Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsaufschlag für Feuerwehrlehrgang
Leitsatz (amtlich)
Ist ein Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 Satz 3 FSHG wegen der Teilnahme an einem Lehrgang der Freiwilligen Feuerwehr von der Arbeitspflicht befreit, ist ihm vom Arbeitgeber das Arbeitsentgelt einschließlich aller Nebenleistungen und Zulagen fortzuzahlen, das ohne die ehrenamtliche Tätigkeit üblicherweise erzielt worden wäre. Zu den fortzuzahlenden Zulagen gehört nicht der Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT.
Normenkette
BAT §§ 26, 37, 47 Abs. 2, § 52 Abs. 1, 5; Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung bei Unglückfällen und öffentlichen Notständen vom 25. Februar 1975, zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. März 1989 – SGV.NW. 213 (FSHG) § 9
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 28.07.1993; Aktenzeichen 11 Sa 759/93) |
ArbG Wesel (Urteil vom 01.04.1993; Aktenzeichen 5 Ca 2979/92) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 28. Juli 1993 – 11 Sa 759/93 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 1. April 1993 – 5 Ca 2979/92 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob für die Dauer der Arbeitsbefreiung zur Teilnahme an einem Lehrgang der Freiwilligen Feuerwehr ein Urlaubsaufschlag nach § 47 Abs. 2 BAT zu bezahlen ist.
Der Kläger ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und wird seit September 1989 bei der beklagten Stadt als Rettungsassistent beschäftigt. Beide Parteien sind tarifgebunden. Der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) enthält, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Interesse, folgende Bestimmungen:
Ҥ 37
Krankenbezüge
- …
- Als Krankenbezüge wird die Urlaubsvergütung gezahlt, die dem Angestellten zustehen würde, wenn er Erholungsurlaub hätte.
§ 47
Erholungsurlaub
- …
Als Urlaubsvergütung werden die Vergütung (§ 26) und die Zulagen, die in Monatsbeträgen festgelegt sind, weitergezahlt. Der Teil der Bezüge, der nicht in Monatsbeträgen festgelegt ist, wird nach Maßgabe des § 36 Abs. 1 Unterabs. 2 durch eine Zulage (Aufschlag) für jeden Urlaubstag nach Unterabsatz 2 als Teil der Urlaubsvergütung berücksichtigt.
Der Aufschlag beträgt 108 des Tagesdurchschnitts der Zulagen, die nicht in Monatsbeträgen festgelegt sind, der Zeitzuschläge nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b bis f, der Überstundenvergütungen (ausgenommen die Überstundenpauschalvergütung nach Nr. 5 SR 2s) und des Zeitzuschlages nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a für ausgeglichene Überstunden, der Bezüge nach § 34 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 3 sowie der Vergütungen für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft des vorangegangenen Kalenderjahres.
§ 52
Arbeitsbefreiung
Protokollerklärung zu Abs. 5
Als Zulagen, die in Monatsbeträgen festgelegt sind, gelten auch Monatspauschalen der in § 47 Abs. 2 Unterabs. 2 genannten Bezüge.”
Der Kläger war nach dem Dienstplan der Beklagten für den 2. April bis 16. April 1992 zu fünf Schichten mit je 24 Stunden Dienst eingeteilt. Die Beklagte stellte ihn frei, damit der Kläger an einem Brandmeister-Lehrgang der Freiwilligen Feuerwehr teilnehmen konnte. Sie zahlte für die Zeit der Arbeitsbefreiung Grundvergütung, Ortszuschlag, vermögenswirksame Leistungen sowie eine allgemeine Zulage. Der Kläger hat gemeint, die Beklagte sei verpflichtet, ihm für die Zeit der Arbeitsbefreiung entsprechend der tariflichen Regelung über Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und bei Urlaub Urlaubszuschläge zu zahlen. Mit der am 8. Dezember 1992 erhobenen Klage hat er beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 489,75 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 8. Oktober 1992 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel der Klageabweisung. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Urlaubsaufschlags.
1. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus den nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend geltenden Rechtsnormen des BAT.
a) Der Urlaubsaufschlag ist nach § 47 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 BAT für jeden Tag des Erholungsurlaubs als Teil der Urlaubsvergütung zu zahlen. Da dem Kläger keine Freistellung für Erholungsurlaub nach § 47 Abs. 1 BAT, sondern Freistellung zur Erfüllung allgemeiner staatsbürgerlicher Pflichten nach § 52 Abs. 1 Nr. 1e BAT gewährt worden ist, fehlt für eine unmittelbare Anwendung des § 47 Abs. 2 BAT die Voraussetzung der Urlaubserteilung.
b) Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 52 Abs. 5 BAT.
