Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung; Betriebsnorm; vorübergehende Arbeitszeitverkürzung durch Betriebsvereinbarung; Gleichstellungsklausel; Hilfsantrag in der Revisionsinstanz; Betriebsnorm. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Anwaltsverschulden bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist: Fristwahrung bei Übermittlung der fehlerhaft adressierten Berufungsbegründungsschrift per Telefax an eine gemeinsame Posteinlaufstelle
Leitsatz (amtlich)
Betriebsnorm iSd. § 4 Abs. 1 Satz 2, § 3 Abs. 2 TVG kann eine Tarifvertragsbestimmung nur sein, wenn sie eine normative und nicht nur schuldrechtliche Regelung für alle oder bestimmte Arbeitsverhältnisse enthält.
Leitsatz (redaktionell)
1. Einem Beschäftigungssicherungstarifvertrag kann Betriebsnormcharakter iSd. TVG zukommen.
2. Eine Bestimmung in einem Firmentarifvertrag zur Beschäftigungssicherung, wonach der Arbeitgeber die regelmäßige Arbeitszeit mit der Folge (teilweisen) Entgeltausfalls vorübergehend in einem von ihm zu bestimmenden Umfang hinsichtlich der Dauer, der Arbeitszeitverringerung und der betroffenen Arbeitnehmer im noch einzuholenden Einvernehmen mit der Gewerkschaft herabsetzen darf, stellt keine normative, sondern eien schuldrechtliche Regelung dar.
Eine solche Regelung ist mangels normativen Inhalts nicht als Betriebsnorm einzuordnen.
Orientierungssatz
Ein bei der gemeinsamen Einlaufstelle der Arbeitsgerichtsbarkeit in Berlin eingegangener Schriftsatz ist bei dem Gericht eingereicht worden, an das er adressiert ist.
Eine fehlerhaft an das erstinstanzliche Arbeitsgericht Berlin statt an das Landesarbeitsgericht Berlin als Berufungsgericht adressierte Berufungsbegründungsschrift, die am letzten Tag der Berufungsbegründungsfrist bei dem gemeinsamen Telefaxanschluß der für das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht eingerichteten gemeinsamen Einlaufstelle nach Ende der Dienstzeit eingeht, wahrt die Berufungsbegründungsfrist nicht; der Schriftsatz ist beim Arbeitsgericht eingereicht. Daran ändert die zutreffende Angabe des Aktenzeichens des Landesarbeitsgerichts nichts (Abgrenzung BGH Urteil vom 6. Oktober 1988 – VII ZB 1/88 – NJW 1989, 590).
Eine Einreichung liegt erst mit dem Eingang des Schriftsatzes beim zuständigen Gericht vor. Die fristwahrende Weiterleitung ist geschäftsordnungsmäßig nicht mehr möglich, wenn der Schriftsatz erst am letzten Tag der Frist nach Dienstschluß bei der gemeinsamen Einlaufstelle eingeht.
Die Angabe des unrichtigen Gerichts auf einer Berufungsbegründungsschrift muß sich der Prozeßbevollmächtigte und damit die Partei zurechnen lassen.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 2; BetrVG § 77 Abs. 3-4, § 87 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 264 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 27. April 1999 – 10 Sa 82/98 – aufgehoben, soweit es die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Offenburg, vom 23. Juli 1998 – 10 Ca 111/98 – zurückgewiesen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der der nicht tarifgebundenen Klägerin gegenüber verfügten Arbeitszeitverkürzung aufgrund eines Firmentarifvertrages.
Die am 14. Juni 1973 geborene Klägerin war vom 1. Oktober 1994 bis zum 30. September 1998 als Diätassistentin bei der bundesweit agierenden Beklagten in deren Klinik K in G, eine Klinik zur Behandlung psychosomatischer Erkrankungen, beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag der „Arbeitsvertrag” vom 14. September 1994 zugrunde, in dem es ua. heißt:
„§ 3 Vergütung
Bei Einstufung in Anlehnung an den BAT VII/1 setzt sich die monatliche Vergütung wie folgt zusammen:
…
§ 4 Arbeitszeit
Die Arbeitszeit richtet sich nach dem Bundes-Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des Bundesverbandes Deutscher Privatkrankenanstalten.
