Entscheidungsstichwort (Thema)
Weihnachtszuwendung. Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR)
Normenkette
Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 01.02.1993; Aktenzeichen 8 (5) Sa 655/92) |
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 09.06.1992; Aktenzeichen 5 Ca 304/92 P) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 1. Februar 1993 – 8 (5) Sa 655/92 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Weihnachtszuwendung für das Jahr 1991.
Vom 16. Januar 1990 bis zum 30. September 1991 war die Klägerin als Erziehungshelferin in einer Kurklinik in O. beschäftigt. Träger dieser Kurklinik ist die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Augsburg e. V. Diese wandte auf das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (im folgenden: AVR) an. Dieses Arbeitsverhältnis wurde durch einen schriftlichen Aufhebungsvertrag vom 16. September 1991 zum 30. September 1991 beendet.
Ab dem 14. Oktober 1991 nahm die Klägerin bei der Beklagten eine Tätigkeit als Erziehungshelferin auf. Diesem Arbeitsverhältnis lag ein schriftlicher Dienstvertrag vom 15. Oktober 1991 zugrunde, demzufolge für das Dienstverhältnis ebenfalls die AVR in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung finden.
Die Klägerin verlangt für das Jahr 1991 von der Beklagten die Zahlung einer Weihnachtszuwendung nach den AVR in der Höhe des ihr im September 1991 gewährten Bruttomonatsgehaltes von 2.695,77 DM.
Die AVR lauten – soweit vorliegend von Interesse –:
„Anlage 1 zu den AVR
…
XIV Weihnachtszuwendung
(a) Der Mitarbeiter erhält beim Vorliegen der nachstehenden Voraussetzungen in jedem Kalenderjahr eine Weihnachtszuwendung.
(b) Die Weihnachtszuwendung wird dem Mitarbeiter gewährt, der am 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres im Dienstverhältnis steht, wenn er seit dem 1. Oktober ununterbrochen in einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche gestanden hat und nicht in der Zeit vor dem 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem am 1. Dezember bestehenden Dienst- oder Ausbildungsverhältnis ausscheidet, es sei denn, daß er im unmittelbaren Anschluß daran in ein Dienstverhältnis oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche eintritt. Der Mitarbeiter, der nicht seit dem 1. Oktober ununterbrochen in einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche gestanden hat, erhält die Weihnachtszuwendung, wenn er im laufenden Kalenderjahr insgesamt 6 Monate bei demselben Dienstgeber in einem Dienstverhältnis gestanden hat oder steht, sofern er die weiteren Voraussetzungen nach Satz 1 erfüllt.
…
(d) Hat ein Mitarbeiter die Weihnachtszuwendung nach Abs. (b) erhalten und scheidet er vor dem 31. März des folgenden Kalenderjahres aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus, so hat er sie in voller Höhe zurückzuzahlen. Die Pflicht zur Rückzahlung entfällt, wenn
- der Mitarbeiter im unmittelbaren Anschluß an sein Dienst- oder Ausbildungsverhältnis in ein Dienst- oder Ausbildungsverhältnis zu einem anderen Dienstgeber im Geltungsbereich der AVR oder in einen anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche übertritt,
- der Mitarbeiter aus einem der in Abs. (c) Nr. 1 c) und d) genannten Gründe gekündigt oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat,
- die Mitarbeiterin aus einem der in Abs. (c) Nr. 2 genannten Gründe gekündigt oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat.
(e) Die Weihnachtszuwendung beträgt – unbeschadet des Abs. (f) – 100 v. H. der dem Mitarbeiter nach § 2 der Anlage 14 zu den AVR während des Erholungsurlaubs zustehenden Bezüge, die diesem zugestanden hätten, wenn er während des ganzen Monats September Erholungsurlaub gehabt hätte.
