Orientierungssatz
(Anfechtung eines Prozeßvergleichs - Irrtum über Konkursrang der Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG)
Abschluß eines für den Arbeitgeber widerruflichen Prozeßvergleichs in einem Kündigungsschutzprozeß nach Anordnung der Sequestration über das Vermögen des Arbeitgebers; Genehmigung des Vergleichs durch den später auch zum Konkursverwalter bestellten Sequester einen Tag vor Konkurseröffnung; Geltendmachung der Unwirksamkeit des Vergleichs durch den Arbeitnehmer ua mit der Begründung, die Genehmigung durch den Sequester sei treuwidrig herbeigeführt worden, weil der Arbeitnehmer erkennbar davon ausgegangen sei, die Abfindung sei im Falle der Konkurseröffnung als Masseschuld realisierbar.
Normenkette
KO §§ 59, 106 Abs. 1 S. 2; BGB §§ 138, 162, 242, 779, 119, 123, 135-136; KSchG § 9 Fassung 1969-08-25, § 10 Fassung 1969-08-25
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Entscheidung vom 05.12.1983; Aktenzeichen 2 Sa 106/83) |
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 30.04.1982; Aktenzeichen 13 Ca 514/81) |
Tatbestand
Der Kläger war seit dem 2. Juni 1980 bei der Norddeutschen R GmbH & Co. KG (künftig: Gemeinschuldnerin), deren Konkursverwalter der Beklagte ist, als Offsetmontierer beschäftigt. Am 8. Oktober 1981 kündigte die Gemeinschuldnerin dem Kläger fristgemäß zum 23. Oktober 1981 wegen erheblicher Auftragsverluste. Der hiergegen erhobenen Kündigungsschutzklage des Klägers hat das Arbeitsgericht Hamburg mit Urteil vom 30. April 1982 stattgegeben. Die Gemeinschuldnerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Am 1. Oktober 1982 ist beim Amtsgericht Hamburg ein Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gemeinschuldnerin gestellt worden. Durch Beschluß vom 11. Oktober 1982 hat das Amtsgericht den Beklagten gemäß § 106 KO zum Sequester bestellt und ein allgemeines Veräußerungsverbot über das Vermögen der Gemeinschuldnerin angeordnet.
In der Berufungsverhandlung vom 15. November 1982 haben der Kläger und die Gemeinschuldnerin, vertreten durch ihren damaligen Prozeßbevollmächtigten, einen Vergleich geschlossen, der unter anderem folgende Bestimmungen enthielt:
1. Das Arbeitsverhältnis hat geendet mit
Ablauf des 23. Oktober 1981 auf Ver-
anlassung der Beklagten.
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger gemäß
§§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe
von DM 5.000,-- brutto gleich netto.
...
5. Der Beklagten bleibt das Recht zum Wider-
ruf vorbehalten.
Der Widerruf kann nur bis einschließlich
6. Dezember 1982 durch schriftliche Anzeige
beim Gericht erfolgen.
Dem Kläger war bei Vergleichsabschluß bekannt, daß die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gemeinschuldnerin beantragt und Sequestration angeordnet war. Die Widerrufsklausel im Vergleich war wegen der Sequestration vereinbart worden.
Der Beklagte erklärte in seiner Eigenschaft als Sequester am 30. November 1982 gegenüber dem damaligen Prozeßbevollmächtigten der Gemeinschuldnerin die Zustimmung zum Vergleich. Am 1. Dezember 1982 wurde der Konkurs eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt.
Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers erfuhr am 8. Februar 1983 in einem Telefongespräch mit dem Beklagten, daß dieser nicht bereit sei, die Abfindung als Masseschuld anzuerkennen. Mit Schreiben vom 14. Februar 1982 meldete er beim Konkursgericht die Abfindung als Masseschuld und vorsorglich Lohnansprüche für zwölf Monate in Höhe von 33.600,-- DM brutto an. In einem weiteren, an den Beklagten gerichteten Schreiben vom selben Tag vertrat er die Ansicht, die Abfindung sei Masseschuld, weil der Prozeßvergleich erst nach Konkurseröffnung durch Ablauf der Widerrufsfrist rechtswirksam geworden sei. Desweiteren erklärte er vorsorglich die Anfechtung des Vergleichs wegen Irrtums nach § 119 BGB, falls die Abfindung lediglich Konkursforderung sein sollte.
