Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragstellung im Berufungsverfahren. Verhandeln. Nichtverhandeln. Erörterung des Rechtsstreits. Sachantrag. Form der Antragstellung. Bezugnahme auf die Schriftsätze. Heilung des Formmangels. Säumnis. Auslegung von vergangenheitsbezogenen Statusanträgen. Feststellungsinteresse. Zwischenfeststellungsstreit. widersprüchliches Verhalten. Rechtsmißbrauch bei Statusfeststellung. Arbeitnehmerstatus. Prozeßrecht
Leitsatz (amtlich)
Verhandeln im Sinne des § 333 ZPO setzt einen Sachantrag des Klägers/Rechtsmittelklägers voraus.
Orientierungssatz
- Stellt der Kläger/Rechtsmittelkläger keinen Sachantrag, liegt kein Verhandeln im Sinne des § 333 ZPO vor, da der Gegenstand des Prozesses durch einen konkreten Antrag bestimmt wird.
- Diesem Erfordernis kann aus Gründen der prozessualen Klarheit nicht durch die bloße streitige Erörterung der Sach- und Rechtslage Genüge getan werden.
- Gemäß § 297 Abs. 2 ZPO hat in aller Regel eine ausdrückliche Bezugnahme auf bestimmte schriftliche Anträge zu erfolgen. Die Bezugnahme auf Sachvortrag in Schriftsätzen reicht nicht aus.
- Eine konkludente Inbezugnahme der Anträge kommt nur dann in Betracht, wenn die prozessualen Erklärungen zweifelsfrei ergeben, daß und in welchem Umfang das Rechtsbegehren verfolgt wird.
- Wird zusätzlich zu einem Kündigungsschutzantrag die rückwirkende Feststellung des Arbeitnehmerstatus beantragt, bedarf es eines gesondert darzulegenden Feststellungsinteresses gemäß § 256 Abs. 1 ZPO.
- Die Berufung auf den Arbeitnehmerstatus ist regelmäßig nicht schon dann rechtsmißbräuchlich, wenn der Arbeitnehmer einen Vertrag über “freie Mitarbeit” abgeschlossen und seiner vergütungsmäßigen Behandlung als freier Mitarbeiter nicht widersprochen, sondern deren Vorteile entgegengenommen hat.
Normenkette
ZPO §§ 297, 333, 542, 137, 256, 295, 308, 335, 337-338, 519b; ArbGG §§ 59, 64; BGB § 242
Verfahrensgang
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin war seit dem 1. April 1989 für die Beklagte tätig. Sie wirkte an der Erstellung der periodisch erscheinenden Warenhauskataloge der Beklagten mit. Ihre Leistungen stellte sie regelmäßig, zumeist monatlich in Rechnung, für 1997 insgesamt ca. 120.000,00 DM, für 1998 ca. 150.000,00 DM und für Januar bis Juli 1999 ca. 133.000,00 DM, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer. Zumindest seit Mai 1997 geschah das ausdrücklich “für freie Mitarbeit”. Am 21. Oktober 1998 unterzeichneten die Parteien einen Vertrag über freie Mitarbeit mit Wirkung ab 1. Oktober 1998.
Mit Schreiben vom 15. Juli 1999 kündigte die Beklagte das Rechtsverhältnis zum 31. Juli 1999. Bis zur Kündigung hatte die Klägerin ihrer Behandlung als freie Mitarbeiterin zu keiner Zeit widersprochen.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie stehe in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Die Kündigung sei sozialwidrig und wegen unterbliebener Anhörung des Betriebsrats rechtsunwirksam.
Die Klägerin hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt festzustellen,
- daß zwischen den Parteien seit dem 1. Oktober 1998 ein Arbeitsverhältnis besteht,
- daß die Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 15. Juli 1999 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst hat.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin sei keine Arbeitnehmerin gewesen. Sie verhalte sich mit ihrem Begehren widersprüchlich und rechtsmißbräuchlich.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, da die Klägerin nicht Arbeitnehmerin gewesen sei. Hiergegen hat die Klägerin in vollem Umfang Berufung eingelegt. Im Verhandlungstermin vor dem Landesarbeitsgericht am 21. August 2001 wurde der Rechtsstreit mit den Parteien zunächst ohne Antragstellung erörtert. Der Vorsitzende teilte die Erwägung der Kammer mit, die Berufung wegen widersprüchlichen Verhaltens der Klägerin zurückzuweisen. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin führte aus, er habe schriftsätzlich bereits ausführlich zur Arbeitnehmereigenschaft vorgetragen. Die Arbeitnehmereigenschaft folge aus der Tätigkeit der Klägerin und aus tariflichen Regelungen. Ein rechtsmißbräuchliches Verhalten liege nicht vor, eine solche Betrachtung nehme der Klägerin den ihr als Arbeitnehmerin zukommenden Schutz. Im übrigen habe die Klägerin zu Beginn des Rechtsverhältnisses gegenüber der Beklagten geäußert, sie möchte als Arbeitnehmerin beschäftigt werden. Schließlich erklärte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, er wolle heute keine Anträge stellen. Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten stellte daraufhin den schriftsätzlich angekündigten Antrag, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, und beantragte den Erlaß eines Versäumnisurteils.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung durch kontradiktorisches Urteil als unbegründet zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Feststellungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Rüge der Klägerin, das Landesarbeitsgericht habe nicht durch kontradiktorisches Urteil entscheiden dürfen, greift durch. Die Berufung der Klägerin hätte gemäß § 542 Abs. 1 ZPO in Verb. mit § 64 Abs. 6 ArbGG durch Versäumnisurteil zurückgewiesen werden müssen. Die Klägerin ist durch diesen Verfahrensfehler beschwert, da ihr der Rechtsbehelf des Einspruchs (§ 542 Abs. 3, §§ 338 ff. ZPO, § 64 Abs. 6, Abs. 7, § 59 ArbGG) abgeschnitten worden ist. Das Berufungsurteil muß deshalb im angefochtenen Umfange aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
Das Berufungsurteil ist verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, wie die Revision ordnungsgemäß rügt.
Für das neue Berufungsverfahren ist auf folgendes hinzuweisen:
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck, Hromadka, Zoller
Fundstellen
Haufe-Index 886489 |
BAGE 2004, 86 |
DB 2003, 1232 |
NJW 2003, 1548 |
ARST 2003, 214 |
FA 2003, 148 |
JR 2003, 396 |
NZA 2003, 341 |
AP, 0 |
EzA |
MDR 2003, 520 |
KammerForum 2003, 268 |