…
(f) Mitarbeiter, die im laufenden Kalenderjahr nicht für alle Kalendermonate einen Anspruch auf Bezüge aus einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche hatten, erhalten eine gekürzte Weihnachtszuwendung. Sie beträgt für jeden Kalendermonat, für den der Mitarbeiter im laufenden Kalenderjahr Anspruch auf Bezüge aus einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche besaß, 1/12 der Weihnachtszuwendung gemäß Abs. (e). Die Weihnachtszuwendung ist von dem Dienstgeber zu zahlen, bei dem der Mitarbeiter im Monat Dezember des laufenden Kalenderjahres im Dienstverhältnis steht.
…
Anlage 15 zu den AVR Übergangsgeld
§ 2 Bemessung des Übergangsgeldes
(1) …
(2) Das Übergangsgeld beträgt für jedes volle Jahr der dem Ausscheiden vorangegangenen Zeiten, die seit der Vollendung des 18. Lebensjahres in einem oder mehreren ohne Unterbrechung aneinandergereihten Beschäftigungsverhältnissen im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche zurückgelegt sind, ein Viertel der Dienstbezüge des letzten Monats, höchstens jedoch das Vierfache der Dienstbezüge des letzten Monats.
(3) …
Als Unterbrechung im Sinne des Abs. 2 gilt jeder zwischen den Beschäftigungsverhältnissen liegende, einen oder mehrere Werktage – mit Ausnahme allgemein arbeitsfreier Werktage – umfassende Zeitraum, in dem ein Beschäftigungsverhältnis nicht bestand. Als Unterbrechung gilt es nicht, wenn der Mitarbeiter in dem zwischen zwei Beschäftigungsverhältnissen liegenden gesamten Zeitraum arbeitsunfähig krank war oder die Zeit zur Ausführung eines Umzuges an einen anderen Ort benötigt wurde.”
Die Klägerin meint, aus § 2 Abs. 3 der Anlage 15 zu den AVR ergebe sich, daß umzugsbedingte Unterbrechungen von den AVR unterliegenden Beschäftigungsverhältnissen allgemein nicht als Unterbrechungszeiten im Sinne der AVR zu werten seien. Sie sei in der Zeit zwischen der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses in O. und dem Beginn ihrer Tätigkeit bei der Beklagten von F. im Allgäu nach C. in der Pfalz umgezogen. Außerdem vertritt die Klägerin die Ansicht, mit dem Begriff „derselbe Dienstgeber” in Ziff. XIV (b) Satz 2 der Anlage 1 zu den AVR sei nicht nur derjenige Arbeitgeber gemeint, bei dem der Arbeitnehmer im Monat Dezember beschäftigt sei. Die AVR verstünden unter „demselben Dienstgeber” alle dem Deutschen Caritasverband angeschlossenen Einrichtungen, da diese als eine Dienstgemeinschaft angesehen würden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.695,77 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus einem Nettobetrag in Höhe von 1.800,00 DM seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie beruft sich darauf, daß nach dem Wortlaut der AVR umzugsbedingte Unterbrechungen von Beschäftigungsverhältnissen nur bei der Berechnung von Übergangsgeld nicht als Unterbrechungen gelten. Des weiteren hält sie Ziff. XIV (b) Satz 2 der Anlage 1 zu den AVR nur dann für anwendbar, wenn der Arbeitnehmer im laufenden Kalenderjahr mindestens insgesamt sechs Monate bei demjenigen Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei, in dessen Diensten er am 1. Dezember des Kalenderjahres stehe.
Ein Schlichtungsverfahren gemäß § 22 AVR haben die Parteien nicht durchgeführt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf eine Weihnachtszuwendung nach Ziff. XIV (b) Satz 1 der Anlage 1 zu den AVR für das Jahr 1991 gegen die Beklagte nicht zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klage sei trotz der Nichtdurchführung des Schlichtungsverfahrens nach § 22 AVR zulässig, weil die Durchführung dieses Verfahrens nicht als Prozeßvoraussetzung ausgestaltet sei.
