Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderzuwendung. Beamter der Deutschen Bundespost in Nachfolgeunternehmen
Orientierungssatz
1. Sieht der unbefristete Arbeitsvertrag eines Beamten der Deutschen Bundespost, deren Dienstherreneigenschaft die Deutsche Telekom AG (DTAG) wahrnimmt, mit einen Tochterunternehmen der DTAG vor, dass die kraft Änderung des Bundessonderzahlungsgesetzes eingeführte Kürzung der Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) sowie etwaige zukünftige Änderungen zur Sonderzahlung aus dem PostPersRG “nachvollzogen” werden, so umfasst dies auch eine sinngemäße Anwendung des § 5 Abs. 1 TelekomSZV.
2. Die Sonderzahlung war ursprünglich bei den Beamten, deren Arbeitszeit auf 34 Wochenstunden abgesenkt wurde, zur Kompensation ihrer dennoch gleichbleibenden Vergütung entfallen. § 5 TelekomSZV bezweckt, ihnen eine Sonderzuwendung wieder zukommen zu lassen, wenn sie mit mehr als 34 Stunden wöchentlich eingesetzt werden.
3. Dieser Zweck kann auch bei einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung von 38 Wochenstunden erfüllt sein. Da ein “Nachvollzug” des § 5 Abs. 1 TelekomSZV voraussetzt, dass dessen nähere Voraussetzungen wie eine Festsetzung der Arbeitszeit auf Grund der Telekom-Arbeitszeitverordnung 2000 oder der Arbeitszeitvorschriften anderer Behörden im Falle der Abordnung nicht unmittelbar anwendbar sind.
Normenkette
BGB § 611; TelekomSZV § 5; PostPersRG § 10; UTV § 6
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28. März 2007 – 4 (5) Sa 1284/06 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 20. September 2006 – 4 Ca 139/06 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.283,59 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf 913,58 Euro seit dem 16. September 2005 und aus 1.370,37 Euro seit dem 16. Dezember 2005 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Sonderzahlung.
Der Kläger ist Beamter in Diensten der Bundesrepublik Deutschland. Er erhält Bezüge nach der Besoldungsgruppe A 8 der Besoldungsordnung A. Seit der Privatisierung der Deutschen Bundespost nimmt die Deutsche Telekom AG (DTAG) die Dienstherreneigenschaft auf Grund des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost (Postpersonalrechtsgesetz – PostPersRG) wahr. Auf Antrag des Klägers hat ihn die DTAG mit Bescheid vom 17. Juni 2004 gem. § 13 Abs. 1 der Sonderurlaubsverordnung mit Wirkung vom 1. Mai 2004 bis zum Ablauf des 30. April 2009 unter Wegfall der Besoldung für eine Tätigkeit bei der Beklagten beurlaubt.
Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der DTAG. Auf Grund eines am 22. April 2004 unterzeichneten Arbeitsvertrages ist der Kläger seit dem 1. Mai 2004 unbefristet als Call Center Agent bei ihr beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages ersetzen die zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tretenden kollektivrechtlichen Regelungen zu Arbeits- und Entgeltbedingungen für die Beklagte die Regelungen des Arbeitsvertrages mit unmittelbarer Wirkung für das Arbeitsverhältnis. Davon unberührt bleiben die Regelungen der §§ 3 – 6 des Arbeitsvertrages. § 3 hat folgenden Wortlaut:
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Entgelt
I. Das Entgelt des Beschäftigten in der VCS entspricht in der Summe dem Jahreszielgehalt bei 100 % ergebnisbezogenem Entgelt bzw. dem Budgetbetrag des Leistungsentgeltes den bisherigen beamtenrechtlichen Bezügen bei der Deutschen Telekom AG (Bezugsgehalt).
II. Das Bezugsgehalt setzt sich dementsprechend aus folgenden Bestandteilen zusammen: Dem im Monat vor der Beurlaubung bei der Deutschen Telekom AG gezahlten Grundgehalt, dem Familienzuschlag (ohne Erhöhung des Familienzuschlags gemäß § 2 Artikel 9 BBVAnpG 1999), der Stellen- und Amtszulage, der Ausgleichszulage nach § 81 Absatz 1 BBesG und der Überleitungszulage nach Artikel 14 des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts (Reformgesetz) für 12 Monate, der Sonderzuwendung sowie dem Urlaubsgeld.