…
§ 12 Manteltarifvertrag
Soweit in diesem Vertrag nicht anders vereinbart, gelten die Bestimmungen des Bundes-Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten und des Vergütungs- und Lohntarifvertrages.
…
§ 13 zusätzliche Vereinbarungen
1. Nach erfolgreich beendeter Probezeit stufen wir ihre Bezüge in Anlehnung an BAT VI b ein.
…”
Die Klägerin erzielte zuletzt ein Monatseinkommen von 3.300,00 DM brutto.
Infolge der Gesundheitsreform hat die Klinik K Belegungsprobleme, die zum Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen führten.
Mit Schreiben vom 24. März 1998 verfügte die Beklagte gegenüber der Klägerin die Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden auf 32 Stunden für die Zeit vom 25. März 1998 bis einschließlich 30. April 1998. Die Beklagte stützte diese Maßnahme auf den mit der Gewerkschaft ÖTV Bezirk Baden-Württemberg am 18. Dezember 1997 geschlossenen „Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung”. § 8 des Tarifvertrages lautet:
- „Zur Sicherung von Beschäftigungsmöglichkeiten, die Vorrang vor betriebsbedingten Kündigungen hat, sind alle Möglichkeiten zum sozialverträglichen Personalabbau auszuschöpfen. Insbesondere hat zunächst einmal der Abbau der Arbeitszeitkonten zu erfolgen.
- Die durchschnittliche individuelle regelmäßige Arbeitszeit kann für Vollzeitbeschäftigte befristet innerhalb der Laufzeit dieses Tarifvertrages auf bis zu 32 Stunden wöchentlich herabgesetzt werden. Dies gilt für alle Beschäftigten oder für einzelne Einrichtungen, Betriebsteile, Abteilungen oder Beschäftigungsgruppen. Die Löhne und Gehälter und alle von ihnen abgeleiteten Leistungen vermindern sich entsprechend der verkürzten Arbeitszeit.
- Bei Teilzeitbeschäftigten ist eine anteilige Reduzierung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf höchstens bis zu 22 Stunden zulässig. Im übrigen gilt die Regelung für Vollzeitbeschäftigte entsprechend.
- Die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer erhält einen monatlichen Teillohnausgleich. Der monatliche Teillohnausgleich beträgt ein Drittel der Differenz zwischen der vertraglichen und des infolge der Arbeitszeitverkürzung verminderten vertraglichen Bruttoentgelts, höchstens jedoch 45,00 DM brutto je verkürzter Wochenarbeitsstunde. Berechnungsgrundlage sind das vertraglich vereinbarte Bruttoentgelt sowie die durchschnittlich verkürzten Wochenarbeitsstunden pro Monat.
Die Wochenzeitverkürzung bedarf der Zustimmung der jeweils zuständigen Kreisverwaltung der ÖTV. Die Arbeitszeitverkürzung ist mit einer Frist von 14 Tagen gegenüber der Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer anzukündigen. Parallel hierzu ist der ÖTV Mitteilung zu machen. Der Arbeitgeber wird die Arbeitszeitverkürzung begründen. Die Tarifparteien verpflichten sich innerhalb der 14-Tage-Frist zusammen zukommen, um ein Ergebnis über die angestrebte Arbeitszeitverkürzung zu erzielen. Unbenommen hiervon bleibt die Möglichkeit einer schriftlichen Zustimmung seitens der ÖTV.
Wenn innerhalb der 14 Tage weder die schriftliche Zustimmung der ÖTV vorliegt noch ein Ergebnis erzielt wurde, kann der Arbeitgeber, sofern er die Verzögerung nicht zu vertreten hat, die Arbeitszeit nach Ablauf der 14 Tage bis auf weiteres kürzen.