Einen Anspruch auf die Weihnachtszuwendung hat das Landesarbeitsgericht deshalb verneint, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien erst seit dem 14. Oktober 1991 bestanden habe. Nachdem das frühere, ebenfalls den AVR unterliegende Arbeitsverhältnis der Klägerin aber bereits am 30. September 1991 geendet habe, habe sie seit dem 1. Oktober 1991 nicht ununterbrochen in einem dem Geltungsbereich der AVR unterliegenden Arbeitsverhältnis gestanden. Diese Unterbrechung vom 1. Oktober bis zum 14. Oktober 1991 sei zuwendungsschädlich.
§ 2 Abs. 3 der Anlage 15 zu den AVR betreffe nur den in dieser Anlage geregelten Fall des Übergangsgeldes und könne nicht auf den Fall der Weihnachtszuwendung angewandt werden.
Die Klägerin habe im Jahre 1991 bei der Beklagten nicht mindestens insgesamt sechs Monate in einem Arbeitsverhältnis gestanden, so daß sie nicht sechs Monate „bei demselben Dienstgeber in einem Dienstverhältnis” gestanden habe, was aber Voraussetzung für einen Anspruch auf eine Weihnachtszuwendung nach Ziff. XIV (b) Satz 2 der Anlage 1 zu den AVR wäre.
Einen Anspruch könne die Klägerin auch nicht aus Ziff. XIV (f) der Anlage 1 zu den AVR herleiten, weil dort nur die Höhe einer dem Grunde nach zustehenden Weihnachtszuwendung geregelt werde.
Der Klägerin stehe eine Weihnachtszuwendung auch nicht unter Rückgriff auf den Zweck der Zuwendung zu. Dieser ergebe sich letztlich aus den Voraussetzungen, von denen die Zahlung abhängig gemacht werde. Die Anspruchsvoraussetzungen der AVR für eine Weihnachtszuwendung erfülle die Klägerin aber gerade nicht.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im wesentlichen zuzustimmen.
1. Die Zulässigkeit der Klage scheitert nicht daran, daß die Parteien das in § 22 AVR vorgesehene Schlichtungsverfahren vor der Klageerhebung nicht durchgeführt haben. Es kann letztlich dahinstehen, ob es sich bei diesem Verfahren um ein zulässigerweise als Prozeßvoraussetzung ausgestaltetes Güte- oder Schlichtungsverfahren handelt. Selbst wenn es ein solches wäre, könnte dessen Nichtdurchführung nur dann zur Unzulässigkeit der Klage führen, wenn die beklagte Partei eine entsprechende Rüge vorgebracht hätte (vgl. zu einem Schlichtungsstellenverfahren nach den AVR des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland: BAG Urteil vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 130/93 – AP Nr. 3 zu § 12 AVR Diakonisches Werk; OLG Oldenburg, MDR 1987, 414; Baumbach, Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 49. Aufl., § 253 Grundzüge 4) und § 1025 Grundzüge 2) B. c); Zöller, ZPO, 18. Aufl., § 253 Vorbem. Rz 19 und § 128 Vorbem. Rz 32).
Eine solche Rüge hat die Beklagte im Rechtsstreit aber nicht erhoben.
2. Der Klägerin steht nach dem Wortlaut der Ziff. XIV (b) Satz 1 der Anlage 1 zu den AVR keine Weihnachtszuwendung für das Jahr 1991 zu.
Voraussetzung für einen solchen Anspruch wäre, daß die Klägerin seit dem 1. Oktober 1991 ununterbrochen in einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche gestanden hätte.
Da die Klägerin in der Zeit vom 1. Oktober 1991 bis einschließlich 13. Oktober 1991 in keinem solchen Dienst- oder Ausbildungsverhältnis gestanden hat, erfüllt sie diese Anspruchsvoraussetzungen nicht.
a) Zu ihren Gunsten greift nicht die Ausnahmebestimmung des § 2 Abs. 3 Satz 3 der Anlage 15 zu den AVR ein.