III. Es wird sichergestellt, dass – vorbehaltlich etwaiger in Absatz IV abschließend aufgezählter Änderungen – das Entgelt in der VCS bei unveränderter individueller Wochenarbeitszeit des Beschäftigten auch nach Abschluss neuer Arbeits- und Entgeltbedingungen nicht weniger beträgt als die Summe der beamtenrechtlichen Bezüge, die er als Beamter in seinem aktiven Dienstverhältnis bei der Deutschen Telekom AG am [Tag vor dem Wechsel] für 12 Monate erhalten hat.
IV. Die kraft Gesetzesänderung des Bundessonderzahlungsgesetzes mit Wirkung zum 01.04.2004 eingeführte Streichung des Urlaubsgelds und Kürzung der Sonderzahlung (“Weihnachtsgeld”) sowie etwaige zukünftige Änderungen zur Sonderzahlung aus dem Postpersonalrechtsgesetz werden nachvollzogen und wirken sich unmittelbar auf die Höhe des Bezugsgehalts nach Abs. 1 und 3 aus.”
Im September 2005 wurde der Umsetzungs-Tarifvertrag (UTV) für die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer rückwirkend zum 1. März 2004 abgeschlossen. § 6 UTV hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
“§ 6 Entgelt für vormals bei der DT AG als Beamte beschäftigte Arbeitnehmer
(1) Arbeitnehmer, die am Tag vor ihrem Wechsel zur VCS in einem Beamtenverhältnis zur Deutschen Telekom AG gestanden haben, erhalten in VCS das Entgelt, das sie nach Maßgabe der bei der Deutschen Telekom AG geltenden beamtenrechtlichen Regelungen erhalten würden.
(2) Entgeltbestandteile im Sinne des Absatzes 1 sind, sofern der Arbeitnehmer nach besoldungsgesetzlichen Vorgaben einen Anspruch darauf hätte: Das Grundgehalt, der Familienzuschlag einschließlich eines Erhöhungsbetrages für das dritte und weitere Kinder, die Amts- und Stellenzulagen, die Ausgleichszulage nach § 81 Absatz 1 BBesG, die Überleitungszulage nach Artikel 14 des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts (Reformgesetz).
(3) …
(4) Beamtenrechtliche Änderungen mit Auswirkung auf die Bezahlung werden nachvollzogen. Allgemeine Besoldungserhöhungen werden unmittelbar berücksichtigt. Hinsichtlich persönlicher besoldungsrelevanter Veränderungen sind die Beamten verpflichtet, diese unverzüglich anzuzeigen. Diese Veränderungen werden zwei Monate nach Anzeige nachvollzogen.
…”
Im Jahr 2004 wurde im Unternehmen DTAG auf der Grundlage eines Tarifvertrages ein Beschäftigungsbündnis geschlossen. Dessen Kernpunkt war die dauerhafte Absenkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 34 Stunden, um damit die Zahl der Arbeitsplätze im Unternehmen zu erhöhen und in der Folge zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für das vorhandene Personal zu schaffen. Gleichzeitig wurde die Höhe der Vergütung der Arbeitnehmer auf 35,5/38 der bisherigen Vergütung abgesenkt.
Für Beamte der DTAG wurde die 34-Stunden-Woche ab dem 1. April 2004 eingeführt. Bei ihnen war eine Absenkung der monatlichen Bezüge nicht möglich, da diese durch das BBesG geregelt werden. Zum Jahresbeginn 2004 hatte der Bundesgesetzgeber das Urlaubsgeld aller Bundesbeamten gestrichen und deren Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld) von rund 84 % auf rund 60 % der Dezemberbezüge gekürzt. Das PostPersRG ließ den Anspruch auf Sonderzahlung nach dem Bundessonderzahlungsgesetz für die bei den Aktiengesellschaften und damit auch bei der DTAG beschäftigten Beamten völlig entfallen. Diese Streichung der restlichen Sonderzahlung erfolgte zur Gegenfinanzierung der Wochenarbeitszeitverkürzung im Bereich der Beamten.
