung der Erforderlichkeit einer Freistellung entscheide die Einigungsstelle über die freizustellenden Personen. Schließlich habe der Betriebsrat nicht dargelegt und bewiesen, inwieweit die beteiligten Betriebsratsmitglieder täglich Betriebsratsarbeit verrichten müßten, die die begehrte pauschale Freistellung sowohl zulässig wie auch erforderlich mache. Ein nennenswerter, einer Pauschalierung zugänglicher Umfang an Betriebsratsarbeit sei nicht zu erkennen. Nach seiner Berechnung habe der Betriebsratsvorsitzende L… für Betriebsratsaufgaben im Jahre 1988 im ersten Quartal 13,6 %, im zweiten Quartal 13,7 % und im dritten Quartal 11,53 % aufgewandt. Denn Bezugsgröße müsse die insgesamt zur Verfügung stehende Arbeitszeit z.B. einschließlich der Dienstreisen sein. Das Betriebsratsmitglied B… habe dementsprechend im ersten Quartal 8,6 %, im zweiten Quartal 8,5 % und im dritten Quartal 7,6 % an Arbeitszeit aufgewandt.
Das Arbeitsgericht hat dem beteiligten Arbeitgeber aufgegeben, die beteiligten Betriebsratsmitglieder L… zu 20 % und B… zu 10 % von der Arbeitsleistung freizustellen. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht den erstinstanzlichen Beschluß aufgehoben und den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Denn der Antrag ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
1. Das vom antragstellenden Betriebsrat gewählte Beschlußverfahren ist die richtige Verfahrensart (§ 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ArbGG).
a) Wie bereits das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, bedarf der Antrag des Betriebsrats der Auslegung. Dem Betriebsrat geht es nicht darum, daß die beteiligten Betriebsratsmitglieder L… und B… in dem zeitlichen Umfang von der Arbeit freigestellt werden, wie es zur Erledigung ihrer Betriebsratsaufgaben erforderlich ist. Denn unstreitig hat der beteiligte Arbeitgeber diese Freistellung stets gewährt; auch hat der Betriebsrat nicht vorgetragen, die beteiligten Betriebsratsmitglieder hätten, weil ihnen zuviel Arbeit zugeteilt gewesen sei, von der Erledigung von Betriebsratsarbeit abgesehen. Der Betriebsrat möchte vielmehr erreichen, daß der Arbeitgeber den beteiligten Betriebsratsmitgliedern durch eine andere Verteilung der Eingänge einen Teil des ihnen zugewiesenen Arbeitsvolumens abnimmt. Der Betriebsrat meint, auch dies sei ein möglicher Inhalt des ihm als Kollektivorgan zustehenden Freistellungsanspruchs aus § 37 Abs. 2 BetrVG. Insofern berühmt sich der Betriebsrat eines ihm selbst zustehenden betriebsverfassungsrechtlichen Anspruchs und macht nicht etwa als Prozeßstandschafter Ansprüche seiner Mitglieder gegen den Arbeitgeber im eigenen Namen geltend.
b) Mit diesem Inhalt ist der vom Betriebsrat erhobene Anspruch betriebsverfassungsrechtlicher Natur. Als eigener Anspruch des Betriebsrats läßt er sich nur auf § 37 Abs. 2 BetrVG stützen, so daß es sich um eine Angelegenheit aus dem BetrVG im Sinne des § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG handelt. Ob ein solcher Anspruch des Betriebsrats besteht, ist bereits eine Frage der Begründetheit. Für die Frage der Zulässigkeit und damit der richtigen Verfahrensart ist die Begründetheit des geltend gemachten Begehrens zu unterstellen.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, denn der antragstellende Betriebsrat hat keinen Anspruch darauf, daß der Arbeitgeber sein Direktionsrecht in der vom Betriebsrat erstrebten Weise ausübt.
Als Anspruchsgrundlage käme, wovon auch das Landesarbeitsgericht ausgeht, lediglich § 37 Abs. 2 BetrVG in Betracht. Danach sind Mitglieder des Betriebsrats von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts zu befreien, wenn und soweit es nach Umfang und Art des Betriebes zur ordnungsgemäßen Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist.
