Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Arbeiterkündigungsfrist - Grundfrist -
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Senat hält daran fest, daß als rechtfertigender Grund für eine ungleiche Behandlung von Arbeitern und Angestellten (Art 3 Abs 1 GG) bei einer eigenständigen tariflichen Regelung der Grundkündigungsfristen (hier: Manteltarifvertrag für die Arbeiter Angestellten und Auszubildenden der Eisen- Metall- Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen vom 29. Februar 1988 § 20) das objektiv erforderliche Bedürfnis nach personalwirtschaftlicher Flexibilität in der Produktion jedenfalls dann ausreicht, wenn die Arbeiter auch angesichts neuartiger Fertigungsverfahren (zB Einsatz elektronischer Technologien, just-in-time Fertigung) noch überwiegend in der Produktion und die Angestellten im Verwaltungsbereich tätig sind.
2. Es gehört zur koalitionsmäßigen Betätigung (Art 9 Abs 3 GG) der Tarifparteien, den Umfang der von ihnen repräsentierten Branche selbständig abzustecken: Ein Flexibilitätsbedürfnis in dem unter 1 genannten Sinne muß nur überwiegend in der Branche erforderlich sein.
3. Ob auch bei Vorliegen eines Flexibilitätsbedürfnisses in Zukunft angesichts des KündFG noch der herkömmliche große Unterschied der Kündigungsfrist von 2 Wochen ohne Termin für Arbeiter im Vergleich zu 6 Wochen zum Quartalsende für Angestellte zu rechtfertigen ist, bleibt offen.
Orientierungssatz
Die Bestimmung des § 622 BGB nF stellt gemäß dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts eine Konkretisierung des Art 3 Abs 1 GG dar, dh wenn die Tarifpartner von der Öffnungsklausel des § 622 Abs 3 BGB aF bzw § 622 Abs 4 nF Gebrauch machen, so dürfen sachlich begründete, unterschiedliche Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten hinsichtlich ihrer Diskrepanz an den neuen Vorgaben des Kündigungsfristengesetz zu messen sein. Die Tarifautonomie gilt insofern nicht schrankenlos. Der Senat versteht daher die vorliegende Entscheidung zu einer Tarifregelung des Jahres 1988 und einer Kündigung aus dem Jahre 1990 nur vergangenheitsbezogen.
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger (geboren 1947) war seit dem 29. September 1986 bei der Beklagten in deren Werk B als Staplerfahrer beschäftigt. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Elektroindustrie; sie stellt u.a. komplette Kabelsätze her und ist als Zulieferer der Automobilindustrie tätig, und zwar vornehmlich für Volvo, Opel und Ford.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand zuletzt kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalen vom 29. Februar 1988 (MTV-Metall) Anwendung, der u.a. folgende Bestimmungen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthält:
§ 20
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
1. Abgesehen von den Fällen des § 2 Nr. 2 kann
das Arbeitsverhältnis mit folgenden Fristen
gekündigt werden:
a) bei gewerblichen Arbeitnehmern mit einer
Frist von 14 Tagen,
b) bei Angestellten mit einer Frist von sechs
Wochen zum Quartalsschluß.
2. Das Arbeitsverhältnis der Montagezeitarbeiter
kann während der ersten sechs Monate der Be-
schäftigung - auch auf verschiedenen Montage-
stellen - mit einer Frist von zwei Tagen ge-
kündigt werden. Danach gilt die Kündigungs-
frist der Nr. 1, sofern die Montage nicht be-
endet ist.
3. Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis
eines Arbeitnehmers, so beträgt die Kündi-
gungsfrist:
a) bei gewerblichen Arbeitnehmern
nach einer Betriebszugehörigkeit von
5 Jahren
einen Monat zum Monatsende,
nach einer Betriebszugehörigkeit von
10 Jahren
zwei Monate zum Monatsende,
nach einer Betriebszugehörigkeit von
15 Jahren
drei Monate zum Monatsende.
Bei der Berechnung der Betriebszugehörig-
keit werden Zeiten, die vor Vollendung des
35. Lebensjahres liegen, nicht berücksich-
tigt.
Die Vereinbarung beiderseits geltender länge-
rer Kündigungsfristen durch Einzelvertrag ist
zulässig.
...
4. Einem Arbeitnehmer, der das 55., aber noch
nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und dem
Betrieb/Unternehmen 10 Jahre angehört, kann
nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden.
...
