Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit einer Schiedsgerichtsabrede
Leitsatz (amtlich)
- Kündigt eine Tarifvertragspartei ihren Anschlußtarifvertrag zum NV-Chor und eine getroffene Schiedsgerichtsvereinbarung mit der Erklärung, daß sie künftig an einer Schiedsgerichtsbarkeit nicht interessiert sei, so wirkt die in § 26 NV-Chor getroffene Schiedsgerichtsabrede nicht nach.
- Ist von Mitgliedern dieser Gewerkschaft der NV-Chor in seiner jeweiligen Fassung auch einzelvertraglich in Bezug genommen, so gilt § 26 NV-Chor auch für die Zeit nach Ablauf der gekündigten Tarifverträge. Der Umstand, daß die Gewerkschaft die Schiedsgerichtsvereinbarung gekündigt und zum Ausdruck gebracht hat, an einer Schiedsgerichtsbarkeit nicht mehr interessiert zu sein, hindert ihre Mitglieder nicht, einzelvertraglich die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit zu vereinbaren.
Normenkette
ArbGG 1979 § 101; TVG § 4 Abs. 5; Normalvertrag Chor § 26
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 02.05.1995; Aktenzeichen 14 Sa 159/94) |
ArbG Karlsruhe (Urteil vom 30.11.1993; Aktenzeichen 4 Ca 169/93) |
Tenor
- Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 2. Mai 1995 – 14 Sa 159/94 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß ihre Klagen als vor den Arbeitsgerichten unzulässig abgewiesen werden.
- Die Kosten der Revision tragen die Klägerinnen zu je 1/5.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die fünf Klägerinnen sind Mitglieder des Opernchores des B… Staatstheaters K…. Auf ihr Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des Tarifvertrages “Normalvertrag Chor” (im folgenden NV-Chor) Anwendung. Dieser ist abgeschlossen zwischen dem Deutschen Bühnenverein – Bundesverband Deutscher Theater – (DBV) auf Arbeitgeberseite und der Vereinigung Deutscher Opernchöre und Bühnentänzer (VDO) und der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA) auf Arbeitnehmerseite. Die Klägerinnen sind Mitglieder der Gewerkschaft IG-Medien.
In § 26 NV-Chor heißt es unter der Überschrift:
“Bühnenschiedsgerichtsbarkeit
Für alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten … zwischen den Arbeitsvertragsparteien sind unter Ausschluß der Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließlich die von den vertragsschließenden Parteien dieses Tarifvertrages nach Maßgabe der vereinbarten Bühnenschiedsgerichtsordnungen eingesetzten Schiedsgerichte zuständig.”
Solche Bühnenschiedsgerichte sind vom DBV sowohl mit der VDO als auch mit der GDBA eingesetzt worden.
Auch die IG-Medien hatte mit dem DBV im November 1987 einen Anschlußtarifvertrag zum NV-Chor und einen Tarifvertrag über eine Bühnenschiedsgerichtsbarkeit vereinbart, diese Tarifverträge jedoch am 2. Dezember 1991 zum 31. Dezember 1992 gekündigt und dabei zum Ausdruck gebracht, daß sie an der Fortführung dieser Institution kein Interesse mehr habe. Dementsprechend hat sie auch für die Zeit nach dem 31. Dezember 1992 keine Mitglieder des Schiedsgerichts mehr bestellt und keine Kosten für ein Schiedsgericht mehr gezahlt.
In den Arbeitsverträgen der Klägerinnen, die dem Arbeitsvertragsmuster der Anlage 1 zum NV-Chor entsprechen, heißt es in § 9:
“Über alle Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis entscheiden unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges die zwischen den Tarifvertragsparteien des Normalvertrages Chor vereinbarten Schiedsgerichte. Gehört ein Opernchormitglied bei Vertragsabschluß und bei Klageerhebung keiner auf Arbeitnehmerseite beteiligten Tarifvertragspartei an, bestimmt der Kläger, welches Schiedsgericht zuständig sein soll.”
