Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkursausfallgeld und tarifliche Ausschlußfrist
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach ihrem Sinn und Zweck sollen tarifliche Ausschlußfristen alsbald Klarheit darüber schaffen, ob noch Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis bestehen.
2. Wenn ein Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen die Lohn- und Gehaltszahlungen an seine Arbeitnehmer einstellt, greift diese Klarstellungsfunktion nicht mehr ein. Es erscheint daher fraglich, kann aber noch offenbleiben, ob tarifliche Ausschlußfristen in solchen Fällen anzuwenden sind.
Orientierungssatz
Auslegung des § 10 des Manteltarifvertrages für den Groß- und Außenhandel des Landes Hessen in der Fassung vom 20.2.1973.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche, die die Klägerin aus übergegangenem Recht nach § 141 m AFG gegen den Beklagten geltend macht.
Der Beklagte war Gesellschafter der Firma K P OHG und der Firma I Holz- und Platten-Handelsgesellschaft mbH. Wegen Zahlungsunfähigkeit stellten die OHG am 15. Dezember 1975 und die GmbH am 20. Dezember 1975 ihren Geschäftsbetrieb ein. Konkursverfahren kamen mangels Masse nicht in Betracht. Bis Ende Dezember 1975 wurden die Arbeitsverhältnisse mit allen Beschäftigten aufgelöst. Auf die Arbeitsverhältnisse fand kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Manteltarifvertrag (MTV) für den Groß- und Außenhandel des Landes Hessen in der Fassung vom 20. Februar 1973 Anwendung. In § 10 des MTV ist bestimmt:
"1. Gehalt und Lohn sind am Schluß des vereinbarten
Entgeltzeitraums ... fällig ...
2. Der Anspruch nach Ziffer 1 sowie alle übrigen
Ansprüche aus dem Tarifvertrag sind binnen zwei
Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu
machen...
Weitere Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag sind
spätestens zwei Monate nach Beendigung des Ar-
beitsverhältnisses schriftlich anzuzeigen.
3. Die Ansprüche nach Ziffer 1 und 2 erlöschen,
wenn sie nicht innerhalb der darin festgesetzten
Frist schriftlich dem anderen Vertragspartner
gegenüber erhoben werden."
Innerhalb von zwei Monaten nach den Betriebseinstellungen beantragten die Arbeitnehmer der OHG und der GmbH bei der Klägerin Konkursausfallgeld. Dazu erteilten die OHG und die GmbH auf einem von der Klägerin herausgegebenen Formblatt Verdienstbescheinigungen für ihre Arbeitnehmer. Die Klägerin zahlte daraufhin an die Arbeitnehmer der OHG Konkursausfallgeld in Höhe von 159.007,90 DM und an die Arbeitnehmer der GmbH in Höhe von 8.621,20 DM.
Die OHG hatte bereits unter dem 1. Dezember 1975 dem Präsidenten des Landesarbeitsamtes Hessen gemäß § 17 KSchG mitgeteilt, sie beabsichtige, den Betrieb zum 15. Dezember 1975 einzustellen; sie könne die rückständigen Löhne und Gehälter einschließlich Steuern und Abgaben für ihre Arbeitnehmer nicht bezahlen. Sie beantrage daher, die gegenüber ihren Arbeitnehmern bestehenden Verbindlichkeiten zunächst aus der Konkursausgleichskasse abzudecken. In einem weiteren Schreiben der OHG an den Präsidenten des Landesarbeitsamts Hessen vom 4. Dezember 1975 heißt es wörtlich:
"Aufgrund des Vorgenannten gehen wir davon aus,
daß die Konkurausgleichskasse zunächst die An-
sprüche unserer Arbeitnehmer und die entsprechen-
den gesetzlichen Versicherungsträger befriedigen
wird.