Das Landesarbeitsgericht hat die Voraussetzungen dieser Vorschrift schon deshalb nicht als erfüllt angesehen, weil der antragstellende Betriebsrat für seine Mitglieder nicht einen bestimmten Rahmen arbeitsfreier Zeit zur ungestörten Erledigung ihrer Betriebsratsaufgaben zur Verfügung gestellt haben wolle, sondern das andersartige Ziel erreichen möchte, daß die beteiligte Arbeitgeberin den beteiligten Betriebsratsmitgliedern im Hinblick auf deren Betriebsratstätigkeit einen Teil ihrer Arbeitsaufgaben durch anderweitige Verteilung der Eingänge abnimmt und so deren Arbeitsvolumen verringert. Ein solcher Eingriff in die Organisationsgewalt des Arbeitgebers werde – so führt das Landesarbeitsgericht aus – vom Regelungsgehalt des § 37 Abs. 2 BetrVG nicht mehr erfaßt. Allenfalls könne das einzelne Betriebsratsmitglied einen individualrechtlichen Anspruch auf Anpassung der geforderten Arbeitsleistung an die nach Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben noch zur Verfügung stehende kürzere Arbeitszeit haben; über einen derartigen Anspruch sei jedoch im Urteilsverfahren zu entscheiden.
Mit diesen Ausführungen verkennt das Landesarbeitsgericht Sinn und Zweck des § 37 Abs. 2 BetrVG. Die Vorschrift will die Durchführung der Betriebsratsaufgaben durch Beschränkung der Verpflichtung zur beruflichen Arbeitsleistung sichern. Erforderliche Betriebsratsarbeit soll Vorrang vor der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung haben. Dem ist normalerweise dadurch Rechnung zu tragen, daß das Betriebsratsmitglied für die Dauer der Wahrnehmung erforderlicher Betriebsratsaufgaben von der Arbeit freigestellt wird. Nach dem Sinn der gesetzlichen Regelung können aber auch andere die vertragliche Arbeitsleistung des Betriebsratsmitglieds betreffende Maßnahmen geboten sein, wenn anders eine ordnungsgemäß Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben nicht möglich ist. So hat das Bundesarbeitsgericht zu der entsprechenden Vorschrift des § 37 Abs. 3 BetrVG 1952 bereits entschieden, daß diese Bestimmung auch die Möglichkeit gibt, ein Betriebsratsmitglied von einer ganz bestimmten Arbeit unter Beschäftigung mit einer anderen Arbeit freizustellen (dort: Herausnahme aus der Arbeit in Wechselschichten und Beschäftigung in der Normalschicht), wenn gerade die Arbeit, die das Betriebsratsmitglied nach seinem Arbeitsvertrag leisten müßte, dazu führen würde, daß das Betriebsratsmitglied seine Betriebsratsaufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen könnte, eine andere Arbeit aber der Erledigung dieser Aufgaben nicht hindernd im Wege stünde (Beschluß vom 13. November 1964 – 1 ABR 7/64 – AP Nr. 9 zu § 37 BetrVG; vgl. auch Beschluß vom 3. Juni 1969 – 1 ABR 1/69 – AP Nr. 11 zu § 37 BetrVG).
Ebenso muß der Arbeitgeber nach § 37 Abs. 2 BetrVG bei der Zuteilung des Arbeitspensums Rücksicht nehmen auf die Belastung des Betriebsratsmitglieds durch die Wahrnehmung von Betriebsratsaufgaben während der zur Verfügung stehenden Arbeitszeit. Er darf sich nicht darauf beschränken, das Betriebsratsmitglied während der Zeit, in der es notwendige Betriebsratsaufgaben erledigen muß, zwar von seiner beruflichen Tätigkeit freizustellen, ihm aber für die verbleibende Arbeitszeit ein Arbeitspensum aufzubürden, das auf eine nicht durch Betriebsratstätigkeit verringerte Arbeitszeit zugeschnitten ist. Damit brächte er das Betriebsratsmitglied in die Zwangslage, entweder seine Betriebsratsaufgaben oder seine dienstlichen Aufgaben zu vernachlässigen. Eine derartige Konfliktsituation muß der Arbeitgeber vermeiden, indem er der Inanspruchnahme des Betriebsratsmitglieds durch Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit bei der Zuweisung der zu bewältigenden Arbeitsmenge in angemessener Weise Rechnung trägt. Nur dadurch kommt er seiner Freistellungsverpflichtung aus § 37 Abs. 2 BetrVG ordnungsgemäß nach.