Die DTAG kann jedoch nicht bei allen Beschäftigten auf eine höhere als 34 Wochenstunden betragende Arbeitsleistung verzichten. Sie nimmt daher einige Arbeitnehmer aus der 34-Stunden-Woche heraus und erhöht das Stundenpensum bis auf 38 Stunden. Ist dies der Fall, erhalten sie diejenige Vergütung, die vor der Wochenarbeitszeitverkürzung bezahlt worden war. Die Arbeitszeitverordnung für die DTAG sieht die Möglichkeit vor, auch Beamte aus der 34-Stunden-Woche herauszunehmen und weiterhin bis zu 38 Stunden pro Woche arbeiten zu lassen. Für diesen Fall wurde in § 5 der Verordnung über Sonderzahlungen an Beamtinnen und Beamte bei der Deutschen Telekom AG (Telekom-Sonderzahlungsverordnung – TelekomSZV), die auf Grund der Ermächtigungsnorm des § 10 Abs. 2 PostPersRG erlassen wurde, eine Kompensationsregelung geschaffen. Hierin heißt es:
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Sonderzahlung bei veränderter Wochenarbeitszeit
(1) Beamtinnen und Beamte, deren durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf Grund der einschlägigen Vorschriften der Telekom-Arbeitszeitverordnung 2000 oder im Falle von Abordnungen auf Grund der bei der Behörde geltenden Arbeitszeitvorschrift im Durchschnitt des Zeitraums von November des Vorjahres bis Oktober des laufenden Jahres mehr als 34 Stunden betragen hat, erhalten mit den Bezügen für den Monat Dezember eine Sonderzahlung. Die Höhe der Sonderzahlung entspricht bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 38 oder mehr Stunden dem Anspruch einer Bundesbeamtin oder eines Bundesbeamten auf Sonderzahlung nach dem Bundessonderzahlungsgesetz. Bei einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von mehr als 34 und weniger als 38 Stunden erfolgt eine anteilige Zahlung.
(2) Für beamtete Transfermitarbeiter der Personalserviceagentur “Vivento” gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass befristete Einsätze mit der tatsächlich geleisteten Wochenarbeitszeit in die Durchschnittsberechnung einfließen, wenn diese 34 Wochenstunden übersteigt, Zeiträume einer Nichtbeschäftigung aus anderen als betrieblichen Gründen nicht in die Durchschnittsberechnung einbezogen werden und die übrigen Zeiträume unabhängig von der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit mit 34 Wochenstunden in die Durchschnittsberechnung eingehen.
(3) Für Beamtinnen und Beamte in Teilzeitbeschäftigung sind die Absätze 1 und 2 sinngemäß im Verhältnis der reduzierten zur vollen Arbeitszeit anzuwenden.
(4) Für das Jahr 2004 wird mit den Bezügen für den zweiten auf das Inkrafttreten dieser Verordnung folgenden Monat eine anteilige Sonderzahlung nach den Absätzen 1 bis 3 mit der Maßgabe gezahlt, dass nur die Monate April bis Oktober in die Berechnung einfließen.”
Bei der Beklagten gilt allgemein eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden, auch für den Kläger. Bei der DTAG war er zuletzt mit 34 Wochenstunden eingesetzt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch auf die begehrte Sonderzahlung. Auf Grund der arbeitsvertraglichen und tariflichen Klauseln finde § 5 TelekomSZV auf sein Arbeitsverhältnis Anwendung. § 3 Abs. 4 des Arbeitsvertrages sei so auszulegen, dass es auf seine tatsächliche Wochenarbeitszeit bei der Beklagten ankomme. Sinn und Zweck des Arbeitsvertrages sprächen dafür, dass er als Kompensation für die 38-Stunden-Woche die Zuwendung erhalte.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.283,59 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 913,58 Euro seit dem 16. September 2005 und aus 1.370,37 Euro seit dem 16. Dezember 2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, § 5 TelekomSZV sei schon auf Grund der arbeitsvertraglichen und tarifvertraglichen Regelung nicht anwendbar. Im Übrigen sei der Kläger unbefristet bei der Beklagten beschäftigt, weswegen weder ein der “Abordnung” iSd. § 5 Abs. 1 TelekomSZV vergleichbarer Fall noch ein befristeter Einsatz iSd. § 5 Abs. 2 TelekomSZV vorliege.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Dem Kläger steht die geltend gemachte Sonderzahlung zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, der Kläger habe keine unmittelbaren Ansprüche aus § 5 TelekomSZV, da er kein bei der DTAG beschäftigter Beamter (§ 1 TelekomSZV) sei. Ein Anspruch folge nicht aus § 6 UTV, der auf Grund § 2 des Arbeitsvertrages grundsätzlich anwendbar sei, aber einen Anspruch auf jährliche Sonderzahlung nicht regele.