Die Klägerinnen wurden in der Spielzeit 1993/1994 in 16 Aufführungen der Oper “Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny” von Weill /Brecht als die “sechs Mädchen von Mahagonny” eingesetzt. In der Übersicht der Mitwirkenden zu dieser Oper werden unter der zusammenfassenden Bezeichnung “Chor” einerseits die “sechs Mädchen von Mahagonny” und andererseits die “Männer von Mahagonny” aufgeführt. In der Partitur der Oper werden die Stimmen der “sechs Mädchen von Mahagonny” gegenüber den Stimmen des “Chors” gesondert ausgewiesen. Die “sechs Mädchen von Mahagonny” haben durchweg dreistimmig zu singen. Neben den “sechs Mädchen von Mahagonny” wirken im Chor keine anderen weiblichen Chormitglieder mit.
Die Klägerinnen sehen in ihrer Mitwirkung als die “sechs Mädchen von Mahagonny” eine besondere Leistung, die nach dem NV-Chor nicht mit dem festen Gehalt abgegolten sondern gesondert zu vergüten sei.
Die einschlägigen Vorschriften des NV-Chor lauten wie folgt:
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Mitwirkungspflicht
Das Opernchormitglied ist im Rahmen seines Kunstfaches verpflichtet, bei allen Veranstaltungen … mitzuwirken …
Dabei ist das Opernchormitglied verpflichtet
- zu Gesangs- und Sprechchordienst,
- zum Singen in einem anderen Kunstfach …
- zum Singen in einer fremden Sprache …
zur Mitwirkung
- bei konzertanten Aufführungen …
- bei Konzerten aus besonderen Anlässen …
Das Opernchormitglied ist darüber hinaus zu folgenden Arbeitsleistungen verpflichtet:
- zur Übernahme von kleineren Rollen oder Partien …,
- zur Mitwirkung bei Pantomimen und Tanzleistungen,
- zur Mitwirkung bei Statisterie oder Komparserie, wenn sie aus künstlerischen Gründen … oder im Einzelfall im Benehmen mit dem Opernchorvorstand vorgesehen ist …
- …
- …
§ 11
Besondere Vergütungen
”
Die Klägerinnen sind der Ansicht, bei ihrem Einsatz als die “sechs Mädchen von Mahagonny” handele es sich um die Übernahme einer kleineren Rolle oder Partie, die nach § 11 Abs. 2 b) aa) neben dem festen Gehalt angemessen zu vergüten sei. Die “sechs Mädchen von Mahagonny” würden im Verzeichnis der Mitwirkenden und in der Partitur neben dem Chor gesondert genannt und ausgewiesen. Als Begleitpersonen der Hauptdarstellerin Jenny träten sie überwiegend gemeinsam mit ihr auf der Bühne auf. Das stelle eine separate, musikalische und szenische Leistung dar, die gesondert einstudiert, inszeniert, choreographiert und aufgeführt werde. In ähnlicher Weise würde auch der “Chor der Lehrbuben” in der Oper “Die Meistersinger” von Richard Wagner an allen Bühnen durchweg gesondert vergütet.
Die Höhe der Sondervergütung ergebe sich aus der Vereinbarung zwischen dem B… Staatstheater und dem Vorstand des Opernchores vom 9. Juni 1989. Entsprechend der Zahl der gesungenen Worte seien an jede Klägerin 33/13 einer Tagesgage pro Auftritt zu zahlen. Das ergebe für jede Klägerin einen Betrag von 5.817,34 DM.
Die Klägerinnen haben entsprechende Zahlungsanträge einschließlich der auf den Nettobetrag entfallenden Zinsen gestellt.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klagen abzuweisen. Es hält die Klagen für unzulässig. Über den geltend gemachten Anspruch habe das Bühnenschiedsgericht zu entscheiden. In der Sache selbst sei ein Anspruch auf eine besondere Vergütung nicht gegeben. Der Einsatz der Klägerinnen als die “sechs Mädchen der Stadt Mahagonny” sei eine Chorleistung des Opernchors gewesen, die über die üblichen Anforderungen an die Mitglieder des Opernchores nicht hinausgehe.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben zwar den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bejaht, die Klagen jedoch abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihren Klageanspruch weiter, während das beklagte Land mit der Aufrechterhaltung der Einrede der Schiedsgerichtsvereinbarung die Zurückweisung der Revision erbittet.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Klägerinnen ist unbegründet. Allerdings sind ihre Klagen als unzulässig abzuweisen, weil das beklagte Land sich zu Recht darauf berufen hat, daß der Rechtsstreit durch ein Bühnenschiedsgericht zu entscheiden sei.
II. Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten bejaht. In seiner Begründung hat es unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 3. September 1986 (– 5 AZR 319/85 –, BAGE 53, 1 = AP Nr. 12 zu § 4 TVG Nachwirkung) darauf abgestellt, daß der Tarifvertrag über die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht anwendbar sei, nachdem die IG Medien diesen Tarifvertrag gekündigt habe und dieser Tarifvertrag nicht nachwirke. § 9 des Arbeitsvertrages gelte nur für Chormitglieder, die keiner Gewerkschaft angehörten.
Mit dieser Begründung hat das Landesarbeitsgericht Inhalt und Tragweite der arbeitsvertraglichen Vereinbarung der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit verkannt.
II.1. Die Klägerinnen verfolgen ihren Klageanspruch auch in der Revisionsinstanz weiter. Der Senat hat daher, bevor er über den Klageanspruch in der Sache entscheidet, die Zulässigkeit der Klage zu prüfen, nachdem das beklagte Land die Einrede des Schiedsvertrages schon vor dem Arbeitsgericht erhoben hat und noch in der Revisionsinstanz aufrecht erhält. § 73 Abs. 2 in Verb. mit § 65 ArbGG, wonach das Revisionsgericht nicht prüft, ob der beschrittene Rechtsweg – zu den Arbeitsgerichten – zulässig ist, gilt nicht für das Verhältnis der Arbeitsgerichte zu den nach §§ 101 ff. ArbGG zulässigerweise errichteten Schiedsgerichten (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, § 102 Rz 7).
2.a) Nach § 101 Abs. 2 ArbGG können die Parteien eines Tarifvertrages für Rechtsstreitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis, das sich nach einem Tarifvertrag bestimmt, die Arbeitsgerichtsbarkeit ausschließen und bestimmen, daß die Entscheidung des Rechtsstreites durch ein Schiedsgericht erfolgen soll, wenn der persönliche Geltungsbereich des Tarifvertrages u.a. – wie hier – Bühnenkünstler umfaßt. Von dieser Möglichkeit haben die Tarifvertragsparteien des NV-Chor, nämlich der DBV auf der einen Seite und die VDO und die GDBA auf der anderen Seite Gebrauch gemacht. Diese Tarifvertragsparteien haben auch Bühnenschiedsgerichte errichtet. Die Klägerinnen sind nicht Mitglied dieser genannten Tarifvertragsparteien. § 26 NV-Chor gilt daher für sie nicht unmittelbar.
b) Allerdings hatte auch die IG-Medien im November 1987 mit dem DBV einen Tarifvertrag über eine Bühnenschiedsgerichtsbarkeit abgeschlossen. Dieser Tarifvertrag ist jedoch von der IG-Medien zum 31. Dezember 1992 gekündigt worden. Dieser Tarifvertrag wirkt nicht nach. Ob die Bestimmungen eines Tarifvertrages über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien überhaupt nachwirken können, ist im Schrifttum umstritten (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 193 m.w.N.). Die Frage braucht vorliegend nicht abschließend entschieden zu werden. Ein Tarifvertrag, der die Einrichtung einer Schiedsgerichtsbarkeit für bestimmte Rechtsstreitigkeiten vorsieht, begründet zunächst einmal schuldrechtliche Verpflichtungen für die Tarifvertragsparteien, diese Gerichtsbarkeit einzurichten, das heißt unter anderem, die Mitglieder der Schiedsgerichte zu bestimmen und die sachliche und finanzielle Ausstattung der Schiedsgerichte zu gewährleisten. Mit der Kündigung des Tarifvertrages über die Errichtung von Schiedsgerichten enden diese Verpflichtungen. Nach § 4 Abs. 5 TVG wirken lediglich die Rechtsnormen des Tarifvertrages nach, nicht aber die schuldrechtlichen Verpflichtungen. der Tarifvertragsparteien, soweit diese sich nicht gerade auf ein Verhalten nach der Kündigung des Tarifvertrages beziehen. Rechtsnormen eines Tarifvertrages über die Einrichtung einer Schiedsgerichtsbarkeit, die einer Nachwirkung zugänglich sein können, können nur die Bestimmungen über das Verfahren vor den Schiedsgerichten sein. Nur diese regeln Rechte und Pflichten der Mitglieder der Tarifvertragsparteien gegenüber der gemeinsamen Einrichtung “Schiedsgericht”. Entfällt aber mit der Kündigung des Tarifvertrages die Verpflichtung der Tarifvertragsparteien, ein Schiedsgericht überhaupt noch zu unterhalten, entfallen notwendig auch die Rechtswirkungen der Verfahrensordnung, da ohne ein Schiedsgericht ein Verfahren nicht mehr stattfinden kann, in dem die Mitglieder der Tarifvertragsparteien Rechte und Pflichten haben. Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie im vorliegenden Fall die IG-Medien – die kündigende Tarifvertragspartei ausdrücklich erklärt, daß sie an der Aufrechterhaltung einer Schiedsgerichtsbarkeit für die Zukunft kein Interesse mehr hat und tatsächlich keine Schiedsrichter mehr bestellt und keine Beiträge zur Unterhaltung eines Schiedsgerichts mehr zahlt. Für die Klägerinnen als Mitglieder der IG-Medien besteht daher keine von ihrer Gewerkschaft vereinbarte und von dieser mitgetragene Schiedsgerichtsbarkeit mehr. Eine tarifliche Verpflichtung der Klägerinnen, das Bühnenschiedsgericht anzurufen, besteht daher nicht.