Protokollnotiz zu § 20 Nr. 1 und 3
Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, daß
bei einer gesetzlichen Änderung der Kündigungs-
fristen und der Berechnung der Betriebszugehörig-
keitszeiten Verhandlungen über diese tariflichen
Bestimmungen aufgenommen werden.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 1990 kündigte die Beklagte wegen vertragswidrigen Verhaltens des Klägers das Arbeitsverhältnis zum 22. Oktober 1990 ordentlich. Soweit der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage ursprünglich geltend gemacht hat, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, ist rechtskräftig zu seinen Lasten entschieden. Der Kläger beruft sich jetzt noch darauf, das Arbeitsverhältnis sei nicht mit Ablauf der von der Beklagten eingehaltenen Frist beendet worden. Die zweiwöchige tarifliche Grundkündigungsfrist für Arbeiter sei verfassungswidrig, weil danach Arbeiter ohne sachlichen Grund gegenüber den Angestellten benachteiligt würden. Er hat einen entsprechenden Fortbestandsantrag gestellt.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die von ihr eingehaltene tarifliche Kündigungsfrist sei nicht zu beanstanden. Für die unterschiedliche Fristenregelung liege ein ausreichender Sachgrund vor. In der Produktion der Metallindustrie bestehe ein Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität. Technische und wirtschaftliche Veränderungen wirkten sich in diesem Betriebsbereich unmittelbar aus. Personelle Folgemaßnahmen würden zuerst bei den in aller Regel hier beschäftigten Arbeitern erforderlich, so daß Entlassungen oder Änderungskündigungen kurzfristiger möglich sein müßten als in anderen Bereichen. Demgegenüber träten solche Anpassungserfordernisse im administrativen Bereich im allgemeinen erst später auf, so daß dort längere Kündigungsfristen vertretbar seien. Ein weiterer Sachgrund sei darin zu sehen, daß Angestellte typischerweise höher qualifiziert seien als Arbeiter und deshalb im allgemeinen geringere Aussichten hätten, einen neuen, geeigneten Arbeitsplatz zu finden. In der Metall- und Elektroindustrie bestünden typische Unterschiede in Tätigkeit und Qualifikation zwischen Arbeitern und Angestellten. Nur noch ein Drittel der dort beschäftigten Arbeitnehmer seien Angestellte. Sie übten fast ausnahmslos Tätigkeiten aus, die eine für Angestellte typische Qualifikation erforderten, während nahezu die Hälfte der Arbeiter Angelernte oder Hilfsarbeiter seien.
Das Arbeitsgericht hat unter Klageabweisung im übrigen festgestellt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung der Beklagten vom 8. Oktober 1990 nicht zum 22. Oktober 1990 aufgelöst worden, sondern habe bis zum 31. Dezember 1990 fortbestanden. Es hat die tarifliche Fristenregelung für verfassungswidrig erachtet und angenommen, bis zur gesetzlichen Neuregelung der Kündigungsfristen für Arbeiter müsse auf die gesetzliche Regelfrist von sechs Wochen zum Quartalsende für Angestellte (§ 622 Abs. 1 Satz 2 BGB) zurückgegriffen werden. Auf die nur von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht durch ein erstes Urteil vom 1. August 1991 das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Senat durch Urteil vom 23. September 1992 (- 2 AZR 231/92 - n.v.) diese Entscheidung aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Im erneuten Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht Auskünfte des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie NW e.V. und der Industriegewerkschaft Metall eingeholt. Es hat ferner zwei Ortsbesichtigungen in der Automobilindustrie durchgeführt und ferner statistische Unterlagen ausgewertet.
Ausweislich der statistischen Berichte des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen waren per Stand November 1992 in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen in 6.212 Betrieben insgesamt 990.379 Arbeitnehmer beschäftigt, darunter 672.516 Arbeiter (67,9 %) und 317.863 Angestellte (32,1 %). In den einzelnen Branchen der Metall- und Elektroindustrie sind folgende Beschäftigtenzahlen zu verzeichnen:
Branche Zahl der Beschäftigte Arbeiter %-
Betriebe Nov. 1992 Nov. 1992 Anteil
Maschinenbau 1.718 279.754 168.599 60,3
Elektroindustrie 955 195.060 125.159 64,2
Eisen-, Blech-,
Metallwarenindustrie 1.042 133.363 97.046 72,8
Fahrzeugbau 503 127.474 98.730 77,5
Stahl- und Leicht-
metallbau 570 72.543 51.377 70,8
Stahlverformung 646 62.233 48.282 77,6
Gießereien 201 35.760 28.430 79,5
Nicht-Eisen-Metall-
industrie 100 29.639 21.570 72,8
Ziehereien und Kalt-
walzwerke 161 25.114 18.153 72,3
Feinmechanik, Optik,
Uhren 199 14.432 9.148 63,4
Büromaschinen und
Datenverarbeitung 27 10.552 3.640 34,5
Schiff-, Luft-, Raum-
fahrzeugbau, Mechanik 90 4.455 2.382 53,5