Unabhängig von dem Vorgenannten bemühen sich unsere
Rechts- und Unternehmensberater im Einvernehmen mit
den durch entsprechende Grundschulden abgesicherten
Gläubigern (Banken), das Anlagevermögen unserer Ge-
sellschaft so günstig zu verpachten, daß zu einem
späteren Zeitpunkt (Mitte des nächsten Jahres) ein
außergerichtlicher Vergleich mit nicht bevorrech-
tigten Gläubigern möglich sein wird.
Sollten diese Bemühungen erfolgreich sein, haben wir
vorgemerkt, daß in diesem Zusammenhang die Konkurs-
ausgleichskasse bevorrechtigter Gläubiger sein wird,
so daß durch die eingeleiteten Maßnahmen die Rücker-
stattung der dadurch vorgelegten Gelder nicht auszu-
schließen ist."
Mit Schreiben vom 24. März 1976 verlangte die Klägerin von dem Beklagten Zahlung der in Höhe des gewährten Konkursausfallgeldes auf sie übergegangenen rückständigen Vergütungen der Arbeitnehmer der OHG und der GmbH sowie der von ihr aufgewendeten Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 196.111,30 DM bis zum 10. Mai 1976. Außerdem stellte sie dem Beklagten anheim, einen Stundungsantrag zu stellen. Hierauf antwortete die OHG mit einem Schreiben vom 12. April 1976, in dem sie Stundung für sich und den Beklagten beantragte und einen Ratenzahlungsvorschlag machte. Gleichzeitig gab sie Kenntnis von einem Vergleichsangebot an die Gläubiger der OHG und der GmbH. Mit Schreiben vom 28. Mai 1976 stundete die Klägerin die vorläufige Forderung bis zum 30. Juni 1977. Von diesem Zeitpunkt ab sollte der Beklagte die Forderung in vierteljährlichen Raten von 12.500,-- DM tilgen.
Die in Aussicht gestellten Ratenzahlungen erfolgten nicht. Der beabsichtigte Gesamtvergleich mit allen Gläubigern war nicht zustande gekommen, was die OHG und die GmbH der Klägerin nicht mitteilten.
Mit einem am 1. März 1979 beim Arbeitsgericht eingereichten und am 3. März 1979 zugestellten Mahnbescheid hat die Klägerin die Erstattung der an die Arbeitnehmer der OHG und der GmbH ausgezahlten Löhne und Gehälter vom Beklagten begehrt. Die Klägerin hat, soweit für die Revision noch erheblich, die Auffassung vertreten, der Beklagte hafte als Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der OHG. Die gemäß § 141 m AFG auf sie übergegangenen Ansprüche auf Arbeitsentgelt seien weder verfallen noch verjährt. Die tariflichen Ausschlußfristen seien nach ihrem Sinn und Zweck auf die übergegangenen Ansprüche nicht anzuwenden. Das Konkursausfallgeld diene der Absicherung der Lohn- und Gehaltsansprüche der Arbeitnehmer und sei lediglich als Ersatz für die Verpflichtung des Arbeitgebers anzusehen. Außerdem habe die OHG durch die Ausstellung von Verdienstbescheinigungen für jeden einzelnen Arbeitnehmer deren Ansprüche auf Arbeitsentgelt anerkannt. Auch in den Schreiben der OHG vom 1. und 4. Dezember 1975 seien die Ansprüche dem Grunde nach anerkannt. Es sei daher rechtsmißbräuchlich, wenn der Beklagte sich auf die tarifliche Ausschlußfrist berufe. Die Ansprüche seien auch nicht verjährt. Die Verjährung sei durch den Abschluß eines Vergleichs bis zum 30. Juni 1977 unterbrochen worden.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie 167.630,90 DM zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat geltend gemacht, die Lohnforderungen seien erloschen, weil sie nicht innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist angemeldet worden seien. In den Verdienstbescheinigungen sei kein Anerkenntnis zu erblicken. Im übrigen seien die Forderungen auch verjährt. Ein Vergleich sei nicht zustande gekommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht den Beklagten zur Zahlung von 159.007,90 DM verurteilt. Das sind die rückständigen Löhne und Gehälter, die den Anspruch auf Konkursausfallgeld für die Arbeitnehmer der OHG begründet haben. Soweit die Klägerin Ansprüche wegen der an die Arbeitnehmer der GmbH ausgezahlten Beträge in Höhe von 8.621,20 DM verfolgt hat, hat das Landesarbeitsgericht die Berufung zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, an die Klägerin den in der Revisionsinstanz noch im Streit befindlichen Betrag von 159.007,90 DM zu zahlen. Der Klägerin steht dieser Anspruch aus übergegangenem Recht nach § 141 m AFG in Verbindung mit § 611 BGB zu.
