Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeitbeschäftigter Lehrer. Ausschlußfrist. Übliche Vergütung
Normenkette
BeschFG 1985 § 2 Abs. 1; BGB §§ 134, 611, 612 Abs. 2, § 242; BAT §§ 70, 3 Buchst. Q; TVG § 1 Auslegung
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 05.12.1990; Aktenzeichen 2 Sa 246/90) |
ArbG Koblenz (Urteil vom 15.02.1990; Aktenzeichen 1 Ca 1850/88) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Dezember 1990 – 2 Sa 246/90 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis zum 31. Juli 1989 anteilige Vergütung nach dem BAT sowie für die Jahre 1986 bis 1989 die anteilige Jahreszuwendung („13. Monatsgehalt”) zu zahlen.
Der am 26. März 1954 geborene Kläger hat das Zweite Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien abgelegt. Er ist seit dem 13. August 1985 – zunächst befristet, sodann unbefristet – an der Bundeswehrfachschule der Beklagten in K. als Teilzeitlehrer beschäftigt. Seine wöchentliche Unterrichtszeit lag zwischen sieben und elf Stunden. Vollzeitbeschäftigte Lehrer mit der gleichen Aasbildung wie der Kläger haben wöchentlich 23 Unterrichtsstunden zu erteilen. Neben seinem Unterricht an der Bundeswehrfachschule war der Kläger – zwar jeweils befristet, teilweise aber in erheblich größerem Umfang als bei der Beklagten – auch noch für andere Arbeitgeber als Lehrkraft tätig. Bei der Beklagten erhält der Kläger eine Vergütung nach Jahreswochenstunden und bleibt damit erheblich unter der anteiligen Vergütung der bei der Beklagten tätigen und nach der Anlage 1 a zum BAT vergüteten angestellten Lehrkräfte.
Der Kläger hat geltend gemacht, die mit ihm vereinbarten Vergütungen nach Jahreswochenstunden verstießen gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985. Mit seiner am 11. November 1988 eingereichten Klage verlangt er die Nachzahlung der Vergütungsdifferenz, die sich aus der ihm gewährten Bezahlung und der ihm nach seiner Ansicht zustehenden anteiligen Vergütung auf der Grundlage des BAT ergibt. Weiter verlangt er die anteilige Gewährung der Jahreszuwendung für die Jahre 1986 bis 1989. Der Betrag der anteiligen Gehaltsdifferenz und der Betrag der anteiligen Jahreszuwendung sind zwischen den Parteien unstreitig.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 38.615,30 DM brutto nebst je 4 % Zinsen aus den Nettobeträgen von 36.150,60 DM brutto seit dem 15. November 1988 und von 2.464,70 DM brutto seit dem 15. Februar 1990 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen: Der Kläger sei überwiegend bei anderen Arbeitgebern beschäftigt gewesen. Seine Tätigkeit an der Bundeswehrfachschule habe daher nicht die Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz dargestellt. In einem solchen Falle sei eine geringere Vergütung für den teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer aber sachlich gerechtfertigt. Die vom Kläger weiter verlangte Jahreszuwendung stelle keinen Teil der Vergütung dar. Eine Gleichstellung teilzeitbeschäftigter Lehrer komme allenfalls bei der Vergütungszahlung in Betracht, nicht jedoch bei der Gewährung der Jahreszuwendung. Schon aus diesem Grunde sei das Verlangen des Klägers nicht berechtigt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die für die Zeiten ab dem 1. Januar 1986 getroffenen Vergütungsabreden der Parteien verstießen gegen das Benachteiligungsverbot für Teilzeitbeschäftigte in § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 und seien gemäß § 134 BGB nichtig. Daher stehe dem Kläger die verlangte Vergütung gemäß § 612 Abs. 2 BGB zu. Diese Vergütung umfasse nicht nur das anteilige monatliche Gehalt, sondern auch die anteilige Jahreszuwendung, weil diese ebenfalls zu der ortsüblichen Leistung für teilzeitbeschäftigte Lehrer im öffentlichen Dienst gehöre. Eine Anwendung der Ausschlußklausel des § 70 BAT auf die Klageforderung hat das Landesarbeitsgericht verneint.