Mit Urteil vom 8. Juli 1993 hat das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen sowie die Revision erneut zugelassen. Mit der Revision erstrebt der Kläger wiederum die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die von der Beklagten gewählte Kündigungsfrist ist nicht zu beanstanden.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die eigenständige, branchenspezifische Regelung in § 20 Nr. 1 MTV-Metall sei verfassungsgemäß; sie sei im Wirtschaftszweig Metall- und Elektroindustrie sachlich begründet, weil in der Produktion ein Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität bestehe und sich technische und wirtschaftliche Veränderungen in diesem Bereich der Betriebe unmittelbar auswirkten, so daß personelle Folgemaßnahmen zuerst bei den hier beschäftigten Arbeitern erforderlich würden. Demgegenüber träten solche Anpassungserfordernisse in den Verwaltungs- und Konstruktionsbereichen im allgemeinen erst später auf, so daß dort längere Kündigungsfristen vertretbar seien. Da in der Metall- und Elektroindustrie die Arbeiter in aller Regel in der Produktion tätig seien, sei es hier nicht notwendig, für die wenigen Arbeiter, die in Verwaltungs- oder Konstruktionsbereichen eingesetzt würden, längere tarifliche Kündigungsfristen als für die sonstigen Arbeiter zu vereinbaren. Die Tarifvertragsparteien seien vielmehr zu einer typisierenden Regelung berechtigt. Dies wird vom Landesarbeitsgericht unter Auswertung statistischer Berichte des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik NRW ebenso wie unter Auswertung der eingeholten Auskünfte der Tarifpartner näher begründet.
II. Gegen diese Würdigung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
1. Dem Landesarbeitsgericht ist zunächst darin zu folgen, es gehe vorliegend um die Auslegung und Anwendung einer eigenständigen (konstitutiven) Kündigungsregelung. Wie es der Protokollnotiz, die nicht nur auf die Regelung des § 20 Nr. 3 MTV-Metall 1988 über die verlängerten Kündigungsfristen, sondern auch auf die Grundkündigungsfrist zu beziehen ist, zutreffend entnommen hat, haben die Tarifvertragsparteien die gesetzliche Kündigungsregelung für Arbeiter weder ganz noch teilweise automatisch übernommen, sondern im vollen Umfang in ihre eigene Regelungskompetenz einbezogen. Dies zeigt sich, was die in Streit stehende Grundkündigungsfrist des § 20 Nr. 1 a MTV-Metall 1988 angeht, auch daran, daß die Tarifpartner in § 20 Nr. 2 MTV-Metall für die Montagezeitarbeiten eine von der Grundkündigungsfrist abweichende Regelung innerhalb der ersten sechs Monate der Beschäftigung, nämlich eine Kündigungsfrist von zwei Tagen, vereinbart haben. Die Eigenständigkeit der Grundfristregelung hat der Senat auch bereits im Aufhebungsurteil vom 23. September 1992 (- 2 AZR 231/92 - nicht veröffentlicht, zu III 1 der Gründe) zu derselben Tarifbestimmung ausführlich begründet, worauf Bezug genommen wird.
2. Bei dieser Rechtslage hat das Landesarbeitsgericht zutreffend in eigener Kompetenz geprüft, ob die in Rede stehende Kündigungsregelung im Vergleich zu der in § 20 Nr. 3 b MTV-Metall 1988 für Angestellte geltenden Regelung, die die früheren gesetzlichen Bestimmungen im Angestelltenkündigungsschutzgesetz von 1926 übernommen hat, mit dem Gleichheitssatz des Artikel 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, an den auch die Tarifpartner gebunden sind.
a) Das Berufungsgericht hat, wie eingangs schon erwähnt, funktions- und branchenspezifische Interessen für eine unterschiedliche Gestaltung der Grundkündigungsfristen von gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten in der Metallindustrie mit der Begründung anerkannt, in der gesamten Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen seien nach dem Stand per November 1992 von insgesamt 990.379 Arbeitnehmern in 6.212 Betrieben 67,9 % Arbeiter und 32,1 % Angestellte, wobei die Arbeiter fast ausschließlich in der Produktion tätig seien, während die Zahl der Angestellten hier um 5 % liege. Diese Feststellungen werden von der Revision nicht angegriffen. Sie macht vielmehr geltend, mit diesen Feststellungen sei noch keine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung der Grundkündigungsfrist in der Metallindustrie gegeben. Entgegen produkt- und konjunkturbedingten Auftragsschwankungen in den Tarifbereichen der Textilindustrie, Bauindustrie und der Gartenbaubetriebe könne von derartigen feststehenden Konjunkturschwankungen im Metallbereich nicht die Rede sein, insbesondere lasse sich dies aus der "just in time" - Fertigung nicht herleiten. Wenn sich daraus eine "Beschäftigungsanfälligkeit" ergebe, gelte dies jedenfalls nicht für den gesamten Bereich der Metallindustrie.