Mit einem am 9. September 1983 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger die Fortsetzung des Berufungsverfahrens beantragt und in einem weiteren Schriftsatz vom 19. September 1983 die Anfechtung des Prozeßvergleichs wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB erklärt.
Der Kläger hat vorgetragen, er sei wie alle Prozeßbeteiligten im Berufungstermin vom 15. November 1982 zu Recht davon ausgegangen, daß der Beklagte in seiner damaligen Eigenschaft als Sequester dem Vergleich nur zustimmen werde, wenn die Abfindung auch in voller Höhe gezahlt würde. In Gegenwart des damaligen Prozeßbevollmächtigten der Gemeinschuldnerin sei ausdrücklich erörtert worden, daß er, der Kläger, nur deshalb bereit sei, auf die ihm im Falle seines rechtskräftigen Obsiegens im Kündigungsrechtsstreit zustehenden Vergütungsansprüche in Höhe von ca. 23.000,-- DM zu verzichten und sich stattdessen mit der geringen Abfindung von 5.000,-- DM zu begnügen, um vor Konkurseröffnung diesen Betrag zu erhalten. Wie sich aus dem Sitzungsprotokoll vom 15. November 1982 ergebe, habe das Berufungsgericht die Aussichten seiner Kündigungsschutzklage günstig beurteilt, so daß auch seine Vergütungsansprüche berechtigt gewesen seien. Der Beklagte habe im Zeitpunkt der Zustimmung zu dem Vergleich gewußt, daß er, der Kläger, aufgrund der einen Tag später stattfindenden Konkurseröffnung kein Geld mehr erhalten werde, ohne den Vergleich aber zumindest den Lohn für die letzten sechs Monate als Masseschuld hätte geltend machen können.
Der Beklagte habe vor Zustimmung zum Vergleich den damaligen Prozeßbevollmächtigten der Gemeinschuldnerin ausdrücklich gefragt, ob er, der Kläger, sich darüber im klaren sei, daß er nach einer Zustimmung zum Vergleich mit dem Anspruch auf Abfindung lediglich eine Konkursforderung erwerben würde. Der Prozeßbevollmächtigte habe dies dem Beklagten gegenüber bejaht. Der Vergleich sei deshalb nach § 138 BGB sittenwidrig und gemäß § 123 Abs. 2 BGB unwirksam, weil die Genehmigung des Vergleichs treuwidrig herbeigeführt worden sei.
Hilfsweise hat der Kläger geltend gemacht, der Vergleich sei wegen Einigungsmangels nicht wirksam zustande gekommen. Er sei nämlich davon ausgegangen, daß durch den Vergleich eine Masseschuld habe begründet werden sollen, während die Gemeinschuldnerin lediglich eine Konkursforderung habe begründen wollen. Zumindest sei der Vergleich aber durch die von ihm erklärten Anfechtungen unwirksam geworden.
Der Kläger hat beantragt, das Verfahren fortzusetzen und die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat beantragt, den Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens abzulehnen.
Er hat vorgetragen, der Vergleich sei wirksam. Bei Vergleichsabschluß sei nicht darüber gesprochen oder gar vereinbart worden, daß die Abfindung als Masseschuld gezahlt werden sollte. Er hätte dies auch gar nicht vereinbaren dürfen, da er sich sonst wegen Gläubigerbegünstigung strafbar gemacht hätte. Die Parteien seien sich auch über den Vergleichsinhalt in allen Punkten einig gewesen. Der Kläger und sein Prozeßbevollmächtigter seien beim Abschluß des Vergleichs darüber unterrichtet gewesen, daß bereits Konkursantrag gestellt und die Sequestration angeordnet worden sei. Deshalb hätten sie jederzeit mit der Konkurseröffnung rechnen müssen.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Prozeßvergleich den Rechtsstreit beendet hat.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seine in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein die Frage, ob der Prozeßvergleich vom 15. November 1982 wirksam und das mit der Kündigungsschutzklage eingeleitete Verfahren damit beendet oder dieses Verfahren fortzusetzen und über die Kündigungsschutzklage zu entscheiden ist. Den zunächst in der Revisionsinstanz angekündigten Hilfsantrag, den Beklagten zur Zahlung der Vergleichssumme zu verurteilen, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht gestellt.
2. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie der herrschenden Meinung im Schrifttum über die Wirksamkeit des Prozeßvergleichs in dem Verfahren entschieden, in dem der Vergleich geschlossen worden ist. Sämtliche von ihm sachlich geprüften Einwendungen des Klägers richten sich gegen die materiell-rechtliche Wirksamkeit des Vergleichs. Sie gehen auf Umstände zurück, die bereits im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestanden haben und, wenn sie berechtigt wären, entweder zur Nichtigkeit des Vergleichs von Anfang an führten oder ein Anfechtungsrecht gemäß §§ 119, 123 BGB begründeten, nach dessen Geltendmachung der Vergleich rückwirkend nichtig geworden wäre (§ 142 BGB). Damit würde der Vergleich auch als Prozeßhandlung unwirksam. Seine prozeßbeendigende Wirkung wäre nie eingetreten und die Rechtshängigkeit des Prozesses hätte fortbestanden (BAG 40, 17 = AP Nr. 31 zu § 794 ZPO, zu B II 2 der Gründe; BGH AP Nr. 29 zu § 794 ZPO, zu 2 c, aa der Gründe; jeweils m. m. N.). Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, der vom Kläger weiter erhobene Einwand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage müsse in einem neuen Verfahren überprüft werden, entspricht dies ebenfalls der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesgerichtshofes (Senatsurteil vom 20. Juni 1969 - 2 AZR 282/67 - AP Nr. 16 zu § 794 ZPO; BGH AP Nr. 11 zu § 794 ZPO).
II. Die Revision macht in erster Linie eine fehlerhafte Anwendung des § 162 Abs. 2 BGB durch das Berufungsgericht geltend.
1. Nach dieser Vorschrift gilt eine Bedingung als nicht eingetreten, wenn ihr Eintritt von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, wider Treu und Glauben herbeigeführt wird. Die Revision sieht in der Genehmigung des Prozeßvergleichs durch den Beklagten als Sequester eine Protestativbedingung für dessen Wirksamkeit, auf die § 162 BGB anzuwenden sei. Sie wertet das Verhalten des Beklagten als Sequester und später als Konkursverwalter deshalb als treuwidrig, weil hierdurch die Vergleichsforderung zu einer einfachen Konkursforderung geworden sei, während sie bei einer Genehmigung nach Konkurseröffnung Masseschuld geworden wäre oder der Kläger im Falle eines Vergleichswiderrufs durch den Konkursverwalter zumindest den Verzugslohn für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung als Masseschuld hätte geltend machen können.
2. Das Berufungsgericht hat seine entgegengesetzte Ansicht zu diesem Punkt im wesentlichen wie folgt begründet:
Der Beklagte habe als Sequester die Interessen der Gläubiger der Gemeinschuldnerin wahrnehmen und deshalb nur prüfen müssen, ob der Vergleich nach der Sach- und Rechtslage und unter Berücksichtigung des mit einer Fortführung des Prozesses für die Gemeinschuldnerin bestehenden wirtschaftlichen Risikos sinnvoll gewesen sei. Die Entscheidung über die Zustimmung habe er dabei innerhalb der Widerrufsfrist treffen müssen. Den Zeitpunkt der Konkurseröffnung habe gemäß § 108 KO das Konkursgericht bestimmt. Außerdem habe der Kläger bei der gegebenen Sachlage damit rechnen müssen, daß nach Genehmigung des Vergleichs und noch vor Erfüllung der Forderung der Konkurs eröffnet werden würde. Auch wenn der Beklagte den Vergleich bereits kurz nach seinem Abschluß genehmigt hätte, wäre es ebenfalls möglich gewesen, daß noch vor Erfüllung des Abfindungsanspruchs der Konkurs eröffnet und der Anspruch Konkursforderung geworden wäre.