3.a) Die Parteien haben jedoch in § 9 ihres Arbeitsvertrages vereinbart, daß alle Streitigkeiten aus ihrem Arbeitsverhältnis unter Ausschluß des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten die von den Tarifvertragsparteien des NV-Chor vereinbarten Schiedsgerichte entscheiden sollen. Eine solche Vereinbarung ist nach § 101 Abs. 2 Satz 3 ArbGG zulässig. Die Vereinbarung ist schriftlich getroffen worden. Sie erstreckt sich auf ein Arbeitsverhältnis, daß sich – trotz fehlender Tarifbindung – aufgrund § 7 des Arbeitsvertrages nach dem NV-Chor in der jeweils geltenden Fassung und nach den ihn ergänzenden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen richtet. Damit haben die Parteien des Arbeitsvertrages wirksam die Zuständigkeit der Bühnenschiedsgerichte vereinbart.
b) Der Ansicht des Arbeitsgerichts und damit auch des Landesarbeitsgerichts, daß § 9 des Arbeitsvertrages nur für Arbeitnehmer gilt, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft sind, vermag der Senat nicht zu folgen. Die Vereinbarung ist zunächst mit den Klägerinnen als Arbeitnehmerinnen des beklagten Landes abgeschlossen worden und soll daher auch für sie gelten. Allerdings enthält § 9 Satz 2 des Arbeitsvertrages eine Bestimmung, die eine solche Deutung nahelegt. Hier heißt es:
“Gehört ein Opernchormitglied … keiner auf Arbeitnehmerseite beteiligten Tarifvertragspartei an, bestimmt der Kläger, welches Schiedsgericht zuständig sein soll.”
Diese Bestimmung ist auf dem Hintergrund zu sehen, daß auf Arbeitnehmerseite zwei Tarifvertragsparteien beteiligt sind, nämlich die VDO und die GDBA, die jeweils für sich mit dem DBV Bühnenschiedsgerichte vereinbart haben. Damit bedurfte es einer Regelung der Frage, welches der möglichen Schiedsgerichte – der VDO oder der GDBA – zuständig sein soll, wenn das Opernchormitglied keiner dieser Gewerkschaften angehört. Der Kläger des Rechtsstreits soll dann wählen können, vor welches der möglichen beiden Schiedsgerichte er den Rechtsstreit bringt.
Auf der Grundlage dieser Überlegungen hat der Fünfte Senat auch in der genannten Entscheidung vom 3. September 1986 entschieden, daß § 9 des Arbeitsvertrages für ein Mitglied einer dieser Tarifvertragsparteien, VDO oder GDBA, keine Schiedsgerichtsbarkeit begründet, wenn seine Gewerkschaft den Tarifvertrag über die Schiedsgerichtsbarkeit gekündigt habe, weil “kaum vorstellbar sei, daß eine Arbeitnehmerorganisation für den Fall, daß die von ihr selbst abgeschlossene Schiedsgerichtsordnung gekündigt ist, die Zuständigkeit der von der konkurrierenden Arbeitnehmerorganisation mit unterhaltenen Schiedsgerichte vereinbaren wolle”.