- Während der Dauer der Arbeitszeitverkürzung ist es unzulässig, den von der Arbeitszeitverkürzung betroffenen Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmern eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen.”
Bereits mit Schreiben vom 11. Februar 1998 hatte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Arbeitszeitverkürzung ab 1. März 1998 unter ausführlicher Darstellung der tarifvertraglichen Regelung und der Gründe für die Durchführung der Arbeitszeitverkürzung angekündigt. Diese Arbeitszeitverkürzung ab dem 1. März 1998 war mit Schreiben vom 25. März 1998 zurückgenommen worden. Der Arbeitszeitverkürzung ab dem 25. März 1998 stimmte die Gewerkschaft ÖTV am 25. März 1998 zu. Der Betriebsrat bei der Beklagten erhielt das Schreiben der Beklagten vom 24. März 1998, mit dem die Beklagte um Zustimmung zur Arbeitszeitverkürzung für die Zeit vom 25. März bis 31. März 1998 und 1. April bis 30. April 1998 „in einigen Arbeitsbereichen” unter Hinweis auf eine „Anlage” bat. In der „Anlage” ist auch die Klägerin aufgeführt. „Der Betriebsrat der Klinik K” hat der genannten Arbeitszeitverkürzung zugestimmt.
Die Klägerin will die Arbeitszeitverkürzung nicht gegen sich gelten lassen. Die einseitige Anordnung der Arbeitszeitverkürzung durch die Beklagte sei rechtswidrig. Die Klägerin sei, da sie nicht Mitglied der Gewerkschaft ÖTV gewesen sei, an die Arbeitszeitregelung des § 8 Abs. 2 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung nicht gebunden. Auch unter dem Blickwinkel der Betriebsnorm iSd. § 3 Abs. 2 TVG sei die Veränderung der Arbeitszeit nicht wirksam. Bei dieser Vorschrift handele es sich um eine eng auszulegende Sondervorschrift. Im Zweifel sei nicht von einer Betriebsnorm auszugehen, wenn eine tarifliche Regelung die einzelnen Arbeitnehmer belaste, da ansonsten die Tarifvertragsparteien ungewollt nicht organisierte Arbeitnehmer belasteten. Im übrigen sei die Arbeitszeitverkürzung im Falle der Klägerin willkürlich erfolgt. Außerdem sei zur wirksamen Arbeitszeitverkürzung auf Grundlage des Beschäftigungssicherungstarifvertrages die Beachtung der nach § 8 Abs. 5 vorgesehenen Ankündigungsfrist von 14 Tagen erforderlich. Die Klägerin sei jedoch erst mit Schreiben vom 24. März 1998, zugegangen am 25. März 1998, darüber in Kenntnis gesetzt worden, daß ab dem 25. März 1998 die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin von 38,5 Stunden auf 32 Stunden verkürzt werde. Somit sei die Ankündigungsfrist nicht eingehalten.