Das Landesarbeitsgericht hat demgegenüber ausgeführt, produkt- und konjunkturbedingte Auftragsschwankungen schlügen sich auch in der Metallindustrie zuerst in der Produktion nieder, was schneller zu Entlassungen oder Änderungskündigungen im Arbeiter- als im Verwaltungs- und Konstruktionsbereich führe; dieser Sachverhalt lasse sich nachweisen anhand der Daten des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfalen: Die Verschlechterung von Auftragseingang und Produktion in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens habe nämlich zu einem deutlichen Rückgang der Beschäftigung geführt, wobei der Rückgang bei Arbeitern wesentlich stärker als bei Angestellten sei; nach dem vom Verband der Metall- und Elektroindustrie NW übersandten statistischen Material sei in der Zeit von November 1991 bis November 1992 die Zahl der Arbeiter um 5,4 % zurückgegangen, während im gleichen Zeitraum sich die Zahl der Angestellten um lediglich 0,6 % verringert habe. Dies lasse sich - entgegen der von der Industriegewerkschaft Metall im Schreiben vom 2. Juni 1991 vertretenen Ansicht - nicht damit erklären, nach den alten Kündigungsfristen würden eben Arbeiter früher aus dem Arbeitsverhältnis entlassen als Angestellte. Denn bei einem Vergleichszeitraum von einem Jahr spiele die Dauer der Kündigungsfrist dafür, welche Beschäftigungsgruppe - Arbeiter oder Angestellte - in welchem Maße entlassen worden sei, keine Rolle; hier zeige sich eben, daß sich produktbedingte Auftragsschwankungen im Produktionsbereich langanhaltender niederschlügen als im Verwaltungs- und Konstruktionsbereich, wo zunächst akquiriert und dann konstruiert werden müsse, damit die Produktion wieder aufgenommen oder verstärkt werden könne.
Diese Schlußfolgerungen sind mit der Revision nicht angegriffen worden; sie sind auch revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere ist es zutreffend, wenn das Landesarbeitsgericht allein aus der erheblich höheren Entlassungsquote bei Arbeitern im Vergleich zu Angestellten entnimmt, daß es in der Metallindustrie auch aufgrund eines konjunkturbedingten Auftragsrückgangs im Arbeiterbereich zu einer erheblichen Personalreduzierung gekommen ist. Es leuchtet auch ein, daß im Verwaltungsbereich zunächst weiter akquiriert werden und eventuell auch konstruiert werden muß, wenn man den Konjunkturrückgang abfangen will. Das steht nicht der auch vom Senat in anderem Zusammenhang bereits aufgegriffenen Feststellung entgegen, daß auf Dauer sich ein Auftragsrückgang später auch im Verwaltungsbereich niederschlagen werde.
Insofern kann der Revision auch konzediert werden, daß bei Konjunkturschwankungen auch von der Möglichkeit der Kurzarbeit Gebrauch gemacht wird; dies mag ein typisches Instrumentarium der produktorientierten Personalanpassung sein. Darin allein erschöpfen sich aber offensichtlich die Arbeitgeberreaktionen nicht, wie der Abbau der Arbeiterschaft um 5,4 % innerhalb eines Jahres deutlich zeigt. Im übrigen fühlt sich der Senat durch die Darstellung der Revision, Kurzarbeit werde "natürlich überwiegend im produktiven Bereich eingesetzt", eher in seiner Auffassung bestätigt, betriebsbedingte Personalanpassungen fänden zumindest fürs erste im Produktions- und nicht im Verwaltungsbereich statt.
Ob sich die Tarifpartner, worauf die Revision weiter abheben will, über das Flexibilitätsbedürfnis im produktiven Bereich bei der Vereinbarung der Kündigungsfristen ausdrücklich Gedanken gemacht haben, hält der Senat für unerheblich. Entscheidend ist, ob ein solches Flexibilitätsbedürfnis objektiv vorliegt und anerkennenswert ist. Denn dann ist ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender, einleuchtender Grund (BVerfGE 12, 341, 348; 51, 1, 23) für die Differenzierung in den Kündigungsfristen gegeben. Dabei hat sich der Senat auch bereits mit dem mehrfach geäußerten Argument auseinandergesetzt, das Flexibilitätsbedürfnis gelte nur für betriebsbedingte Kündigungen; er hat dieses Argument nicht gelten lassen, weil die Tarifpartner im Hinblick auf ein Bedürfnis nach flexibler Personalwirtschaft den Anteil an betriebsbedingten im Vergleich zu den verhaltens- und personenbedingten Kündigungen besonders hoch veranschlagt oder jedenfalls für so ausschlaggebend angesehen haben könnten, daß sie eine einheitliche Regelung für sachgemäß erachtet hätten; den Tarifpartnern sei insoweit im Rahmen der ihnen gewährten Tarifautonomie (Artikel 9 Abs. 3 GG) eine sachverständige Beurteilungskompetenz einzuräumen (u. a. Senatsurteil vom 4. März 1993 - 2 AZR 355/92 - EzA § 622 BGB n. F. Nr. 44, zu II 2 c der Gründe; ferner Urteil vom 16. September 1993 - 2 AZR 120/93 -, nicht veröffentlicht, zu II 4 d der Gründe). Daran hält der Senat fest, zumal die Revision insoweit keine neuen Argumente vorträgt.