Diese Überlegungen passen jedoch nicht für die vorliegende Fallgestaltung. Die Klägerinnen sind nicht Mitglied der tarifvertragsschließenden Parteien des NV-Chor, der VDO oder der GDBA, sondern Mitglied der IG-Medien. Diese Gewerkschaft ist zumindest seit der Kündigung des Anschlußtarifvertrages zum NV-Chor zum 31. Dezember 1992 nicht mehr eine “auf Arbeitnehmerseite beteiligte Tarifvertragspartei” i.S. von § 9 des Arbeitsvertrages. Damit sind auch die Klägerinnen nicht (mehr) Mitglieder einer der Tarifvertragsparteien des NV-Chor. Für sie gilt daher die Regelung in § 9 Satz 2 des Arbeitsvertrages, nach der sie als Kläger entscheiden können, welches Schiedsgericht sie anrufen wollen.
c) Daß die Klägerinnen noch Mitglied einer anderen Gewerkschaft sind, steht der arbeitsvertraglichen Vereinbarung der zwischen den Tarifvertragsparteien des NV-Chor vereinbarten Schiedsgerichtsbarkeit nicht entgegen (Germelmann/Matthes/Prüttig, ArbGG, 2. Aufl., § 101 Rz 26a).
Das gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, daß der von der IG Medien abgeschlossene und später gekündigte Anschlußtarifvertrag NV-Chor für das Arbeitsverhältnis der Klägerinnen nach § 4 Abs. 5 TVG grundsätzlich nachwirkt. Für § 26 dieses Anschlußtarifvertrages kommt eine solche Nachwirkung nicht in Betracht. Kündigt die IG-Medien gleichzeitig die von ihr vereinbarte Bühnenschiedsgerichtsordnung, die – wie dargelegt – nicht nachwirkt, kann auch der § 26, der eine solche Bühnenschiedsgerichtsbarkeit voraussetzt, nicht nachwirken. Solange der Anschlußtarifvertrag der IG-Medien kraft normativer Wirkung galt, d.h. bis zum 31. Dezember 1992, kann mit dem Fünften Senat davon ausgegangen werden, daß Mitglieder der IG-Medien nicht gezwungen sein sollten, die Schiedsgerichtsbarkeit anderer konkurrierender Gewerkschaften in Anspruch zu nehmen. Mit dem Ende des Tarifvertrages und dem Erlöschen einer von der IG-Medien mitgetragenen Schiedsgerichtsbarkeit endete auch dieser “Schutz” vor einer konkurrierenden Schiedsgerichtsbarkeit. Von diesem Zeitpunkt an wurde der Weg frei, einzelvertraglich die Zuständigkeit der Bühnenschiedsgerichte zu vereinbaren.
Allerdings haben die Parteien ihre Arbeitsverträge und damit auch § 9 vor dem 31. Dezember 1992 vereinbart. Diese Vereinbarung wurde jedoch durch den Anschlußtarifvertrag nicht unwirksam. Der Anschlußtarifvertrag und § 9 des Arbeitsvertrages deckten sich inhaltlich. Lediglich Satz 2 des § 9 des Arbeitsvertrages war für diese Zeit ohne Bedeutung, da für die Klägerinnen als Mitglieder der IG-Medien während dieser Zeit feststand, welches Schiedsgericht für eventuelle Streitigkeiten zuständig war.
Es ist der Sinn einer einzelvertraglichen Inbezugnahme eines Tarifvertrages oder eines ganzen Tarifwerkes, das Arbeitsverhältnis den tariflichen Regelungen zu unterwerfen, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer tarifgebunden ist oder nicht. Eine solche Vereinbarung soll gerade sicherstellen, daß die tarifliche Regelung auch dann maßgebend ist oder bleibt, wenn sie aufgrund fehlender oder fortfallender Tarifbindung nicht mehr normativ das Arbeitsverhältnis bestimmt.