Die Klägerin hat beantragt:
Es wird festgestellt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 24. März 1998, zugegangen am 25. März 1998, geltend für den Zeitraum vom 25. März 1998 bis 30. April 1998, unwirksam ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Rechtsgrundlage für die Verkürzung der Arbeitszeit bei der Klägerin sei der mit der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossene Beschäftigungssicherungstarifvertrag gewesen. Insoweit liege eine Betriebsnorm iSd. § 3 Abs. 2 TVG vor, weshalb es auf die Mitgliedschaft der Klägerin in der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft nicht ankomme. Im übrigen sei der Klägerin die Arbeitszeitverkürzung bereits vor dem 25. März 1998 bekannt gewesen. Der Klägerin sei schon am 11. Februar 1998 eine Mitteilung über die beabsichtigte Arbeitszeitverkürzung auf Grundlage des Beschäftigungssicherungstarifvertrages zugegangen. Damit habe die Klägerin erkennen können, daß eine solche Verkürzung in nächster Zeit erfolgen solle, und habe ihre finanziellen Dispositionen entsprechend ausrichten können. Eine Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber anderen Arbeitnehmern liege nicht vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des Arbeitsgerichts unter Zurückweisung der Berufung im übrigen abgeändert und festgestellt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit dem Schreiben vom 24. März 1998 für den Zeitraum vom 25. März 1998 bis einschließlich 8. April 1998 unwirksam ist; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat in § 8 Abs. 2 TV Beschäftigungssicherung die Rechtsgrundlage für die Arbeitszeitverkürzung auch gegenüber der Klägerin als Außenseiterin gesehen, aber die formellen Voraussetzungen für eine tarifliche Arbeitszeitverkürzung für die Zeit vom 25. März 1998 bis einschließlich 8. April 1998 als nicht gegeben angesehen. Es hat die Revision gegen sein Urteil für beide Parteien zugelassen. Nur die Klägerin hat Revision eingelegt, mit der sie der Sache nach die Feststellung der Unwirksamkeit der Verkürzung der Arbeitszeit auch für die Zeit vom 9. April 1998 bis 30. April 1998 verfolgt und für den Fall, daß das Gericht das Feststellungsinteresse verneine und eine Leistungsklage für erforderlich halte, den Betrag von 247,22 DM brutto als entgangenen Lohn der Klägerin für den Zeitraum vom 9. April 1998 bis 30. April 1998 im Wege eines Hilfsantrages verlangt. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Die hinsichtlich des Hauptantrags zulässige Revision ist begründet. Sie hat die teilweise Aufhebung des Berufungsurteils und im selbem Umfang die Zurückverweisung des Rechtsstreits zur Folge.
1. Der Feststellungsantrag (Hauptantrag) der Klägerin ist zulässig. Das Feststellungsinteresse ist trotz – inzwischen – möglicher Leistungsklage gegeben. Zum einen ist die Klägerin jedenfalls in zweiter Instanz nicht gezwungen, zu bezifferter Leistungsklage überzugehen, wenn diese nachträglich möglich wird(BGH 15. November 1977 – VI ZR 101/76 – NJW 1978, 210; BAG 18. März 1997 – 9 AZR 84/96 – BAGE 85, 306, 308). Zum anderen ist davon auszugehen, daß das Feststellungsurteil zur endgültigen Streitbeilegung führt. Die Beklagte läßt erwarten, daß sie bereits auf das Feststellungsurteil leisten wird. Davon ist deshalb auszugehen, weil die Beklagte aufgrund der Feststellung des Landesarbeitsgerichts hinsichtlich der Unwirksamkeit der Arbeitszeitverkürzung für den Zeitraum vom 25. März bis 9. April 1998 bereits vor Zustellung des Berufungsurteils eine Abrechnung über den genannten Zeitraum erstellt hat und den ausgewiesenen Betrag noch im Juni 1999 an die Klägerin ausgezahlt hat.
2. Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag mit – im Kern – der Begründung abgewiesen, § 8 Abs. 2 des Tarifvertrages zur Beschäftigungssicherung sei eine auch für die Klägerin unmittelbar und zwingend geltende Betriebsnorm iSd. § 3 Abs. 2 TVG. Mit dieser Begründung kann der Feststellungsantrag nicht abgewiesen werden. Sie trifft nicht zu.
a) Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Firmentarifvertrag zur Beschäftigungssicherung die Möglichkeit eingeführt, vorübergehend, nämlich innerhalb der Laufzeit des Tarifvertrages bis zum 31. Oktober 1999 die durchschnittliche individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte bis auf 32 Stunden wöchentlich herabzusetzen. Dabei haben die Tarifvertragsparteien die Nachwirkung ausdrücklich ausgeschlossen.