Ein Anspruch auf Sonderzahlung ergebe sich auch nicht aus § 3 Abs. 4 des Arbeitsvertrages, wonach die kraft Gesetzesänderung des Bundessonderzahlungsgesetzes mit Wirkung zum 1. April 2004 eingeführte Streichung des Urlaubsgeldes und die Kürzung der Sonderzahlung (“Weihnachtsgeld”) sowie etwaige zukünftige Änderungen zur Sonderzahlung aus dem PostPersRG nachvollzogen werden. Nach dem in rechtlicher Hinsicht dynamisch ausgestalteten § 3 Abs. 4 des Arbeitsvertrages komme es nicht auf die tatsächliche Situation der Beschäftigung bei der Beklagten an, sondern darauf, wie der Kläger als Beamter bei der Deutschen Telekom AG hinsichtlich der Sonderzahlung stünde. Es sei auf Grund des Bestandsschutzcharakters des § 3 Abs. 4 des Arbeitsvertrages zu prüfen, wie sich die Sonderzahlung bei Fortbestand des Beamtenverhältnis des Klägers bei der DTAG berechnet hätte.
Selbst wenn § 3 Abs. 4 des Arbeitsvertrages so auszulegen wäre, dass es auf die aktuelle Arbeitszeitgestaltung bei der Beklagten ankäme, stünde dem Kläger der Anspruch unter Zugrundelegung des allenfalls analog anzuwendenden § 5 TelekomSZV nicht zu. Für § 5 Abs. 1 TelekomSZV käme allenfalls der Fall der Abordnung als entsprechender Tatbestand in Betracht. Eine Abordnung sei aber nur eine vorübergehende Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle. Der Arbeitsvertrag des Klägers sei indessen unbefristet. Daran ändere die befristete Sonderbeurlaubung nichts. Auch der in § 5 Abs. 2 TelekomSZV geregelte Fall, dass beamtete Transfermitarbeiter der Beklagten befristet anderweitig eingesetzt werden, sei nicht vergleichbar. Ein beamteter Transfermitarbeiter sei und bleibe Beamter der DTAG und zwar als aktiver Mitarbeiter, der nur auf eine bestimmte Zeit anderweitig eingesetzt sei. Demgegenüber sei der Kläger bei der Beklagten auf Grund eines unbefristeten Vertrages tätig.
Ein Anspruch auf Sonderzahlung bestehe auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht allerdings einen Anspruch des Klägers unmittelbar aus § 5 TelekomSZV verneint, denn der Kläger ist kein Beamter, der bei der DTAG eingesetzt wird, und seine durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ist nicht auf Grund der einschlägigen Vorschriften der Telekom-Arbeitszeitverordnung 2000 erhöht. Die Telekom-Arbeitszeitverordnung 2000 gilt nur bei der DTAG.
Die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers ist auch nicht auf Grund der bei der Behörde, zu der der Kläger abgeordnet wäre, geltenden Arbeitszeitvorschrift erhöht. Der Kläger ist weder abgeordnet, noch bei einer anderen Behörde im Einsatz. Sein Beamtenverhältnis ruht infolge der Beurlaubung unter Wegfall der Besoldung für die Zeit vom 1. Mai 2004 bis zum 30. April 2009. Sein Einsatz bei der Beklagten, einem Unternehmen der Privatwirtschaft, findet statt auf Grund des unbefristeten Arbeitsvertrages vom 22. April 2004.
Auch § 5 Abs. 2 TelekomSZV ist nicht einschlägig, weil der Kläger nicht bei der Personalserviceagentur “Vivento” beschäftigt ist.
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die begehrten Sonderzahlungen aus § 6 UTV, denn dessen Entgeltregelungen sind auf das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht anwendbar. Nach § 2 des Arbeitsvertrages ersetzen zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft tretende kollektivrechtliche Regelungen zu Arbeits- und Entgeltbedingungen für die Beklagte die Regelungen des Arbeitsvertrages mit unmittelbarer Wirkung für das Arbeitsverhältnis. Davon unberührt bleiben jedoch die Regelungen der §§ 3 – 6 des Arbeitsvertrages. Diese sind vorrangig.
