Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats bei nachträglicher Sondervergütung
Leitsatz (amtlich)
1. Gewährt der Arbeitgeber mehreren Arbeitnehmern eine einmalige Sonderzahlung, mit der ihr besonderes Engagement in einer Ausnahmesituation nachträglich honoriert werden soll, so kann es sich um einen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtigen kollektiven Tatbestand handeln. Entscheidend ist insoweit, ob ein innerer Zusammenhang zwischen den Zahlungen besteht. Dieser ist typischerweise bei Zahlungen zu bejahen, die nach Leistungsgesichtspunkten erfolgen.
2. Der allgemeine Unterlassungsanspruch wegen Verletzung von Mitbestimmungsrechten nach § 87 BetrVG setzt die Gefahr der Wiederholung voraus. Für diese besteht eine tatsächliche Vermutung, es sei denn, daß besondere Umstände einen neuen Eingriff unwahrscheinlich machen.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 23 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 8. Januar 1999 – 11 TaBV 35/98 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen !
Gründe
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat mitzubestimmen hatte bei einer vom Arbeitgeber geleisteten einmaligen Sonderzahlung an vier Mitarbeiter, die zusätzliche Leistungen erbracht hatten.
Der Arbeitgeber unterhält bundesweit Zentren, in denen Nierentransplantationen und Dialysen durchgeführt werden. Antragsteller ist der im Dialysezentrum A gewählte Betriebsrat. Im Frühjahr 1996 wurde dort die Position des Pflegedienstleiters vakant. Der Arbeitgeber beauftragte die Angestellte K S mit der kommissarischen Übernahme der Pflegedienstleitung. Frau S fragte im Kollegenkreis, wer bereit sei, sie bei dieser Aufgabe zu unterstützen. Vier Mitarbeiter gaben eine Zusage. Sie beteiligten sich dementsprechend in der Folgezeit an Aufgaben der Pflegedienstleitung wie der Aufstellung des Dienstplans, der Gestaltung des Dienstablaufs bei der Betreuung der Patienten, der Führung der Urlaubs- und Abwesenheitslisten und der Überwachung der ärztlichen Protokolle. Eine besondere Vergütung hierfür war von dem Arbeitgeber nicht vorgesehen und wurde auch nicht versprochen. Die Geschäftsleitung entschloß sich jedoch Ende 1996, das besondere Engagement der vier Mitarbeiter durch eine einmalige Zahlung von jeweils 1.000,00 DM zu würdigen. Die Beträge wurden mit dem Dezembergehalt 1996 ausgezahlt.
Der Betriebsrat wurde nicht beteiligt. Anfang 1997 wurde Frau S die Pflegedienstleitung endgültig übertragen. Nachdem der Betriebsrat gelegentlich eines Einblicks in die Bruttolohnlisten Kenntnis von den Zahlungen erlangt hatte, begehrte er mit Schreiben vom 29. April 1997 Auskunft über die näheren Umstände. Die Geschäftsleitung teilte unter dem 15. Mai 1997 mit, es habe sich um eine einmalige freiwillige Zahlung gehandelt. Unter dem 25. Juli 1997 nahm der Vorstand des Arbeitgebers in Beantwortung eines Schreibens vom 4. Juni 1997, mit dem der Betriebsrat mehrere Vorwürfe gegen die Geschäftsleitung erhoben hatte, auch zu den streitbefangenen Zahlungen Stellung. In dem Schreiben heißt es dazu:
„…
Zu den Vorwürfen im einzelnen:
1. Es trifft zu, daß vier Mitarbeiter des KfH A im Dezember 1996 einmalige Sonderzahlungen iHv. je DM 1000,– erhielten. Dies war mit dem besonderen Engagement bei der Mitarbeit im Rahmen der Gruppenpflege anerkannt und begründet. Details hierzu lassen sich ohneweiteres benennen.
Ein Zusammenhang mit der Betriebsratswahl im Januar 1997 bestand zu keiner Zeit und ist sinngemäß in ihrem Brief vom 04.06.1997 irreführend als Konstrukt eingeführt.