Das Landesarbeitsgericht hat auf den von ihm festgestellten Sachverhalt die Erwägungen des Senats im Teil-Urteil vom 25. Januar 1989 (BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985) angewandt. Im diesem Ausgangspunkt ist ihm beizupflichten. Aber auch in den übrigen Teilen seiner Begründung ist ihm zu folgen.
II.1. Der Senat hat – seit seiner eben genannten ersten einschlägigen Entscheidung vom 25. Januar 1989 – bei der Frage der Vergütung teilzeitbeschäftigter Lehrer im Angestelltenverhältnis die Vergütung nach Jahreswochenstunden wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 in Verbindung mit § 134 BGB für rechtsunwirksam angesehen und ausgeführt, an die Stelle der entfallenen Vergütungsregelung trete die nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmende übliche Vergütung. Die im öffentlichen Dienst als die übliche Vergütung im Sinne der genannten Vorschrift anzusehende Vergütung sei im Hinblick auf die im öffentlichen Dienst herrschende Übung, nach Tarif zu vergüten, die tarifliche Vergütung. Daher hätten die teilzeitbeschäftigten Lehrer anstelle der Vergütung nach Jahreswochenstunden Anspruch auf anteilige Vergütung, wie sie den jeweils vollzeitbeschäftigten angestellten Lehrern zustehe (vgl. BAGE 61, 43, 50 f. = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985, zu IV 1 der Gründe; vgl. weiter Senatsurteil vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 –, zu II der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Hieran wird festgehalten.
2. Zu der ortsüblichen Vergütung im Sinne des § 612 Abs. 2 BGB gehört auch die Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld) nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte im öffentlichen Dienst vom 12. Oktober 1973. Das hat der Sechste Senat im Urteil vom 6. Dezember 1990 (– 6 AZR 159/89 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) mit ausführlicher Begründung entschieden (vgl. zu II 1 der Gründe). Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.
3. Die Tatsache, daß der Kläger neben seiner – inzwischen unbefristeten – Tätigkeit für die Beklagte noch anderen Unterrichtstätigkeiten bei wechselnden Schulträgern und mit unterschiedlichem Zeitumfang nachging, kann an dem bisherigen Ergebnis nichts ändern. Bei den erwähnten Tätigkeiten des Klägers handelte es sich ebenfalls, wie das Landesarbeitsgericht für den Senat bindend festgestellt hat (§ 561 Abs. 2 ZPO), um Teilzeitbeschäftigungen, die jeweils nur kurzzeitig ausgeübt wurden. Eine anderweitige befristete Teilzeitbeschäftigung bedeutet aber keinen sachlichen Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985, um eine unterschiedliche Vergütung zu rechtfertigen.
Allerdings kann die soziale Lage eines teilzeitbeschäftigten Lehrers dann als sachlicher Grund im Sinne des § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 gewertet werden, wenn der Lehrer neben seiner Teilzeitbeschäftigung eine Haupttätigkeit ausübt, aus welcher er für sich und seine Familie eine auskömmliche und gesicherte Existenzgrundlage gewinnt (Senatsurteil vom 22. August 1990 – 5 AZR 543/89 –, zu II 2 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die verschiedenen, jeweils nur befristet ausgeübten Teilzeitbeschäftigungen des Klägers an anderen Schulen bedeuteten aber keine Haupttätigkeit, aus der er eine sichere Existenzgrundlage finden konnte. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Es darf dem Kläger nicht zum Nachteil ausschlagen, daß er außer der Teilzeitbeschäftigung bei der Beklagten noch andere Teilzeitbeschäftigungen aufgenommen hat. Letztlich blieb ihm aus wirtschaftlichen Gründen gar nichts anderes übrig, wenn er nicht auf Sozialhilfe zurückgreifen wollte. Daß er dies nicht getan hat, kann ihm nicht vorgeworfen werden.