3. Der Anspruch folgt aber aus § 611 Abs. 1 2. Alt. BGB iVm. § 3 des Arbeitsvertrages iVm. § 5 TelekomSZV.
a) Die TelekomSZV ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung anwendbar. Das ergibt die Auslegung von § 3 des Arbeitsvertrages.
aa) Es kann offen bleiben, ob es sich bei den Erklärungen der Parteien in § 3 des Arbeitsvertrages vom 22. April 2004 um individuelle oder um so genannte typische Willenserklärungen handelt. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob die Beklagte die Formulierungen in dieser Vertragsbestimmung in einer Vielzahl von Fällen für Angestellte verwendet hat. Die Auslegung nichttypischer Vertragserklärungen durch die Tatsachengerichte ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüfbar, ob sie gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt und ob sie rechtlich möglich ist (BAG 13. Dezember 2006 – 10 AZR 787/05 – AP ZPO § 278 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 779 Nr. 3 mwN). Die Auslegung so genannter typischer Willenserklärungen durch das Berufungsgericht ist dagegen in der Revisionsinstanz in vollem Umfang nachprüfbar (BAG 20. September 2006 – 10 AZR 770/05 – AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 41 mwN). Die Auslegung des Arbeitsvertrages durch das Landesarbeitsgericht hält im Ergebnis auch einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand.
bb) Gem. § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (BAG 13. Dezember 2006 – 10 AZR 787/05 – AP ZPO § 278 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 779 Nr. 3).
cc) Bei Anwendung dieser Maßstäbe ergibt sich, dass nach dem eindeutigen Wortlaut in § 3 des Arbeitsvertrages der Kläger in Bezug auf die Vergütung insoweit Bestandsschutz erhalten sollte, als er hinsichtlich des Entgelts genauso gestellt wurde, wie er in demselben Zeitraum bei der DTAG als Beamter gestanden hätte, nicht schlechter, aber auch nicht besser. Dazu gehört der Anspruch auf die Sonderzuwendung.
(1) Nach § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages entspricht das Entgelt des Klägers bei der Beklagten in der Summe den bisherigen beamtenrechtlichen Bezügen bei der DTAG (Bezugsgehalt). In § 3 Abs. 2 wird definiert, aus welchen Bestandteilen sich das Bezugsgehalt zusammensetzt. Dazu gehört die Sonderzuwendung. In § 3 Abs. 3 des Arbeitsvertrages wird nochmal sichergestellt, dass das Entgelt bei der Beklagten bei unveränderter individueller Wochenarbeitszeit des Klägers – das betrifft die bei der Beklagten geltende 38-Stunden-Woche – auch nach Abschluss neuer Arbeits- und Entgeltbedingungen nicht weniger beträgt als die Summe des Bezugsgehalts. Das Bezugsgehalt wird noch näher dahin definiert, dass es um die beamtenrechtlichen Bezüge des Klägers geht, die er als Beamter in seinem aktiven Dienstverhältnis bei der DTAG am Tag vor dem Wechsel – das ist der 30. April 2004 – für 12 Monate erhalten hat. Diese grundsätzlich statische Bezugnahme erfolgt jedoch unter dem ausdrücklichen Vorbehalt etwaiger in Abs. 4 abschließend aufgezählter Änderungen.
(2) § 3 Abs. 4 des Arbeitsvertrages regelt, dass bestimmte Gesetzesänderungen nachvollzogen werden und sich unmittelbar auf die Höhe des Bezugsgehalts nach Abs. 1 und 3 auswirken. Dazu zählt zum einen die Kürzung der Sonderzahlung (“Weihnachtsgeld”) durch das Bundessonderzahlungsgesetz. Zum anderen soll eine etwaige zukünftige Änderung zur Sonderzahlung aus dem PostPersRG “nachvollzogen” werden. Diese Regelung zur Dynamisierung des Bezugsgehalts war sinnvoll, weil den Arbeitsvertragsparteien bereits bekannt war, dass eine Änderung des PostPersRG geplant war, die zu einer vollständigen Streichung des durch das Bundessonderzahlungsgesetz bereits gekürzten Weihnachtsgeldes führen würde. Auf diese geplante Änderung des PostPersRG ist der Kläger bereits mit dem Hinweisblatt zum Arbeitsvertrag für von der Deutschen Telekom AG beurlaubte Beamte in § 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 hingewiesen worden. Die Änderung zur Sonderzahlung aus dem PostPersRG sollte also nachvollzogen werden und sich unmittelbar auf die Höhe des Bezugsgehaltes auswirken. Mit Wirkung vom 13. November 2004 wurde durch § 10 Abs. 1 PostPersRG bestimmt, dass der Anspruch auf Sonderzahlung nach dem Bundessonderzahlungsgesetz für die bei den Aktiengesellschaften beschäftigten Beamten entfällt. Von dieser Neuregelung war der Kläger betroffen, weil er als Beamter bei der DTAG, einer Aktiengesellschaft, beschäftigt war.