Endet – wie im vorliegenden Fall – die Tarifbindung der Klägerinnen an § 26 NV-Chor und wirkt – wie dargelegt – diese Regelung nicht nach, so bleibt doch aufgrund der einzelvertraglichen Inbezugnahme des NV-Chor auch dessen § 26 Inhalt des Arbeitsverhältnisses.
d) Der Senat verkennt nicht, daß im Schrifttum die Frage umstritten ist, ob eine die Nachwirkung des Tarifvertrages beendende Abmachung schon zur Zeit der Geltung des Tarifvertrages oder gar vorher oder ob die “andere Abmachung” i.S. von § 4 Abs. 5 TVG erst im Nachwirkungszeitraum getroffen werden kann. Die zuletzt genannte Ansicht (vgl. dazu Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 183; MünchArbR-Löwisch, § 266 Rz 12; Wiedemann/ Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 196) wird im wesentlichen damit begründet, daß die in § 4 Abs. 5 TVG angeordnete Nachwirkung des Tarifvertrages die Kontinuität der tariflichen Regelung sichern soll. Die Frage braucht vorliegend nicht abschließend entschieden zu werden. Gerade eine arbeitsvertragliche Inbezugnahme der tariflichen Regelung sichert deren kontinuierliche Anwendung auch für die Zeit, in der die tarifliche Regelung nicht mehr normativ wirkt. Das gilt erst recht dann, wenn – wie hier – die tarifliche Regelung nicht einmal Nachwirkung entfaltet.
Die arbeitsvertragliche Inbezugnahme von § 26 NV-Chor ist daher nicht deswegen unwirksam, weil sie zu einer Zeit getroffen wurde, als diese Tarifvorschrift ohnehin das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ bestimmte.
e) Die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit konkurriert auch mit keiner zugunsten der Klägerinnen geltenden tariflichen Regelung. Die Tatsache allein, daß die Klägerinnen Mitglied der IG-Medien sind, hinderte diese nicht, einzelvertraglich eine Schiedsgerichtsbarkeit zu vereinbaren, deren Schiedsgerichte nicht von ihrer Gewerkschaft mitgetragen wurden. Wenn die IG-Medien mit der Kündigung ihrer Schiedsgerichtsvereinbarung erreichen wollte, daß ihre Mitglieder im Bühnenbereich ihre Rechtsstreitigkeiten vor den Arbeitsgerichten austragen können, hätte sie eine tarifliche Regelung dieses Inhaltes mit dem DBV vereinbaren müssen. Die bloße Aufkündigung der Schiedsvereinbarung beinhaltet noch keine Norm, nach der es Mitgliedern der IG-Medien verwehrt ist, einzelvertraglich die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit zu vereinbaren. Nur wenn es eine solche Norm gäbe, könnte sich die Frage stellen, ob die einzelvertragliche Vereinbarung der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit als für die Klägerinnen “günstigere Regelung” gleichwohl zulässig wäre.
Es entspricht der in § 101 Abs. 2 Satz 3 ArbGG zum Ausdruck gekommenen Absicht des Gesetzgebers, daß möglichst für alle Rechtsstreitigkeiten bestimmter Berufszweige – wie hier für Bühnenkünstler – Schiedsgerichte zur Entscheidung berufen werden können, die über eine besondere Sachkunde schon kraft ihrer Zusammensetzung verfügen. Die Vereinbarung eines solchen Schiedsgerichts, das stets auch von einer Gewerkschaft mitgetragen wird, wird auch für nicht tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien ausdrücklich ermöglicht. Dabei macht das Gesetz keinen Unterschied, ob die fehlende Tarifbindung darauf beruht, daß der Arbeitnehmer keiner Gewerkschaft oder aber einer Gewerkschaft angehört, die nicht Tarifvertragspartei eines Tarifvertrages zur Einrichtung eines Schiedsgerichtes ist. Der Umstand, daß eine Gewerkschaft einmal für einen vorübergehenden Zeitraum eine Schiedsgerichtsvereinbarung getroffen, diese dann aber gekündigt und dabei zum Ausdruck gebracht hat, daß sie für die Zukunft an einer solchen Schiedsgerichtsbarkeit nicht mehr interessiert ist, kann daran nichts ändern.
Nach allem müssen die Klägerinnen gem. § 9 ihres Arbeitsvertrages ihren Anspruch vor einem von ihnen zu wählenden Bühnenschiedsgericht geltend machen. Ihre Klagen vor den Gerichten für Arbeitssachen sind unzulässig.
Ihre Revision war daher mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß ihre Klagen als vor den Arbeitsgerichten unzulässig abgewiesen werden.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Jobs, Hauck, Brose, Tirre
Fundstellen
Haufe-Index 872461 |
BAGE, 370 |
BB 1996, 1511 |
NZA 1996, 942 |