Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnzuschlag für Arbeiter der Länder für Reinigungsarbeiten mit einer desinfizierenden Lösung
Leitsatz (amtlich)
- Reinigungsarbeiten unter Verwendung einer desinfizierenden Lösung stellen keine Desinfektionsarbeiten im Sinne der Nr. 6 des Katalogs F (Katalog für das Fachgebiet Gesundheitswesen) der Anlage zum TVZ zum MTL dar.
- “Gesundheitsschädigend” im Sinne der Nr. 22 des Katalogs A (Katalog für alle Verwaltungen, Ämter und Betriebe) der Anlage zum TVZ zum MTL ist ein Stoff dann, wenn der bestimmungsgemäße Umgang mit diesem für einen Arbeitnehmer im Vergleich mit anderen Arbeitnehmern ein wesentlich höheres Erkrankungsrisiko mit sich bringt. Es ist nicht erforderlich, daß durch den Stoff mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Gesundheitsschädigung verursacht wird oder daß eine solche bereits eingetreten ist.
- Der Einwirkung dieses Stoffes “ausgesetzt” im Sinne der Tarifnorm ist der Arbeiter dann nicht, wenn zu seinem Schutze Sicherheitsvorkehrungen bestehen, die so beschaffen sind, daß nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und aller menschlichen Voraussicht eine Gefährdung der Gesundheit ausgeschlossen ist.
Normenkette
MTL II §§ 22, 29; TVZ zum MTL § § 1-2, Katalog A der Anlage Nr. 22, § Katalog F der Anlage Nr. 6; GefStoffVO § 2 Abs. 1 Nr. 1; ChemiekalienG § 3 Nr. 3c
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.04.1992; Aktenzeichen 3 Sa 493/91) |
ArbG Mainz (Urteil vom 06.02.1991; Aktenzeichen 2 Ca 1273/89) |
Tenor
- Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. April 1992 – 3 Sa 493/91 – aufgehoben.
- Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von Lohnzuschlägen.
Die Klägerin ist bei dem beklagten Land in dessen Landesnervenklinik A… als Stationshilfe beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis findet kraft Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die Arbeiter der Länder (im folgenden: MTL II) und die diesen ergänzenden Tarifverträge Anwendung.
Vom 13. Januar 1988 bis zum 30. September 1990 verrichtete sie Reinigungsarbeiten, wie Fußboden-, Instrumenten- und Gerätereinigung. Dazu verwendete sie nach ihren Angaben während des gesamten Zeitraumes das Desinfektionsmittel “Ultrasol F” der Herstellerfirma F…. Hierbei hatte die Klägerin aus einer mit Drehverschluß versehenen 40 ml-Dosierpatrone das Desinfektionsmittel in acht Liter Wasser einzugießen und so eine 0,5 %-haltige Lösung herzustellen. Mit dieser führte sie dann die ihr übertragenen Reinigungsarbeiten durch.
Das Desinfektionsmittel “Ultrasol F” hat eine bakterizide, fungizide, tuberkulozide, viruzide und Hepatitis A und B inaktivierende Wirkung.
Nach den besonderen Hinweisen der Verwendungsempfehlungen des Herstellers sind bei der Verwendung des Desinfektionsmittels Haut- und Augenkontakte zu vermeiden, benetzte Stellen sofort mit Wasser abzuspülen. Außerdem ist die Einnahme untersagt. Gemäß dem DIN-Sicherheitsblatt vom 24. März 1988 ist “Ultrasol F” nach der Gefahrstoffverordnung vom 1. Oktober 1986, unter Berücksichtigung der ersten Änderungsverordnung vom 16. Dezember 1987, als “X n” mindergiftig gekennzeichnet. Außerdem enthält das DIN-Sicherheitsblatt folgende Hinweise auf besondere Gefahren:
Gesundheitsschädlich beim Verschlucken.
Reizt die Augen und die Haut.
Darüber hinaus werden folgende Sicherheitsratschläge gegeben:
Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen.
Berührung mit den Augen und der Haut vermeiden.
Bei Berührung mit den Augen gründlich mit Wasser abspülen und Arzt konsultieren.
Die Klägerin trägt vor, sowohl das Herstellen der “Ultrasol F”-haltigen Lösung als auch die Durchführung der Reinigungsarbeiten mit dieser sei gesundheitsschädigend. Infolge des Umgangs mit der Lösung sei es bei ihr in der Vergangenheit immer wieder zu hartnäckigen und schmerzhaften Hautausschlägen gekommen. Diese könnten auch nicht durch das Tragen von Schutzhandschuhen verhindert werden. Im übrigen entwickele das Desinfektionsmittel “Ultrasol F” Dämpfe, welche Hautjuckreiz, Kopfschmerzen und Übelkeit hervorriefen. Alleine der Arbeitsvorgang des Herstellens der Verdünnung sei gesundheitsgefährdend, insbesondere auch deshalb, weil das Konzentrat verspritzt werde und auf die Haut gelangen könne.
