Entscheidungsstichwort (Thema)
Schriftform der Kündigung unter Angabe des Grundes gemäß § 54 BMT-G II
Leitsatz (amtlich)
Gemäß § 54 BMT-G II müssen die Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben jedenfalls so genau bezeichnet sein, daß im Prozeß nicht ernsthaft streitig werden kann, auf welchen Lebenssachverhalt die Kündigung gestützt war; allein die Bezugnahme auf ein inhaltlich nicht näher umschriebenes Gespräch reicht dafür nicht.
Normenkette
BGB §§ 125 f.; BMT-G 2 § 54; EGBGB Art. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 23. Januar 1998 – 6 Sa 107/97 – wird auf Kosten des beklagten Landes zurückgewiesen.
Tatbestand
Der am 22. Mai 1964 geborene Kläger, der verheiratet und drei Kindern unterhaltspflichtig ist, stand seit dem 4. Juli 1991 in den Diensten des beklagten Landes. Er wurde als Hausarbeiter im Bereich eines Krankenhausbetriebes beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis fand kraft beiderseitiger Tarifbindung der BMT-G II Anwendung.
Mit Schreiben vom 7. Oktober 1996 kündigte das beklagte Land dem Kläger fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31. Dezember 1996. In dem Schreiben hieß es:
„Aus den mit Ihnen geführten Gesprächen wissen Sie, daß durch eine Arbeitskollegin Vorwürfe gegen Sie erhoben wurden. Diese Vorwürfe sind Ihnen in Anwesenheit eines Personalratsvertreters am 17.09.1996 erläutert worden, und Sie hatten Gelegenheit, sich dazu zu äußern.
Wir sehen uns veranlaßt, das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aus bekannten Gründen fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31.12.1996 zu kündigen.”
Der Kläger hält die Kündigung für formunwirksam. Entgegen § 54 BMT-G II sei er durch das Kündigungsschreiben im unklaren gelassen worden, welche der gegen ihn von seiner Kollegin erhobenen Vorwürfe sexueller Belästigung vom beklagten Land als wahr und kündigungsrelevant übernommen worden seien, nachdem er sich bei seiner Anhörung nicht auf bloßes Leugnen beschränkt, sondern auf verschiedene Hilfstatsachen hingewiesen habe, welche die Behauptungen seiner Kollegin zu erschüttern geeignet seien. Weiter könne dem Text des Kündigungsschreibens nicht entnommen werden, ob das beklagte Land eine Verdachts- oder aber eine Tatsachenkündigung habe aussprechen wollen.
Der Kläger hat in der Sache beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die fristlose Kündigung noch die hilfsweise ausgesprochene fristgerechte Kündigung vom 7. Oktober 1996 aufgelöst worden ist.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat vorgetragen, dem Kläger sei am 17. September 1996 der gegen ihn erhobene Vorwurf dreimaliger sexueller Belästigung einer Kollegin erläutert worden. In dem weiteren Gespräch vom 24. September 1996 habe es sich neben dem erneut angesprochenen Vorwurf sexueller Belästigung darum gehandelt, daß der Kläger eine andere Kollegin bedroht habe. Auf diesen Vorwurf sei jedoch im Kündigungsschreiben nicht verwiesen worden. Dementsprechend sei der Kläger selbst davon ausgegangen, daß die Kündigung allein wegen der ihm vorgeworfenen sexuellen Belästigungen erfolgt sei. Auch habe der Kläger klar erkennen können, daß man keinen Anlaß gesehen habe, an den Aussagen seiner Kollegen zu zweifeln und sich nicht bloß auf einen entsprechenden Verdacht habe stützen wollen. Damit sei aber der tariflichen Formvorschrift Genüge getan.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen.
Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land weiterhin Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe § 54 BMT-G II unzutreffend ausgelegt, greift nicht durch.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die streitige Kündigung sei sowohl als fristlose als auch als fristgerechte gem. § 54 BMT-G II formnichtig. Die Bezugnahme auf ein vorangegangenes Gespräch im Kündigungsschreiben sei unzureichend, weil darin gerade keine Angabe des Kündigungsgrundes im Kündigungsschreiben selbst zu sehen und deshalb ein Streit über dem Betroffenen genannte Gründe nicht von vornherein ausgeschlossen sei.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach § 54 BMT-G II bedürfen Kündigungen durch den Arbeitgeber nach Ablauf der Probezeit der Schriftform unter Angabe der Gründe. Diese Bestimmung entspricht der Regelung des § 15 Abs. 3 BBiG, wonach die dort genannte Kündigung ebenfalls schriftlich und „unter Angabe der Kündigungsgründe” erfolgen muß. Werden bei einer Kündigung nach § 15 Abs. 3 BBiG die Kündigungsgründe nicht schriftlich mitgeteilt, ist sie gem. § 125 Satz 1 BGB nichtig (BAG Urteil vom 25. November 1976 – 2 AZR 751/75 – AP Nr. 4 zu § 15 BBiG). Das gleiche gilt, wenn eine der Bestimmung des § 54 BMT-G II unterliegende Kündigung ohne schriftliche Angabe der Gründe ausgesprochen wird, weil die tariflich festgelegte Schriftform eine durch Gesetz vorgeschriebene Schriftform i. S. des § 126 Abs. 1 BGB darstellt, deren Verletzung nach § 125 Satz 1 BGB Nichtigkeit wegen Formmangels zur Folge hat (vgl. BAG Urteil vom 25. August 1977 – 3 AZR 705/75 – AP Nr. 1 zu § 54 BMT-G II, m.w.N.).
In welchem Umfang die Gründe bei einer Kündigung nach § 54 BMT-G II angegeben werden müssen, kann nur von Fall zu Fall entschieden werden. Der Arbeitnehmer soll erfahren, welche Gründe zur Kündigung geführt haben. Es hängt vom Einzelfall ab, wie weit die Gründe aufgeführt werden müssen. Eine eingehende Substantiierung wie im Prozeß kann nicht grundsätzlich und allgemein gefordert werden. Jedenfalls aber müssen die Gründe so genau bezeichnet sein, daß der Kündigungsempfänger genügend klar erkennen kann, was gemeint ist und was ihm – im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung – zur Last gelegt wird. Nach dem Sinn der Regelung muß der gekündigte Arbeitnehmer aufgrund der ihm mitgeteilten Gründe sich darüber klar werden können, ob er die ihm erklärte Kündigung anerkennen oder dagegen vorgehen will (vgl. BAG, aaO).
Damit dient § 54 BMT-G II ebenso wie § 15 Abs. 3 BBiG der Rechtsklarheit und Beweissicherung. Auch im Anwendungsbereich des § 15 Abs. 3 BBiG (vgl. Senatsurteil vom 25. November 1976 – 2 AZR 751/75 – AP Nr. 4 zu § 15 BBiG, m.w.N.) sind grundsätzlich die für die Kündigung maßgebenden T a t s a c h e n anzugeben, pauschale Schlagworte und Werturteile genügen nicht. Wenn der Kündigungsgrund derart im Kündigungsschreiben selbst ausreichend bezeichnet ist, kann allerdings u. U. auf die zusätzliche Aufnahme von für die Bewertung des Kündigungsgrundes und die Interessenabwägung bedeutsamen Umständen ins Kündigungsschreiben verzichtet werden, zumal wenn diese schon anderweitig gegenüber dem Arbeitnehmer dokumentiert sind (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 1998 – 2 AZR 741/97 – RzK IV 3 a Nr. 30).
Dagegen würde es dem genannten Gesetzeszweck widersprechen, wenn auch die bloße Bezugnahme auf ein Gespräch als ausreichend angesehen würde, bei dem die Kündigungsgründe mündlich erläutert wurden (vgl. auch LAG Köln, Urteil vom 26. Januar 1982 – 1/8 Sa 710/81 – EZA § 15 BBiG Nr. 5; LAG Frankfurt am Main, Urteil vom 31. Januar 1984 – 7 Sa 1339/83 – n.v.; Gedon/Spiertz, BBiG, Stand: November 1998, § 15 Rz 84; Kliemt, Formerfordernisse im Arbeitsverhältnis, S. 111 f., 316 f.; Natzel, Anm. AP Nr. 4 zu § 15 BBiG; Söllner, Anm. EzA § 15 BBiG Nr. 3; KR-Weigand, 5. Aufl., §§ 14, 15 BBiG Rz 95). Zwar mag der Arbeitnehmer als Kündigungsempfänger dann im Einzelfall ausreichend erkennen können, was ihm – im Fall einer verhaltensbedingten Kündigung – zur Last gelegt wird. Er wäre jedoch nicht davor gefeit, daß der Arbeitgeber im Prozeß Gesprächsinhalte behauptet, an die der Arbeitnehmer sich nicht erinnern kann bzw. die er dezidiert in Abrede stellt. Gegebenenfalls könnte erst eine Beweisaufnahme klären, was die mündlich mitgeteilten Kündigungsgründe waren. § 54 BMT-G II soll dagegen wie § 15 Abs. 3 BBiG die Kündigungsgründe gerade insoweit außer Streit stellen, daß nicht mit einer Ausweitung durch Einführung zusätzlicher neuer Kündigungsgründe in den Prozeß gerechnet werden muß. Die im Urteil des Dritten Senats vom 25. August 1977 (aaO) aufgestellten Rechtsgrundsätze besagen nichts Gegenteiliges.