…”
Der Betriebsrat ist der Auffassung, ihm habe hinsichtlich der streitigen Zahlungen ein Mitbestimmungsrecht zugestanden. Die Ausschüttung von Prämien an einzelne Mitarbeiter erfüllte den Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 oder Nr. 11 BetrVG. Es handele sich nicht um mitbestimmungsfreie Individualmaßnahmen, sondern um einen kollektiven Vorgang. Die Zahlungen seien wegen besonderer Leistungen erfolgt und knüpften damit an ein abstraktes Tatbestandsmerkmal an. Es seien viele Mitarbeiter in der Lage gewesen, die entsprechenden Arbeitern zu erbringen. Mindestens bestehe ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Verteilung der Sonderzahlung unter den vier betroffenen Mitarbeitern.
Der Betriebsrat hat, soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Interesse, beantragt
dem Arbeitgeber aufzugeben, nicht ohne seine vorherige Anhörung und Zustimmung an Mitarbeiter des Pflegepersonals aus Gründen des besonderen Engagements der Mitarbeiter im Rahmen der Gruppenpflege Sonderzahlungen zu gewähren.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Er hat ein Mitbestimmungsrecht verneint. Es liege kein kollektiver Tatbestand vor. Die Zahlungen seien nicht nach abstrakten Kriterien bemessen. Es handele sich um eine pauschale Anerkennung für die individuelle Bereitschaft der vier Mitarbeiter, in einer Notlage besondere Hilfeleistungen zu erbringen. Die übernommenen Aufgaben gingen weit über die Aufgaben einer Pflegekraft hinaus. Der Betriebsrat sei gegen Frau S als Pflegedienstleiterin gewesen. Es habe deshalb starke Anfeindungen gegen die „Vier um K ” gegeben.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Unterlassungsantrag weiter.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats war zurückzuweisen. Dem Landesarbeitsgericht ist nicht in der Begründung, aber im Ergebnis zu folgen.
I. Der Antrag ist zulässig. Davon ist offensichtlich auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen, ohne die Frage allerdings zu erörtern.
1. Der der Sache nach auf Unterlassung gerichtete Antrag bedarf der Auslegung. Er erfaßt nach seinem Wortlaut alle Sonderzahlungen aus Gründen des besonderen Engagements an Mitarbeiter im Rahmen der Gruppenpflege. Damit scheint er alle Zahlungen einzubeziehen, mit der der Arbeitgeber besondere Leistungen honoriert, also zB auch vorher ausgeworfene freiwillige Leistungszulagen.
So weit ist der Antrag jedoch nicht zu verstehen. Der vom Betriebsrat gewählte Wortlaut ist zurückzuführen auf die Mitteilung des Vorstandes des Arbeitgebers vom 25. Juli 1997, die einmaligen Zahlungen seien mit dem besonderen Engagement der Mitarbeiter im Rahmen der Gruppenpflege begründet. Daß auch andere Zulagen zwischen den Beteiligten hinsichtlich ihrer Mitbestimmungspflichtigkeit im Streit waren oder sind, ist nicht vorgetragen. Daher ist der Begriff des „besonderen Engagements bei der Mitarbeit im Rahmen der Gruppenpflege” als abstrakte Umschreibung des streitauslösenden Tatbestandes anzusehen, der Antrag also dahin auszulegen, daß er auf einmalige, freiwillige und erst nachträglich erfolgte Zahlungen für die befristete Übernahme zusätzlicher Tätigkeiten beschränkt ist.
2. Der so verstandene Antrag ist hinreichend bestimmt. Tatbestandsmerkmale wie nachträglich, einmalig, nach Abschluß einer befristeten Zusatzaufgabe, sind konkret genug, so daß die Fallgestaltungen, auf die das Unterlassungsbegehren gerichtet ist, für die Beteiligten – insbesondere für den in Anspruch genommenen Arbeitgeber – feststehen und nicht erst im Vollstreckungsverfahren geklärt werden muß, ob der vom Betriebsrat beanstandete Vorgang überhaupt unter das Unterlassungsgebot fällt.
II. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat den streitauslösenden Vorfall zwar zu Unrecht als nicht mitbestimmungspflichtig angesehen (1.). Der Unterlassungsantrag ist aber dennoch abzuweisen, weil keine Wiederholungsgefahr ersichtlich ist und auch kein grober Verstoß des Arbeitgebers iSv. § 23 Abs. 3 BetrVG vorliegt; diese Entscheidung kann der Senat selbst treffen (2.).
