Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellungsklage des Arbeitgebers bei Arbeitnehmerkündigung
Orientierungssatz
Hinweise des Senats: "Rechtsschutzinteresse für Feststellungsklage statt Leistungsklage."
2. Ist ausnahmsweise eine Feststellungsklage aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit sinnvoller als eine Leistungsklage, dann fehlt für die Feststellungsklage nicht schon deshalb das Rechtsschutzinteresse, weil eine Leistungsklage möglich ist (BAG Urteil vom 20. März 1986 - 2 AZR 296/85 = AP 9 zu § 256 ZPO 1977).
3. Der im Falle einer außerordentlichen Arbeitnehmerkündigung klagende Arbeitgeber hat die Drei-Wochen-Frist nach §§ 7, 13, 4 S 1 KSchG nicht einzuhalten.
4. Auch für den Arbeitnehmer entfällt bei Störungen im Leistungsbereich das Abmahnungserfordernis nur dann, wenn es nach den besonderen Umständen des Falles überflüssig oder die Leistung wegen der Säumnis des Schuldners ohne Interesse geworden sei (BAG Urteil vom 19.6.1967, 2 AZR 287/66 = BAGE 19, 351).
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 25.02.1992; Aktenzeichen 4 Sa 940/91) |
ArbG Bonn (Entscheidung vom 06.09.1991; Aktenzeichen 4 Ca 1489/91) |
Tatbestand
Der Beklagte war beim Kläger, der eine Fabrikation von Uhrarmbändern betreibt, seit 1. August 1990 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt, und zwar gegen ein Festgehalt von 2.000,00 DM brutto zuzüglich 7,5 % Provision. Ab 15. März 1991 erbrachte der Beklagte keine Arbeitsleistung mehr und gab am 18. März 1991 einer Angestellten des Klägers die komplette Musterkollektion zurück. Noch unter dem 18. März 1991 teilte der Kläger dem Beklagten schriftlich mit, er bestehe auf Einhaltung der vertraglich vereinbarten Kündigungsfrist von drei Monaten und werde den Beklagten für die entstandenen Kosten regreßpflichtig machen. Mit seiner am 10. Juni 1991 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht vor dem 30. Juni 1991 sein Ende gefunden habe.
Der Kläger hat geltend gemacht, der Beklagte habe keine ordnungsgemäße Kündigung ausgesprochen; schon die zurückgehenden Umsätze hätten erkennen lassen, daß der Beklagte sich zeitweise um andere Tätigkeiten, als für ihn - den Kläger - gekümmert habe. Außer mit dem Schreiben vom 18. März 1991 habe er ihn auch mit einem weiteren Schreiben vom 29. April 1991 zur Wiederaufnahme der Arbeit aufgefordert. Ursprünglich sei am 3. Mai 1991 verabredet worden, der Beklagte solle am 13. Mai 1991 die Kollektion wieder abholen und die Arbeit aufnehmen. Dazu sei es aber nicht gekommen. Da ihm, dem Kläger, Inseratskosten und Umsatzeinbußen entstanden seien, habe er ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien nicht vor dem 30. Juni 1991 sein
Ende gefunden habe.
Der Beklagte hat mit dem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, die Klage sei verfristet. Auch der Kläger als Arbeitgeber habe die Drei-Wochen-Frist nach §§ 7, 13, 14 KSchG einhalten müssen; dies ergebe zumindest eine verfassungskonforme Auslegung aufgrund Art. 3 GG, denn auch der Arbeitnehmer habe ein Interesse an alsbaldiger Klarheit, ob die von ihm ausgesprochene Kündigung wirksam sei. Sei eine verfassungskonforme Auslegung nicht möglich, so verstoße § 13 Abs. 1 KSchG insofern gegen Art. 3 GG, als nicht auch der Arbeitgeber binnen drei Wochen seit Zugang der Kündigung Feststellungsklage erheben müsse.
Sein - des Beklagten - Verhalten am 18. März 1991 sei als außerordentliche Kündigung zu werten, die auch begründet sei, weil der Kläger die sittenwidrig zu niedrige Vergütung nicht rechtzeitig gezahlt und ihn noch mit der Streichung des Kilometergeldes unter Druck gesetzt habe. Im Januar und Februar habe er sich immer wieder bemüht, fristgerecht Provision und Fixum zu erlangen; gleichwohl habe der Kläger den Provisionsrückstand aus Februar 1991 von 660,50 DM nicht rechtzeitig gezahlt. Die vereinbarte Kündigungsfrist betrage nur drei Monate, so daß das Arbeitsverhältnis jedenfalls am 18. Juni 1991 sein Ende gefunden habe.