Diese Bestimmung bezieht sich nach ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Einordnung in die AVR nur auf die Frage, wie das Übergangsgeld für einen Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 1 der Anlage 15 zu den AVR zu berechnen ist.
Eine dem § 2 Abs. 3 Satz 3 der Anlage 15 zu den AVR vergleichbare Regelung fehlt bei den Vorschriften über die Weihnachtszuwendung in Ziff. XIV der Anlage 1 zu den AVR.
Diese Ausnahmevorschrift ist nicht in analoger Anwendung auf die Unterbrechung zwischen zwei Arbeitsverhältnissen im Rahmen der Ziff. XIV Satz 1 der Anlage 1 zu den AVR anzuwenden.
b) Es liegt bei der Regelung in Ziff. XIV (b) der Anlage 1 zu den AVR keine unbewußte Regelungslücke vor, welche ausgefüllt werden müßte.
Die AVR haben den Fall, daß ein Arbeitnehmer, der am 1. Dezember eines Jahres in einem den AVR unterliegenden Dienstverhältnis steht, ohne bereits seit dem 1. Oktober desselben Jahres ununterbrochen in einem solchen Dienstverhältnis oder einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche gestanden zu haben, nicht übersehen, sondern in Ziff. XIV (b) Satz 2 der Anlage 1 zu den AVR sogar ausdrücklich geregelt. Die AVR haben in diesem Zusammenhang aber keine dem § 2 Abs. 3 Satz 3 der Anlage 15 zu den AVR vergleichbare Regelung aufgenommen, obwohl auch in Ziff. XIV (b) Satz 2 der Anlage 1 zu den AVR darauf abgestellt wird, ob ein Arbeitnehmer ab 1. Oktober „ununterbrochen” in einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis gestanden hat. Dies läßt den Schluß zu, daß die AVR krankheits- oder umzugsbedingte Unterbrechungen zwischen zwei Arbeitsverhältnissen nicht entsprechend der Regelung über die Bemessung des Übergangsgeldes als unschädlich betrachten.
c) Auch Sinn und Zweck der Weihnachtszuwendung gebieten es nicht, die in § 2 Abs. 3 Satz 3 der Anlage 15 zu den AVR getroffene Regelung auf den zu entscheidenden Fall entsprechend anzuwenden.
Der Zweck einer Weihnachtszuwendung ergibt sich aus den jeweils normierten Anspruchsvoraussetzungen sowie den Ausschluß- bzw. Kürzungstatbeständen (BAG Urteil vom 24. März 1993 – 10 AZR 160/92 – AP Nr. 152 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 8. Dezember 1993 – 10 AZR 66/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Danach mag es zwar Zweck der Weihnachtszuwendung nach den AVR sein, den Arbeitnehmer für geleistete Dienste zusätzlich zu entlohnen, dem jeweiligen Normgeber steht es jedoch frei zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen dieser Zweck – nur – erreicht werden soll.
So wie es den Tarifvertragsparteien freisteht festzuschreiben, welche Dauer ununterbrochener Betriebs Zugehörigkeit an einem bestimmten – ebenfalls frei festgelegten – Stichtag vorliegen muß, um einen Anspruch auf eine Sonderzuwendung zu begründen, kann daher auch in den AVR frei bestimmt werden, welche ununterbrochene Beschäftigungsdauer am Stichtag 1. Dezember vorliegen muß, um einen Anspruch auf eine Weihnachtszuwendung entstehen zu lassen und damit geleistete Dienste zusätzlich zu entlohnen.
d) Es stellt keinen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz dar, daß bei der Berechnung des Übergangsgeldes eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses nicht angenommen wird, wenn der Arbeitnehmer in dem zwischen zwei Beschäftigungsverhältnissen liegenden gesamten Zeitraum arbeitsunfähig krank war oder wenn die Zeit zur Ausführung eines Umzuges an einen anderen Ort benötigt wurde (§ 2 Abs. 3 Satz 3 der Anlage 15 zu den AVR), bei der Ermittlung der Anspruchsvoraussetzungen für eine Weihnachtszuwendung eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses in solchen Fällen aber angenommen wird.