Auch die weitere Begründung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, es sei entgegen dem Schreiben der Industriegewerkschaft Metall vom 2. Juni 1993 eben nicht festzustellen, die Unternehmen würden vermehrt gezwungen, ihre Liefermöglichkeiten durch eine umfassende Vorratshaltung und entsprechende Lagerkapazität sicherzustellen. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr für den Senat bindend festgestellt (§ 561 ZPO), genau das Gegenteil sei der Fall, nämlich die sogenannte "just in time" - Fertigung sei in der Branche inzwischen so weit fortgeschritten, daß eine kostenträchtige Lagerhaltung so gut wie nicht mehr stattfinde; alle Zulieferteile würden produktionsweise geordert, es finde weder eine Vorratshaltung noch eine Vormontage statt; vielmehr würden die unterschiedlich nach den individuellen Kundenwünschen ausgestatteten Autos am Band zusammengebaut. Diese "just in time" - Fertigung gebe es aber nicht nur in der Automobilindustrie, sondern in fast allen Branchenbereichen der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie, die in aller Regel rein auftragsbezogen produzierten, insbesondere gelte dies für die Beklagte, soweit sie Kabelsätze herstelle.
Wenn dem aber so ist, ist wiederum revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht hieraus einen in der Produktion sich unmittelbar niederschlagenden Konjunktureinbruch, Auftragsmangel oder eine Produktanpassung als anerkennenswerten Grund für ein Flexibilitätsbedürfnis der metallindustriellen Arbeitgeber bei einer kurzfristigen Kündigungsmöglichkeit im Rahmen der Grundfristen anerkannt hat. Das Landesarbeitsgericht hat auch in bezug auf die Beklagte ausgeführt, Produktionseinbrüche in der Automobilindustrie, wie sie derzeit zu verzeichnen seien, führten sofort zu Produktionseinschränkungen bei allen Zulieferern und damit auch bei der Beklagten, so daß also bei derartigen Produktionseinbußen ein Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität mit der Folge bestehe, daß Entlassungen und Änderungskündigungen von Arbeitern im Produktionsbereich kurzfristiger möglich sein müßten. Dies gelte für die Entlassung der im Produktionsbereich tätigen Angestellten (Meister, technische Angestellte) nicht im gleichen Maße, weil jedes Unternehmen seine Führungsmannschaft so lange wie irgendmöglich behalte. Das Landesarbeitsgericht hat dann weiter ausgeführt, diese Gründe, insbesondere wegen der "just in time" - Fertigung, gälten auch für den Bereich der Elektroindustrie, wobei sich etwas anderes auch nicht aus der Auskunft der Industriegewerkschaft Metall vom 2. Juni 1993 ergebe.
b) Der Senat hat bisher in mehreren Entscheidungen, die sich mit Kündigungsfristen für Arbeiter in anderen Tarifverträgen befassen (vgl. zusammenfassend im Urteil vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 470/91 - AP Nr. 37 zu § 622 BGB), im Anschluß und unter Auswertung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Mai 1990 (BVerfGE 82, 126 = AP Nr. 28, aaO) entschieden, derartige Produktabhängigkeiten seien als sachlicher Differenzierungsgrund für unterschiedliche Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten anzuerkennen (so für die Textilindustrie: Urteile vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 470/91 - AP Nr. 37, aaO und vom 23. Januar 1992 - 2 AZR 460/91 - AP Nr. 36, aaO, für die Bauindustrie: Urteil vom 2. April 1992 - 2 AZR 516/91 - AP Nr. 38, aaO und für die chemische Industrie: Urteil vom 4. März 1993 - 2 AZR 355/92 - EzA § 622 BGB n. F. Nr. 44).