1. Bei der Klageforderung handelt es sich um rückständige Entgeltansprüche der Arbeitnehmer der OHG aus den letzten drei Monaten vor Eintritt der Insolvenz (§ 141 b Abs. 1 in Verbindung mit § 141 b Abs. 3 Nr. 2 AFG). Als Gesellschafter der OHG haftet der Beklagte für diese rückständigen Lohn- und Gehaltsforderungen nach § 128 HGB in Verbindung mit § 421 BGB. Nach § 141 m AFG gehen Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die den Anspruch auf Konkursausfallgeld begründen, mit Eingang des Antrags auf Konkursausfallgeld auf die Klägerin über.
2. Diese, der Höhe nach unstreitigen Vergütungsansprüche sind nicht wegen Versäumung der tariflichen Ausschlußfrist verfallen.
a) Nach § 10 Ziffer 1 des Manteltarifvertrags für den Groß- und Außenhandel des Landes Hessen werden Lohn- und Gehaltsansprüche am Schluß des vereinbarten Entgeltzeitraums fällig; nach § 10 Ziffer 2 MTV sind sie innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.
Die Lohn- und Gehaltsansprüche für September 1975 waren am 30. September 1975 fällig und die Arbeitnehmer hätten sie nach der tariflichen Ausschlußklausel bis zum 30. November 1975 schriftlich geltend machen müssen. Die Entgeltansprüche für Oktober, November und Dezember 1975 waren jeweils am Monatsende fällig und spätestens innerhalb von zwei weiteren Monaten anzumelden. Wurden die vorgenannten Fristen versäumt und waren deshalb die Ansprüche schon beim Übergang auf die Klägerin erloschen, so galt das auch im Verhältnis zur Klägerin. Ebenso mußte die Klägerin, soweit die Ausschlußfristen beim Forderungsübergang noch nicht abgelaufen waren, das nach dem Tarifvertrag Erforderliche unternehmen, um den Verfall der Forderungen zu verhindern. Das folgt aus §§ 404, 412 BGB (BAG Urteil vom 19. November 1968 - 1 AZR 213/68 - AP Nr. 40 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu 3 der Gründe; BAG Urteil vom 24. Mai 1973 - 5 AZR 21/73 - AP Nr. 52 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu 1 der Gründe; zuletzt BAG Urteil vom 8. August 1979 - 5 AZR 660/77 - AP Nr. 67 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).