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet nur, daß Gleiches gleich behandelt wird. Ungleiches kann auch ungleich behandelt werden (ständige Rechtsprechung; vgl. für alle: BAG Urteil vom 14. Dezember 1993 – 10 AZR 661/92 –, für die Amtliche Sammlung und Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Zweck des Übergangsgeldes nach den AVR ist es, dem ohne eigene Veranlassung nach einer bestimmten Dienstzeit ausscheidenden Mitarbeiter eine finanzielle Überbrückungsleistung bis zum Eintritt in ein neues Arbeitsverhältnis zu gewähren (vgl. § 1 der Anlage 15 zu den AVR).
Zweck der Weihnachtszuwendung ist aber – wie bereits oben dargelegt – ein anderer.
Aufgrund dieser unterschiedlichen Zweckrichtung der beiden Leistungen ist es zulässig, die Anspruchsvoraussetzungen und die Höhe der jeweiligen Leistung anhand unterschiedlicher Kriterien zu bestimmen.
3. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Weihnachtszuwendung für 1991 läßt sich auch nicht aus Ziff. XIV (b) Satz 2 der Anlage 1 zu den AVR herleiten.
Nach dieser Regelung soll derjenige Mitarbeiter eine Weihnachtszuwendung erhalten, der im laufenden Kalenderjahr zwar nicht seit dem 1. Oktober ununterbrochen in einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR gestanden hat, aber im laufenden Kalenderjahr insgesamt sechs Monate bei demselben Dienstgeber in einem Dienstverhältnis gestanden hat oder steht und die weiteren Voraussetzungen nach Satz 1 der Ziff. XIV (b) der Anlage 1 zu den AVR erfüllt.
Diese Anspruchsvoraussetzungen erfüllt die Klägerin gegenüber der Beklagten nicht.
a) Die Klägerin hat im Jahre 1991 nicht insgesamt sechs Monate bei „demselben” Dienstgeber in einem Dienstverhältnis gestanden.
Bei sachgerechter Auslegung der AVR ist unter „demselben” Dienstgeber im Sinne der Ziff. XIV (b) Satz 2 der Anlage 1 zu den AVR derjenige Arbeitgeber zu verstehen, bei dem der Arbeitnehmer am 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres (= Stichtag nach Ziff. XIV (b) Satz 1 der Anlage 1 zu den AVR) in einem Dienstverhältnis steht und der gemäß Ziff. XIV (f) Satz 3 der Anlage 1 zu den AVR die Weihnachtszuwendung zu zahlen hat.
Aus der Formulierung „in einem Dienstverhältnis gestanden hat oder steht” ist nicht darauf zu schließen, der Dienstgeber, bei dem der Arbeitnehmer am 1. Dezember eines Jahres in einem Arbeitsverhältnis steht, kann, muß aber nicht derselbe sein, bei dem er im laufenden Kalenderjahr sechs Monate beschäftigt gewesen ist.
Der alternative Gebrauch der Vergangenheits- und der Gegenwartsform in Ziff. XIV (b) Satz 2 der Anlage 1 zu den AVR ergibt nämlich auch für den Fall einen Sinn, daß eine Identität zwischen dem Arbeitgeber, bei dem der Arbeitnehmer am 1. Dezember, und demjenigen, bei dem er zuvor sechs Monate beschäftigt war, verlangt wird.