1. Die streitigen Zahlungen waren entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts mitbestimmungspflichtig nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
a) Dem Landesarbeitsgericht ist allerdings insoweit zu folgen, als es ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG verneint hat. Bei den Sonderzahlungen handelte es sich nicht um Akkord- oder Prämienlöhnen vergleichbare leistungsbezogene Entgelte im Sinne dieser Vorschrift. Unter einem solchen Entgelt ist eine Vergütungsform zu verstehen, bei der eine „Leistung” des Arbeitnehmers, gleichgültig worin diese besteht, gemessen und mit einer Bezugsleistung verglichen wird, wobei sich die Höhe des Entgelts nach dem Verhältnis der Leistungen des Arbeitnehmers zur Bezugsleistung richtet(siehe schon Senat 28. Juli 1981 – 1 ABR 56/78 – BAGE 48, 208 = AP § 87 BetrVG 1972 Provision; Senat 13. März 1984 – 1 ABR 57/82 – BAGE 48, 208 = AP Nr. 4 aaO; vgl. auch Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 19. Aufl. § 87 Rn. 517; Richardi BetrVG 7. Aufl. § 87, 955).
Eine derartige Verbindung zwischen einer Bezugsgröße und einer Leistungseinheit, bei der der Arbeitnehmer durch seine Arbeitsleistung das Entgelt beeinflussen könnte, liegt hier nicht einmal ansatzweise vor. Dies gilt umso mehr, als die Zulage erst nachträglich beschlossen wurde und schon daher den Arbeitnehmern nicht die Möglichkeit eröffnen konnte, ihre Arbeitsleistung entsprechend auszurichten.
b) Dem Landesarbeitsgericht ist jedoch nicht zu folgen, soweit es auch die Voraussetzungen eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verneint hat.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es handele sich nicht um einen Tatbestand der betrieblichen Lohngestaltung im Sinne abstrakt genereller Grundsätze zur Lohnfindung, weil die Sonderzahlungen der Arbeitsleistung zeitlich nachfolgten, ohne beispielhaft für künftige Fälle zu sein, und sich dadurch in der einmaligen Gewährung erschöpften. Bei derartigen freiwilligen Einmalzahlungen bestehe kein Regelungsspielraum. Auch die Umsetzung des Entschlusses als solchen lasse keinen Raum für eine Mitgestaltung des Betriebsrats. Dies gelte jedenfalls dann, wenn – wie hier – der Arbeitgeber gar nicht nach einem differenzierten Verteilungsschlüssel verfahren, sondern alle Arbeitnehmer des von ihm ausgewählten Personenkreises pauschal in gleicher Weise bedenke: Da es in diesem Fall keinen Verteilungsplan aufzustellen gebe, bleibe für den Betriebsrat auch kein Bereich, den er mitgestalten könne.
Diese Begründung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
bb) § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG gibt dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere der Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Die Beteiligung des Betriebsrats in diesem Bereich soll die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Unternehmens orientierten Lohngestaltung schützen. Es geht um die Angemessenheit und Durchsichtigkeit des innerbetrieblichen Lohngefüges. Die Mitbestimmung des Betriebsrats soll die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit gewährleisten. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts können nach ständiger Senatsrechtsprechung alle vermögenswerten Leistungen des Arbeitgebers und damit auch alle übertariflich gezahlten Zulagen und Boni sein. Gewährt der Arbeitgeber eine solche Leistung freiwillig, so wird hierdurch das Mitbestimmungsrecht nicht ausgeschlossen. Der Arbeitgeber ist lediglich frei in seiner Entscheidung darüber, ob er die Leistung erbringt, welche Mittel er hierfür zur Verfügung stellt, welchen Zweck er mit ihr verfolgen will und wie der begünstigte Personenkreis abstrakt bestimmt werden soll. Im Rahmen dieser Vorgaben unterliegt aber die Entscheidung darüber, nach welchen Kriterien sich die Berechnung der einzelnen Leistungen und ihrer Höhe im Verhältnis zueinander bestimmen sollen, nach ständiger Senatsrechtsprechung der Mitbestimmung.
Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich allerdings nur auf die Entscheidung kollektiver Regelungsfragen. Dagegen unterliegt die individuelle Lohngestaltung, die mit Rücksicht auf besondere Umstände des einzelnen Arbeitsverhältnisses getroffen wird und bei der kein innerer Zusammenhang zur Entlohnung anderer Arbeitnehmer besteht, nicht der Mitbestimmung. Die Abgrenzung zwischen den das Mitbestimmungsrecht auslösenden kollektiven Tatbeständen und Einzelfallgestaltungen richtet sich danach, ob es um Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen geht. Hierfür ist die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer nicht allein maßgeblich. Sie kann aber ein Indiz dafür sein, ob ein kollektiver Tatbestand vorliegt oder nicht. Es widerspräche nämlich dem Zweck des Mitbestimmungsrechts, wenn es dadurch ausgeschlossen werden könnte, daß der Arbeitgeber mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern jeweils „individuelle” Vereinbarungen über eine bestimmte Vergütung trifft, ohne sich zu allgemeinen Regeln bekennen zu wollen(vgl. nur Senat 14. Juni 1994 – 1 ABR 63/93 – BAGE 77, 86 = AP § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung Nr. 69 unter B II 1 der Gründe).
cc) Nach diesen Grundsätzen sind vorliegend die Voraussetzungen eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfüllt.
(1) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dem nicht entgegen, daß es sich um eine Einmalzahlung handelt. Auch der einmaligen Gewährung einer Zulage kann eine generelle Struktur zu Grunde liegen, an deren Festlegung der Betriebsrat nach dem Zweck des Mitbestimmungsrechts, die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit zu gewähren, zu beteiligen ist. Hingegen kommt es nicht darauf an, daß diese Struktur beispielhaft für künftige Wiederholungsfälle sein muß, wie das Landesarbeitsgericht annimmt. Unerheblich für die Frage, ob ein Tatbestand der betrieblichen Lohngestaltung vorliegt, ist dementsprechend auch, ob die Festsetzung der Sonderzahlung der Arbeitsleistung zeitlich vorgeht oder nachfolgt. Auch im letzteren Fall stellt sich die Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Der Senat ist bereits im Beschluß vom 14. Juni 1994 (aaO) davon ausgegangen, daß die dort streitige Festsetzung eines „einmaligen Sonderbonus”, der nachträglich im Hinblick auf erbrachte Leistungen gewährt wurde, prinzipiell einen Tatbestand der Lohngestaltung bilden kann.
(2) Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht auch einen Regelungsspielraum verneint hinsichtlich der „Umsetzung” des Entschlusses, Zulagen zu gewähren. Richtig ist, daß der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei die Höhe der Mittel sowie den begünstigten Personenkreis abstrakt bestimmen kann. Das Mitbestimmungsrecht betrifft nur die Verteilung im Rahmen dieser Vorgaben. Nicht richtig ist hingegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, einen Verteilungsplan gebe es nicht zu gestalten, weil der Arbeitgeber gar nicht nach einem bestimmten differenzierten Verteilungsschlüssel vorgegangen sei, sondern alle Arbeitnehmer pauschal gleichbehandelt habe. Dieser Beschluß enthält bereits einen Verteilungsplan, nämlich denjenigen, daß alle in Betracht kommenden Leistungsempfänger gleichbehandelt werden sollen. Die Frage, ob alle eine Zulage in gleicher Höhe oder in einer nach Leistung differenzierten Höhe erhalten, ist aber ebenso eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit wie die Frage, wie denn eine beabsichtigte differenzierte Regelung zu gestalten sei.
(3) Bei den hier zu beurteilenden vier Zulagen handelte es sich auch um einen kollektiven Tatbestand und nicht um eine Frage der individuellen Lohngestaltung. Ein kollektiver Tatbestand kann selbst dann vorliegen, wenn nur ein Arbeitnehmer betroffen ist; dies gilt prinzipiell auch für das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, sofern ein generelles Lohnprinzip so gestaltet ist, daß es nur einen einzelnen Arbeitnehmer erfaßt(vgl. etwa Enderlein ZfA 1997, 313, 356). Hier sind immerhin vier Arbeitnehmer betroffen(vgl. auch Senat 14. Juni 1994 aaO, wo zehn Arbeitnehmer von insgesamt 320 betroffen waren). Entscheidend ist, ob ein innerer Zusammenhang mit der Entlohnung anderer Arbeitnehmer besteht. Dieser ist typischerweise bei Zahlungen zu bejahen, die nach Leistungsgesichtspunkten erfolgen. Die Bemessung zusätzlicher Zahlungen nach der Qualität der Arbeitsleistung setzt stets eine irgendwie definierte Normal- oder Mindestleistung voraus, auf deren Grundlage erst festgestellt werden kann, ob und inwieweit eine Arbeitsleistung einen höheren Wert hat. Im Rahmen der Prüfung, ob und ggf. in welcher Höhe einem Arbeitnehmer eine zusätzliche Zahlung gewährt werden soll, wird seine Leistung mit derjenigen anderer Arbeitnehmer verglichen(Senat 14. Juni 1994 aaO, unter B II 2 der Gründe).
