Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an Verweisungsbeschluß
Normenkette
ZPO § 36 Nr. 6; ArbGG n.F. § 48 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 2; GVG n.F. § 17a Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Bonn bestimmt.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 62 MTB II, nachdem die Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen dem Kläger mit Bescheid vom 9. März 1993 eine unbefristete Berufsunfähigkeitsrente zuerkannt hat.
Mit einem beim Arbeitsgericht Oldenburg am 9. Januar 1995 eingegangenen Schriftsatz wandte sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten, die in Bonn ihren Sitz und in Oldenburg eine Niederlassung hat. Dabei gab der Kläger eine Bonner Adresse der Beklagten an. Mit Schreiben vom 12. Januar 1995 wies ihn das Arbeitsgericht darauf hin, daß dieser Schriftsatz nicht den an eine Klage zu stellenden Mindestanforderungen genüge, und forderte ihn zu ergänzenden Angaben auf. Weiter heißt es in diesem Schreiben:
„Auch ist nicht ersichtlich, daß das Arbeitsgericht Oldenburg örtlich zuständig ist. Sie erhalten Gelegenheit, die örtliche Zuständigkeit näher zu begründen.”
Daraufhin erschien der Kläger am 23. Januar 1995 bei der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts und machte dort die geforderten Angaben. Zur Zuständigkeit erklärte er nur folgendes:
„Für den Fall der örtlichen Unzuständigkeit des Arbeitsgerichts Oldenburg beantrage ich schon zum jetzigen Zeitpunkt die Verweisung des Rechtsstreits an das örtlich zuständige Arbeitsgericht.”
Mit Beschluß vom 24. Januar 1995 wies das Arbeitsgericht den Kläger auf Bedenken hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit hin und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger äußerte sich hierzu mit Schreiben vom 31. Januar 1995, ihm sei es unwichtig, welches Arbeitsgericht zuständig sein solle; er sei seit 1969 bis zu seinem krankheitsbedingten Ausscheiden bei der Beklagten im Tanklager Oldenburg-Littel beschäftigt gewesen; er sei davon ausgegangen, daß das Arbeitsgericht Oldenburg zuständig sei. Die Beklagte erklärte sich unter dem 8. Februar 1995 ohne inhaltliche Erklärung im übrigen mit einer Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Bonn einverstanden.
Mit Beschluß vom 14. Februar 1995 erklärte sich das Arbeitsgericht Oldenburg für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Bonn. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht Oldenburg an, der Sitz der Beklagten, mithin der allgemeine Gerichtsstand, sei in Bonn; nach dem Klägervortrag sei ein besonderer Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Arbeitsgerichtsbezirk Oldenburg nicht erkennbar; insbesondere sei nicht ersichtlich, daß im Tanklager Oldenburg-Littel eine betriebliche Organisation mit eigener auf das Arbeitsverhältnis bezogener Funktion bestanden habe.
In der Güte Verhandlung vor dem Arbeitsgericht Bonn erklärte die Beklagte erstmals, daß sie in Oldenburg eine Niederlassung unterhalte, genannt Tanklager Oldenburg. Die Parteien erklärten übereinstimmend, daß der Kläger allein bei Niederlassung Oldenburg beschäftigt gewesen sei. Die Parteien erhielten Gelegenheit, zur Frage der örtlichen Zuständigkeit Stellung zu nehmen.
Das Arbeitsgericht Bonn hat sich mit Beschluß vom 29. März 1995 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Bundesarbeitsgericht „zur Bestimmung des Arbeitsgerichts Oldenburg als örtlich zuständiges Gericht” vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Verweisungsbeschluß sei offensichtlich gesetzwidrig, weil er auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber dem rechtlich nicht vertretenen Kläger beruhe. Das Arbeitsgericht Oldenburg hätte die Erklärung des Klägers, er sei bei der Beklagten im Tanklager Oldenburg-Littel beschäftigt gewesen, weiter aufklären müssen, weil sich einerseits die Beklagte zur Frage der örtlichen Zuständigkeit inhaltlich nicht eingelassen habe und weil andererseits erhebliche Anhaltspunkte für eine örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Oldenburg nach Aktenlage ersichtlich gewesen seien.
Entscheidungsgründe
II. Zuständig ist das Arbeitsgericht Bonn. Der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Oldenburg ist bindend.
1.a) Rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse sind für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. Die bindende Wirkung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO zu beachten (vgl. statt vieler: BAG Beschluß vom 11. Januar 1982 – 5 AR 221/81 – AP Nr. 27 zu § 36 ZPO; BAG Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 – NZA 1994, 479 f.). Nur so kann der Zweck des § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. erreicht werden, unnötige und zu Lasten der Parteien gehende Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden. Das bedeutet: Es ist das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, dieser ist ausnahmsweise nicht bindend. In diesem Fall ist dasjenige Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den zweiten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, (auch) dieser ist ausnahmsweise nicht bindend.
b) Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend. Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht entfalten (BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AZR 232/76 – AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 2 der Gründe; zum neuen Recht Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 – EzA § 17 a GVG Nr. 1; Zöller/Vollkommer, ZPO, 18. Aufl., § 36 Rz 25, 28; einschränkend zum neuen Recht Zöller/Gummer, a.a.O., GVG § 17 a Rz 13). Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluß dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefaßt ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem von ihnen beruht (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 –, a.a.O., zu II 3 a der Gründe; BGHZ 71, 69, 72 f. = NJW 1978, 1163, 1164).
2. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
a) Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Bonn hat das Arbeitsgericht Oldenburg rechtliches Gehör gewährt, und zwar schon durch das Schreiben vom 12. Januar 1995 und dann ein weiteres Mal durch Beschluß vom 24. Januar 1995. Nach dem Schreiben vom 12. Januar 1995 hatte der Kläger keinerlei Angaben zur örtlichen Zuständigkeit gemacht, nach dem Beschluß vom 24. Januar 1995 hatte er nur vorgetragen, er habe im Tanklager Oldenburg-Littel gearbeitet. Gleichzeitig hatte er aber mit dem Satz, im sei es egal, also unwichtig, welches Arbeitsgericht zuständig sei, deutlich gemacht, daß ihm selbst an weiterer Aufklärung der für die örtliche Zuständigkeit maßgebende Umstände nicht gelegen war. Zumindest unter diesen Umständen war das Arbeitsgericht Oldenburg nicht gehalten, den Kläger nach seiner Erklärung, er habe in Oldenburg-Littel gearbeitet, erneut zu befragen.
b) Der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Oldenburg ist auch nicht willkürlich. Zwar hat der Senat mehrfach entschieden, daß bei Arbeitsverhältnissen in der Regel von einem einheitlichen (gemeinsamen) Erfüllungsort auszugehen ist, und daß dies der Ort ist, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat (Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 – EzA § 36 Nr. 18 sowie Beschluß vom 30. März 1994 – 5 AS 6/94 –, nicht veröffentlicht). Dies ist jedoch keinesfalls unumstritten. Auch in der neueren Literatur wird teilweise mit vertretbaren Gründen ein anderer Standpunkt eingenommen (vgl. Krasshöfer-Pidde/Molkenbur, NZA 1988, 236, 237 f.). Wenn sich das Arbeitsgericht Oldenburg diese Auffassung zu eigen gemacht hat, kann von einer offensichtlichen Gesetzwidrigkeit nicht die Rede sein.
Unterschriften
Griebeling, Reinecke, Bröhl
Fundstellen