Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungsrüge. Anhörungsrüge gegen ein Urteil des Revisionsgerichts. Zulässigkeit
Leitsatz (amtlich)
Wird in einer Anhörungsrüge gegen ein Urteil des Revisionsgerichts die Verletzung des rechtlichen Gehörs in Bezug auf Tatsachenvortrag geltend gemacht, so muss der Rügeführer darlegen, dass die nach seiner Auffassung übergangenen Tatsachen nach § 559 ZPO berücksichtigungsfähig waren. Andernfalls ist die Rüge nicht in der gesetzlichen Form begründet und deshalb unzulässig.
Orientierungssatz
- Nach § 559 Abs. 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden. Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung nach § 559 Abs. 2 ZPO für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.
- Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, Tatsachenvortrag zu berücksichtigen, der nicht den vorstehenden Voraussetzungen entspricht. Daraus folgt, dass in der gegen ein Urteil eines Revisionsgerichts gerichteten Anhörungsrüge, mit der die Verletzung rechtlichen Gehörs in Bezug auf Tatsachenvortrag geltend gemacht wird, darzulegen ist, dass die vom Revisionsgericht – angeblich – nicht berücksichtigten Tatsachen nach § 559 ZPO berücksichtigungsfähig waren.
- Würde man diese Darlegung nicht verlangen, so könnten auf dem Weg der Anhörungsrüge noch nach rechtskräftiger Entscheidung im Revisionsverfahren Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, deren Berücksichtigung dem Revisionsgericht nach der gesetzlichen Regelung des Revisionsverfahrens versagt war.
- Die Nichtberücksichtigung von Tatsachen kann dann keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellen, wenn ihre Berücksichtigung gegen die Vorschriften des Prozessrechts verstoßen hätte.
Normenkette
ArbGG § 78a
Verfahrensgang
Tenor
Die Anhörungsrüge der Beklagten gegen das Urteil des Senats vom 21. April 2005 – 2 AZR 132/04 – wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Der Kläger hat die Unwirksamkeit einer ordentlichen Kündigung geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kündigungsschutzantrag des Klägers stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat durch Urteil vom 21. April 2005 die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Anhörungsrüge beantragt die Beklagte, das Verfahren wieder in das Verfahrensstadium zurückzuversetzen, in dem es sich vor dem 21. April 2005 befunden hat. Der Kläger regt Zurückweisung der Anhörungsrüge an.
II. Die Anhörungsrüge ist unzulässig.
1. Nach § 78a Abs. 1 ArbGG ist auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Nach § 78a Abs. 2 ArbGG muss die Rüge die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen. Nach § 78a Abs. 4 ArbGG hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Rüge an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Rüge als unzulässig zu verwerfen.
2. Die von der Beklagten erhobene Rüge ist an sich statthaft und auch in der gesetzlichen Frist erhoben. Sie ermangelt aber der Begründung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil sie nicht darlegt, dass das Gericht den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
a) Die Beklagte rügt,
dass im Urteil des erkennenden Senats vom 21.04.2005 zum Aktenzeichen: 2 AZR 132/04
– unstreitiger Sachverhalt, wie er sich aus dem Parteivorbringen und dem Inhalt der in den Gerichtsakten befindlichen Anlagen darstellt,
– tatsächliches Vorbringen der Beklagten
wie auch
– tatsächlicher Klägervortrag
nicht verwertet wurde.
Die Beklagte macht damit geltend, der Senat habe wechselseitigen Tatsachenvortrag der Parteien unberücksichtigt gelassen. Sie führt dies unter Benennung der einzelnen Tatsachen in der Beschwerdebegründung weiter aus.
b) Nach § 559 Abs. 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden. Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung nach § 559 Abs. 2 ZPO für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist. Dem Revisionsgericht ist es also verwehrt, Tatsachenvortrag zu berücksichtigen, der nicht den vorstehenden Voraussetzungen entspricht. Daraus folgt, dass in der gegen ein Urteil eines Revisionsgerichts gerichteten Anhörungsrüge, mit der die Verletzung rechtlichen Gehörs in Bezug auf Tatsachenvortrag geltend gemacht wird, darzulegen ist, dass die vom Revisionsgericht – angeblich – nicht berücksichtigten Tatsachen nach § 559 ZPO berücksichtigungsfähig waren. Sie müssen also entweder vom Landesarbeitsgericht festgestellt worden sein oder es muss sich um Tatsachenvortrag handeln, der für das Revisionsgericht nach § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b ZPO oder § 559 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähig war. Würde man diese Darlegung nicht verlangen, so könnten auf dem Weg der Anhörungsrüge noch nach rechtskräftiger Entscheidung im Revisionsverfahren Tatsachen in den Prozess eingeführt werden, deren Berücksichtigung dem Revisionsgericht nach der gesetzlichen Regelung des Revisionsverfahrens versagt war. Außerdem kann die Nichtberücksichtigung von Tatsachen dann keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellen, wenn ihre Berücksichtigung gegen die Vorschriften des Prozessrechts verstoßen hätte. Auch deshalb ist von der Partei, die eine Anhörungsrüge nach § 78a ArbGG führt, darzulegen, dass der betreffende Tatsachenvortrag hätte berücksichtigt werden dürfen, es sei denn, die Berücksichtigungsfähigkeit des Vorbringens ergibt sich ohne Weiteres.
c) Diesen Voraussetzungen entspricht das Vorbringen der Beklagten nicht. Sie bezieht sich auf wechselseitig in allen Instanzen gehaltenen Tatsachenvortrag, legt aber nicht dar, dass dieser Vortrag Gegenstand der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Berufungsurteil war oder dass die betreffenden Tatsachen sonst nach § 559 ZPO berücksichtigungsfähig waren.
III. Die Kosten der erfolglos gebliebenen Anhörungsrüge fallen der Beklagten nach § 97 Abs. 1 ZPO zur Last.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Schmitz-Scholemann
Fundstellen
Haufe-Index 1494909 |
BAGE 2007, 265 |
BB 2006, 1008 |