dd) Die TelekomSZV vom 12. Juli 2005 ist ebenfalls eine zukünftige Änderung zur Sonderzahlung aus dem PostPersRG iSd. § 3 Abs. 4 des Arbeitsvertrages. Sie ist eine Rechtsverordnung, die auf Grund der Ermächtigungsnorm des § 10 Abs. 2 PostPersRG ergangen ist. Sie änderte die Sonderzahlungsregeln und entstand aus Sicht der Parteien des Arbeitsvertrages in der Zukunft. Die Dynamisierung des Bezugsgehalts auch durch die TelekomSZV entspricht dem wirklichen Willen der Vertragsparteien. Dieser war darauf gerichtet, das Entgelt des Klägers als Arbeitnehmer der Beklagten nach seinen beamtenrechtlichen Bezügen bei der DTAG zu bemessen.
ee) Dafür spricht auch, dass die Beklagte § 3 TelekomSZV auf den Kläger angewendet hat. Nach dieser Vorschrift erhalten Beamtinnen und Beamte der Besoldungsgruppen A 2 – A 8 der Bundesbesoldungsordnung A für die Monate April – Dezember 2004 eine Sonderzahlung iHv. 75,00 Euro. Weil der Kläger erst ab Mai 2004 bei der Beklagten beschäftigt war, beträgt sein Sonderzahlungsanspruch für 2004 nur 8/9 von 75,00 Euro, das sind 66,66 Euro. Für das Jahr 2005 beträgt die Sonderzahlung 100,00 Euro. Damit hat der Kläger für die Jahre 2004 und 2005 gegen die Beklagte einen Anspruch auf 166,66 Euro. Diesen Sonderzahlungsanspruch hat die Beklagte erfüllt.
b) Das Nachvollziehen der Regelung des § 5 Abs. 1 TelekomSZV führt zu einem Anspruch des Klägers, denn er arbeitet 38 Stunden pro Woche.
aa) Nachvollziehen bedeutet, etwas, das geschehen ist, verstehen, als ob man es selbst getan hätte (Wahrig Deutsches Wörterbuch 8. Aufl. 2006 Stichwort “nachvollziehen”). Der Begriff setzt – bezogen auf die Anwendung von Rechtsvorschriften – voraus, dass das, was nachvollzogen werden soll, nicht unmittelbar anwendbar ist. Er ist also in diesem rechtlichen Zusammenhang so zu verstehen, dass die genannten Vorschriften sinngemäß anzuwenden sind.
Für dieses Verständnis spricht auch, dass in § 1 des Arbeitsvertrages unter der Überschrift “Allgemeine Arbeitsbedingungen” geregelt ist, dass für den Kläger die in der Deutschen Telekom AG anwendbaren tarifvertraglichen Bestimmungen in der Fassung vom 29. Februar 2004 mit individualrechtlicher Wirkung sinngemäß gelten.
Auch solche tarifvertraglichen Regelungen können also nur “nachvollzogen” werden, weil sie nicht unmittelbar anwendbar sind.
Der Arbeitsvertrag bestimmt, dass die in § 3 Abs. 4 genannten Änderungen sich unmittelbar auf die Höhe des Bezugsgehalts und die darin ausdrücklich eingeschlossene Sonderzahlung auswirken.