Aus der Verwendung der Formulierung „insgesamt sechs Monate” ergibt sich, daß es möglich ist, daß die sechsmonatige Beschäftigungsdauer auch durch die Zusammenzählung mehrerer kurzfristiger Beschäftigungsverhältnisse mit demjenigen Arbeitgeber erreicht wird, bei dem der Arbeitnehmer am 1. Dezember des Kalenderjahres beschäftigt ist. Um deutlich zu machen, daß auch diese Fälle von der Regelung der Ziff. XIV (b) Satz 2 der Anlage 1 zu den AVR erfaßt werden sollen, ist die Verwendung des Perfekts („gestanden hat”) sinnvoll (so auch zur entsprechenden Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Tarifvertrages über die Gewährung einer Zuwendung an Angestellte vom 24. November 1964 – Zuwendungs-TV –: BAG Urteil vom 8. Dezember 1976 – 5 AZR 624/75 – AP Nr. 90 zu § 611 BGB Gratifikation).
Gegen die Auslegung, der Arbeitgeber am Stichtag 1. Dezember müsse nicht mit dem vorherigen Arbeitgeber identisch sein, spricht auch, daß dann nach dem Wortlaut der Ziff. XIV (b) Satz 2 der Anlage 1 zu den AVR auch ein Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Weihnachtszuwendung bestünde, wenn er vor dem 1. Dezember im Kalenderjahr bei irgendeinem anderen Arbeitgeber, der nicht die AVR anwendet, sechs Monate beschäftigt gewesen wäre. Ziff. XIV (b) Satz 2 verlangt nämlich als Anspruchsvoraussetzung für eine Weihnachtszuwendung nur, daß der Arbeitnehmer bei „demselben Dienstgeber” in einem Dienstverhältnis gestanden hat, ohne die Einschränkung zu machen, daß dieser „Dienstgeber” im Geltungsbereich der AVR tätig gewesen ist.
Es ist davon auszugehen, daß die AVR, wenn sie nicht die Identität des Arbeitgebers am Stichtag mit dem vorherigen Arbeitgeber in Ziff. XIV (b) Satz 2 der Anlage 1 zu den AVR als Anspruchsvoraussetzung hätten normieren wollen, zumindest klargestellt hätten, daß es sich bei „demselben Dienstgeber” um einen solchen im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche handeln muß.
b) Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, daß alle Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes als „dieselben Dienstgeber” im Sinne der AVR zu betrachten sind, weil nach dem Verständnis des Deutschen Caritasverbandes, wie es in § 1 AVR zum Ausdruck komme, alle Einrichtungen zusammen mit ihren Mitarbeitern eine Dienstgemeinschaft darstellten.
Daß dem nicht so ist, folgt zum einen daraus, daß die AVR in § 7 Abs. 1 den Begriff des Dienstgebers als „Rechtsträger der Einrichtung” definieren.
Zum anderen wird in einer Reihe von Regelungen der AVR eindeutig zwischen verschiedenen Dienstgebern im Geltungsbereich der AVR unterschieden. Daraus ist ebenfalls zu folgern, daß die AVR zwischen „denselben” und anderen Dienstgebern im Bereich des Deutschen Caritasverbandes bzw. der katholischen Kirche unterscheiden.
aa) So bestimmt § 11 a Abs. 2 AVR, daß Zeiten, die ein Mitarbeiter nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Dienstverhältnis im Tätigkeitsbereich des Deutschen Caritasverbandes oder eines ihm angeschlossenen Mitgliedes oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche verbracht hat, auf die Dienstzeit anzurechnen sind. Absatz 3 des § 11 a bestimmt:
„Die in Absatz 2 aufgeführten Zeiten werden nicht angerechnet, wenn der Mitarbeiter aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden ist. Dies gilt nicht, wenn der Mitarbeiter im Anschluß an das bisherige Dienstverhältnis zu einer anderen Einrichtung desselben Dienstgebers oder zu einem anderen Dienstgeber im Tätigkeitsbereich des Deutschen Caritasverbandes oder eines ihm angeschlossenen Mitgliedes oder in einen anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche übergetreten ist oder …”
Diese Regelung wäre überflüssig, wenn alle Dienstgeber im Tätigkeitsbereich des Deutschen Caritasverbandes als „dieselben Dienstgeber” im Sinne der AVR gälten.