Deshalb ist die Klägerin der Meinung, daß ihr auf Grund des § 29 MTL II und des Tarifvertrages über die Lohnzuschläge gemäß § 29 MTL II (im folgenden: TVZ zum MTL) vom 9. Oktober 1963 ein Lohnzuschlag zustehe. Insbesondere vertritt sie die Ansicht, daß die ihr übertragenen Reinigungsarbeiten “Desinfektionsarbeiten” im Sinne des Zulagenkatalogs des TVZ zum MTL darstellen.
Die einschlägigen tariflichen Regelungen haben folgenden Wortlaut:
Ҥ 22 MTL II
Lohntarifverträge
Die Lohngruppen, Monatstabellenlöhne, Lohnzulagen und Lohnzuschläge sowie die Akkordlöhne (Gedingelöhne) werden nach Maßgabe der §§ 21, 24, 29 Abs. 1 und 3 besonders vereinbart.
§ 29 MTL II
Schmutz-, Gefahren- und Erschwerniszuschläge
§ 1 TVZ zum MTL
Zahlung der Lohnzuschläge
- Schmutz-, Gefahren- und Erschwerniszuschläge gemäß § 29 MTL werden für die in der Anlage zu diesem Tarifvertrag aufgeführten zuschlagsberechtigenden Arbeiten gezahlt.
Die Arbeiten werden, soweit sich aus der Anlage nichts anderes ergibt, zur Festlegung der Höhe der Zuschläge den Zuschlagsgruppen I bis X zugeordnet. Die Lohnzuschläge betragen je Stunde
in der Zuschlagsgruppe I |
5 v. H., |
in der Zuschlagsgruppe II |
6 v. H., |
in der Zuschlagsgruppe III |
8 v. H., |
in der Zuschlagsgruppe IV |
10 v. H., |
…
der Bemessungsgrundlage von 9,81 DM.
…
- Die für bestimmte Verwaltungen, Ämter und Betriebe (z. B. für die Polizeiverwaltungen) aufgeführten Arbeiten sind nur für diese Verwaltungen, Ämter und Betriebe zuschlagsberechtigend. Die für ein bestimmtes Fachgebiet (z. B. für das Vermessungswesen) aufgeführten Arbeiten sind zuschlagsberechtigend ohne Rücksicht darauf, in welcher Verwaltung, welchem Amt oder Betrieb sie geleistet werden.
§ 2 TVZ zum MTL
Berechnung der Lohnzuschläge
- Die Lohnzuschläge werden für die Arbeitszeit gezahlt, in der zuschlagsberechtigende Arbeiten verrichtet werden.
- …
Anlage zum TVZ zum MTL
Allgemeiner Katalog (gilt für alle Verwaltungen, Ämter und Betriebe)
Lfd. Nr. 22: |
Arbeiten, bei denen der Arbeiter der Einwirkung ätzender, gesundheitsschädigender oder giftiger Pflanzen oder Stoffe ausgesetzt ist: Zuschlagsgruppe IV |
- …
Katalog für das Fachgebiet Gesundheitswesen
Lfd. Nr. 6: |
Desinfektionsarbeiten mit Ausnahme der Schädlingsbekämpfung – schließt Nr. A 22 aus -: Zuschlagsgruppe II |
Lfd. Nr. 10: |
Reinigungsarbeiten in Behandlungsräumen von Unfall-Ambulanzen – schließt Nr. A 8 aus -: Zuschlagsgruppe III |
Lfd. Nr. 11: |
Reinigungsarbeiten in Gipsräumen von Krankenanstalten … |
Lfd. Nr. 12: |
Reinigen des Inneren von Krankentransportwagen bei besonderen Verunreinigungen … |
Lfd. Nr. 13: |
Reinigen oder Reparieren von Matratzen oder Umfüllen alter Federbetten oder Federkissen … |
Lfd. Nr. 14: |
Reinigungsarbeiten in Kreiß- oder Operationssälen, Leichen- oder Sektionsräumen – schließt Nr. A 8 aus – … |
Lfd. Nr. 15: |
Reinigungs- oder Reparaturarbeiten an Abflüssen in Infektions- oder Tbc-Abteilungen, Kreiß- oder Operationssälen, Laboratorien, Leichen- oder Sektionsräumen, Stationen für Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie an Abflüssen von Speibecken in HNO-Kliniken … |
Lfd. Nr. 16: |
Reinigen von Infektions- oder Operationswäsche von Hand … |
Lfd. Nr. 17: |
