Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstufung. Wachmann im Separatwachdienst
Normenkette
Lohntarifvertrag für das Bewachungsgewerbe in Nordrhein-Westfalen vom 26. April 1995 Lohngruppen 2.0.15, 2.0.19
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 2. Mai 1997 – 4 Sa 93/97 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um höheren Lohn, Lohnfortzahlung und Urlaubsentgelt bei zutreffender Einstufung für den Klagezeitraum von August bis Dezember 1995.
Der Kläger ist aufgrund eines Arbeitsvertrags als Separatwachmann im Pförtnerdienst bei der Beklagten tätig. Ziff. 14 des Arbeitsvertrags lautet:
Der Mitarbeiter verpflichtet sich vorsorglich zur Teilnahme an Ausbildungsmaßnahmen sowie zur Führung, Pflege und Betreuung der zugeteilten Hunde. Der Mitarbeiter kann eine Vergütung für die Ausbildungsmaßnahmen fordern, wenn er nach der untersten Lohngruppe bezahlt wird.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Lohntarifvertrag für das Bewachungsgewerbe Nordrhein-Westfalen Anwendung. Dieser lautete in der Fassung vom 11. November 1980 hinsichtlich der Lohngruppe 2.0.17:
Wachmann im Separatwachdienst, dem Ein- und Ausgangskontrolle von Personen und Fahrzeugen, die Erste-Hilfe-Leistung und der Brand- und Katastrophenschutz obliegt.
Die Lohngruppenregelungen des nachfolgenden, hier zur Anwendung kommenden Tarifvertrags vom 26. April 1995 lauten:
“2.0.11 |
Separatwachmann, der den Dienst hauptsächlich in geschlossenen Objekten auszuführen hat und Separatwachmann im Pförtnerdienst |
2.0.12 |
Separatwachmann, der den Dienst hauptsächlich außerhalb geschlossener Objekte auszuführen hat und Separatwachmann im Pförtnerdienst mit regelmäßiger Telefon-, Auskunfts- und Registriertätigkeit |
2.0.15 |
Separatwachmann im Pförtnerdienst, der sich von 2.0.11 und 2.0.12 dadurch abhebt, indem ihm verantwortlich Ein- und Ausgangskontrollen von Personen und Kraftfahrzeugen obliegen und von dem der Arbeitgeber eine Ausbildung in erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen kann |
2.0.19 |
Separatwachmann im Pförtnerdienst, der sich von der Lohngruppe 2.0.15 dadurch abhebt, indem er im Empfangsdienst tätig ist und dem die Ein- und Ausgangskontrolle des Publikums sowie auch die Personalkontrolle der Dienststelle, Überwachungsfunktion von technischen Anlagen und die Bedienung der Telefonzentrale obliegt.” |
Der Kläger, der die Einstufung in die Lohngruppe 2.0.19 begehrt, ist im Empfangsdienst tätig, ihm obliegen Ein- und Ausgangskontrolle des Publikums sowie die Personalkontrolle der Dienststelle, Überwachungsfunktion von technischen Anlagen und die Bedienung der Telefonzentrale sowie im Sinne der Lohngruppe 2.0.15 die verantwortlichen Ein- und Ausgangskontrollen von Personen und Kraftfahrzeugen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Einstufung in die Lohngruppe 2.0.19 setzte keine Ausbildung oder Tätigkeit eines Separatwachmanns im Pförtnerdienst in erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz voraus. Er begehrt deshalb für den Klagezeitraum die Lohndifferenz zwischen der Lohngruppe 2.0.11, nach der die Beklagte abgerechnet hat, und der begehrten Lohngruppe 2.0.19 in unstreitiger Höhe von 4.950,07 DM brutto abzüglich 300,00 DM netto.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.950,07 DM brutto abzüglich 300,00 DM netto nebst 4 % Zinsen vom Nettobetrag seit dem 1. März 1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Lohngruppe 2.0.19 sei eine Aufbaufallgruppe zur Lohngruppe 2.0.15, so daß die höhere Lohngruppe nur derjenige Arbeitnehmer beanspruchen könne, dessen Tätigkeit eine Ausbildung in erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz erfordere.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die Beklagte sei verpflichtet, dem Kläger für den Klagezeitraum die geforderte Lohndifferenz zu zahlen, weil der Kläger in die Lohngruppe 2.0.19 einzustufen sei. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts erfüllt der Kläger sämtliche Tätigkeitsmerkmale dieser Lohngruppe. Er ist als Separatwachmann im Pförtnerdienst im Empfangsdienst tätig. Ihm obliegt die Ein- und Ausgangskontrolle des Publikums und die Personenkontrolle der Dienststelle sowie die Überwachungsfunktion von technischen Anlagen und die Bedienung der Telefonzentrale.