3. Diese Würdigung ist im Ergebnis richtig.
a) Der Prozeßvergleich vom 15. November 1982 ist nach der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb für den Senat nach § 561 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellung des Berufungsgerichts deshalb unter Widerrufsvorbehalt abgeschlossen worden, damit ihn der als Sequester bestellte Beklagte genehmigen konnte. Diese Genehmigung war für die Wirksamkeit des Vergleichs auch erforderlich.
b) Die nach § 106 KO angeordnete Sequestration und das gleichzeitig angeordnete allgemeine Veräußerungsverbot gehören zu den relativen Veräußerungsverboten im Sinne des § 135 BGB (vgl. RGRK-Krüger-Nieland/Zöller, BGB, 12. Aufl., § 135 Rz 10; Böhle- Stamschräder/Kilger, Konkursordnung, 14. Aufl., § 106 Anm. 3). Die Kombination dieser beiden Maßnahmen erfaßt das gesamte Schuldnervermögen, das nach §§ 1, 2 KO zur Konkursmasse gehörte, wenn der Konkurs schon jetzt eröffnet worden wäre. Insoweit verliert der Schuldner nicht nur seine Verfügungsbefugnis, sondern auch das Recht, dieses Vermögen zu verwalten (Kilger, Festschrift 100 Jahre Konkursordnung, 1977, S. 189, 194; vgl. auch BGH NJW 1983, 887). Anhängige Rechtsstreitigkeiten werden dagegen durch die Sequestration nicht unterbrochen (vgl. OLG Hamburg, JR 1983, 66, m. w. N.; Wessel, BB 1982, 1579, 1580; Kilger, Festschrift 100 Jahre Konkursordnung, S. 205; a. A.: Gerhardt, ZIP 1982, 1, 5 und Gerhardt/Müller-Eising, Anm. zu JR 1983, 67). Verfahrenshandlungen werden jedoch durch das Veräußerungsverbot nach § 106 KO dann untersagt, wenn sie zugleich von dieser Vorschrift erfaßte Verfügungen über Massegegenstände enthalten (vgl. Mentzel/Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 9. Aufl., § 106 Rz 4).
c) Der vorliegende Vergleich enthält die Verpflichtung der Gemeinschuldnerin, an den Kläger 5.000,-- DM zu zahlen. Damit wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin verfügt, das gemäß § 1 KO zur Konkursmasse gehört hätte, wenn zum damaligen Zeitpunkt der Konkurs schon eröffnet gewesen wäre. Die Wirksamkeit dieser Verfügung hing damit zunächst von der Genehmigung des Sequesters ab.
d) Geht man mit dem Berufungsgericht von der zumindest analogen Anwendbarkeit des § 162 Abs. 2 BGB auf Genehmigungen der vorliegenden Art aus, so müssen nach dieser Vorschrift zwei Voraussetzungen erfüllt sein, wenn der Eintritt der Bedingung als nicht erfolgt, im vorliegenden Fall die Genehmigung des Prozeßvergleichs als nicht erteilt gelten soll: Der Eintritt der Bedingung muß von der Partei, zu deren Vorteil er gereicht, herbeigeführt worden sein, und dieses Verhalten der Partei muß gegen Treu und Glauben verstoßen.
aa) Soweit der Eintritt der Bedingung im vorliegenden Fall in der Genehmigung des Prozeßvergleichs durch den Beklagten als Sequester gesehen wird, hängt die Anwendung des § 162 Abs. 2 BGB davon ab, ob die Genehmigung noch vor Konkurseröffnung durch ein treuwidriges Verhalten der Gemeinschuldnerin herbeigeführt worden ist; denn sie und nicht der Sequester war zum damaligen Zeitpunkt Partei des Prozeßvergleichs, dessen Wirksamkeit von dem Eintritt der Bedingung (Erteilung der Genehmigung) abhing.
bb) Im vorliegenden Fall kann jedoch nach dem festgestellten Sachverhalt nicht davon ausgegangen werden, daß die Gemeinschuldnerin die Genehmigung des Prozeßvergleichs vor Konkurseröffnung treuwidrig herbeigeführt hat.