Derartige Leistungsgesichtspunkte, die einen inneren Zusammenhang zwischen mehreren Arbeitnehmern herstellen, sind hier maßgeblich. Das gilt auch dann, wenn man zugunsten des Arbeitgebers davon ausgeht, daß die (verdeckte) abstrakte Vorgabe des nach dem Zweck der Zahlung begünstigten Personenkreises nicht allgemein mit „besonderer Leistung” umschrieben, sondern enger dahin zu verstehen war, daß nur Arbeitnehmer erfaßt werden sollten, die zusätzliche Leistungen bei Unterstützung der kommissarischen Pflegedienstleitung erbracht hatten. Auch dann ergeben sich Beurteilungsfragen, die nicht ausschließlich durch die persönlichen Besonderheiten einzelner Arbeitsverhältnisse geprägt sind. Dies gilt zum einen hinsichtlich der Fragen, ob der Kreis der Zulagenempfänger nach den abstrakten Vorgaben richtig bestimmt ist, dh. ob es nur diese vier oder möglicherweise auch andere Arbeitnehmer waren, die solche Zusatzleistungen erbracht haben. Unabhängig davon bleibt ein kollektiver Tatbestand aber auch bestehen, wenn nur auf die vier Arbeitnehmer abzustellen ist. Die Frage, ob diese vier den Zuschlag in gleicher oder in unterschiedlicher Höhe erhalten sollen, setzt wiederum einen wertenden Leistungsvergleich zwischen ihnen voraus. Damit besteht ein innerer Zusammenhang zur Entlohnung anderer Arbeitnehmer, also ein kollektiver Tatbestand.
2. Die angefochtene Entscheidung hat trotz dieses Rechtsfehlers Bestand, § 563 ZPO. Die Rechtsbeschwerde war zurückzuweisen, da der Unterlassungsantrag aus anderen Gründen abzuweisen ist. Diese Entscheidung kann der Senat selbst treffen, so daß es einer Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht nicht bedarf, § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO.
a) Der Arbeitgeber hat zwar das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt. Der darauf gestützte Unterlassungsanspruch ist jedoch deshalb unbegründet, weil es an der notwendigen Wiederholungsgefahr fehlt. Diese ist Voraussetzung jedenfalls für den allgemeinen Unterlassungsanspruch bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten aus § 87 BetrVG im Sinne der jetzt ständigen Senatsrechtsprechung(grundlegend Senat 3. Mai 1994 – 1 ABR 24/93 – BAGE 76, 364 = AP § 23 BetrVG 1972 Nr. 23). Erforderlich ist eine ernstliche, sich auf Tatsachen gründende Besorgnis weiterer Eingriffe zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung. Dafür besteht allerdings grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung, es sei denn, daß zB die tatsächliche Entwicklung einen neuen Eingriff unwahrscheinlich macht(siehe allgemein etwa Palandt/Thomas BAG 59. Aufl. Einführung vor § 823 Rn. 24; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 58. Aufl. Grundzüge § 253 Rn. 55).
Auch wenn man an den Nachweis des Wegfalls der die Wiederholungsgefahr begründenden Tatsachen strenge Anforderungen stellt(vgl. Baumbauch/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO), sind diese angesichts der besonderen Umstände, unter denen die Zahlungen erfolgten, hier erfüllt. Es handelte sich um einen einmaligen Vorgang, der abgeschlossen ist. Die Zulagen wurden nachträglich gezahlt, ohne daß sie vorher in Aussicht gestellt worden wären und ohne daß ein Rechtsanspruch bestanden hätte – sozusagen als „spontaner Dank” –. Dies unterstreicht den Ausnahmecharakter der Aktion ebenso wie die geringe Zahl der betroffenen Arbeitnehmer. Es ist auch nicht ersichtlich, daß ähnliche Notwendigkeiten der Unterstützung eines kommissarischen Amtsinhabers durch Dritte erneut auftreten würden.