2. Die Einstufung des Klägers in die Lohngruppe 2.0.19 setzt keine Ausbildung oder Tätigkeit als Separatwachmann im Pförtnerdienst in erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz im Sinne einer Aufbaufallgruppe aus Lohngruppe 2.0.15 voraus. Gefordert wird nach der Lohngruppe 2.0.15 vielmehr, daß der Arbeitgeber eine Ausbildung in erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz vom Separatwachmann im Pförtnerdienst verlangen kann. Zur Erfüllung dieses Merkmals genügt es damit, daß der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Erfüllung der Ausbildungsverpflichtung für die genannten Tätigkeiten haben muß. Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall gegeben, weil sich der Kläger, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, gemäß Ziff. 14 des Arbeitsvertrages zur Teilnahme an solchen Ausbildungsmaßnahmen verpflichtet hat.
a) Die Tarifvertragsparteien haben in dem Lohntarifvertrag für das Bewachungsgewerbe den Begriff des “Pförtnerdienstes” nicht in seiner allgemeinen Bedeutung verstehen und angewendet wissen wollen, wonach zum Pförtnerdienst je nach den speziellen Bedürfnissen und Besonderheiten des Arbeitsplatzes neben den berufstypischen Aufgaben auch Aufgaben in erster Hilfe und Feuerschutz gehören können (vgl. zum letzteren BAG Urteil vom 26. Mai 1976 – 4 AZR 240/75 – AP Nr. 92 zu §§ 22, 23 BAT). Entgegen der Auffassung der Revision gehören diese Tätigkeiten deshalb nicht von vornherein zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers, so daß die Beklagte sie nicht kraft Direktionsrechts verlangen kann.
b) Die Tarifvertragsparteien haben mit dem Lohntarifvertrag vielmehr eine eigenständige Regelung für die Einstufung eines Separatwachmanns im Pförtnerdienst geschaffen, wie sich aus den unterschiedlichen Voraussetzungen der Regelungen der Lohngruppen 2.0.11, 2.0.12, 2.0.15 und 2.0.19 ergibt. Die inhaltliche Bestimmung des Begriffs “Separatwachmann im Pförtnerdienst … von dem der Arbeitgeber eine Ausbildung in erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz verlangen kann”, ist deshalb allein durch die Auslegung dieser Regelung zu ermitteln. Sie bestimmt, daß der Arbeitgeber einen Rechtsanspruch gegen den Arbeitnehmer haben muß, daß dieser eine solche Ausbildung durchführt, wenn es der Arbeitgeber verlangt. Liegt diese Voraussetzung vor, ist dieses Merkmal der Lohngruppe erfüllt.