b) Der Senat hält es allerdings für zweifelhaft, ob tarifliche Ausschlußfristen auf einen Sachverhalt der vorliegenden Art anzuwenden sind. Sinn und Zweck tariflicher Ausschlußfristen ist es, in kurzer übersehbarer Zeit Klarheit über das Bestehen von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis zu schaffen. So soll insbesondere im Fall noch ausstehender nicht erkennbarer Lohn- oder Gehaltsansprüche der Arbeitgeber in der tariflich bestimmten Frist erfahren, ob und in welchem Umfange der Arbeitnehmer noch Forderungen erhebt. Wenn jedoch - wie hier - ein Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen die Entgeltzahlungen an alle Arbeitnehmer einstellt, besteht gar kein Grund, durch Beachtung der tariflichen Ausschlußklausel klarzustellen, ob und welche Ansprüche offengeblieben sind. Hierüber kann bei dem Arbeitgeber, jedenfalls soweit nicht von ihren tatsächlichen Voraussetzungen her offene Ansprüche wie etwa Mehrarbeitsvergütungen in Frage stehen, kein Zweifel aufkommen. Zwar bezieht sich die vorliegend in Betracht zu ziehende tarifliche Ausschlußklausel auch auf die monatlich fällige Vergütung. Jedoch spricht viel dafür, daß die vorgeschriebene Geltendmachung auf die Verhältnisse im normalen Geschehensablauf ausgerichtet ist. Wenn einzelne oder auch mehrere Arbeitnehmer glauben, ihnen stünden noch Ansprüche zu, sollen sie damit hervortreten. Wenn dagegen der Arbeitgeber zahlungsunfähig ist und deshalb die in ihrer Höhe nicht zweifelhaften Ansprüche seiner Arbeitnehmer nicht erfüllt, kann eine trotzdem verlangte Geltendmachung nur eine Förmelei sein. Das zu erreichen, kann kaum Sinn und Zweck von Ausschlußfristen sein. Außerdem kann, wenn zweistufige Fristen zu beachten sind, also nach vergeblicher Geltendmachung fristgebunden Klage zu erheben ist, dies etwaige Sanierungsbemühungen stören oder gar verhindern, andererseits in großem Umfang sinnlosen Aufwand und erhebliche Kosten verursachen. Ausschlußfristen können ihren Zweck unter normalen wirtschaftlichen und betrieblichen Verhältnissen entfalten; beim Zusammenbruch eines Arbeitgebers wird ihr Eingreifen in jeder Richtung fragwürdig (vgl. dazu im Ansatz schon das Urteil vom 22. September 1982 - 5 AZR 421/80 - AP Nr. 42 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, auch zur Veröffentlichung in der Amt- lichen Sammlung des Gerichts bestimmt).
Dem Senat erscheint es daher zweifelhaft, ob tarifliche Ausschlußfristen anzuwenden sind in Fällen, in denen die Lohnzahlung ganz oder teilweise gegenüber allen oder einem Kreis von Arbeitnehmern wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Arbeitgebers unterbleibt (insoweit noch ohne Bedenken das Urteil des Senats vom 8. August 1979 - 5 AZR 660/77 - AP Nr. 67 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).
c) Im vorliegenden Fall bedarf die vorstehend aufgeworfene Frage noch keiner abschließenden Entscheidung. Denn das Berufungsgericht ist jedenfalls zu Recht davon ausgegangen, daß die Entgeltansprüche der Arbeitnehmer der OHG auch dann nicht verfallen sind, wenn man die tarifliche Verfallklausel hier für anwendbar hält.
aa) Die Lohn- und Gehaltsansprüche aus dem Monat Dezember 1975 sind bereits deshalb nicht verfallen, weil die OHG für diese Ansprüche innerhalb der bis Ende Februar 1976 reichenden Ausschlußfrist Verdienstbescheinigungen nach § 141 h Abs. 1 AFG erteilt hat. Damit sind die auf die Klägerin übergegangenen Forderungen streitlos gestellt. Sie brauchten nicht nochmals geltend gemacht zu werden; der Zweck der Ausschlußklausel war bereits erreicht (vgl. BAG Urteil vom 8. August 1979 - 5 AZR 660/77 - AP Nr. 67 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, mit zustimmender Anmerkung von Uhlenbruck; ferner BAG Urteil vom 20. Oktober 1982 - 5 AZR 110/82 - AP Nr. 76 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, auch zum Abdruck in der Entscheidungssammlung bestimmt). Diese Auffassung wird auch in der Literatur nahezu einstimmig vertreten (vgl. Hennig/Kühl/Heuer, AFG, Std. Febr. 1983, § 141 m Anm. 2; Krebs, AFG, Bd. II, Std. Mai 1983, § 141 m Rz 5; Gagel, AFG, Kommentar zu § 141 a bis 141 n AFG, § 141 h Rz 6). Eine rechtsfehlerhafte Auslegung des § 10 Ziffer 3 MTV, wie die Revision sie annimmt, ist nicht ersichtlich.