Reinigen von medizinischen Sauggeräten … |
Lfd. Nr. 18: |
Reinigen oder Reparieren von Speibecken in HNO-Kliniken, in Infektions- oder Tbc-Abteilungen … |
Lfd. Nr. 19: |
Reinigen oder Reparieren der Abflüsse von Inhalationsapparaten oder Speibecken im Inhalations- oder Trinkbetrieb … |
Lfd. Nr. 21: |
Reinigungs- oder Reparaturarbeiten in Toilettenanlagen oder in Krankenzimmern auf Stationen für Haut- und Geschlechtskrankheiten, in Infektions- oder Tbc-Abteilungen …” |
Die Klägerin meint, es sei für die Einordnung ihrer Tätigkeit unter den Begriff “Desinfektionsarbeiten” in Nr. 6 des Katalogs F für das Fachgebiet Gesundheitswesen des TVZ zum MTL (im folgenden: Katalog F) unschädlich, daß ihre Tätigkeit nicht ausschließlich der Desinfektion, sondern auch der Reinigung von Gegenständen und Fußböden diene.
Außerdem sei die Tätigkeit gesundheitsschädigend im Sinne des § 29 Abs. 1 Buchst. b MTL II. Es bedürfe nämlich für die Annahme, daß eine gesundheitsschädigende Arbeit vorliege, nicht der Feststellung eines konkreten Gesundheitsschadens. Maßgeblich sei vielmehr, ob die auszuführenden Arbeiten sich als gesundheitsschädigend erweisen könnten, also der Eintritt eines Gesundheitsschadens trotz Einhaltung von Schutzmaßnahmen mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht auszuschließen sei.
In einem durch das Arbeitsgericht eingeholten Gutachten habe der Sachverständige ausgeführt, daß bei ihrer Tätigkeit im Hinblick auf die Zusammensetzung des Mittels “Ultrasol F” eine besondere, konkrete Gesundheitsgefährung dergestalt vorliege, daß ein wesentlich höheres Erkrankungsrisiko für Infektions- und Hauterkrankungen dauerhaft bestehe und daß die Verwendung von entsprechenden Hautschutzmitteln dieses Risiko nicht zu beseitigen vermöge.
Die Klägerin hat beantragt,
das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 1.883,06 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich aus 1.194,50 DM ergebenden Nettobetrag seit dem 25. Juli 1989 sowie weitere 4 % Zinsen aus dem sich aus 688,56 DM ergebenden Nettobetrag seit dem 21. Dezember 1990 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist der Meinung, die Klägerin erfülle die tariflichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Zahlung eines Gefahren- bzw. Erschwerniszuschlages nicht. So stelle der Umgang mit dem Desinfektionsmittel “Ultrasol F” weder eine außergewöhnlich gefährliche noch eine gesundheitsschädigende Arbeit dar. Auch stünde der Klägerin Schutzkleidung zur Verfügung. Sie führe auch keine “Desinfektionsarbeiten” im Sinne des Zulagenkatalogs für das Fachgebiet Gesundheitswesen des TVZ zum MTL aus. Einfache Reinigungsarbeiten mit einem niedrig dosierten Flächendesinfektionsmittel seien keine “Desinfektionsarbeiten” im Sinne der Tarifnorm.
Desinfektionstätigkeit bedeute die 100- %ige Vernichtung sämtlicher Krankheitserreger mit dem Ziel, den zu desinfizierenden Gegenstand zu sterilisieren. Dies könne durch die Reinigung mit der von der Klägerin verwendeten “Ultrasol F” -Lösung nicht erreicht werden. Die Desinfektionsarbeiten im eigentlichen Wortsinne würden in der Landesnervenklinik A… nur von für diese Arbeiten zuständigen Desinfektoren ausgeführt.