b) Die zeitlich begrenzte Möglichkeit, vorübergehend die Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte bei Teillohnausgleich und Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen während der Arbeitszeitverkürzung herabzusetzen, wie sie in § 8 TV Beschäftigungssicherung vorgesehen ist, ist wirksam. Der TV Beschäftigungssicherung verstößt nicht gegen höheres Recht. Der Senat hat für den Firmentarifvertrag zur sozialverträglichen Gestaltung personeller Maßnahmen im Bildungszentrum Berlin vom 4. März 1998, der in teilweiser Abänderung des Firmenmanteltarifvertrages die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden vorübergehend zur Beschäftigungssicherung durch eine besondere regelmäßige Arbeitszeit von 30,5 Stunden bei Teillohnausgleich und partiellem Schutz gegen betriebsbedingte Kündigungen während der Laufzeit des betriebsbezogenen Tarifvertrages herabgesetzt hat, als wirksam angesehen(25. Oktober 2000 – 4 AZR 438/99 – EzA TVG § 1 Arbeitszeit Nr. 1). Für § 8 TV Beschäftigungssicherung gilt im Ergebnis nichts anderes. Der Senat nimmt auf diese Ausführungen bezug, zumal die Parteien ohne weiteres von der Wirksamkeit dieses Tarifvertrages für die nach § 3 Abs. 1 TVG tarifgebundenden Arbeitnehmer ausgehen.
c) § 8 Abs. 2 Beschäftigungssicherung gilt für die Klägerin nicht nach § 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend. Denn die Klägerin ist nicht tarifgebunden. Sie gehörte der ÖTV als der Tarifvertragspartei auf der Arbeitnehmerseite nicht an. Die unmittelbare und zwingende Geltung des § 8 Abs. 2 TV Beschäftigungssicherung folgt aber auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2, § 3 Abs. 2 TVG unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Betriebsnorm. Die in Rede stehende Tarifbestimmung stellt keine Betriebsnorm dar. Dies haben die Vorinstanzen verkannt.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur „Betriebsnorm” hingewiesen und ausgeführt, bei tariflichen Regelungen zur Arbeitszeitverkürzung liege die Annahme nahe, daß sie zwar den Charakter einer Inhaltsnorm hätten, was aber nicht ausschließe, daß diese Normen auch Betriebsnormen iSd. § 3 Abs. 2 TVG seien. Tarifnormen könnten auch die Qualität von Doppelnormen besitzen. Möge es auch durchaus naturwissenschaftlich möglich sein, die Verkürzung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit individualrechtlich umzusetzen, so sei dies dennoch evident sachlogisch unzweckmäßig, auch eine Differenzierung zwischen organisierten und nichtorganisierten Arbeitnehmern sei praktisch kaum durchführbar und würde das Ziel der Beschäftigungssicherung und langfristigen Erhaltung der Einrichtung nicht erreichen. Nur wenn die Arbeitszeit im Betrieb oder in einzelnen Abteilungen einheitlich geregelt werde, sei das Ziel der Beschäftigungssicherung erreichbar und betriebswirtschaftlich sinnvoll. Ansonsten wäre die Folge, daß in Abteilungen mit einem geringeren Organisationsgrad die Arbeitszeit der Organisierten viel stärker abgesenkt werden müsse als in solchen mit einem hohen Organisationsgrad, was in der Praxis zu kaum überwindbaren Schwierigkeiten führen würde. Dies hätte nicht mehr tragbare Konsequenzen für die weitere Einteilung des Schichtdienstes und wäre verbunden mit einer massiven Umorganisation vieler Abteilungen und Arbeitsgruppen. Versetzungen und Umsetzungen von Arbeitnehmern zur Schaffung einer einheitlichen Struktur von organisierten und nichtorganisierten Arbeitnehmern in allen Abteilungen wären die unausweichliche Folge einer solchen Sichtweise. Demnach sei die individualrechtliche Lösung als „evident sachlogisch unzweckmäßig” anzusehen. Die langfristige Sicherung des Standortes der Klinik der Beklagten in G betreffe alle Arbeitnehmer dieser Klinik gleichermaßen, also sowohl die organisierten als auch die nichtorganisierten. Der Erhalt der Einrichtung der Beklagten könne aber nicht einseitig von den organisierten Arbeitnehmern getragen werden. Die gesamte Belegschaft müsse ihren Anteil an dieser Aufgabe beisteuern. Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung, die eine vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit vorsähen, seien geradezu typische Beispiele für tarifliche Betriebsnormen, da der Zweck des Tarifvertrages nur bei Anwendung auf sämtliche Arbeitnehmer erreichbar sei. Dem vermag der Senat jedenfalls für § 8 des vorliegenden TV Beschäftigungssicherung nicht zu folgen.