III. Die Ansprüche des Klägers sind weder verfallen (§ 70 BAT) noch verwirkt (§ 242 BGB).
1. § 612 Abs. 2 BGB betrifft die Höhe der Vergütung, Diese ist im öffentlichen Dienst üblicherweise die tarifliche Vergütung. Die rein rechnerische Größe einer bestimmten Vergütung umfaßt aber nicht auch gleichzeitig noch andere – etwa rein rechtliche – Merkmale, die zum Wesen einer bestimmten tariflichen Vergütung gehören können. Vor allem ist es der rechnerischen Höhe einer Vergütung nicht wesenseigen, an eine bestimmte tarifliche Ausschlußklausel gebunden zu sein (so ausdrücklich Senatsurteil vom 26. September 1990 – 5 AZR 112/90 –, zu II 1 der Gründe, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Weiter darf nicht übersehen werden, daß es eine „tarifliche Vergütung” für angestellte Lehrer nicht gibt. Nach Nr. 5 der Vorbemerkungen zu allen Vergütungsgruppen gilt die Anlage 1 a zum BAT nicht für Angestellte, die als Lehrkräfte beschäftigt sind. Ihre Vergütung wird durch ministerielle Eingruppierungserlasse geregelt, deren Inhalt jedoch arbeitsvertraglich vereinbart werden muß (vgl. BAG Urteil vom 30. Januar 1980 – 4 AZR 1098/77 – AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, m.w.N.). Deshalb sind die Vergütungen der unter Nr. 5 der Vorbemerkungen fallenden Beschäftigten solche vertraglicher Art, und lediglich ihre Höhe ist durch Heranziehung der Vergütungssätze des BAT an der tariflichen Vergütung ausgerichtet. Hieraus ergeben sich zusätzliche Bedenken dagegen, die Ausschlußklausel des BAT mit der nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmenden Höhe der Vergütung in Verbindung zu bringen.
2. Da eine unmittelbare Geltung des § 70 BAT für die streitbefangene Zeit schon deswegen nicht in Betracht kommt, weil § 3 Buchst. q BAT in der bis zum 31. Dezember 1987 maßgeblichen Fassung Angestellte mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit eines entsprechenden vollzeitbeschäftigten Angestellten von der Tarifgeltung ausschloß (und auch weiterhin in nur geringfügig verändertem zeitlichen Umfang ausschließt), hätten die Parteien die Anwendbarkeit des § 70 BAT vertraglich vereinbaren müssen (wie dies in dem vom Senat am 25. Januar 1989, BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985, entschiedenen Rechtsstreit der Fall war). Daß dies geschehen sei, ist nicht festgestellt und von den Parteien auch nicht vorgetragen worden.
3. Der Kläger braucht sich nicht entgegenhalten zu lassen, er wolle zwar die Vorteile der tariflichen Vergütung für sich in Anspruch nehmen, andererseits aber die damit üblicherweise verbundenen Ausschlußregelungen nicht gegen sich gelten lassen. Tarifliche Ausschlußklauseln müssen, wenn sie nicht kraft Tarifgebundenheit der Vertragsparteien gelten, ausdrücklich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung wäre auch für die ursprünglichen Vertragsbeziehungen der Parteien zulässig gewesen. Daß sie für den Kläger nicht getroffen worden ist, kann nicht zu seinem Nachteil ausschlagen.
4. Schließlich kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, der Anspruch des Klägers sei wegen illoyaler Verspätung gemäß § 242 BGB verwirkt. Zur Verwirkung gehört auch der Umstand, daß dem Schuldner die Erfüllung der verspätet geltend gemachten Forderung nach Treu und Glauben nicht mehr zuzumuten ist. Daß dies der Fall sei, dazu hat die Beklagte nichts vorgetragen.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Kahler, Kessel
Fundstellen