Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrechtlicher Status eines Rundfunksprechers
Normenkette
BGB § 611; HGB § 84 Abs. 1 S. 2; ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 3, § 286
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 28.06.1989; Aktenzeichen 2 Sa 1270/88) |
ArbG Köln (Urteil vom 21.10.1988; Aktenzeichen 2 Ca 5098/87) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28. Juni 1989 – 2 Sa 1270/88 – aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21. Oktober 1988 – 2 Ca 5098/87 – wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger zur beklagten Rundfunkanstalt in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis steht.
Der Kläger, ein griechischer Staatsangehöriger, wurde seit 1982 im Sprachendienst der Beklagten im wechselnden Umfang als Sprecher und Übersetzer eingesetzt. Sie hat ihn als freien Mitarbeiter behandelt. Seit Mitte des Jahres 1987 hat sie den Kläger nicht mehr beschäftigt.
Der Kläger war in der von Dr. H. geleiteten Redaktion eingesetzt. Diese hat fünf festangestellte Redaktionsmitglieder. Wenn sie ausfielen, oder bei zusätzlichem Bedarf hat Dr. H. auf die nicht ständig beschäftigten Mitarbeiter – darunter den Kläger – zurückgegriffen. Er wurde dann zu Hause angerufen und gefragt, ob er einen Einsatz übernehmen wolle. Bisweilen wurde ihm das während seiner Tätigkeit in der Rundfunkanstalt der Beklagten angeboten. Ein Einsatzplan für ihn und die anderen nicht ständig beschäftigten Mitarbeiter wurde im voraus nicht aufgestellt.
Der Kläger konnte die Übersetzungen zu Hause anfertigen, wenn er wollte. In Eilfällen hat er das auch in der Rundfunkanstalt erledigt. Die Beklagte hat keine ständige Einsatzbereitschaft von ihm verlangt. Es war ihm freigestellt, einzelne Aufträge abzusagen. Die Beklagte zahlte für seine Tätigkeit anfangs 20.000,– DM Honorar im Jahre 1983 bis zu etwa 33.000,– DM Honorar im Jahre 1985. Danach sank die Vergütung des Klägers auf ca. 19.900,– DM im Jahre 1986 und betrug im ersten Halbjahr 1987 nur noch etwa 3.000,– DM. Die Beklagte hat dafür Sozialversicherungsbeiträge entrichtet.
Der Kläger hat geltend gemacht, er sei wie ein Arbeitnehmer von der Beklagten beschäftigt worden. Er habe sich für sie ständig für einen Arbeitseinsatz bereitgehalten und habe deswegen auch keine andere Tätigkeit ausführen können. Er habe weisungsgebunden gearbeitet und vorgegebene Texte gesprochen bzw. übersetzt. Die Beklagte habe ihn im Durchschnitt mindestens 9,8 Wochenstunden beschäftigt.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und dazu geltend gemacht, die Feststellungsklage lasse offen, wie das angeblich bestehende Arbeitsverhältnis im einzelnen ausgestaltet gewesen sein solle. Der Kläger sei kein Arbeitnehmer gewesen, denn die Beklagte habe ihm im Bedarfsfall nur angeboten, eine kurzfristige Tätigkeit zu übernehmen. Er habe sich zu keiner Zeit dafür bereithalten müssen. Die Beklagte hätte auch auf andere freie Mitarbeiter zurückgreifen können. Der Kläger sei nur geringfügig – allenfalls im Umfang bis zu etwa fünf Wochenstunden – beschäftigt worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers stattgegeben und festgestellt, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Mit der Revision verfolgt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Klageabweisung.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen auf folgende Überlegungen gestützt:
Der Kläger sei wie ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer eingesetzt worden. Zwar habe er nicht an bestimmten Wochentagen gearbeitet, sondern sei nur unregelmäßig nach Bedarf herangezogen worden. Aber seine Arbeitsleistung spreche für ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger habe Sprecherleistungen nur in der beklagten Rundfunkanstalt erbringen können. Lediglich die Übersetzungen habe er zeitweise zu Hause anfertigen dürfen. Seine Dienstleistung habe ihm keinen Raum für eine eigene Gestaltung gelassen. Er sei in den Sendebetrieb eingegliedert gewesen. Allerdings habe die Beklagte von ihm keine ständige Dienstbereitschaft verlangt, und er sei in der Ablehnung der Aufträge frei gewesen. Dennoch sei er als Arbeitnehmer anzusehen, weil die Beklagte von ihm eine „durch konkludentes Verhalten erklärte ständige Dienstbereitschaft über Jahre hinweg Monat für Monat in zahlreichen Fällen” in Anspruch genommen habe.