Was für diese Branchen, insbesondere eine so weit gefächerte Branche wie die chemische Industrie gilt, ist für die Metallindustrie ebenfalls anzuerkennen. Diese besteht nach der eingangs wiedergegebenen Statistik - sowohl was die Betriebe als auch die Beschäftigtenzahlen angeht - aus den Einzelbranchen Maschinenbau, Elektroindustrie, Eisen-Blech-Metallwarenindustrie, Fahrzeugbau, Stahl- und Leichtmetallbau, Stahlverformung, Gießereien und anderen größenmäßig hier - was die Betriebe und die Beschäftigtenzahlen angeht - zu vernachlässigenden Untergliederungen, d.h. einer jedenfalls im wesentlichen einheitlichen Branche (vgl. dazu noch unten zu bb). Ausweislich der genannten Statistik ist auch in den genannten Unterbranchen der weitaus überwiegende Hauptteil der Betriebe und Beschäftigten erfaßt, wobei hier der Arbeiteranteil konstant bei ca. 72 % der Beschäftigten liegt (zwischen 60,3 % und 79,5 %).
Das Landesarbeitsgericht hat auch festgestellt, das Bedürfnis nach erhöhter personalwirtschaftlicher Flexibilität erstrecke sich auf die verschiedenen (Unter-)Branchen der Metallindustrie. Selbst wenn ein derartiges Bedürfnis auch nicht ausdrücklich für die Zentralheizungsindustrie festgestellt worden ist, so hat das Landesarbeitsgericht dies doch für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie bejaht. Der Senat hat bereits zu dieser Problematik früher angedeutet (Urteil vom 16. September 1993 - 2 AZR 120/93 - n. v., zu II 4 c der Gründe), insofern könne einiges dafür sprechen, daß selbst bei unterschiedlichen Verhältnissen in den (Unter-)Branchen historisch gewachsenen Strukturen in den Koalitionen nach dem Industrieverbandsprinzip aufgrund der Tarifautonomie (Artikel 9 Abs. 3 GG) Rechnung zu tragen sei. Der Senat hält hieran fest. Auch die Revision gesteht den Tarifpartnern insoweit eine Pauschalierung, wenn nicht sogar eine gewisse Großgruppenbildung zu.
aa) Wie der Wortlaut des Art. 9 Abs. 3 GG und die geschichtliche Entwicklung zeigen, ist die Koalitionsfreiheit in erster Linie ein Freiheitsrecht. Sie gewährleistet die Freiheit des Zusammenschlusses zu Vereinigungen zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen und die Freiheit der gemeinsamen Verfolgung dieses Zwecks (BVerfGE 4, 96, 106 = AP Nr. 1 zu Art. 9 GG zu C 2 b der Gründe; 38, 386, 393 = AP Nr. 50 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu B II 1 der Gründe); über beides sollen die Beteiligten selbst und eigenverantwortlich, grundsätzlich frei von staatlicher Einflußnahme, bestimmen. Elemente der Gewährleistung sind die Gründungs- und Beitrittsfreiheit, die Freiheit des Austritts und des Fernbleibens sowie der Schutz der Koalition als solcher (BVerfGE 4, 96, 101 f., 106 = AP Nr. 1 zu Art. 9 GG; 19, 303, 312, 319 = AP Nr. 7 zu Art. 9 GG, zu I 2 der Gründe; 28, 295, 304 = AP Nr. 16 zu Art. 9 GG, zu B II 1 der Gründe) und ihr Recht, durch spezifische koalitionsmäßige Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen (BVerfGE 19, 303, 312 = AP Nr. 7 zu Art. 9 GG, zu I 2 der Gründe, m.w.N.; 28, 295, 304 = AP Nr. 16 zu Art. 9 GG, zu B II 1 der Gründe). Hierzu gehört der Abschluß von Tarifverträgen, durch die die Koalitionen insbesondere Lohn- und sonstige materielle Arbeitsbedingungen in einem Bereich, in dem der Staat seine Regelungszuständigkeit weit zurückgenommen hat, in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme regeln (BVerfGE 44, 322, 340 f. = AP Nr. 15 zu § 5 TVG, zu B II 1 b der Gründe, m.w.N.); damit dient die Koalitionsfreiheit einer sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens (BVerfGE 4, 96, 107 = AP Nr. 1 zu Art. 9 GG, zu C 2 b bb der Gründe; vgl. auch BVerfGE 18, 18, 27 = AP Nr. 15 zu § 2 TVG, zu B I 2 der Gründe).