Angesichts dieser Sondersituation ist die Annahme gerechtfertigt, daß ein neuer – vergleichbarer – Eingriff des Arbeitgebers unwahrscheinlich ist. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, daß die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob überhaupt in solchen Fällen ein Mitbestimmungsrecht besteht, durch dieses Verfahren geklärt ist. Dies alles führt dazu, daß die Wiederholungsgefahr zu verneinen ist. Der allgemeine Unterlassungsanspruch ist demnach unbegründet.
b) Im Ergebnis nichts anderes gilt, soweit der Betriebsrat seinen Antrag auf § 23 Abs. 3 BetrVG stützt. Dabei bedarf es keiner vertieften Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch dieser Unterlassungsanspruch eine Wiederholungsgefahr voraussetzt(verneinend BAG 18. April 1985 – 6 ABR 19/84 – AP § 23 BetrVG 1972 Nr. 5; Fitting/Kaiser/Heither/Engels aaO § 23 Rn. 65; anderer Auffassung etwa Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG 5. Aufl. § 23 Rn. 67). Auch wenn eine Wiederholungsgefahr hier nicht erforderlich ist, so fehlt es jedenfalls an einem groben Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem BetrVG.
Die Feststellung eines groben Verstoßes obliegt zwar grundsätzlich der Tatsacheninstanz, da es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt. Der Senat kann aber ausnahmsweise in der Sache selbst entscheiden, wenn alle wesentlichen Umstände festgestellt oder unstreitig sind(siehe Senat 22. Juni 1993 – 1 ABR 62/92 – BAGE 73, 291 = AP § 23 BetrVG 1972 Nr. 22, unter B III 3 b der Gründe). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
Ein grober Verstoß liegt vor, wenn es sich um eine objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, wobei es auf ein Verschulden nicht ankommt(Senat 22. Juni 1993 aaO, unter B III 3 a der Gründe). Das streitauslösende Verhalten des Arbeitgebers weist diese Merkmale nicht auf. Zwar kann auch eine einmalige Pflichtverletzung einen groben Verstoß darstellen(siehe nur Fitting/Kaiser/Heither/Engels aaO § 23 Rn. 17). Das Gewicht der Pflichtverletzung im vorliegenden Fall ist aber nicht offensichtlich schwerwiegend. Es handelte sich von Anlaß und Umfang her um eine Ausnahmesituation. Vor allem spricht gegen einen erheblichen und offensichtlichen Verstoß, daß der Sachverhalt rechtlich nicht einfach gelagert war. Selbst wenn die Abgrenzung zwischen mitbestimmungsfreier Individualmaßnahme und mitbestimmungspflichtiger kollektiver Maßnahme abstrakt geklärt ist, wirft der vorliegende Fall gerade wegen seiner tatsächlichen Besonderheiten – befristete Maßnahme, nachträgliche Einmalzahlung, geringe Zahl der betroffenen Arbeitnehmer – doch erhebliche Beurteilungsschwierigkeiten auf. Das wird nachdrücklich unterstrichen durch die Entscheidungen der Vorinstanzen, die ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats jeweils verneint haben.
Eine grobe im Sinne einer objektiv erheblichen und offensichtlichen Pflichtverletzung kann dem Arbeitgeber bei dieser Sachlage nicht vorgeworfen werden. Damit kann der Betriebsrat seinen Unterlassungsanspruch auch nicht auf § 23 Abs. 3 BetrVG stützen.
Unterschriften
Wißmann, Hauck, Rost, Bayer, Wohlgemuth
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.02.2000 durch Klapp, der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 537439 |
BB 2000, 1894 |
BB 2000, 2045 |
BB 2001, 780 |
DB 2000, 2614 |
NWB 2000, 3559 |
ARST 2001, 1 |
FA 2000, 328 |
FA 2000, 347 |
JR 2001, 132 |
NZA 2000, 1066 |
SAE 2000, 312 |
ZAP 2000, 1124 |
ZTR 2000, 525 |
AP, 0 |
VersR 2001, 657 |
PflR 2000, 386 |
RdW 2000, 748 |