Den hiernach zu stellenden Anforderungen an die Freistellungspflicht nach § 37 Abs. 2 BetrVG ist der beteiligte Arbeitgeber im vorliegenden Falle gerecht geworden. Zwar werden den beteiligten Betriebsratsmitgliedern ebenso wie den übrigen zu ihrer Arbeitsgruppe gehörenden vollzeitbeschäftigten Schadenssachbearbeitern zunächst jeweils zwölf von 100 eingehenden Schadensfällen zur Bearbeitung zugeteilt. Die Inanspruchnahme durch Betriebsratstätigkeit bleibt bei dieser Zuteilung also zunächst einmal unberücksichtigt. Ein Ausgleich findet jedoch dann statt, wenn sich bei den allwöchentlichen Arbeitsrückstandsmeldungen ein überdurchschnittlich hoher Rückstand ergibt. In solchen Fällen kann der betreffende Schadenssachbearbeiter durch Abgabe von Vorgängen an einen Kollegen oder eine Aushilfskraft entlastet werden. Von dieser Entlastungsmöglichkeit macht der beteiligte Arbeitgeber auch Gebrauch, wenn die beteiligten Betriebsratsmitglieder infolge ihrer Betriebsratstätigkeit in Arbeitsrückstand geraten sind. Diese Handhabung ist sachgerecht und trägt der Belastung durch Betriebsratstätigkeit während der Arbeitszeit in ausreichendem Maße Rechnung. Da die einzelnen zu bearbeitenden Schadensfälle je nach Umfang und Schwierigkeit einen sehr unterschiedlichen Arbeitsaufwand erfordern, läßt sich durch eine Zuteilung nach Endziffern in der Reihenfolge des Eingangs nicht von vornherein eine gleichmäßige Arbeitsbelastung der einzelnen Sachbearbeiter gewährleisten. Vielmehr können sich gravierende Unterschiede in der Arbeitsbelastung ergeben, die dann bei einzelnen Sachbearbeitern zu einem überdurchschnittlichen Arbeitsrückstand führen können und nachträglich durch entsprechende Entlastung und Umverteilung ausgeglichen werden müssen. Da auch die Betriebsratsarbeit nicht immer gleichmäßig anfällt, läßt sich bei insgesamt schwankender Arbeitsbelastung erst im nachhinein anhand der allwöchentlichen Arbeitsrückstandsmeldungen einigermaßen zuverlässig feststellen, ob und inwieweit die Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben zusammen mit dem zugeteilten Arbeitspensum zu einer überdurchschnittlichen Belastung des einzelnen Betriebsratsmitglieds geführt hat, die durch entsprechende Arbeitsentlastung auszugleichen wäre. Es ist deshalb sachgerecht, wenn der beteiligte Arbeitgeber die Belastung durch Betriebsratstätigkeit erst im Rahmen einer nachträglichen Korrektur des zunächst zugeteilten Arbeitspensums berücksichtigt.
Das genügt, um sicherzustellen, daß das Betriebsratsmitglied nicht in die Zwangslage gerät, seine Betriebsratsaufgaben wegen des ihm aufgebürdeten Arbeitspensums nicht oder nur unzureichend wahrnehmen zu können. Tatsächlich war auch nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die dem übereinstimmenden Sachvortrag der Beteiligten entsprechen, die ordnungsgemäße Erledigung der Betriebsratsaufgaben während der Arbeitszeit der beteiligten Betriebsratsmitglieder stets gewährleistet und durch die vom Arbeitgeber praktizierte Verteilung der Arbeitsraten nicht beeinträchtigt.
Daß die beteiligten Betriebsratsmitglieder sich bei dieser Verteilung der Arbeitsraten für betriebsratsbedingt auftretende überdurchschnittliche Arbeitsrückstände gegenüber dem Arbeitgeber und den Arbeitskollegen jedesmal wieder mit ihrer Inanspruchnahme durch Betriebsratsaufgaben rechtfertigen müssen, mag für sie unangenehm sein, bringt sie aber nicht in eine Konfliktsituation, die ihre Betriebsratsarbeit ernsthaft beeinträchtigen könnte und die deshalb durch die vom antragstellenden Betriebsrat angestrebte pauschale Kürzung der Arbeitsraten beseitigt werden müßte. Insoweit befinden sich die beteiligten Betriebsratsmitglieder in keiner wesentlich anderen Lage als Betriebsratsmitglieder in anderen Berufen, die ihren Arbeitsplatz zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben verlassen, sich hierzu beim Arbeitgeber abmelden müssen und deren Arbeit während der Zeit ihrer Abwesenheit von ihren Arbeitskollegen mehr oder weniger bereitwillig mitübernommen werden muß.
Nach alledem gebietet die Freistellungspflicht des Arbeitgebers nach § 37 Abs. 2 BetrVG nicht die vom Betriebsrat erstrebte pauschale Senkung der Arbeitsraten der beteiligten Betriebsratsmitglieder, so daß das Landesarbeitsgericht den Antrag des Betriebsrats im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen hat.
Unterschriften
Dr. Seidensticker, Schliemann, Dr. Steckhan, Dr. Knapp, Metzinger
Fundstellen
Haufe-Index 841063 |
BAGE, 230 |
BB 1991, 759 |
RdA 1991, 187 |