Ist die Kündigung mangels hinreichender Angabe der Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben formnichtig, kann dieser Mangel auch nicht durch Nachholung der schriftlichen Begründung der Kündigung – etwa in Schriftsätzen im Kündigungsschutzprozeß – geheilt werden (vgl. Senatsurteil vom 25. November 1976, aaO, m.w.N.).
2. Vorliegend fehlen im Kündigungsschreiben, wie auch die Revision nicht in Zweifel zieht, Tatsachenangaben zu den Kündigungsgründen. Der Hinweis auf von einer Arbeitskollegin erhobene und in einem Gespräch am 17. September 1996 erläuterte Vorwürfe ist, für sich genommen, nichtssagend. Letztlich handelte es sich lediglich um eine Bezugnahme auf dem Kläger evtl. bei dem Gespräch am 17. September 1996 deutlich gewordene Kündigungsgründe. Dies reicht nach dem oben Gesagten aber nicht aus.
Wenn die Revision demgegenüber meint, der Gesetzeszweck der Rechtsklarheit und Beweissicherung erfordere die Nichtigkeitsfolge für die Kündigung nicht schon dann, wenn im Kündigungsschreiben auf ein genau bezeichnetes Gespräch und – ohne schriftliche Wiederholung – auf die in diesem Gespräch mitgeteilten Kündigungsgründe Bezug genommen werde, soweit der Gesprächsinhalt unstreitig oder bewiesen sei, ist dem nicht zu folgen. Die von der Revision befürwortete Reduktion ist mit dem Zweck einer gesetzlichen (tariflichen) Formvorschrift unvereinbar. Als Formvorschrift soll § 54 BMT-G II – wie schon dargelegt – im Interesse der Rechtsklarheit und Beweissicherung gerade auch Streit über die mitgeteilten Kündigungsgründe und das mit einem solchen Streit verbundene zusätzliche Prozeßrisiko ausschließen sowie diesbezügliche Beweisaufnahmen entbehrlich machen. Letztlich sieht dies die Revision selbst so (Schriftsatz vom 5. Oktober 1998, S. 2 a.E.). Es würde auch nicht weiterhelfen, dem Arbeitgeber lediglich die Berufung auf streitige Gesprächsinhalte zu versagen. Dies würde bedeuten, den Prozeßstoff vom Erinnerungsvermögen und der Wahrheitsliebe des Arbeitnehmers abhängig zu machen. Würde der Arbeitnehmer den angeblichen Gesprächsinhalt als nicht erinnerlich oder unwahr bestreiten, müßte das Gericht im Einzelfall prüfen, ob der Arbeitnehmer seiner Wahrheitspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO genügt. Dafür könnten beide Parteien (Indiz-)Tatsachen in den Prozeß einführen und gegebenenfalls wäre über diese Beweis zu erheben. Der Streit über die mitgeteilten Kündigungsgründe, den § 54 BMT-G II gerade ausschließen soll, würde lediglich vorverlagert, aber nicht sicher vermieden.
Da das Kündigungsschreiben des beklagten Landes vom 7. Oktober 1996 hinsichtlich der Angabe der Kündigungsgründe die Schriftform nicht wahrt, ist die streitige Kündigung gemäß § 125 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 2 EGBGB, § 54 BMT-G II formnichtig.
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Piper, Bartz
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 10.02.1999 durch Anderl, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436261 |
BB 1999, 1710 |
BB 1999, 910 |
DB 1999, 1763 |
EBE/BAG 1999, 66 |
ARST 1999, 121 |
FA 1999, 133 |
FA 1999, 169 |
FA 1999, 191 |
JR 1999, 351 |
NZA 1999, 602 |
ZTR 1999, 565 |
AP, 0 |
RiA 2000, 61 |