Außerdem behauptete das beklagte Land, im August 1990 seien die Reinigungsarbeiten mit dem Desinfektionsmittel “Ultrasol F” eingestellt worden. Die Klägerin könne somit für diesen Monat auf keinen Fall einen Lohnzuschlag verlangen; auch die von ihr vorgelegte Berechnung der angeblich geleisteten Arbeitsstunden werde bestritten.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu folgendem Beweisthema:
Es wird Beweis erhoben über die Behauptung der Klägerin,
sowohl das Herstellen einer Verdünnung mit einer 40 ml-Patrone des Desinfektionsmittels “Ultrasol F” als auch die Durchführung von Reinigungsarbeiten mit einer 0,5 %-haltigen “Ultrasol F” -Lösung – bezogen auf acht Liter Wasser – sei gesundheitsschädigend.
Dieses Gutachten ist von Dr. Baldur Stauder am 29. Juli 1990 erstellt worden. In der mündlichen Verhandlung vom 6. Februar 1991 vor dem Arbeitsgericht hat der Sachverständige sein schriftliches Gutachten noch mündlich ergänzt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Das beklagte Land beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf einen Lohnzuschlag der Zuschlagsgruppe IV nach dem TVZ zum MTL für ihre mit dem Desinfektionsmittel “Ultrasol F” durchgeführten Reinigungsarbeiten.
I. Das Landesarbeitsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf einen Lohnzuschlag u. a. mit der Begründung verneint, sie verrichte keine “Desinfektionsarbeiten” im Sinne der Nr. 6 des Katalogs F. “Desinfektion” bedeute die Entseuchung bzw. Vernichtung von Krankheitserregern mit chemischen Mitteln. Das von der Klägerin verwendete Mittel “Ultrasol F” werde zwar zur Desinfektion in diesem Sinne eingesetzt. Die Arbeit der Klägerin weise aber einen Mischcharakter auf, da sie Reinigungsarbeiten ausführe und “gelegentlich Durchführung derselben” Desinfektionstätigkeit. Damit handele es sich nicht um eine ausschließlich zu Desinfektionszwecken erfolgende Tätigkeit, wie sie das Tarifmerkmal der Nr. 6 des Katalogs F voraussetze. Auch leiste die Klägerin keine andere zuschlagsberechtigende Reinigungsarbeit im Sinne der Nr. 11 bis 23 des Katalogs F.
Weiter ist das Landesarbeitsgericht der Ansicht, da kein tarifliches Tätigkeitsbeispiel des Katalogs F erfüllt sei, müsse auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale des § 29 Abs. 1 Buchst. b MTL II zurückgegriffen und geprüft werden, ob die Klägerin eine außergewöhnlich gesundheitsschädigende Arbeit ausführe.
Darüber, was im einzelnen als gesundheitsschädigend im Sinne des § 29 Abs. 1 Buchst. b MTL II anzusehen sei, enthalte der Tarifvertrag keine Begriffsbestimmung. Der Begriff der Gesundheitsschädigung stelle im Gegensatz zum sonst vielfach in Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes verwendeten Begriff der Gesundheitsgefährdung eine potentiell weitergehende Beeinträchtigung der Gesundheitsbelange des Arbeitnehmers dar. Es bedürfe aber keiner Feststellung des Eintritts eines konkreten Gesundheitsschadens bei dem betroffenen Arbeitnehmer. Maßgeblich sei, ob die auszuführende Arbeit infolge der Verrichtung der Tätigkeit im Umgang mit bestimmten chemischen Stoffen sich abstrakt als “gesundheitsschädigend” erweisen könne. Hierzu reiche eine allgemeine Gefährdung nicht aus; der Arbeitnehmer müsse vielmehr zumindest in solchem Umfange der Einwirkung gesundheitsschädigender Stoffe ausgesetzt sein, daß der Eintritt eines Gesundheitsschadens bei Beachtung der erforderlichen Schutzvorschriften, insbesondere auch des Tragens von Schutzkleidung, mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht auszuschließen sei.
Nach Meinung des Landesarbeitsgerichts können aber solche Feststellungen dem erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten nicht entnommen werden. Der Umgang mit “Ultrasol F” könne nach diesem Gutachten zwar als eine erhöhte Gefährdung der Gesundheit angesehen werden. Diese reiche allerdings nicht aus, eine “Gesundheitsschädigung” im Sinne der Tarifbestimmung des § 29 Abs. 1 Buchst. b MTL II zu bejahen.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat in weiten Teilen nicht folgen.
1. Zunächst ist dem Landesarbeitsgericht darin zuzustimmen, daß der Klägerin kein Anspruch auf einen Lohnzuschlag nach Nr. 6 des Katalogs F der Anlage zum TVZ zum MTL zusteht.
Nach dieser Tarifvorschrift gelten als zuschlagsberechtigende Arbeiten: “Desinfektionsarbeiten mit Ausnahme der Schädlingsbekämpfung”.