Da es auf das Verhalten der Gemeinschuldnerin ankommt, könnte in diesem Zusammenhang der Vortrag des Klägers von Bedeutung sein, der Prozeßbevollmächtigte der Gemeinschuldnerin habe dem Beklagten auf entsprechende Frage erklärt, der Kläger sei sich bei Vergleichsabschluß darüber im klaren gewesen, daß er bei Genehmigung durch den Beklagten im Falle des Konkurses lediglich eine einfache Konkursforderung erwerben würde. In diesem Verhalten könnte eine treuwidrige Einflußnahme auf den Beklagten zur Genehmigung des Vergleichs gesehen werden, wenn dem Prozeßbevollmächtigten der Gemeinschuldnerin, wie der Kläger weiter vorgetragen hat, damals in Wahrheit bekannt gewesen ist, daß der Kläger bei Vergleichsabschluß davon ausgegangen war, er werde die Abfindung ungeschmälert erhalten, sei es noch vor Konkurseröffnung, sei es danach als Masseschuld. Ein solches Verhalten ihres Prozeßbevollmächtigten müßte sich die Gemeinschuldnerin nach § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen. Diese Vorschrift bestimmt, daß es auf die Person des Vertreters ankommt, soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch die Kenntnis bestimmter Umstände beeinflußt werden. Sie gilt deshalb auch, wenn der rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter einen Vertrag abschließt und eine für dessen Wirksamkeit erforderliche Genehmigung treuwidrig herbeiführt.
Dieser Sachvortrag des Klägers kann jedoch der Entscheidung nicht zugrundegelegt werden. Die Revision behauptet zu Unrecht, der Vortrag des Klägers über seine Vorstellungen von der Realisierbarkeit der Abfindung und der Kenntnis des Prozeßbevollmächtigten der Gemeinschuldnerin hiervon sei unstreitig. Das Berufungsgericht hat das dahingehende Vorbringen des Klägers und dessen Bestreiten durch den Beklagten im streitigen Teil seines Urteils aufgeführt und damit gemäß §§ 314, 561 Abs. 1 ZPO für das Revisionsgericht bindend als bestritten festgestellt. Die Revision hat auch nicht gerügt, daß das Berufungsgericht diesen Vortrag verfahrensfehlerhaft übergangen, insbesondere unter Verstoß gegen § 286 ZPO hierzu angetretenen Beweis nicht erhoben habe. Nach dem Inhalt der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Schriftsätze hat der Kläger im übrigen auch nicht zu diesem wesentlichen Punkt, sondern nur zum Inhalt der Unterredung zwischen dem Prozeßbevollmächtigten der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten Beweis angetreten.
e) Scheitert die Anwendung des § 162 Abs. 2 BGB, soweit es die Genehmigung des Vergleichs durch den Beklagten als Sequester betrifft, bereits aus diesen Gründen, so kommt es auf die rechtlichen Folgen der Genehmigung für die konkursrechtliche Einordnung der Abfindungsforderungen nicht mehr an. Es kann deshalb offenbleiben, ob bei Genehmigung des Vergleichs nach Konkurseröffnung eine Masseschuld entstanden wäre, durch die vorher erteilte Genehmigung dagegen eine einfache Konkursforderung begründet worden und dem Kläger hierdurch ein Nachteil entstanden ist. Eine höchstrichterliche Entscheidung über den Konkursrang einer in einem nach Konkurseröffnung wirksam gewordenen Vergleich vereinbarten Abfindung liegt noch nicht vor. Der Senat hat in dem Urteil vom 6. Dezember 1984 - 2 AZR 348/81 - (ZIP 1985, 490) entschieden, daß Ansprüche auf Abfindungen gemäß §§ 9, 10 KSchG aus einem in einem Kündigungsschutzverfahren vor Eröffnung des Vergleichsverfahrens abgeschlossenen und wirksam gewordenen Vergleich im Konkurs einfache Konkursforderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO sind. Der - insoweit vom Bundesverfassungsgericht (AP Nr. 22 zu § 112 BetrVG 1972) nicht beanstandete - Beschluß des Großen Senats vom 13. Dezember 1978 (BAG 31, 176 = AP Nr. 6 zu § 112 BetrVG 1972, Teil III B der Gründe) sowie das Urteil des Ersten Senats vom 30. April 1984 (BAG 45, 357 = AP Nr. 23 zu § 112 BetrVG 1972) befassen sich mit dem Konkursrang von Abfindungen, die in einem vom Konkursverwalter abgeschlossenen Sozialplan nach § 112 BetrVG 1972 vereinbart wurden, und sind deshalb für den vorliegenden Fall nicht einschlägig.
