Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsschaden wegen unterlassener Aufklärung
Leitsatz (redaktionell)
1. Vor Abschluß eines Auflösungsvertrages muß sich der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis aufgelöst werden soll, selbst über die rechtlichen Folgen dieses Schrittes Klarheit verschaffen. Dies gilt auch für den Verlust einer Versorgungsanwartschaft.
2. Ausnahmsweise kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, den Arbeitnehmer über den Verlust einer Versorgungsanwartschaft zu belehren. Eine solche Verpflichtung kommt dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund besonderer Umstände darauf vertrauen darf, der Arbeitgeber werde bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn redlicherweise vor unbedachten nachteiligen Folgen des vorzeitigen Ausscheidens, insbesondere bei der Versorgung bewahren.
Normenkette
BGB §§ 249, 280, 286; BetrAVG § 1
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 09.05.1989; Aktenzeichen 8 Sa 75/89) |
ArbG Essen (Entscheidung vom 04.10.1988; Aktenzeichen 2 Ca 2032/88) |
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von ihrer früheren Arbeitgeberin Schadenersatz, weil diese sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht über den kurz bevorstehenden Eintritt der Unverfallbarkeit ihrer Versorgungsanwartschaft aufgeklärt hatte.
Die Klägerin ist am 20. Oktober 1952 geboren. Sie war seit 1972 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Abteilungsleiterin der "" in S. Sie bezog hier ein Bruttogehalt von 3.800,-- DM monatlich sowie eine Umsatzbeteiligung.
Die Beklagte gewährt ihren Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Bei ihrer Einstellung erhielt die Klägerin eine Versorgungsordnung ausgehändigt, die Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenrenten vorsieht.
Über die Unverfallbarkeit einer Versorgungsanwartschaft bestimmt § 14 der Versorgungsordnung folgendes:
"§ 14
Unverfallbarkeit
Endet das Arbeitsverhältnis, ohne daß nach dieser Versorgungsordnung ein Anspruch auf die Zahlung von Versorgungsleistungen entstanden ist, bleibt die Anwartschaft entsprechend den Bestimmungen des "Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung" vom 19. Dezember 1974 aufrechterhalten. Sind dagegen die gesetzlichen Voraussetzungen der Unverfallbarkeit nicht erfüllt, erlischt die Anwartschaft."
Am 30. September 1987 wurde die Filiale der Beklagten geschlossen. In einem Interessenausgleich vom 23. Juni 1987 wurde u.a. folgende Regelung getroffen:
"3. Die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die eine *10r60 Weiterbeschäftigung bei der K AG nicht wünschen, werden unter Einhaltung der individuellen bzw. tariflichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen frühestens zum 30.09.1987 aufgelöst, sofern die betroffenen Mitarbeiter dies nicht zu einem früheren Termin wünschen."
In einem Sozialplan vom selben Tage wurden Abfindungen für diejenigen Arbeitnehmer vorgesehen, deren Arbeitsverhältnisse infolge Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet wurden. Nr. 13 des Sozialplans enthält einen Hinweis auf die betriebliche Versorgung. Es heißt dort:
"Unverfallbar gewordene Rentenanwartschaften der *10r60 Mitarbeiter bleiben diesen selbstverständlich erhalten. Den Mitarbeitern wird zum Ausscheidungszeitpunkt eine schriftliche Bestätigung ihrer Rentenansprüche überreicht."
Eine Härteklausel sieht vor:
"Ergeben sich bei der Durchführung dieses Sozial*10r60 planes im Einzelfall besondere Härten oder sollten Einzelfälle durch diesen Sozialplan nicht geregelt sein, so werden Geschäftsleitung und örtlicher Betriebsrat darüber beraten und eine Entscheidung im Sinne dieses Sozialplanes treffen."
Die Klägerin bewarb sich zunächst um eine Weiterbeschäftigung in den Filialen der Beklagten in München und Düsseldorf. Diese Bewerbungen blieben erfolglos. Eine eventuelle Weiterbeschäftigung in Bielefeld, Braunschweig oder Augsburg lehnte die Klägerin aus persönlichen Gründen ab. Hierauf schlossen die Parteien am 27. August 1987 folgenden Aufhebungsvertrag:
"Das zwischen beiden Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird im gegenseitigen Einvernehmen zum 30.09.1987 aufgelöst.