Dann können aber bei der sinngemäßen Anwendung des § 5 Abs. 1 TelekomSZV nicht sämtliche Voraussetzungen so gefordert werden, als wäre der Kläger noch aktiver Beamter bei der DTAG. Nur dann könnte seine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf Grund der einschlägigen Vorschriften der Telekom-Arbeitszeitverordnung 2000 erhöht worden sein. Es liegt auf der Hand, dass diese Arbeitszeitverordnung im Betrieb der Beklagten nicht gilt. Dies kann aber nicht dazu führen, dass damit § 5 Abs. 1 TelekomSZV für den Kläger auch sinngemäß nicht mehr anwendbar wäre. Er soll so gestellt werden, wie er stünde, wenn er bei der DTAG noch aktiver Beamter wäre, allerdings nunmehr in dem für ihn geltenden arbeitsvertraglichen Rahmen. Wäre die Arbeitszeit des Klägers bei der DTAG auf 38 Stunden erhöht worden, hätte er den Anspruch unmittelbar. Der Umstand, dass er nunmehr als beurlaubter Beamter in einem anderen Arbeitsverhältnis ist, hat zwangsläufig zur Folge, dass seine Arbeitszeit auf Grund anderweitiger Bestimmungen festgesetzt sein muss, sonst liefe die Nachvollzugsregel leer. Im vorliegenden Fall ist dies eine vertragliche Vereinbarung.
Der Sinn der Kompensationsregel bzw. ihres Wegfalls wird beim Kläger erfüllt. Beamte, die mehr als 34 Stunden wöchentlich arbeiten, sollen eine Sonderzahlung erhalten, da für sie nichts mehr zu kompensieren ist, denn sie sind wiederum auf dem Stand, auf dem sie vor der Herabsetzung der Arbeitszeit waren.
bb) Es kann nicht darauf ankommen, welche Arbeitszeit der Kläger hatte, bevor er von der DTAG zur Beklagten wechselte. Die grundsätzlich statische Bezugnahme des § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages wird gerade für den Bereich der Sonderzahlung im folgenden Absatz aufgehoben.
cc) Erst recht kann es nicht auf eine fiktive Entwicklung des Klägers bei der DTAG ankommen. Eine solche Auslegung des Begriffs “nachvollziehen” hätte deutlich zum Ausdruck kommen müssen. Sie wäre auch höchst unpraktikabel. Jede Umorganisation bei der DTAG zwänge die Arbeitsvertragsparteien dazu, zu überlegen, ob und ggf. wie der Kläger, wäre er noch bei der DTAG, hinsichtlich seiner Arbeitszeit betroffen gewesen wäre. Es ist auch schlecht denkbar, dass einige Arbeitnehmer der Beklagten – je nach neuen Organisationsentscheidungen der DTAG – plötzlich in den Genuss einer Sonderzahlung kämen, während dies bei ihren mit derselben Arbeitszeit beschäftigten Kollegen nicht der Fall wäre. Es soll nicht eine organisatiorisch-fachliche Entwicklung eines Dienstpostens bei der DTAG nachvollzogen werden, sondern es sollen rechtliche Entwicklungen auf das im Vertrag geregelte Arbeitsverhältnis sinngemäß angewendet werden.
dd) Die Regelung für die beamteten Transfermitarbeiter der Personalserviceagentur “Vivento” in § 5 Abs. 2 TelekomSZV spricht nicht gegen diese Auslegung. Insbesondere kann daraus nicht darauf geschlossen werden, dass nur befristete Einsätze des Klägers erforderlich sind, um die Regelung des Abs. 1 iSd. Arbeitsvertrages nachvollziehen zu können. Mitarbeiter der Personalserviceagentur haben ein Dauerarbeitsverhältnis mit dieser und werden typischerweise befristet “ausgeliehen”. Nur für sie ist § 2 Abs. 2 TelekomSZV sinnvoll. Werden sie – befristet – mit einer höheren Wochenstundenzahl eingesetzt, ist auch bei ihnen nichts mehr zu kompensieren und sie sollen die Sonderzahlung deshalb erhalten.
ee) Auch der Umstand, dass der Kläger nicht zu einer anderen Behörde abgeordnet ist, hindert seinen Anspruch nicht, da diese Regelung für unmittelbar bei der Telekom beschäftigte Beamte geschaffen worden und auch nur für sie sinnvoll ist. Dieser Umstand kann dann nicht gleichzeitig als Ausschlusstatbestand für die Anwendung der ersten Alternative des § 5 Abs. 1 TelekomSZV angesehen werden, wenn die gesamte Regelung “nachvollzogen” werden soll in einem Bereich, in dem sie eben nicht unmittelbar gilt.
Unterschriften
Dr. Freitag, Marquardt, Brühler, Frischholz, Großmann
Fundstellen