f) An der fehlenden Feststellung, daß der Kläger die Realisierbarkeit der Abfindung als maßgebend für den Vergleichsabschluß angesehen und dies erkennbar zum Ausdruck gebracht hat, scheitert letztlich auch die Anwendung des § 162 Abs. 2 BGB, soweit der Kläger dem Beklagten vorwirft, er habe in seiner Eigenschaft als Konkursverwalter, der nunmehr auch die Rechte und Pflichten der Gemeinschuldnerin als Partei des Prozeßvergleichs habe beachten müssen, den Vergleich nicht widerrufen und hierdurch sein Zustandekommen treuwidrig herbeigeführt. Mußte der Beklagte nach dem Inhalt der Unterredung mit dem Prozeßbevollmächtigten der Gemeinschuldnerin nicht davon ausgehen, daß es dem Kläger entscheidend auf die Realisierbarkeit der Abfindungssumme ankam, so handelte er nicht treuwidrig, wenn er von dem nach Konkurseröffnung bestehenden Widerrufsrecht keinen Gebrauch machte. Denn als Konkursverwalter hatte er im Rahmen seiner Verwaltungsbefugnisse die Gesamtinteressen der Konkursgläubiger zu berücksichtigen. Insoweit gelten die zu den Pflichten des Sequesters angestellten Überlegungen des Berufungsgerichts entsprechend.
Nur wenn der Kläger sich aus dem von ihm behaupteten Grund auf den Vergleich eingelassen hätte und dem Beklagten dies positiv bekannt gewesen wäre, könnte in dem Unterlassen des Vergleichswiderrufs eine Treuwidrigkeit gegenüber dem Kläger in Betracht gezogen werden. Denn es war auch zum damaligen Zeitpunkt keineswegs offensichtlich, daß der Kläger anderenfalls den Kündigungsschutzprozeß fortgesetzt hätte, um sich wesentlich höhere Verzugslohnansprüche wenigstens für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung als Masseschulden zu sichern. Zwar hatte der Vorsitzende der Berufungskammer ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 15. November 1982 die Aussichten des Kündigungsschutzverfahrens für den Kläger günstig beurteilt. Jedoch hätten dem Kläger im Falle seines Obsiegens keine Verzugslohnansprüche mit dem Rang von Masseschulden in einem die Abfindungssumme erheblich übersteigenden Umfang zugestanden. Nach seinem eigenen Vorbringen im Termin vom 15. November 1982 war er etwa neun Monate arbeitslos gewesen und hatte dann in einem neuen Arbeitsverhältnis einen um 1,-- DM geringeren Stundenlohn erhalten. Der völlige Lohnausfall erstreckte sich danach auf den Zeitraum vom 24. Oktober 1981 bis längstens 24. Juli 1982. Auf die letzten sechs Monate vor der am 1. Dezember 1982 beschlossenen Konkurseröffnung entfielen somit nur höchstens zwei Monatsgehälter, mithin 5.600,-- DM brutto. Nur dieser Teil des vom Kläger zuletzt auf insgesamt 21.774,40 DM bezifferten Verzugslohns wäre somit nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO Masseschuld geworden, sieht man von der geringen Differenz zwischen dem bisherigen und dem späteren Lohn für diesen Zeitraum ab. Da zudem nach den Hinweisen des Vorsitzenden der Berufungskammer auch noch eine Beweisaufnahme in Betracht zu ziehen war, konnte die Einwilligung des Klägers in die vereinbarte Abfindungssumme von 5.000,-- DM nach den damals erkennbaren Umständen maßgeblich von dem auch für ihn noch bestehenden Risiko des Ausgangs des Kündigungsschutzverfahrens bestimmt gewesen sein.