bb) Soweit der Beklagte sich hinsichtlich der Entgeltansprüche für die Monate September bis November 1975 auf die Ausschlußfrist beruft, ist dies rechtsmißbräuchlich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht die Anwendung einer Ausschlußklausel unter dem Grundgedanken des § 242 BGB (BAG 14, 140, 145 = AP Nr. 9 zu § 59 BetrVG; BAG Urteil vom 3. Dezember 1970 - 5 AZR 208/70 - AP Nr. 46 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; vgl. auch Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 405). Nach den Schreiben der OHG vom 1. Dezember 1975 und insbesondere vom 4. Dezember 1975 konnte die Klägerin davon ausgehen, daß sich die OHG und, im Falle der persönlichen Inanspruchnahme auch der Beklagte, nicht auf die tarifliche Ausschlußfrist berufen werde, wenn die Klägerin Konkursausfallgeld an die Arbeitnehmer zahlte. Die OHG hatte in den Schreiben die Rückzahlung der Beträge in Aussicht gestellt. Dadurch wurde bei der Klägerin ein Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen sie nicht gehalten war, die Forderungen alsbald schriftlich gegenüber dem Beklagten geltend zu machen.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen insoweit Rechtsfehler nicht erkennen. Die alsbaldige Herstellung des Rechtsfriedens, auf den die Revision sich beruft und mit der sie die Anwendbarkeit der Ausschlußfrist begründet, ist gerade nicht in Frage gestellt, wenn der Schuldner deutlich zu erkennen gibt, daß er bereit ist, die Forderung zu erfüllen. Das Berufungsgericht hat die Schreiben vom 1. und 4. Dezember 1975 rechtsfehlerfrei ausgelegt.
3. Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß die auf die Klägerin übergegangenen Lohn- und Gehaltsansprüche nicht verjährt sind.
a) Lohn- und Gehaltsforderungen der Arbeitnehmer verjähren nach § 196 Nr. 8 BGB in zwei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Schluß des Jahres, in dem der Anspruch entsteht (§§ 201, 198 BGB). Die Verjährungsfrist der aus den Monaten September bis Dezember 1975 stammenden Entgeltansprüche endete damit am 31. Dezember 1977. Die Verjährung wird nicht durch den gesetzlichen Übergang der Forderungen auf die Klägerin berührt (RGZ 124, 111, 114; VersR 1974, 862, 863; Palandt/Heinrichs, BGB, 42. Aufl., § 404 Anm. 2 a).
b) Das Berufungsgericht hat in dem im Schreiben vom 12. April 1976 enthaltenen Stundungsgesuch der OHG ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB gesehen. Es hat daher angenommen, die Verjährung habe mit dem 30. Juni 1977 neu zu laufen begonnen. Bei Klageerhebung im März 1979 sei die zweijährige Verjährungsfrist somit nicht abgelaufen gewesen.
c) Diese Auffassung ist zutreffend. Die von der Revision hiergegen gerichteten Rügen sind nicht begründet.
aa) Für ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB genügt ein tatsächliches Verhalten des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, aus dem sich ergibt, daß dem Schuldner das Bestehen der Schuld bewußt ist, so daß der Gläubiger darauf vertrauen kann, daß der Schuldner sich nicht auf den Ablauf der Verjährung berufen werde (BGHZ 58, 103, 104 = NJW 1972, 525; BGH WPM 1978, 632, 633; Feldmann in MünchKomm BGB, § 208 Rz 4; Palandt/Heinrichs, aaO, § 208 Anm. 1). Das Stundungsgesuch wird dabei allgemein als ein "in anderer Weise" im Sinne des § 208 BGB zum Ausdruck gebrachtes tatsächliches Eingeständnis der Schuld erachtet (BGH NJW 1978, 1914; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 208 Rz 8; Palandt/Heinrichs, aaO, § 208 Anm. 2). Mit der im Schreiben vom 12. April 1976 geäußerten Bitte um Stundung begann somit eine neue zweijährige Verjährungsfrist zu laufen.
bb) Durch die zwischen der OHG und der Klägerin getroffene Stundungsvereinbarung wurde außerdem der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt.