Die Vertragsparteien erklären, daß sie die tarifliche Bedenkzeit von einem Werktag in Anspruch genommen haben."
Entsprechend den Regelungen des Sozialplans erhielt die Klägerin eine Abfindung von 60.000,-- DM. Zusätzlich wurden ihr die Gehälter für die Dauer der Kündigungsfrist von sechs Monaten, d.h. für die Zeit vom 1. Oktober 1987 bis zum 31. März 1988 gezahlt. Der Betrag wurde in einer Summe überwiesen.
Die Klägerin trat am 1. November 1987 eine neue Arbeitsstelle an.
Die Klägerin begehrt hinsichtlich ihrer betrieblichen Altersversorgung so gestellt zu werden, als wäre das Arbeitsverhältnis erst nach Vollendung ihres 35. Lebensjahres (20. Oktober 1987) beendet worden. Ihr stünde dann nach § 1 BetrAVG eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft zu.
Sie hat geltend gemacht, sie sei sich über das Schicksal ihrer bei der Beklagten erdienten betrieblichen Versorgung nicht im klaren gewesen, habe auch in der Hektik bei der Auflösung der Filiale keine Gelegenheit gefunden, eigene Erkundigungen einzuholen. Sie habe sich aber - vor oder nach dem Abschluß des Aufhebungsvertrages, jedenfalls im zeitlichen Zusammenhang mit diesem - bei der Beklagten um eine Auskunft bemüht. Sie habe schließlich nur eine schriftliche Mitteilung vom 28. Dezember 1987 erhalten, daß ihre Anwartschaft erloschen sei, weil ihr Austrittsalter unter 35 Jahren liege.
Die Beklagte sei indes von sich aus verpflichtet gewesen, sie auf den drohenden Verlust ihrer Anwartschaft hinzuweisen. Die Beklagte habe wissen müssen, daß die Unverfallbarkeit am 20. Oktober 1987 eingetreten wäre. Die Beklagte müsse auch bei Aufstellung des Sozialplans die einzelnen Anwartschaften überprüft haben. Das Arbeitsverhältnis hätte bis zum 30. Oktober 1987 fortgeführt werden können, zumal die Beklagte durch die Fortzahlung der Gehälter dokumentiert habe, daß die im Interessenausgleich vorgesehene Beendigung aller Arbeitsverhältnisse nichts anderes gewesen sei als die Wahl eines Stichtags für die Betriebseinstellung. Bezüglich der Arbeitsverhältnisse habe es sich nur um eine Freistellung unter Fortzahlung der Bezüge und unter Aufhebung des Verbots einer anderweitigen Beschäftigung, insbesondere bei Wettbewerbern, gehandelt.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, sie in ihrer *10r55 betrieblichen Altersversorgung so zu stellen, als ob sie erst mit Erreichen der Unverfallbarkeit der Anwartschaft aus der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten am 20. Oktober 1987 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden wäre;
2. die Beklagte zu verurteilen, eine Bescheinigung darüber zu erteilen, in welcher Höhe ein Anspruch auf Versorgungsleistung aus der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten bei Erreichen der in der Versorgungsordnung der Beklagten vom 1. Januar 1976 vorgesehenen Altersgrenze ihr zusteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin habe sich bei ihr nicht nach ihrer Altersversorgung erkundigt. Der Auflösungszeitpunkt des 30. September 1987 sei deshalb gewählt worden, weil die Klägerin vom 1. Oktober 1987 an für eine andere Position habe frei sein wollen. Eine generelle Überprüfung der Versorgungsanwartschaften schon vor der Betriebsschließung habe nicht stattgefunden. Der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses kurz bevorstehende Eintritt der Unverfallbarkeit im Falle der Klägerin sei ihr nicht aufgefallen. Im übrigen sei es deren Sache gewesen, sich zu informieren.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keine unverfallbare Versorgungsanwartschaft erworben. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrAVG sind nicht erfüllt, da die Klägerin am 30. September 1987, also vor Vollendung des 35. Lebensjahres, aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Die Versorgungsordnung der Beklagten enthält keine für die Klägerin günstigere Regelung (§ 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG); sie sieht weder kürzere Unverfallbarkeitsfristen noch ein versorgungsunschädliches niedrigeres Austrittsalter vor, sondern verweist auf die Regelung des Betriebsrentengesetzes.