bb) Der Senat hält es für möglich, daß Firmentarifverträge zur Beschäftigungssicherung durch Arbeitszeitverringerung gegen (teilweise) Lohnverringerung und Kündigungsschutz (auch) Betriebsnormen darstellen können(vgl. Ulrike Schweibert Die Verkürzung der Wochenarbeitszeit durch Tarifvertrag Arbeits- und Sozialrecht Bd. 33 S 163 f. für den Tarifvertrag zwischen der Volkswagen AG und der IG Metall aus November 1993, vgl. den Abdruck in NZA 1994, 111 f. = DB 1994, 42). Dies bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner abschließenden Klärung. Eine Betriebsnorm (§ 3 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Satz 2 TVG) setzt voraus, daß sie eine normative Regelung enthält, die eine über das einzelne Arbeitsverhältnis hinausgehende unmittelbare und zwingende Geltung auch gegenüber dem Arbeitnehmer beansprucht und der Sache nach beanspruchen darf. Ohne normativen Regelungsgehalt handelt es sich nicht um eine Rechtsnorm iSd. § 4 Abs. 1 Satz 2 TVG. Bedarf eine Tarifbestimmung ihrerseits der Ausfüllung durch die Tarifvertragsparteien, so fehlt ihr insoweit der normative Charakter.
Hier fehlt es bereits an einer normativen Regelung für alle Arbeitsverhältnisse oder auch nur für das einzelne Arbeitsverhältnis. § 8 Abs. 2 TV Beschäftigungssicherung regelt normativ nichts, sondern ermöglicht lediglich die (vorübergehende) Absenkung der regelmäßigen tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit auf bis zu 32 Wochenstunden für alle Beschäftigten oder für einzelne Einrichtungen, Betriebsteile, Abteilungen oder Beschäftigungsgruppen mit entsprechender Entgeltminderung. Für welche Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen die regelmäßige Arbeitszeit auf welche Dauer und in welchem Wochenstundenumfang auf bis zu 32 Wochenstunden abgesenkt wird, bestimmt § 8 Abs. 2 TV Beschäftigungssicherung nicht. Damit enthält § 8 Abs. 2 keine für alle oder für bestimmte Arbeitsverhältnisse geltende inhaltliche normative Regelung, sondern nur eine Erlaubnis für die Beklagte als Tarifvertragspartei und Arbeitgeberin, derartige Absenkungen der tarifvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit mit Zustimmung der ÖTV bzw. der Tarifvertragsparteien vornehmen zu dürfen. Die Norm hat den Charakter einer schuldrechtlichen Verhaltens- und Verhandlungsklausel, ggf. auch den einer Öffnungsklausel mit Zustimmungsvorbehalt iSd. § 77 Abs. 3 BetrVG, nicht aber den einer Betriebsnorm iSd. TVG.
3. Das Landesarbeitsgericht hat – aus seiner Sicht konsequent – nicht geprüft, ob die Klägerin § 8 TV Beschäftigungssicherung als eine ergänzende tarifvertragliche Regelung nach den §§ 4 und 12 ihres Arbeitsvertrages gegen sich gelten lassen muß und/oder ob die schriftliche Bitte der Beklagten an den Betriebsrat um Zustimmung zur Arbeitszeitverkürzung und die auf derselben Urkunde erklärte Zustimmung des Betriebsrats zu der in der Anlage hierzu aufgeführten vorübergehenden Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit insgesamt eine förmliche Betriebsvereinbarung iSd. § 77 Abs. 2 Satz 1 und 2 BetrVG darstellt, die nach § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbar und zwingend auch für das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gilt. Der Rechtsstreit war daher an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, weil es zu beiden noch weiterer tatbestandlicher Feststellungen bedarf.