Eine Definition des Begriffes “Desinfektionsarbeiten” enthält der Tarifvertrag nicht. Auch im Tarifvertrag über Lohnzuschläge gemäß § 29 MTB II (Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes) und im Tarifvertrag über die Gewährung von Zulagen gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT vom 11. Januar 1962 fehlt es an einer Bestimmung des auch in diesen Tarifverträgen verwendeten Begriffes “Desinfektionsarbeiten”.
Daher ist im Wege der Tarifauslegung zu ermitteln, was die Tarifvertragsparteien unter “Desinfektionsarbeiten” verstanden haben.
Bei der Tarifauslegung ist – entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung – zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Dabei ist jedoch über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen (BAGE 46, 308, 313 f = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).
Der Begriff “Desinfektion” bedeutet: “Vernichtung von Krankheitserregern mit chemischen oder physikalischen Mitteln” (Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. II, S. 200).
Die Klägerin reinigte Fußböden, Instrumente und Geräte unter Verwendung einer “Ultrasol F” -haltigen Lösung. Diese hat eine desinfizierende Wirkung, weil sie krankheitserregende Bakterien, Pilze und Viren abtötet.
Aus diesem Grunde verrichtete die Klägerin Desinfektionsarbeiten. Dennoch fällt die Art dieser Tätigkeit bei sachgerechter Auslegung des Tarifvertrages nicht unter die Nr. 6 des Katalogs F.
Aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung des TVZ zum MTL ergibt sich, daß die Tarifvertragsparteien nur solche Arbeiten als “Desinfektionsarbeiten” im Sinne der Nr. 6 des Katalogs F ansehen, in denen das Desinfizieren die Hauptaufgabe des Arbeiters ist und nicht nur als “Nebenprodukt” einer Reinigungstätigkeit anfällt. Als Desinfektionsarbeiten sollen somit nicht solche Desinfektionstätigkeiten gelten, “die gelegentlich der Durchführung von Reinigungsarbeiten” anfallen (so auch das Landesarbeitsgericht).
Dieser Wille der Tarifvertragsparteien ergibt sich daraus, daß der TVZ zum MTL im Katalog F für das Fachgebiet Gesundheitswesen eine Reihe von Reinigungstätigkeiten erwähnt, bei denen üblicherweise vom Reinigungspersonal ebenfalls Reinigungsmittel mit desinfizierender Wirkung verwendet werden. So ist davon auszugehen, daß Reinigungsarbeiten in Behandlungsräumen von Unfallambulanzen (Nr. 10 des Katalogs F), das Reinigen des Inneren von Krankentransportwagen bei besonderer Verunreinigung (Nr. 12 des Katalogs F), Reinigungsarbeiten in Kreiß- oder Operationssälen, Leichen- oder Sektionsräumen (Nr. 14 des Katalogs F), Reinigungsarbeiten an Abflüssen in Infektions- oder Tbc-Abteilungen, Kreiß- oder Operationssälen, Laboratorien, Leichen- oder Sektionsräumen, Stationen für Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie an Abflüssen von Speibecken in HNO-Kliniken (Nr. 15 des Katalogs F), das Reinigen von Infektions- oder Operationswäsche von Hand (Nr. 16 des Katalogs F) und das Reinigen von medizinischen Sauggeräten (Nr. 17 des Katalogs F) grundsätzlich mit desinfizierenden Reinigungsmitteln erfolgen.
Dieser Umstand war auch den Tarifvertragsparteien beim Abschluß des TVZ zum MTL bekannt. Wenn sie in Kenntnis dieser Tatsachen in Nr. 6 des Katalogs F für “Desinfektionsarbeiten” einen besonderen Lohnzuschlag vorgesehen haben, so ist davon auszugehen, daß damit nicht allgemeine Reinigungsarbeiten unter Verwendung eines desinfizierenden Reinigungsmittels gemeint sind. Bei Desinfektionsarbeiten im Tarifsinne muß vielmehr Ziel der Tätigkeit nicht die Reinigung von Räumen oder Gerätschaften sein, sondern die Herstellung eines keimfreien Zustands von Gegenständen. Aus den Tätigkeitsbeschreibungen des Katalogs F geht auch hervor, daß für Reinigungsarbeiten, auch wenn sie unter Verwendung desinfizierender Mittel erledigt werden, nur dann ein Lohnzuschlag bezahlt werden soll, wenn diese Reinigungsarbeiten bestimmte Räumlichkeiten oder Geräte betreffen. Die Tarifvertragsparteien, welche die Lohnzuschläge für Reinigungsarbeiten sehr detailliert geregelt haben, betrachten nämlich erkennbar andere Reinigungsarbeiten, als die im Katalog F aufgeführten, nicht als zuschlagsberechtigend, auch wenn diese unter Verwendung von desinfizierenden Reinigungsmitteln durchgeführt werden. Wenn sie auch solche Reinigungsarbeiten als zuschlagsberechtigend hätten anerkennen wollen, hätten sie in den Katalog der zuschlagsberechtigenden Reinigungsarbeiten auch ausdrücklich “Reinigungsarbeiten mit desinfizierenden Mitteln” aufgenommen.