II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts bekämpft die Revision erfolgreich mit Sach- und Verfahrensrügen (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO). Sie beanstandet zutreffend, es sei nicht ersichtlich, wie das Landesarbeitsgericht zu der Feststellung einer konkludent vereinbarten ständigen Dienstbereitschaft komme. Insoweit fehlt es nicht nur an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, sondern es widerspricht auch seiner vorhergehenden Feststellung, der Kläger sei nicht der einzige freie Mitarbeiter gewesen und deswegen habe die Beklagte keine ständige Dienstbereitschaft erwartet. Die für das Landesarbeitsgericht tragenden tatsächlichen Feststellungen sind daher nach § 286 ZPO verfahrensfehlerhaft getroffen worden.
III. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in welcher der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils steht. Danach ist Arbeitnehmer derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und persönlich abhängig ist der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Allerdings gilt die genannte Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters vom abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über diesen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält die Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag zu beachten ist, zumal da sie die einzige Norm darstellt, die Kriterien hierüber aufzählt (vgl. BAGE 36, 77, 78, 84 = AP Nr. 38 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 3 b der Gründe; BAGE 41, 247, 248, 253 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe).
Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation wird insbesondere dadurch deutlich, daß ein Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführungen der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Häufig tritt auch eine fachliche Weisungsgebundenheit hinzu.
IV. Das Landesarbeitsgericht ist zwar überwiegend von diesen Grundsätzen ausgegangen, das von ihm gefundene Subsumtionsergebnis ist jedoch nicht zutreffend.
Eine persönliche Abhängigkeit folgt nicht bereits daraus, daß der Mitarbeiter seine Tätigkeit nur in den Räumen des Vertragspartners erbringen kann. Das hat der Senat bereits in früheren Entscheidungen klargestellt (vgl. BAG Urteil vom 9. Mai 1984 – 5 AZR 195/82 – AP Nr. 45 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu 3 c der Gründe, m.w.N.). Ebensowenig ergibt sich etwas für ein Arbeitsverhältnis daraus, daß der Kläger vorgegebene Texte sprechen oder übersetzen mußte. Darin liegt nur die Abgrenzung des Leistungsgegenstandes. Das ist kein ausschließliches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis, sondern ebenfalls im freien Mitarbeiterverhältnis möglich (vgl. BAGE 39, 329, 335 = AP Nr. 32 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten, zu II 3 der Gründe). Dementsprechend hat der Senat bereits entschieden, daß die Tätigkeit eines Fernsehansagers sowohl im Angestelltenverhältnis wie auch in freier Mitarbeit ausgeübt werden kann (BAG Urteil vom 14. Juni 1989 – 5 AZR 346/88 –, n.v.).
Gegen ein Arbeitsverhältnis spricht schließlich, daß der Kläger seine Arbeitszeit im wesentlichen frei bestimmen konnte. Er konnte einzelne Arbeitseinsätze absagen. Wenn er sie angenommen hatte, mußte er sich allerdings hinsichtlich seiner Sprechertätigkeit an die Sendezeiten halten. Für die Übersetzertätigkeit war das nicht unbedingt erforderlich, denn er hat sie mitunter auch zu Hause verrichtet. Hinsichtlich der Sprechertätigkeit zu bestimmten Sendezeiten unterscheidet sich die Mitarbeit des Klägers in keiner Weise von anderen freischaffenden Tätigkeiten, die zwangsläufig in der Leistungszeit vom Auftraggeber abhängen (Senatsurteil vom 14. September 1988 – 5 AZR 642/87 –, n.v.).
Ebensowenig kann von einer „konkludent vereinbarten ständigen Dienstbereitschaft” ausgegangen werden. Die gegenteiligen Feststellungen des Berufungsgerichts sind für die Revisionsinstanz nicht bindend, weil sie verfahrensfehlerhaft getroffen worden sind (vgl. II der Entscheidungsgründe). Allein aus der jahrelangen Handhabung der Parteien läßt sich eine stillschweigende Vereinbarung über die zeitliche Einbindung des Beschäftigten in den Arbeitsablauf nicht herleiten (Senatsurteil vom 12. September 1984 – 5 AZR 567/81 –, zu B II 2 c der Gründe). Demgegenüber setzt eine ständige Dienstbereitschaft eine ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung voraus (Senatsurteil vom 7. Mai 1980 – 5 AZR 293/78 – AP Nr. 35 zu § 611 BGB Abhängigkeit), an der es hier jedoch fehlt.
Unterschriften
Dr. Gehring, Dr. Olderog, Griebeling, Dr. Hirt, Heinz
Fundstellen