a) Zwar sind in §§ 4, 12 des Arbeitsvertrages der Klägerin lediglich der Bundes-Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen in Privatkrankenanstalten oder der MTV und der Vergütungs- und Lohntarifvertrag in Bezug genommen. Diese Vereinbarungen im Arbeitsvertrag verweisen nach ihrem Wortlaut nicht auf ein Tarifwerk, insbesondere nicht auf einen Firmentarifvertrag. Gleichwohl könnten diese Bestimmungen im Arbeitsvertrag derart auszulegen sein, daß auch der vorliegende Firmentarifvertrag Beschäftigungssicherung mit erfaßt ist, nämlich dann, wenn die Vereinbarungen in den §§ 4 und 12 des Arbeitsvertrages den Sinn haben, daß auf das Arbeitsverhältnis alle einschlägigen Tarifverträge für private Krankenanstalten, gleichgültig, ob es sich um Flächen- oder Haustarifverträge handeln soll, anzuwenden sind. Insoweit können die Bezugnahmen im Arbeitsvertrag als Gleichstellungsabrede zu verstehen sein, mit der gleiche, nämlich die einschlägigen tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen zwischen dem tarifgebundenen Arbeitgeber und den Arbeitnehmern ohne Rücksicht auf deren Tarifgebundenheit geschaffen werden sollen(vgl. Senat 30. August 2000 – 4 AZR 581/99 – NZA 2001, 510). Dabei kann von Bedeutung sein, daß ein Firmentarifvertrag, auch ein solcher zur Beschäftigungssicherung, einem Flächen- oder Verbandstarifvertrag auch dann vorgeht, wenn er Regelungen des Flächentarifvertrages zu Lasten der Arbeitnehmer verdrängt, wie auch der Umstand, daß der vorliegende TV Beschäftigungssicherung auch Verhandlungen über einen Manteltarifvertrag und den Abschluß eines Manteltarifvertrages selbst vorsieht. Für die Auslegung der §§ 4 und 12 des Arbeitsvertrages unter dem Gesichtspunkt, ob darin eine solche Gleichstellungsabrede auch hinsichtlich ergänzender oder ersetzender oder verdrängender Tarifverträge (ohne Branchenwechsel) zu sehen ist, kann auch von Bedeutung sein, ob die Beklagte die Klauseln standardisiert verwendet oder ob es außer den in Bezug genommenen Tarifverträgen noch weitere einschlägige gibt, an die die Beklagte gebunden war oder ist.
Muß die Klägerin die Bestimmungen des TV Beschäftigungssicherung gegen sich gelten lassen, so stellt dies eine wirksame Rechtsgrundlage für die vorübergehende Verkürzung ihrer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für den Streitzeitraum dar. Für die daraus resultierende regelmäßige betriebliche Arbeitszeit muß dann noch dem Erfordernis des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG Genüge getan sein. Diese Voraussetzung kann durch die ausdrückliche Zustimmung des Betriebsrats erfüllt sein.
b) Liegt keine Gleichstellungsklausel vor, wird das Landesarbeitsgericht weiter zu prüfen haben, ob eine wirksame Betriebsvereinbarung dadurch herbeigeführt worden ist, daß die Beklagte dem Betriebsrat einen schriftlichen Antrag auf Arbeitszeitverkürzung für bestimmte Arbeitnehmer/innen vorgelegt hat und der Betriebsrat auf demselben Schriftstück diesem Antrag zugestimmt hat.