Würden Reinigungsarbeiten mit Desinfektionsmitteln unter die Nr. 6 des Katalogs F eingeordnet, so führte dies zu einer Schlechterstellung der Arbeiter im Gesundheitswesen gegenüber den übrigen in anderen Verwaltungen, Ämtern oder Betrieben beschäftigten Arbeitern, wenn sie mit einem gesundheitsschädigenden Desinfektionsmittel Reinigungsarbeiten durchführen würden. Für die Arbeiter der letztgenannten Art gilt nämlich der allgemeine Katalog der Anlage zum TVZ zum MTL (im folgenden: Katalog A). Würde ein Arbeiter Reinigungsarbeiten mit einem gesundheitsschädigenden Desinfektionsmittel ausführen, so erhielte er, wenn er nicht im Gesundheitswesen tätig wäre, gemäß der Nr. 22 des Katalogs A… einen Lohnzuschlag der Zuschlagsgruppe IV (= 10 %), wenn er aber im Gesundheitswesen tätig wäre, nur einen solchen der Zuschlagsgruppe II gemäß der Nr. 6 des Katalogs F (= 6 %), da nach dem Wortlaut der Nr. 6 des Katalogs F neben einem Zuschlag nach dieser Fallgruppe ein Lohnzuschlag nach Nr. 22 des Katalogs A ausgeschlossen ist.
Für den Willen der Tarifvertragsparteien, die Arbeiter im Gesundheitsdienst, wenn sie mit gesundheitsschädigenden Desinfektionsmitteln Reinigungsarbeiten erledigen, gegenüber nicht im Gesundheitswesen beschäftigten Arbeitern mit gleicher Tätigkeit zu benachteiligen, sind keine Anhaltspunkte erkennbar.
2. Die Klägerin hat aber Anspruch auf einen Lohnzuschlag gemäß der Nr. 22 des Katalogs A (allgemeiner Katalog), da sie Arbeiten verrichtet, bei denen sie der Einwirkung gesundheitsschädigender Stoffe ausgesetzt ist.
a) Dieser Katalog gilt nach seiner Klammerdefinition für alle Verwaltungen, Ämter und Betriebe, somit auch für die Landesnervenklinik A…, in welcher die Klägerin beschäftigt ist. Die Anwendbarkeit seiner Nr. 22 wird nicht durch die Nr. 6 des Katalogs F ausgeschlossen. Dort heißt es zwar “Desinfektionsarbeiten mit Ausnahme der Schädlingsbekämpfung – schließt Nr. A 22 aus -”, jedoch kann dieser Ausschluß nur dann eingreifen, wenn ein Arbeiter tatsächlich Desinfektionsarbeiten im Sinne der Nr. 6 des Katalogs F durchführt. In einem solchen Fall soll nicht der höhere Lohnzuschlag nach Nr. 22 des Katalogs A gezahlt werden, wenn auch deren Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Fällt aber eine Tätigkeit nicht unter die Nr. 6 des Katalogs F, ist zu prüfen, ob nicht eine Arbeit nach Nr. 22 des Katalogs A vorliegt. Diese Prüfung hat das Landesarbeitsgericht unterlassen.
b) Für die Beurteilung, ob die Arbeiten der Klägerin der Nr. 22 des Katalogs A unterfallen, ist entscheidend, ob es sich bei “Ultrasol F” oder der von der Klägerin hergestellten 0,5 % – haltigen “Ultrasol F” -Lösung um einen “gesundheitsschädigenden Stoff” im Sinne der Tarifnorm handelt.
In dem Sicherheitsdatenblatt vom 24. März 1988 ist das Mittel als “X n” mindergiftig bezeichnet. Damit gilt “Ultrasol F” als gefährlicher Stoff im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 GefStoffV i.V.m. § 3 Nr. 3c des Chemikaliengesetzes.
