Rechtskräftig seit dem 8. August 1996 Kassel, 9. August 1996
Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliches 13. Monatseinkommen
Normenkette
Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 27. April 1990 (TV–13. Monatseinkommen) § 2
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 16.07.1993; Aktenzeichen 10 Sa 846/91) |
ArbG Dortmund (Urteil vom 22.03.1991; Aktenzeichen 8 Ca 195/91) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. Juli 1993 – 10 Sa 846/91 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 22. März 1991 – 8 Ca 195/91 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ein tarifliches 13. Monatseinkommen für das Jahr 1990 zu zahlen.
Der Kläger ist seit dem 15. August 1977 bei der Beklagten als Zimmerer zu einem tariflichen Stundenlohn von zuletzt 19,57 DM beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft Tarifbindung der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe vom 27. April 1990 (TV–13. Monatseinkommen) Anwendung. § 2 dieses Tarifvertrages lautet u.a.:
(1) Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am 30. November des laufenden Kalenderjahres (Stichtag) mindestens 12 Monate ununterbrochen besteht, haben Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen. Es beträgt
im Jahre 1990 7, 9 v.H.,
…
ihres in der Zeit vom 1. Dezember des Vorjahres bis zum Stichtag (Berechnungszeitraum) erzielten Arbeitsentgelts, mindestens jedoch das 102 fache ihres in der Lohntabelle ausgewiesenen Gesamttarifstundenlohnes (Mindestbetrag).
Der Kläger ist seit dem 2. März 1987 fortlaufend arbeitsunfähig krank. Bis zu seiner Aussteuerung bezog er Krankengeld. Am 10. März 1988 beantragte er Arbeitslosengeld. Er hat ferner einen Rentenantrag gestellt. Mit Schreiben vom 9. Juni 1988 stellte die Beklagte dem Kläger eine Bescheinigung gemäß § 133 AFG zur Vorlage beim Arbeitsamt aus.
Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe für das Jahr 1990 das tarifliche 13. Monatseinkommen in unstreitiger Höhe von 1.995,12 DM unabhängig davon zu, daß er während des ganzen Bezugszeitraumes vom 1. Dezember 1989 bis zum 30. November 1990 nicht gearbeitet habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.995,12 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 8. Januar 1991 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Über die Revision war gemäß § 72 Abs. 5 ArbGG i.V.m. § 557 ZPO durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil der Kläger in der Revisionsverhandlung nicht vertreten war (vgl. BAG Urteil vom 16. August 1990 – 2 AZR 113/90 – AP Nr. 10 zu § 611 BGB Treuepflicht). Der Revision war stattzugeben. Sie führt unter Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz zur Klageabweisung.
II. Dem Kläger steht gemäß § 2 Abs. 1 TV–13. Monatseinkommen kein Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung für das Jahr 1990 zu.
1. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. BAG Urteil vom 28. September 1994 – 10 AZR 805/93 – AP Nr. 168 zu § 611 BGB Gratifikation; vom 11. Oktober 1995 – 10 AZR 364/94 – n.v.) entschieden, daß ein Anspruch auf eine tarifliche Sonderzahlung entfällt, wenn das rechtlich fortbestehende Arbeitsverhältnis nur noch formaler Natur ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer nach Arbeitsunfähigkeit und Aussteuerung durch die Krankenkasse zunächst Arbeitslosengeld nach § 105 a AFG und die Rente beantragt sowie der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitsamt auf das Direktionsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer verzichtet hat.
2. Diese tatsächlichen Voraussetzungen sind auch im vorliegenden Falle gegeben. Der Kläger war seit März 1987 fortwährend arbeitsunfähig krank und bezog zunächst Krankengeld. Nach Aussteuerung durch die Krankenkasse beantragte er im März 1988 Arbeitslosengeld gemäß § 105 a AFG und später Rente. Mit Schreiben vom 9. Juni 1988 hat die Beklagte gegenüber dem Arbeitsamt auf ihr Direktionsrecht gegenüber dem Kläger verzichtet. Durch diese tatsächlichen Umstände sind die durch das an sich fortbestehende Arbeitsverhältnis begründeten Bindungen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einer Weise gelockert, daß die Annahme gerechtfertigt ist, ein Arbeitsverhältnis i.S. des TV–13. Monatseinkommen liege nicht mehr vor. Derjenige Arbeitnehmer, der lange Zeit arbeitsunfähig krank ist, von der Krankenkasse ausgesteuert wurde und der mit der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit kaum rechnet, beantragt Arbeitslosengeld nicht deshalb, um die Zeit bis zur Wiederaufnahme seiner Tätigkeit im fortbestehenden Arbeitsverhältnis zu überbrücken, sondern für die Zeit, bis ihm eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bewilligt wird. Für ihn ist das bestehende Arbeitsverhältnis ohne wirtschaftliche Bedeutung. Auch der Arbeitgeber, der die AFG-Bescheinigung ausstellt, um dem Arbeitnehmer den Bezug vom Arbeitslosengeld zu ermöglichen, geht dabei in der Regel davon aus, daß zumindest von dem Zeitpunkt der Beantragung des Arbeitslosengeldes an eine Wiederbelebung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr in Frage kommen wird. Das gleichwohl rechtlich noch fortbestehende Arbeitsverhältnis ist daher nur noch formaler Natur und vermag einen Anspruch aus § 2 Abs. 1 TV–13. Monatseinkommen nicht mehr zu begründen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Jobs, Hauck, Hromadka, Wolf
Fundstellen