Das Arbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung bestehe nicht nur im Hinblick darauf, daß der Kläger Schadenersatzansprüche geltend mache, sondern weil das Beendigungsdatum des Arbeitsverhältnisses auch für die Ausfüllung der Arbeitspapiere von Bedeutung sei. Sachlich sei die Feststellungsklage begründet, weil das Verhalten des Beklagten ab 18. März 1991 als außerordentliche Kündigung zu werten sei, für die jedoch kein wichtiger Grund i. S. d. § 626 BGB vorgelegen habe. Die Klage sei nicht verfristet, weil die §§ 7, 13, 14 KSchG nur für die Arbeitgeber-Kündigung gälten, nicht aber in Bezug auf die vom Arbeitnehmer seinerseits ausgesprochene Kündigung. Der gerügte Verfassungsverstoß liege nicht vor, weil der Gesetzgeber hier aus sachlichen Gründen differenziert habe: Im Falle der Kündigung verliere der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz, wodurch sein Lebensunterhalt unmittelbar gefährdet sei. Hier setze der Gesetzgeber Kündigungsbeschränkungen, während dem Arbeitgeber regelmäßig zugemutet werde, seinen Betrieb der neuen Situation anzupassen. Gegen fristgerechte Kündigungen des Arbeitnehmers könne der Arbeitgeber ohnehin nichts unternehmen (Art. 12 GG), auch bei einer fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers ohne wichtigen Grund bestehe aber kein ähnliches Bedürfnis an schneller Klärung, wie umgekehrt bei der Arbeitgeber-Kündigung.
Jedenfalls gelte aber ein Rückwirkungsverbot; eine rückwirkende Anwendung der §§ 3, 7 KSchG sei unzulässig, weil der Kläger darauf vertraut habe, nicht binnen drei Wochen Klage erheben zu müssen.
Die fristlose Kündigung des Beklagten sei unwirksam, weil die Entgeltvereinbarung weder unwirksam, noch der Kläger mit höheren Beträgen im Rückstand gewesen sei. Jedenfalls habe der Beklagte den Kläger abmahnen müssen, ehe er zum äußersten Mittel der fristlosen Kündigung griff. Angesichts der gesetzlichen Regelkündigungsfrist könne die Kündigung nur zum Monatsende wirksam werden, das sei der 30. Juni 1991.
II. Dem folgt der Senat sowohl im Ergebnis wie auch in der Begründung. 1. Die Revision beanstandet zunächst den rechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, für die vom Kläger erhobene Feststellungsklage liege ein rechtliches Interesse (§ 256 ZPO) vor. Diese Rüge greift nicht durch.
a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 31. Mai 1979 - 2 AZR 473/77 - AP Nr. 50 zu § 256 ZPO; vom 20. März 1986 - 2 AZR 296/85 - AP Nr. 9 zu § 256 ZPO 1977 und BAGE 57, 231 = AP Nr. 19 zu § 4 KSchG 1969), daß auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Arbeitsverhältnisses Klage erhoben werden kann. Voraussetzung hierfür ist, daß mit der Feststellungsklage das Ziel der Klage erreicht werden kann (BAG Urteil vom 20. März 1986 - 2 AZR 296/85 - AP, aaO), was regelmäßig nicht der Fall ist, wenn in Wirklichkeit nur eine Leistung verlangt wird und deshalb eine Leistungsklage möglich ist (BAGE 4, 149, 151 = AP Nr. 6 zu § 256 ZPO). Ist aber ausnahmsweise eine Feststellungsklage aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit sinnvoller als eine Leistungsklage, dann fehlt für die Feststellungsklage nicht schon deshalb das Rechtsschutzinteresse, weil eine Leistungsklage möglich ist (BAG Urteil vom 20. März 1986 - 2 AZR 296/85 - AP, aaO, zu B I 2 a der Gründe).
b) Das Berufungsgericht ist zu Recht vom Bestehen eines solchen Feststellungsinteresses ausgegangen, weil der Kläger aufgrund Vertragsbruchs des Beklagten Schadensersatzansprüche in Form von Inseratskosten und Umsatzeinbußen beim Arbeitsgericht anhängig gemacht hat; dabei geht es vorliegend nicht nur um derartige Ansprüche, sondern auch um weitergehende Folgen aus dem Arbeitsverhältnis, zum Beispiel für die Ausfüllung der Arbeitspapiere, die Erstellung eines Beschäftigungsnachweises oder Zeugnisses usw., die die weitergehende Feststellungsklage als prozeßwirtschaftlich sinnvoll erweisen. So hat der Senat auch in einem vergleichbaren Fall (Urteil vom 20. März 1986 - 2 AZR 296/85 - AP, aaO) entschieden, auch der Arbeitgeber könne durch eine - unberechtigte - fristlose Kündigung betroffen sein und hat deshalb den allgemeinen Feststellungsantrag nach § 256 ZPO als zulässig angesehen.