bb) Insofern gehört es auch zur koalitionsmäßigen Betätigung in diesem Sinne, daß die Tarifpartner ihren Betätigungsbereich eigenständig abstecken und die von ihnen zu "bedienenden" Branchen selbst festlegen (BAG Beschlüsse vom 17. Februar 1970 - 1 ABR 14/69 - und vom 24. Juli 1990 - 1 ABR 46/89 - AP Nr. 3, 7 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 2 Rz 25, 29, 32 und § 4 Rz 52, 71; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, 2. Aufl., § 2 Rz 97; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rz 87 und § 4 Rz 22, 30). Falls die Arbeitsgerichte hier eingriffen, um für die eine oder andere Unterbranche Zweifel an dem Flexibilitätsbedürfnis für kürzere Kündigungsfristen zu äußern, und dementsprechend die Tarifklausel innerhalb des tariflichen Geltungsbereichs differenzierend als verfassungswidrig ansähen, bestünde die Gefahr, die Tarifautonomie zu verletzen. Die Schaffung einer einheitlichen Struktur innerhalb zumindest verwandter Branchen wird durch die Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG) gedeckt. Letztlich könnte diese Problematik nur nach dem sogenannten Überwiegensprinzip (vgl. z.B. BAGE 4, 37 sowie Urteile vom 19. Dezember 1958 - 1 AZR 55/58 - und vom 2. November 1060 - 1 AZR 251/58 - AP Nr. 4, 6, 8 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG Urteile vom 17. Februar 1971 - 4 AZR 62/70 - und vom 29. Mai 1991 - 4 AZR 524/90 - AP Nr. 8 und 142 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau) entschieden werden: Überwiegt das Flexibilitätsbedürfnis für die meisten Betriebe der Unterbranchen oder jedenfalls für mehr als die Hälfte der von einem Tarifvertrag erfaßten Arbeitnehmer, so gilt dies für die gesamte Branche. Dies aber decken die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für den vorliegenden Bereich der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie in Nordrhein-Westfalen bei weitem ab, wie oben zu II 2 a bereits ausgeführt worden ist. Außerdem ist auf die statistische Auswertung der Branchenverhältnisse der Metallindustrie in Nordrhein-Westfalen (oben zu II 2 b) zu verweisen.
c) Damit steht fest, daß ein Flexibilitätsbedürfnis im gesamten produktiven Bereich anzuerkennen ist. Das rechtfertigt es, die ganz überwiegend in diesem Bereich eingesetzten Arbeiter im Vergleich zu den Angestellten, was die Grundkündigungsfrist angeht, anders zu behandeln. Hinsichtlich der verlängerten Kündigungsfristen des § 20 Nr. 3 MTV-Metall hat der Senat ohnehin bereits entschieden (Urteil vom 21. März 1991 - 2 AZR 323/84 (A) - BAGE 67, 342 = AP Nr. 29 zu § 622 BGB), diese seien wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG nichtig.
Dabei kann der von der Rechtsprechung des Senats und vom Landesarbeitsgericht verwendete Produktionsbegriff nicht - wie die Revision meint - weiter aufgefächert werden, um mit der Herausnahme z. B. der Arbeitsvorbereitung, der Arbeitsstudien, der Qualitätskontrolle usw. eine deutliche Zuordnung dort beschäftigter Arbeitnehmer zum Arbeiter- oder Angestelltenbereich in Zweifel zu ziehen. Selbst wenn insofern eine gewisse "Grauzone" bestehen sollte, in der es fließende Übergänge der Zuordnung gibt, hindert dies - jedenfalls in der Metallbranche - nicht die bisher noch "klassische" Zuordnung zum Arbeiter- und Angestelltenbereich. Auch die Revision räumt insoweit ein, der Großteil der Arbeiter sei in der Produktion beschäftigt, weil hier immer noch die Domäne der Handarbeit liege. Im übrigen argumentiert sie insofern selbst recht unbestimmt, als sie vorträgt, es "lasse sich aber allgemein die Formulierung wagen", in den oben genannten Tätigkeitsfeldern seien überwiegend Angestellte tätig. Das Landesarbeitsgericht hat jedenfalls nicht festgestellt, daß etwa die "just in time" - Fertigung oder der sich ausbreitende Einsatz elektronischer Technologien einen durchschlagenden Wandel in der Zuordnung bereits zur Zeit der Kündigung des Klägers aufgrund der Frist gemäß § 20 Nr. 1 MTV Metallindustrie 1988 herbeigeführt haben. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr nach mehreren Ortsbesichtigungen gerade für die Automobilindustrie festgestellt, daß mit der "just in time" - Fertigung und bei Verwendung von Computertechnik eine starke Abhängigkeit in der Produktion von der Auftragslage besteht. Es hat diese Erkenntnis auch (S. 30 der Entscheidungsgründe unter 2.10) ausdrücklich auf "fast alle" Branchenbereiche der Metall- und Elektroindustrie sowie Klein-, Mittel- und Großbetriebe bezogen: Auch hier werde rein auftragsbezogen produziert; bei Konjunkturschwankungen sei ein Ausweichen auf Lagerproduktion heutzutage nicht mehr gegeben. Damit ist das Flexibilitätsbedürfnis im produktiven Bereich hinreichend belegt.