Zu Unrecht wendet die Revision ein, das Stundungsgesuch habe unter der Bedingung gestanden, daß alle Gläubiger dem Vergleichsvorschlag zustimmten. Das Berufungsgericht habe dies nicht erkannt und die Willenserklärung nicht richtig ausgelegt.
Die Auslegung des Schreibens vom 12. April 1976 durch das Berufungsgericht läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Soweit der Beklagte behauptet, das Stundungsgesuch sei unter einer Bedingung abgegeben, hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß der Stundungsvorschlag unabhängig von dem zugleich ausgesprochenen Vergleichsvorschlag gesehen werden müsse. Die Klägerin hatte den Stundungsantrag angeregt. Die OHG hat diese Anregung aufgegriffen und in dem Schreiben vom 12. April 1976 den Stundungsantrag für sich und den Beklagten formuliert. Der Beklagte war auch unabhängig von dem Zustandekommen eines Gesamtvergleichs an der Stundung interessiert. Da ein Konkursverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen war, haftete der Beklagte für die Forderung in unbeschränktem Umfang. Durch die ihm gewährte Stundung der Forderung konnte er darauf vertrauen, daß die Klägerin die Forderung bis zu dem gestundeten Zeitpunkt (30. Juni 1977) nicht einfordern werde.
Der Revision kann auch nicht darin gefolgt werden, daß der Stundungsantrag der OHG und dessen Annahme durch die Klägerin nicht deckungsgleich seien. Die Klägerin hatte ihre Forderung stets nur als "vorläufige" bezeichnet, weil ihr der Umfang der Forderung noch nicht bekannt war. Sie hat sich deshalb bei der Bewilligung der Stundung und der Berechnung der Vierteljahresraten an den Betrag gehalten, den die OHG selbst in ihren Bericht über die Schuldenregulierung genannt hatte, nämlich ca. 246.000,-- DM.
Da die Klägerin der Stundungsbitte für den Zeitraum bis zum 30. Juni 1977 entsprochen hat, ist durch die im Anschluß an das Stundungsgesuch gemäß § 208 BGB eingetretene Unterbrechung die Verjährung der Forderung bis zu diesem Zeitpunkt gehemmt worden (§§ 202, 205 BGB). Abweichend von § 205 BGB begann nach dem Ende der Stundungszeit die Verjährung daher neu zu laufen (vgl. BGH NJW 1978, 1914, 1915; Palandt/Heinrichs, aaO, § 202 Anm. 2 a; Erman/Hefermehl, BGB, 7. Aufl., § 202 Rz 6). Die damit bis zum 30. Juni 1979 reichende Verjährungsfrist war daher noch nicht abgelaufen, als sie mit der Zustellung des am 1. März 1979 beantragten Mahnbescheids erneut unterbrochen wurde (§ 209 BGB).
Dr. Thomas Schneider Michels-Holl Schleinkofer Fischer
Fundstellen
BAGE 43, 71-79 (LT1-2) |
BAGE, 71 |
DB 1984, 138-139 (LT1-2) |
NJW 1984, 510-511 (LT1-2) |
BlStSozArbR 1984, 100-100 (T) |
WM IV 1983, 1292-1294 (LT1-2) |
ZIP 1983, 1374 |
ZIP 1983, 1374-1377 (LT1-2) |
AP § 4 TVG Ausschlußfristen (LT1-2), Nr 78 |
AR-Blattei, ES 970 Nr 52 (LT1-2) |
AR-Blattei, Konkurs Entsch 52 (LT1-2) |
EzA § 4 TVG Ausschlußfristen, Nr 55 (LT1-2) |