2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht entschieden, der Beklagte habe außerordentlich ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes gekündigt.
a) Der Kläger hat nicht mit einer Gegenrüge die Auslegung des Landesarbeitsgerichts beanstandet, in der Erklärung des Beklagten vom 18. März 1991 sei eine außerordentliche Kündigung zu sehen, was erstinstanzlich vom Kläger bestritten worden war. Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, die ohnehin nur beschränkt überprüfbar wäre, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auf die eigene Reaktion des Klägers in seinem Schreiben vom 18. März 1991 verwiesen, in der er auf Einhaltung der Kündigungsfrist pocht, also selbst von einer Kündigung des Beklagten ausgeht.
b) Soweit der Beklagte sich auf die Fristgebundenheit einer Feststellungsklage auch des Arbeitgebers gegenüber einer Arbeitnehmer-Kündigung beruft, könnte er schon im Ansatz nur Erfolg haben, wenn überhaupt eine vergleichbare Ausgangssituation vorläge, wenn nämlich das Kündigungsschutzgesetz anwendbar wäre, das in § 4 KSchG für den Arbeitnehmer die fristgerechte Klageerhebung binnen drei Wochen normiert. Der Beklagte hat hierfür aber nicht vorgetragen, daß die allgemeinen Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes, unter anderem das Erfordernis einer Beschäftigung von mehr als fünf Arbeitnehmern (§ 23 Abs. 1 KSchG), vorlägen. Da der Beklagte sich auf eine ihm angeblich günstige Norm beruft, hätte er vortragen müssen, die allgemeinen Voraussetzungen des Kündigungsschutzes seien erfüllt. Auch der Arbeitnehmer, der sich auf den Kündigungsschutz beruft, muß die Voraussetzungen des Kündigungsschutzes darlegen und beweisen (Senatsurteil vom 9. September 1982 - 2 AZR 253/80 - BAGE 40, 145, 154 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Hausmeister, zu II 4 b der Gründe; BAGE 45, 259 = AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969). Außerhalb des Geltungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes kann auch der Arbeitnehmer bis zur Grenze der allgemeinen Verwirkung (§ 242 BGB) noch Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung erheben. Dann kann für den Arbeitgeber unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten (Art. 3 GG) nichts anderes gelten.
c) Unabhängig davon trifft die Begründung des Landesarbeitsgerichts zu, der Gleichheitssatz des Art. 3 GG sei nicht verletzt, weil zwischen der Arbeitgeber-Kündigung und der Arbeitnehmer-Kündigung gravierende Unterschiede bestehen, die die gesetzliche Differenzierung als sachlich begründet erscheinen lassen. Der Senat nimmt insoweit auf die sorgfältigen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts (S. 10, 11 der Entscheidungsgründe) Bezug, mit denen sich die Revision auch nicht weiter auseinandersetzt.
d) Soweit die Revision geltend macht, das Landesarbeitsgericht gehe zu Unrecht von einem vorherigen Abmahnungserfordernis aus, ohne sich mit der Frage zu befassen, ob die besonderen Umstände des vorliegenden Falles eine solche Abmahnung entbehrlich machten, versäumt sie es, derartige konkrete Umstände ihrerseits zu verdeutlichen. Solche Umstände sind auch nicht ersichtlich, wenn der Arbeitnehmer nach angeblich zu niedriger Entlohnung oder verzögerlicher Restzahlung des Arbeitgebers die Arbeit niederlegt. Mit den entsprechenden ausführlichen Überlegungen des Landesarbeitsgerichts, es sei weder ein "Hungerlohn" vereinbart, noch liege überhaupt ein erheblicher Gehaltsrückstand vor, setzt sich die Revision ebenfalls nicht auseinander.
Im übrigen hat der Senat entschieden (Urteil vom 19. Juni 1967 - 2 AZR 287/66 - BAGE 19, 351, 355 = AP Nr. 1 zu § 124 GewO, zu III der Gründe), auch für den Arbeitnehmer entfalle bei Störungen im Leistungsbereich das Abmahnungserfordernis nur dann, wenn es nach den besonderen Umständen des Falles überflüssig oder die Leistung wegen der Säumnis des Schuldners ohne Interesse geworden sei. Der Kläger hat hier die Restprovision anstandslos nachgezahlt, wie schon der Teilvergleich vom 6. September 1991 zeigt; im übrigen hat das Berufungsgericht zutreffend angemerkt, ein erheblicher Provisionsrückstand habe gar nicht vorgelegen. Auch das Fixum für den Monat März war am 18. März 1991 noch nicht fällig.
Hillebrecht Dr. Wittek Bitter
Wisskirchen Walter
Fundstellen
Haufe-Index 437532 |
RzK, I 10e Nr 13 (ST1) |