Daß giftige Stoffe, unabhängig von ihrem Grad der Giftigkeit immer gesundheitsschädigend sind, folgt bereits aus dem Sinn des Wortes “giftig” (nach Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. III, S. 219, bedeutet “giftig”: leben-, gesundheitszerstörend).
Daß auch der Gesetzgeber dies so sieht, folgt aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über die Gefährlichkeitsmerkmale von Stoffen und Zubereitungen nach dem Chemikaliengesetz. Dort heißt es: “Mindergiftig im Sinne des § 3 Nr. 3 Buchst. c des Gesetzes (sind Stoffe und Zubereitungen), wenn sie infolge von Einatmen, Verschlucken oder einer Aufnahme durch die Haut Gesundheitsschäden von beschränkter Wirkung hervorrufen können …”
Es ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien solche Stoffe, die Kraft gesetzlicher Regelung als giftig und damit als gesundheitsschädigend gelten, auch als gesundheitsschädigende Stoffe im Sinne der Nr. 22 des Katalogs A gewertet wissen wollen. Damit handelt es sich bei dem Mittel “Ultrasol F” jedenfalls in unverdünntem Zustand um einen solchen gesundheitsschädigenden Stoff im Sinne der Tarifnorm.
c) Es kann für die Entscheidung des Rechtsstreits dahinstehen, ob die Klägerin beim Herstellen der “Ultrasol F” -Lösung der gesundheitsschädigenden Substanz “Ultrasol F” in unverdünntem Zustand ausgesetzt ist.
Der Anspruch der Klägerin auf einen Lohnzuschlag nach der Nr. 22 des Katalogs A ergibt sich bereits daraus, daß sie auch bei der Durchführung ihrer Reinigungsarbeiten mit der nur 0,5 %-haltigen “Ultrasol F” -Lösung einem gesundheitsschädigenden Stoff im Sinne dieses Tätigkeitsbeispiels des Katalogs A ausgesetzt ist.
aa) Zwar stellt die von der Klägerin verwendete Lösung wegen ihres geringen Anteils von “Ultrasol F” (nur 0,5 %) keinen mindergiftigen Stoff im oben erwähnten Sinne dar, jedoch hat das Landesarbeitsgericht auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen festgestellt, daß durch die Verwendung des Flächendesinfektionsmittels “Ultrasol F” im Rahmen der von der Klägerin durchzuführenden Reinigungsarbeiten durchaus eine besondere und konkrete Gesundheitsgefährdung gegeben ist und daß ein wesentlich höheres Erkrankungsrisiko, insbesondere für Hauterkrankungen, dauerhaft vorliegt. Daraus zieht das Landesarbeitsgericht den Schluß, daß eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung der Klägerin bei der zu beurteilenden Tätigkeit durchaus anzunehmen ist. Zu diesen Schlußfolgerungen ist das Landesarbeitsgericht in von der Revision verfahrensrechtlich nicht beanstandeter Weise gelangt. Steht aber fest, daß der Umgang mit einem Stoff für einen Arbeitnehmer im Vergleich mit anderen Arbeitnehmern ein wesentlich höheres Erkrankungsrisiko mit sich bringt, so muß dieser Stoff als gesundheitsschädigend im Sinne der Nr. 22 des Katalogs A angesehen werden. Durch den Umgang mit der “Ultrasol F” -haltigen Lösung wird die Gesundheit der Klägerin nämlich konkret gefährdet.
Es kann aber nur ein gesundheitsschädigender Stoff überhaupt eine Gesundheitsgefährdung verursachen. Ein nicht gesundheitsschädigender wird bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nicht zu einer Gesundheitsgefahr. Ist demnach festgestellt, daß durch einen bestimmten Stoff bei bestimmungsgemäßen Gebrauch eine Gesundheitsgefährdung eintritt, so ist der Rückschluß auf dessen gesundheitsschädigende Eigenschaften zwingend.
Ein Stoff kann auch nicht erst dann als gesundheitsschädigend im Sinne der Tarifnorm betrachtet werden, wenn festgestellt worden ist, daß er bei dem Arbeitnehmer, der den Lohnzuschlag beansprucht, einen Gesundheitsschaden bewirkt hat. Des weiteren ist es nicht erforderlich, daß durch den Stoff mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Gesundheitsschädigung verursacht wird. Wollte man solches verlangen, so käme kein Arbeiter in den Genuß der als Gefahrenzulage zu wertenden Zulage nach der Nr. 22 des Katalogs A, weil es auf Grund der unterschiedlichen körperlichen Konstitution der Menschen nie mit letzter Sicherheit gesagt werden kann, ob der Umgang mit einem medizinisch als gesundheitsschädigend erkannten Stoff bei einer bestimmten Person auch tatsächlich zu einem Gesundheitsschaden führt. Auch bestimmt § 29 Abs. 2 MTL II, daß vor Inangriffnahme der Arbeit festgestellt werden soll, ob diese als zuschlagsberechtigt anzusehen ist. Daraus folgt, daß es Sinn und Zweck der tariflichen Zuschlagsregelungen ist, eine bestehende gesundheitliche Gefährdung des einzelnen Arbeitnehmers finanziell auszugleichen, ohne daß es darauf ankommt, ob er tatsächlich einen gesundheitlichen Schaden erlitten hat.