Bereits der Wortlaut “von dem der Arbeitgeber eine Ausbildung … verlangen kann” gibt keinen Hinweis darauf, daß der Arbeitnehmer eine solche Ausbildung haben muß bzw. Voraussetzung ist, daß dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit in erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz obliegen muß. Die Tarifvertragsparteien haben vielmehr in der Regelung 2.0.15 selbst zwischen den Begriffen “obliegen” und “verlangen kann” unterschieden. Sie haben geregelt, welche Tätigkeiten einem Separatwachmann im Pförtnerdienst obliegen und was darüber hinaus von ihm verlangt werden kann. Daraus ist zu folgern, daß der Separatwachmann keine weitere Ausbildung haben muß. Eine vorhandene Ausbildung “kann” der Arbeitgeber nicht mehr verlangen. Dies wäre widersprüchlich. Dem Separatwachmann muß auch nicht eine Tätigkeit in erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz “obliegen”. Hätten die Tarifvertragsparteien dies gewollt, so hätten sie dies in der tariflichen Regelung anders ausdrücken müssen, z.B. wie im Tarifvertrag vom 11. November 1980, wo es heißt “Wachmann im Separatwachdienst, dem die Erste Hilfe-Leistung und der Brand- und Katastrophenschutz obliegt”, oder daß der Arbeitnehmer eine solche Ausbildung hat bzw. die Tätigkeit eine entsprechende Ausbildung verlangt.
Da eine solche Regelung erkennbar nicht vorliegt, bedeutet diese tarifliche Lohnregelung vielmehr, daß der Arbeitgeber einen Anspruch gegenüber dem Arbeitnehmer haben muß, daß dieser sich, wenn der Arbeitgeber es verlangt, in erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz ausbilden lassen muß. Sinn und Zweck einer solchen Regelung ist es, daß der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer beschäftigen kann, ohne ihn arbeitsvertraglich zu diesen Ausbildungen zu verpflichten. In diesem Falle entfällt ein Anspruch auf die höheren Lohngruppen. Soweit der Arbeitgeber aber einen rechtlichen Anspruch gegen den Arbeitnehmer braucht, daß dieser sich einer solche Ausbildung unterziehen muß, wenn der Auftraggeber es vom Arbeitgeber als Auftragnehmer fordert, soll die Einstufung in die höheren Lohngruppen wegen dieser arbeitsvertraglichen Verpflichtung erfolgen. Nur ein solcher Anspruch und die Verpflichtung zur Erfüllung durch den Arbeitnehmer gewährleisten, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei dem Auftraggeber, der eine solche Ausbildung fordert, einsetzen kann. Dies wird auch durch die Tarifauskunft des Bundesverbands Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen vom 12. März 1997 bestätigt, wonach diese Regelung in den geltenden Tarifvertrag gegenüber dem vorgehenden Tarifvertrag aufgenommen worden ist, um dem Anspruch einiger Auftraggeber gerecht zu werden, daß in bestimmten Positionen der Separatwachmann im Pförtnerdienst auch eine Ausbildung in erster Hilfe sowie Brand- und Katastrophenschutz haben sollte. Davon geht auch die Beklagte aus.
Diese Auslegung nach Wortlaut, Sinn und Zweck und der historischen Entwicklung führt auch zu einer praktisch brauchbaren Regelung und ist damit sachgerecht. Ausgehend von dem Zweck einer solchen Ausbildung und den damit verbundenen, vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten, macht es keinen Sinn, daß sämtliche Separatwachmänner im Pförtnerdienst die Ausbildung in erster Hilfe sowie kumulativ im Brand- und Katastrophenschutz haben müssen, obwohl der Arbeitsplatz es überhaupt nicht erfordert. Wird dagegen aufgrund der speziellen Bedürfnisse und Besonderheiten des Arbeitsplatzes die eine oder andere Ausbildung gewünscht oder gefordert, kann der Arbeitgeber, der dies vertraglich mit dem Arbeitnehmer vereinbart hat, diese Ausbildung verlangen und somit den Arbeitnehmer für Tätigkeiten einsetzen, die eine solche Ausbildung erfordern.
Voraussetzung für die Vergütung nach Lohngruppe 2.0.15 ist somit allein, daß der Arbeitgeber, da diese Ausbildung und Tätigkeit zunächst nicht Inhalt des Arbeitsvertrags ist und sie somit auch nicht kraft Direktionsrecht verlangt werden kann, einen arbeitsvertraglichen Anspruch gegen den Arbeitnehmer hat, diese Ausbildung durchzuführen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Dr. Jobs, Hauck, Hermann, Walther
Fundstellen