I. Die Auffassung der Klägerin, ihr Arbeitsverhältnis habe über den 20. Oktober 1987 hinaus angedauert, trifft nicht zu. Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, es sei entgegen dem in dem Aufhebungsvertrag genannten Beendigungsdatum der Wille der Parteien gewesen, das Arbeitsverhältnis in seinem rechtlichen Bestand über den 30. September 1987 hinaus fortbestehen zu lassen. Auf einen solchen Willen läßt sich auch aus der Fortzahlung der Gehälter für die Dauer der Kündigungsfrist nicht schließen. Die Beklagte hat damit nur die Regelung in Nr. 3 des Sozialplans vollzogen.
II. Die Klägerin kann nicht verlangen so gestellt zu werden, als ob ihr Arbeitsverhältnis über den 20. Oktober 1987 hinaus fortbestanden hätte. Ein hierauf hinzielender Anspruch mit der Rechtsfolge des Fortbestands der Versorgungsanwartschaft kommt unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes wegen Vertragsverletzung in Betracht (§§ 280, 286, 249 BGB). Voraussetzung ist, daß der Arbeitgeber einer ihm aus dem Arbeitsverhältnis obliegenden Hinweis- oder Aufklärungspflicht nicht genügt hat (BAG Urteil vom 10. März 1988 - 8 AZR 420/85 - AP Nr. 99 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu I 3 und II 1 der Gründe). Die Beklagte hat jedoch ihre Pflichten aus dem Arbeitsvertrag nicht verletzt. Ihr oblag nicht die Pflicht, die Klägerin auf die kurz bevorstehende Unverfallbarkeit ihrer Anwartschaft hinzuweisen und das Arbeitsverhältnis, um diese zu erhalten, über den 20. Oktober 1987 hinaus zu verlängern.
1. Tritt ein Arbeitnehmer an den Arbeitgeber heran mit der Bitte um Auskunft über eine Versorgungsregelung, so muß der Arbeitgeber die Auskunft erteilen, soweit er das zuverlässig vermag, und den Arbeitnehmer im übrigen an eine dafür zuständige oder kompetente Stelle verweisen. Diese Pflicht trifft den Arbeitgeber nach Treu und Glauben als Nebenpflicht aus dem Arbeitsvertrag. Die Auskunft muß, soweit sie erteilt wird, richtig sein. Falsche und nur scheinbar vollständige oder sonst irreführende Auskünfte verpflichten den Arbeitgeber zum Schadenersatz (ständige Rechtsprechung des Senats, statt aller: BAGE 47, 169 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen).
a) Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin die Beklagte vor Abschluß des Aufhebungsvertrags um Auskunft gebeten hat: Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Klägerin habe im erstinstanzlichen Rechtszug behauptet, sie habe sich nach Abschluß des Aufhebungsvertrags bei dem Angestellten T erkundigt, was es mit ihrer Betriebsrente auf sich habe, und sie habe die Zusage erhalten, die Angelegenheit werde geprüft. Nachdem das Arbeitsgericht in seinem Urteil die Auffassung vertreten habe, eine nachträgliche Erkundigung sei unerheblich, habe die Klägerin in der Berufungsinstanz behauptet, ihrer Erinnerung nach habe sie schon vor, jedenfalls in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Vertragsunterzeichnung versucht, eine definitive Auskunft zu erhalten. Angesichts dieser widersprüchlichen Darstellung hat das Berufungsgericht von der Klägerin eine eindeutige Klarstellung ihres Vortrags gefordert und darauf hingewiesen, daß eine Bitte um Auskunft "in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang" mit der Vertragsschließung nicht ausreiche; zudem habe die Klägerin weder die Unterzeichnung des Vertrags von einer zufriedenstellenden Auskunft abhängig gemacht noch überhaupt das Ergebnis der - nach ihrem Vortrag - zugesagten Prüfung abgewartet.
b) Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Revision hat weder die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts angegriffen noch dessen Schlußfolgerung, daß von einer rechtzeitigen Bitte um Prüfung nicht ausgegangen werden könne. Die Revision hat nur wiederholt, daß sich die Klägerin angesichts der Hektik im Zusammenhang mit der Schließung der Filiale nicht intensiver um die mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses verbundenen rechtlichen Fragen, insbesondere die betriebliche Altersversorgung habe kümmern können.