III.Bereits die vorstehenden Ausführungen zur Frage der Treuwidrigkeit des Verhaltens des Beklagten führen zu dem Ergebnis, daß ihm weder als Sequester noch als Konkursverwalter Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB vorgeworfen werden kann, wenn er den Vergleich genehmigte und nicht widerrief. Auch in diesem Punkt bleiben die Angriffe der Revision gegen das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis erfolglos.
IV. Auch die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte zumindest die Anfechtung des Prozeßvergleichs wegen arglistiger Täuschung für begründet ansehen müssen, greift nicht durch.
1. Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, die Gemeinschuldnerin habe weder Tatsachen vorgespiegelt noch unterdrückt. Dem Kläger sei bekannt gewesen, daß sie unter Sequestration gestanden habe. Daher hätten die Beteiligten jederzeit mit dem Übergang in das Konkursverfahren rechnen müssen. Soweit der Kläger eine arglistige Täuschung in dem Vortrag des Sequesters zu sehen scheine, beziehe sich sein Vortrag auf den Zeitpunkt der Zustimmung des Sequesters zum Vergleich, nicht jedoch auf den hier allein entscheidenden Zeitpunkt der Protokollierung.
2. Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 123 BGB kann eine Willenserklärung anfechten, wer zu ihrer Abgabe durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist. Die Täuschungshandlung muß demgemäß vor Abgabe der Willenserklärung vorgenommen worden sein. Der Kläger hat jedoch nicht vorgetragen, daß er bei Vergleichsabschluß am 15. November 1982 von dem Prozeßbevollmächtigten der Gemeinschuldnerin, auf dessen Verhalten es nach § 166 Abs. 1 BGB ankommt, getäuscht worden sei. Sein Vortrag bezieht sich vielmehr auf das Verhalten des Beklagten sowie des Prozeßbevollmächtigten der Gemeinschuldnerin nach Vergleichsabschluß. Die auf § 123 BGB gestützte Anfechtung ist somit bereits aus diesem Grunde unwirksam.
V. Das Berufungsgericht hat auch die weiteren Einwendungen des Klägers, der Prozeßvergleich sei wegen Einigungsmangels nicht zustande gekommen, wegen Wegfalls der Vergleichsgrundlage nach § 779 BGB sowie der auf Irrtum gestützten Anfechtung nach § 119 BGB unwirksam, jedenfalls im Ergebnis zu Recht für unbegründet angesehen. Die Revision macht insoweit keine näheren Ausführungen, sondern rügt nur allgemein die Verletzung materiellen Rechts. Der Senat beschränkt sich deshalb auf folgende Hinweise:
1. Zum Einigungsmangel hat das Berufungsgericht ausgeführt, ein offener Einigungsmangel nach § 154 Abs. 1 BGB liege nicht vor, weil sich die Parteien des Vergleichs auch nach dem Vortrag des Klägers keines Einigungsmangels bewußt gewesen seien. Auch ein versteckter Einigungsmangel nach § 155 BGB bestehe nicht, weil beide Parteien Willenserklärungen abgegeben hätten, die in ihrem objektiven Erklärungsinhalt übereinstimmten. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
2. Die weiteren Einwendungen, der Vergleich sei nach § 779 BGB und aufgrund der auf Irrtum nach § 119 BGB gestützten Anfechtung unwirksam, scheitern in jedem Falle an der fehlenden Feststellung, daß die Realisierung der Abfindungssumme, sei es als Masseschuld im Konkurs, sei es durch Auszahlung vor Konkurseröffnung, vom Kläger als maßgebend für den Vergleichsabschluß angesehen worden und bei den Verhandlungen über den Vergleichsabschluß auch erkennbar zum Ausdruck gekommen ist.
Hillebrecht Dr. Röhsler Triebfürst
Wellhausen Ramdohr
Fundstellen
ZIP 1985, 1510 |
ZIP 1985, 1510-1514 (ST1-2) |