Für die Einordnung eines Stoffes als gesundheitsschädlich im Sinne der Nr. 22 der Anlage A genügt es daher, wenn feststeht, daß die Gefahr einer gesundheitlichen Beeinträchtigung auf Grund des Umstandes, daß jemand diesem bestimmten Stoff ausgesetzt ist, trotz bestimmungsgemäßen Gebrauch wesentlich erhöht ist.
bb) Die Klägerin ist auch der Einwirkung dieses gesundheitsschädigenden Stoffes “ausgesetzt” im Sinne der Nr. 22 des Katalogs A.
“Aussetzen” bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch “in hilfloser Lage sich selbst überlassen, preisgeben” (vgl. Brockhaus-Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. I, S. 457). Der tarifliche Begriff “der Einwirkung ausgesetzt sein” läßt sich daher definieren als ein Zustand, in dem der Arbeiter der gefährlichen Wirkung gesundheitsschädlicher Stoffe ohne ausreichenden Schutz gegenübersteht. Der Feststellung einer Gefahr bedarf es im Einzelfalle nicht (so Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur entsprechenden Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Tarifvertrages über die Gewährung von Zulagen nach § 33 Abs. 1 Buchst. c KnAT vom 17. Juli 1962: Urteil vom 1. Februar 1983 – 3 AZR 596/80 – AP Nr. 1 zu § 33 KnAT und zur entsprechenden Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Tarifvertrages über die Gewährung von Zulagen gemäß § 33 Abs. 1 Buchst. c BAT vom 11. Januar 1962: Urteil vom 18. Januar 1983 – 3 AZR 207/80 – AP Nr. 6 zu § 33 BAT).
Da somit das Tatbestandsmerkmal “Ausgesetztsein” Schutzlosigkeit voraussetzt, hängt der Zulagenanspruch der Klägerin entscheidend davon ab, welche Sicherheitsvorkehrungen zu ihrem Schutze bereit stehen. Sind diese so beschaffen, daß nach den Erkenntnissen der Wissenschaft und aller menschlichen Voraussicht eine Gefährdung der Gesundheit der Klägerin ausgeschlossen erscheint, so wäre sie der Einwirkung der “Ultrasol F” -haltigen Lösung nicht “ausgesetzt”.
Nach dem Sachverständigengutachten, dessen Ergebnis sich das Landesarbeitsgericht angeschlossen hat, ist der Umgang mit “Ultrasol F” in der von der Klägerin angegebenen Dosis – auch unter der Berücksichtigung des Tragens von Schutzhandschuhen und der Verwendung von Hautcremes – als eine erhöhte Gefährdung für die Gesundheit anzusehen.
Nachdem andere Schutz- und Sicherheitsvorkehrungen zugunsten der Klägerin nicht zur Verfügung stehen, muß davon ausgegangen werden, daß sie den gesundheitsschädigenden Auswirkungen der “Ultrasol F” -haltigen Lösung “ausgesetzt” ist.
Somit steht der Klägerin ein Lohnzuschlag der Zuschlagsgruppe IV nach der Nr. 22 des Katalogs A für die Arbeitszeiten zu, in denen sie Reinigungsarbeiten mit der “Ultrasol F” -haltigen Lösung verrichtet hat.
d) Eine eigene Sachentscheidung des Senats ist nicht möglich, weil das beklagte Land die von der Klägerin vorgenommenen Berechnungen der angeblich geleisteten Arbeitsstunden substantiiert bestritten und außerdem vorgetragen hat, im August 1990 seien in der Landesnervenklinik A… die Reinigungsarbeiten mit dem Desinfektionsmittel “Ultrasol F” eingestellt worden. Diesen streitigen Sachvortrag muß das Landesarbeitsgericht noch aufklären.
Der Rechtsstreit war deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Hauck, Böck, Staedtler, Tirre
Fundstellen
Haufe-Index 845944 |
NZA 1994, 626 |