2. Von sich aus war die Beklagte nicht verpflichtet, die Klägerin auf den drohenden Verlust ihrer Versorgungsanwartschaft hinzuweisen.
a) In der Regel muß sich der Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis aufgelöst werden soll, vor Abschluß des Auflösungsvertrags selbst über die rechtlichen Folgen dieses Schritts Klarheit verschaffen. Während bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses ein Arbeitnehmer häufig darauf angewiesen sein wird, von seinem Arbeitgeber die nötigen Hinweise auf die Möglichkeiten und Voraussetzungen einer Zusatzversorgung zu erhalten (vgl. Urteil des Senats vom 23. Mai 1989 - 3 AZR 257/88 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, zu 2 b der Gründe), stellt sich die Situation bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig anders dar. Der Arbeitgeber braucht jetzt nicht ohne besondere Umstände von einem Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers auszugehen. Das gilt jedenfalls dann, wenn dem Arbeitnehmer - wie hier der Klägerin - eine betriebliche Versorgungsordnung ausgehändigt worden ist, der die Voraussetzungen und näheren Modalitäten der betrieblichen Versorgung entnommen werden können.
Nur ausnahmsweise kann der Arbeitgeber verpflichtet sein, über die Voraussetzungen von Versorgungsansprüchen und deren eventuellen Verlust zu belehren. Eine solche Verpflichtung kommt dann in Betracht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund besonderer Umstände darauf vertrauen darf, der Arbeitgeber werde bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn redlicherweise vor unbedachten nachteiligen Folgen des vorzeitigen Ausscheidens, insbesondere bei der Versorgung, bewahren. Ein solcher Vertrauenstatbestand kann sich bei Abwägung der beiderseitigen Interessen und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls aus vorangegangenem Tun des Arbeitgebers ergeben, insbesondere aus dem betrieblichen Interesse des Arbeitgebers, ein Arbeitsverhältnis vorzeitig zu beenden (BAG Urteil vom 23. Mai 1989, aaO, zu 2 c der Gründe; BAGE 47, 169, 174 f. = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu I 3 b der Gründe; BAG Urteil vom 10. März 1988 - 8 AZR 420/85 - aaO, zu II 2 a der Gründe).
b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte sei nicht von sich aus verpflichtet gewesen, die Klägerin über die Auswirkungen des Aufhebungsvertrags vom 27. August 1987 auf die Versorgungsanwartschaft aufzuklären. Schon aus dem Hinweis unter Nr. 13 des Sozialplans habe die Klägerin schließen können, daß eine Versorgungsanwartschaft verfallen könne. Damit sei es Sache der Klägerin gewesen, sich rechtzeitig zu vergewissern, wie sich der angestrebte Zeitpunkt ihres Ausscheidens auf ihre Versorgung auswirke. Die Beklagte habe davon ausgehen dürfen, daß eine Arbeitnehmerin, die das Auflösungsangebot nach Bedenkzeit annehme, die Folgen des Entschlusses bedacht habe. Das gelte vor allem dann, wenn der Auflösungsvertrag lange Zeit vor dem Erreichen der Altersgrenze geschlossen werde (BAGE 47, 169, 175 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu 3 c der Gründe).
c) Die Auffassung des Berufungsgerichts ist nicht zu beanstanden. Der Senat schließt sich ihr an.
Bereits in Nr. 13 des Sozialplans wurden die ausscheidenden Arbeitnehmer darauf hingewiesen, daß unverfallbare Versorgungsanwartschaften erhalten blieben. Auch dieser allgemeine Hinweis, der nur rückschließend auf die mögliche Verfallbarkeit hindeutet, mußte die betroffenen Arbeitnehmer veranlassen, ihr Augenmerk auf die betriebliche Versorgungsregelung zu richten und sich über die eigene Situation Klarheit zu verschaffen. Die Betriebsparteien haben die Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Versorgungsrechte nicht ahnungslos nachteiligen Regelungen der Versorgungsordnung ausgesetzt.