bb) Ebenso wäre die Regelung des § 11 Abs. 2 AVR überflüssig, wenn die AVR davon ausgingen, alle Dienstgeber im Bereich des Deutschen Caritasverbandes seien „dieselben Dienstgeber”. Dort heißt es nämlich:
„Übernimmt ein Dienstgeber eine Einrichtung im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche, so werden dem Mitarbeiter die bei der Einrichtung zurückgelegten Zeiten nach Maßgabe des Absatzes (1) als Beschäftigungszeit angerechnet.”
§ 11 Abs. 1 Satz 1 lautet:
„Beschäftigungszeit ist die bei demselben Dienstgeber nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres in einem Dienstverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen worden ist. …”
cc) Auch Ziff. XIV (d) Nr. 1 der Anlage 1 zu den AVR regelt bezüglich der Rückzahlungspflicht einer erhaltenen Weihnachtszuwendung bei vorzeitigem Ausscheiden den Sonderfall, daß ein Mitarbeiter von einem Dienstgeber im Sinne der AVR zu einem anderen Dienstgeber im Geltungsbereich der AVR überwechselt.
4. Ziff. XIV (f) der Anlage 1 zu den AVR ist ebenfalls keine Anspruchsgrundlage für die geforderte Weihnachtszuwendung.
Diese Bestimmung regelt nicht, wann ein Anspruch auf die Zuwendung besteht, sondern lediglich, in welcher Höhe eine solche zu zahlen ist, wenn nach den Regelungen der Ziff. XIV (b) und (c) der Anlage 1 zu den AVR ein Anspruch auf eine Weihnachtszuwendung dem Grunde nach erworben worden ist.
a) Aus der Formulierung in Ziff. XIV (e) Satz 1 („Die Weihnachtszuwendung beträgt …”) folgt, daß sich diese Vorschrift nur auf die Höhe der Weihnachtszuwendung bezieht. Daß dabei gleichzeitig ausdrücklich auf den Absatz (f) der Ziff. XIV Bezug genommen wird („unbeschadet des Absatzes (f)”), zeigt, daß auch Absatz (f) nur die Höhe der Weihnachtszuwendung regelt. Absatz (f) ist eine Ausnahmeregelung für Mitarbeiter, die nicht das ganze Jahre über bei einem Dienstgeber im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche tätig waren und deshalb nicht den vollen Anspruch auf eine Weihnachtszuwendung nach Ziff. XIV (e) der Anlage 1 zu den AVR erworben haben, sondern nur einen anteiligen. Voraussetzung für diesen verminderten Zuwendungsanspruch ist aber immer, daß der Mitarbeiter eine der Anspruchsvoraussetzungen der Ziff. XIV (b) oder (c) der Anlage 1 zu den AVR erfüllt hat.
b) Würde man Ziff. XIV (f) der Anlage 1 zu den AVR als selbständige Anspruchsgrundlage sehen, wären die Regelungen der Ziff. XIV (b) und (c) der Anlage 1 zu den AVR überflüssig, weil nach Ziff. XIV (f) der Anlage 1 zu den AVR jeder Mitarbeiter, der auch nur einen Kalendermonat in einem Ausbildungs- oder Dienstverhältnis im Geltungsbereich der AVR oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche gestanden hätte, Anspruch auf eine Weihnachtszuwendung in Höhe von mindestens einem Zwölftel einer vollen Weihnachtszuwendung nach Ziff. XIV (e) der Anlage 1 zu den AVR erworben hätte.
Nach alledem hat das Landesarbeitsgericht die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Richter Hauck ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert., Matthes, Böck, Dr. Hromadka, Wolf
Fundstellen