d) Der Senat hat zumindest in diesem Fall (Kündigung im vierten Jahr der Betriebszugehörigkeit) noch keine Veranlassung, näher auf die Problematik einzugehen, ob angesichts der durch das KündFG neu gezogenen Grenze von 2 Jahren zur Unterscheidung zwischen Grund- und verlängerten Kündigungsfristen daran festgehalten werden kann, daß § 20 MTV-Metall von der historisch begründeten früheren Grenze von 5 Jahren Betriebszugehörigkeit ausgeht. Da diese Grenze auch in dem inzwischen aufgehobenen AngKSchG 1926 für die Angestellten enthalten war, kann sich für Kündigungen vor dem 15. Oktober 1993 eine diskriminierende Ungleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) hieraus nicht ergeben. Der Senat gibt jedoch zu bedenken, ob für Kündigungsfälle bzw. Tarifklauseln, die nach dem 15. Oktober 1993 anfallen, etwas anderes gilt. Zwar kann nach § 622 Abs. 4 BGB n. F. durch Tarifvertrag auch von den neuen gesetzlichen Wartefristen abgewichen werden. Es erscheint jedoch angesichts des Art. 3 Abs. 1 GG problematisch, ohne einleuchtenden, sachlichen Grund für Arbeiter und Angestellte unterschiedliche Wartefristen, die jeweils an die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpfen, zu regeln (vgl. dazu bereits Senatsurteil vom 21. März 1991 - 2 AZR 323/84 (A) - BAGE 67, 342, 348, 353 = AP Nr. 29 zu § 622 BGB zu II 4 und IV der Gründe, und vom 21. März 1991 - 2 AZR 616/90 - BAGE 67, 367 = AP Nr. 31, aaO).
Damit zusammen hängt die weitere Frage, ob angesichts der Gleichsetzung von Arbeiter- und Angestelltenkündigungsfristen im neuen § 622 BGB für ältere Tarifverträge - wie den vorliegenden -, bei denen ein branchenspezifisches Bedürfnis nach unterschiedlichen Kündigungsfristen grundsätzlich anzuerkennen ist (vgl. auch die Beispiele unter II 2 b), überhaupt noch an der bisherigen großen Differenz der Kündigungsfristen von 2 Wochen ohne Termin im Vergleich zu 6 Wochen zum Quartalsende als sachlich begründbar festgehalten werden kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 82, 126 = AP Nr. 28 zu § 622 BGB) muß nicht nur ein die Ungleichbehandlung rechtfertigender Grund vorliegen, sondern die Ungleichbehandlung und der rechtfertigende Grund müssen auch in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Die Bestimmung des § 622 BGB n. F. stellt gemäß dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts eine Konkretisierung des Art. 3 Abs. 1 GG dar, d. h. wenn die Tarifpartner von der Öffnungsklausel des § 622 Abs. 3 BGB a. F. bzw. § 622 Abs. 4 n. F. Gebrauch machen, so dürften sachlich begründete, unterschiedliche Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten hinsichtlich ihrer Diskrepanz an den neuen Vorgaben des KündFG zu messen sein (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 5. August 1971 - 2 AZR 276/70 - BAGE 23, 396 = AP Nr. 10 zu § 622 BGB, am Ende der Gründe; siehe auch Wiedemann/Stumpf, aaO, § 1 Rz 236; Löwisch/Rieble, aaO, Grundl. Rz 31; KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 622 BGB Rz 123). Die Tarifautonomie gilt insofern nicht schrankenlos. Der Senat versteht daher die vorliegende Entscheidung zu einer Tarifregelung des Jahres 1988 und einer Kündigung aus dem Jahre 1990 nur vergangenheitsbezogen.
Bitter Bröhl Böck
Thelen Mauer
Fundstellen
Haufe-Index 438115 |
BAGE, 111 |
BB 1994, 1422 |
BB 1994, 1422-1424 (LT1-3) |
BB 1994, 648 |
DB 1994, 1933-1935 (LT1-3) |
NJW 1994, 3247 |
NJW 1994, 3247 (L) |
EWiR 1994, 881 (L) |
NZA 1994, 1045 |
NZA 1994, 1045-1049 (LT1-3) |
RzK, I 3e Nr 40 (LT1-3) |
ZAP, EN-Nr 753/94 (S) |
ZTR 1994, 432-433 (LT1-3) |
AP § 1 TVG, Nr 117 |
AR-Blattei, ES 1010.5 Nr 38 (LT1-3) |
EzA-SD 1994, Nr 15, 6-8 (LT1-3) |
EzA § 622 nF BGB, Nr 50 (LT1-3) |
PersF 1994, 762-763 (K) |