In den Freistellungsfällen des § 52 BAT ist wegen der im Klammerzusatz dieser Vorschrift enthaltenen Verweisung auf § 26 BAT regelmäßig nur die aus Grundvergütung und Ortszuschlag bestehende Vergütung fortzuzahlen. Zusätzlich werden in den Fällen der Arbeitsbefreiung bis zu sechs Werktagen nach § 52 Abs. 5 BAT “neben der Vergütung (§ 26) die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen fortgezahlt”. Nach der Protokollerklärung der Tarifvertragsparteien zu dieser Bestimmung sollen auch die bei der Berechnung des Urlaubsaufschlags berücksichtigungsfähigen nicht ständigen Zulagen des vorangegangenen Kalenderjahres (§ 47 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT) fortgezahlt werden, soweit sie von den Arbeitsvertragsparteien pauschaliert worden sind. Dafür, daß dem Kläger Vergütungsbestandteile pauschaliert gezahlt worden sind, gibt es keine Anhaltspunkte. Der insoweit darlegungspflichtige Kläger hat dazu nichts vorgebracht.
2. Die für die Freistellungstage geltend gemachten Aufschläge sind auch nicht, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, nach § 9 Abs. 2 Satz 4 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über den Feuerschutz und die Hilfeleistung bei Unglücksfällen und öffentlichen Notständen (FSHG) fortzuzahlen.
Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist nach § 9 Abs. 2 Satz 3 FSHG der ehrenamtliche Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr für die Dauer der Teilnahme an Lehrgängen von Gesetzes wegen von der Arbeitspflicht befreit und nach § 9 Abs. 2 Satz 4 FSHG der Arbeitgeber verpflichtet, “für diesen Zeitraum das Arbeitsentgelt oder die Dienstbezüge einschließlich aller Nebenleistungen und Zulagen fortzuzahlen, die ohne die ehrenamtliche Tätigkeit üblicherweise erzielt worden wären”. Das Berufungsgericht hat allerdings diese Vorschriften falsch angewandt. Auch ohne die ehrenamtliche Tätigkeit des Klägers wären keine Urlaubsaufschläge für die eingeteilten Schichten vom 2. April bis 16. April 1992 erzielt worden.
a) Aus dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 4 FSHG ergibt sich eindeutig, daß der Kläger für die Zeit der gesetzlichen Arbeitsbefreiung nur die Zulagen beanspruchen kann, die ihm ohne Arbeitsbefreiung zustanden. Hätte der Kläger entsprechend dem Schichtplan gearbeitet, wäre kein Anspruch auf Aufschläge in Höhe von 108 des Tagesdurchschnitts der nicht ständigen Zulagen des vorangegangenen Kalenderjahres (§ 47 Abs. 2 Unterabs. 2 BAT) entstanden.
b) Der Kläger verkennt, daß das auf den Berechnungszeitraum des vorangegangenen Kalenderjahres abstellende Referenzprinzip zwar für Urlaub und Krankheit, aber nicht für alle Fälle der Arbeitsfreistellung nach dem BAT gilt.
c) Die Ansicht des Landesarbeitgerichts, das FSHG schreibe zwingend die Zahlung von Urlaubsaufschlägen wie im Urlaubs- oder Krankheitsfall vor, findet im Gesetz keine Stütze. Das FSHG hat vielmehr abweichend von der Regelung in § 1 Abs. 2 ArbPlSchG nicht die Pflicht zur Fortzahlung der Urlaubsvergütung, sondern die Pflicht zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts normiert.
d) Soweit das Landesarbeitsgericht aus der Märzabrechnung Ansprüche des Klägers für den April abzuleiten versucht, verkennt das Gericht das von ihm zitierte Vorvormonatsprinzip des § 36 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 und 2 BAT. Der Vorvormonat des Monats April war nicht der Monat März, sondern der Monat Februar. Im übrigen legt das Berufungsgericht die Vorschrift des § 36 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 BAT falsch aus. Diese Bestimmung dient dazu klarzustellen, daß der Anspruch auf Zahlung des Urlaubsaufschlags nicht bereits im Urlaubsmonat sondern erst im übernächsten Kalendermonat besteht (vgl. Linde, Angestellte im öffentlichen Dienst, Band 3 S. 30).
e) Ob dem Kläger in dem auf den Monat April 1992 folgenden übernächsten Monat Juni 1992 Bezüge, die nicht in Monatsbeträgen festgelegt sind, zugestanden haben, war nicht zu entscheiden. Soweit der Klägervertreter in der Revisionsverhandlung darauf abgestellt hat, fehlt es an jedem substantiierten Tatsachenvortrag. Im übrigen ist es dem Senat nach § 561 Abs. 1 ZPO verwehrt, neuen Tatsachenvortrag zu berücksichtigen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Leinemann, Dörner, Düwell, Volpp, Furche
Fundstellen
Haufe-Index 873940 |
BB 1996, 1511 |