Zwar entfällt die notwendige Mitbestimmung des Betriebsrats, soweit eine tarifliche Regelung besteht. Davon kann aber nicht schon deswegen ausgegangen werden, weil der Betriebsrat in § 8 TV Beschäftigungssicherung nicht genannt ist. Vielmehr ist davon auszugehen, daß trotz § 8 TV Beschäftigungssicherung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der (vorübergehenden) Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit erhalten bleiben sollte. § 8 TV Beschäftigungssicherung liefert den Rahmen, die Mitbestimmung durch Betriebsvereinbarung oder Regelungsabsprache füllt den Rahmen aus. Dafür spricht die Einschaltung des Betriebsrats. Eine Betriebsvereinbarung war abzuschließen, sollte eine normative Wirkung der Regelung erzielt werden. Ob das Schreiben der Beklagten vom 24. März 1998 nebst Anlage hierzu und das in derselben Urkunde erklärte Einverständnis des Betriebsrats mit dieser Regelung eine förmliche Betriebsvereinbarung darstellt(vgl. zur Schriftform und Einheitlichkeit der Urkunde: BAG 24. Januar 2001 – 4 ABR 4/00 – zur Veröffentlichung vorgesehen), ist noch vom Landesarbeitsgericht zu klären.
c) Hinsichtlich der tariflichen Ansagefrist gilt, daß eine ohne Beachtung der Ankündigungsfrist abgeschlossene Betriebsvereinbarung teilnichtig wäre, also hier lediglich ab 9. April 1998 wirksam wäre(vgl. BAG 12. Oktober 1994 – 7 AZR 398/93 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 66 = EzA BetrVG 1972 § 87 Kurzarbeit Nr. 2, zu II 2 b, 3 der Gründe). § 77 Abs. 3 BetrVG steht nicht entgegen. § 77 Abs. 3 BetrVG gilt im Anwendungsbereich des § 87 Abs. 1 BetrVG nicht. Das gilt auch für den Fall der vorübergehenden Verkürzung der Arbeitszeit(BAG 31. Januar 1989 – 1 ABR 69/87 – BAGE 61, 57, 62).
d) Die Klägerin kann sich allerdings nicht mit Erfolg darauf berufen, die Arbeitszeitverkürzung sei in ihrem Fall willkürlich erfolgt. Sie hat zwar behauptet, die Beklagte habe die individuelle Arbeitszeit einzelner Arbeitnehmer aus unterschiedlichen Gründen verkürzt. So habe bei den Vollzeitkräften eine Reduktion von 3 Stunden, 4 Stunden und 5 Stunden stattgefunden. Innerhalb des CA-Sekretariats seien sogar die Arbeitszeiten der Teilzeitkräfte unterschiedlich reduziert worden. Die Arbeitszeit von Frau Müller-Wessling habe sich von 30 Stunden auf 27 Stunden und von Frau Austmann von 30 Stunden auf 26 Stunden reduziert. Die Klägerin hat aber nicht vorzutragen vermocht, daß es in ihrer Abteilung oder in der Gruppe der Diätassistentinnen zu unterschiedlichen Arbeitszeitverkürzungen gekommen ist, die den Vorwurf der Willkür, der Sache nach die Rüge der Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes zu belegen vermöchten. Dazu, dieses im einzelnen darzustellen, bestand um so mehr Anlaß, nachdem die Beklagte wiederholt darauf verwiesen hatte, daß die von der Klägerin genannten Arbeitnehmerinnen nicht derselben Abteilung angehören.
II. Über den erstmals in der Revision hilfsweise gestellten Zahlungsantrag war nicht zu befinden. Es bleibt deshalb dahingestellt, ob ein (hilfsweiser) Übergang vom Feststellungs- und Zahlungsantrag erstmals in der Revision rechtlich möglich ist(vgl. dazu BGH 23. Juli 1988 – IX ZR 172/87 – BGHZ 105, 34).
III. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die Kosten der Revision zu entscheiden.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Dr. Friedrich, J. Ratayczak, Valentien
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 01.08.2001 durch Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 303 |
DB 2001, 2609 |
FA 2002, 94 |
AP, 0 |
EzA |
MDR 2002, 37 |
SPA 2002, 5 |