Zum anderen konnte es für die Klägerin, hätte sie hierauf geachtet, keine ernstlichen Hindernisse geben, die versorgungsrechtliche Bedeutung eines aus ihrer Sicht zu früh gewählten Auflösungszeitpunkts festzustellen. Sie hatte die Versorgungsordnung der Beklagten zur Hand. Es konnte nicht schwierig sein festzustellen, daß sie vor Vollendung des 35. Lebensjahres keine Unverfallbarkeit erreichen konnte.
Schließlich brauchte die Beklagte bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin im Vollzug der Regelungen des Interessenausgleichs und des Sozialplans keine gesteigerte Aufmerksamkeit, etwa wie bei einem rentennahen Arbeitnehmer, walten zu lassen. Sie brauchte nicht ihrerseits vor Abschluß des Auflösungsvertrags zu prüfen, ob der Eintritt der Unverfallbarkeit kurz bevorstand. Die Beklagte durfte dies der Klägerin überlassen und davon ausgehen, daß diese, wenn sie insoweit nicht nachfragte, in anderer Weise für ihr Alter Vorsorge treffen wolle (so BAGE 47, 169, 175 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen, zu 3 c der Gründe).
3. Dem Berufungsgericht ist schließlich im Ergebnis darin zu folgen, daß der Klägerin die Versorgungsanwartschaft nicht wegen eines besonderen Härtefalls zu erhalten ist. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt kein Härtefall vor.
Die Klägerin selbst hat nicht geltend gemacht, der Verfall ihrer Versorgungsanwartschaft sei für sie aus persönlichen Gründen mit besonderen, über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Nachteilen verbunden; sie hat auch nicht verlangt, daß in ihrem Fall gemäß der Härteklausel in Nr. 12 des Sozialplans zwischen den Betriebsparteien eine Sonderregelung zu ihren Gunsten herbeizuführen sei. Eine besondere Härte sieht die Klägerin allein darin, daß man sie nicht aufgeklärt und zur Vermeidung von Nachteilen den Beendigungszeitpunkt einen Monat später festgelegt habe.
Die hiermit verbundene Härte verlangt keine Korrektur durch die Annahme einer gesteigerten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Der Bestimmung des vollendeten 35. Lebensjahres als Stichtag für den möglichen Beginn der Unverfallbarkeit einer Versorgungsanwartschaft liegt eine gesetzgeberische Wertung zugrunde, die von den Gerichten zu respektieren ist. Maßgebend für die gesetzliche Regelung war neben steuerlichen Gesichtspunkten der Gedanke, daß die Mobilität junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt besonders groß sei (BT-Drucks. 7/2843 S. 7). Die Klägerin ist, gemessen an der gesetzlichen Regelung, nicht stärker betroffen als alle Arbeitnehmer, die vor Vollendung des 35. Lebensjahres mit einer dann verfallenden Versorgungsanwartschaft aus einem Arbeitsverhältnis ausscheiden.
Auch die zeitliche Nähe des Aufhebungsvertrags zu dem für die Unverfallbarkeit maßgeblichen Zeitpunkt läßt keine andere Beurteilung zu. Es ist die Eigenart jeder Stichtags- und Fristenregelung, daß auch kurze Über- oder Unterschreitungen zu Rechtsnachteilen führen. Solche Nachteile werden zwar häufig von den Betroffenen als unberechtigt empfunden, sie sind jedoch hinzunehmen (so zutreffend LAG Hamm, Urteil vom 19. Dezember 1989 - 6 Sa 115/89 - DB 1990, 590).
Dr. Heither Dr. Wittek Griebeling
Seyd Mattes
Fundstellen
Haufe-Index 438546 |
BB 1991, 142 |
BB 1991, 142-143 (LT1-2) |
DB 1990, 2431-2432 (LT1-2) |
DStR 1991, 91-91 (T) |
EBE/BAG 1990, 162-164 (LT1-2) |
AiB 1991, 33-34 (LT1-2) |
EWiR 1990, 1161 (L1-2,S1) |
NZA 1990, 971-973 (LT1-2) |
RdA 1990, 381 |
ZIP 1990, 1494 |
ZIP 1990, 1494-1496 (LT1-2) |
AP § 1 BetrAVG (LT1-2), Nr 24 |
AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung Entsch 251 (LT1-2) |
AR-Blattei, ES 460 Nr 251 (LT1-2) |
EzA § 61 BGB Aufhebungsvertrag, Nr 7 (LT1-2) |
VersR 1991, 1082-1083 (LT1-2 |