Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung nach § 1a KSchG
Orientierungssatz
1. Nach § 1a Abs. 1 KSchG setzt der Anspruch auf Zahlung einer Abfindung lediglich voraus, dass die Hinweise auf die zur Rechtfertigung der Kündigung angezogenen dringenden betrieblichen Erfordernisse und auf das Verstreichenlassen der Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG erfolgen. Die für die Berechnung des Anspruchs maßgebliche Vorschrift des § 1a Abs. 2 KSchG muss nicht ausdrücklich erwähnt werden.
2. Die Regelung des § 1a KSchG setzt keinen generell unabdingbaren Mindestabfindungsanspruch bei Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen fest. Die Arbeitsvertragsparteien bleiben auch bei betriebsbedingten Kündigungen frei, eine geringere oder höhere als die vom Gesetz vorgesehene Abfindung zu vereinbaren.
3. Dies schließt die Möglichkeit ein, dass der Arbeitgeber die Zahlung einer Abfindung von dem ungenutzten Verstreichenlassen der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig macht.
4. Die Frage, ob der Arbeitgeber einen Hinweis nach § 1a KSchG oder ein davon abweichendes Angebot unterbreitet hat, ist durch Auslegung des Kündigungsschreibens zu ermitteln.
5. Aus dem Kündigungsschreiben muss sich aber der Wille des Arbeitgebers, ein von der gesetzlichen Vorgabe abweichendes Angebot unterbreiten zu wollen, eindeutig und unmissverständlich ergeben.
Normenkette
KSchG § 1a
Verfahrensgang
LAG Nürnberg (Urteil vom 04.04.2006; Aktenzeichen 6 Sa 785/05) |
ArbG Weiden (Urteil vom 21.07.2005; Aktenzeichen 5 Ca 510/05 S) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 4. April 2006 – 6 Sa 785/05 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – vom 21. Juli 2005 – 5 Ca 510/05 S – abgeändert.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.076,16 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25. März 2005 zu zahlen.
4. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG.
Der Kläger war seit 1988 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 2005. In dem Kündigungsschreiben heißt es ua.:
“Es handelt sich um eine Kündigung aufgrund von dringenden betrieblichen Erfordernissen nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Wir weisen Sie darauf hin, dass Sie eine Abfindung beanspruchen können, wenn Sie innerhalb der dreiwöchigen Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG keine Klage erheben.
Der Betriebsrat wurde zur Kündigung ordnungsgemäß angehört. Die Stellungnahme des Betriebsrats ist diesem Schreiben in Kopie als Anlage beigefügt.”
Dem Kündigungsschreiben beigefügt war die zustimmende nicht unterschriebene Stellungnahme des zuvor angehörten Betriebsrats. Sie enthält einen ebenfalls nicht unterschriebenen handschriftlichen Vermerk des Betriebsratsvorsitzenden:
“Es wurde eine Abfindung von 8.000,00 Euro vereinbart.”
Der Kläger hat keine Kündigungsschutzklage erhoben. Er macht über die ihm von der Beklagten ausgezahlte Abfindung iHv. 8.000,00 Euro hinaus einen Betrag von 4.076,16 Euro geltend. Dabei handelt es sich um die rechnerisch unstreitige Differenz zu dem sich gem. § 1a Abs. 2 KSchG errechnenden Abfindungsbetrag.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe eine Abfindung nach § 1a KSchG zu. Die Beklagte habe im Kündigungsschreiben ausdrücklich auf die gesetzliche Regelung hingewiesen. Eine abweichende Vereinbarung über einen Betrag von 8.000,00 Euro sei nicht zustande gekommen.
Der Kläger hat beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.076,16 Euro nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat behauptet, der Kläger habe der Vereinbarung einer Abfindung iHv. 8.000,00 Euro ausdrücklich gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden zugestimmt. Die Voraussetzungen des § 1a KSchG lägen angesichts abweichender Vereinbarung über die Höhe der Abfindung nicht vor.
Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Die Klage ist begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger mit dem ihm vom Betriebsratsvorsitzenden vor Ausspruch der Kündigung übermittelten Abfindungsangebot der Beklagten iHv. 8.000,00 Euro ausdrücklich einverstanden gewesen sei. Diese Vereinbarung sei nicht formbedürftig. Auch wenn im Kündigungsschreiben dem Wortlaut nach auf die Regelung des § 1a KSchG verwiesen werde, könne sich der Kläger jedenfalls angesichts der zuvor getroffenen abweichenden Vereinbarung über die Höhe der Abfindung nicht auf § 1a KSchG berufen. Das Verhalten des Klägers sei vor diesem Hintergrund treuwidrig.
B. Dem stimmt der Senat nicht zu.
I. Dem Kläger steht der erhobene Zahlungsanspruch iHv. 4.076,16 Euro brutto zzgl. Prozesszinsen seit 25. März 2005 zu. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 1a KSchG.
1. Nach § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG kündigt und der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 KSchG keine Klage auf Feststellung erhebt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Nach § 1a Abs. 1 Satz 2 KSchG setzt der Anspruch den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Gründe gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann.
a) Diese Voraussetzungen erfüllt das Kündigungsschreiben vom 28. Oktober 2004. Die ausgesprochene Kündigung wird auf dringende betriebliche Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gestützt und enthält auch den Hinweis, dass der Arbeitnehmer eine Abfindung beanspruchen kann, wenn er innerhalb der dreiwöchigen Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG keine Klage erhebt.
b) Die Abfindungshöhe von 12.076,16 Euro ergibt sich aus § 1a Abs. 2 KSchG. Eines gesonderten Hinweises auf die Höhe der Abfindung bedurfte es nicht (vgl. APS-Ascheid/Hesse 3. Aufl. § 1a KSchG Rn. 6; Bader NZA 2004, 65, 71; ErfK/Ascheid/Oetker 7. Aufl. § 1a KSchG Rn. 5; Giesen/Besgen NJW 2004, 185, 186; HaKo-Nägele KSchR 3. Aufl. § 1a KSchG Rn. 5; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1a Rn. 7; HWK/Quecke 2. Aufl. § 1a KSchG Rn. 12; KR-Spilger 8. Aufl. § 1a KSchG Rn. 33; Maschmann AuA 10/2003, 6, 10; Stahlhacke/Preis/Vossen-Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1167f). Voraussetzung für den Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, deren Höhe sich dann nach § 1a Abs. 2 KSchG errechnet, sind lediglich die Hinweise auf die zur Rechtfertigung der Kündigung angezogenen dringenden betrieblichen Erfordernisse und auf das Verstreichenlassen der Klagefrist nach § 4 Satz 1 KSchG. Die für die Berechnung des Anspruchs maßgebliche Vorschrift des § 1a Abs. 2 KSchG muss nicht ausdrücklich erwähnt werden.
2. Das Kündigungsschreiben enthält kein von § 1a Abs. 2 KSchG abweichendes Abfindungsangebot.
a) § 1a KSchG steht einer Auslegung des Kündigungsschreibens als eigenständiges, von den Voraussetzungen des § 1a KSchG unabhängiges Abfindungsangebot nicht grundsätzlich entgegen. Die Regelung des § 1a KSchG setzt keinen generell unabdingbaren Mindestabfindungsanspruch bei Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen fest (vgl. Preis DB 2004, 70, 73). Die Arbeitsvertragsparteien bleiben auch bei betriebsbedingten Kündigungen frei, eine geringere oder höhere als die vom Gesetz vorgesehene Abfindung zu vereinbaren (BAG 19. Juni 2007 – 1 AZR 340/06 – DB 2007, 2600).
aa) Dies schließt die Möglichkeit ein, dass der Arbeitgeber die Zahlung einer Abfindung von dem ungenutzten Verstreichenlassen der Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig macht. Es hätte einer Anordnung des Gesetzgebers bedurft, um die mit einem Ausschluss einer von § 1a KSchG abweichenden Vereinbarung verbundene Beschränkung der Vertragsfreiheit zu rechtfertigen (vgl. auch Preis DB 2004, 70, 73).
bb) Die Frage, ob der Arbeitgeber einen Hinweis nach § 1a KSchG oder ein davon abweichendes Angebot unterbreitet hat, ist durch Auslegung des Kündigungsschreibens zu ermitteln (BAG 19. Juni 2007 – 1 AZR 340/06 – DB 2007, 2600; vgl. KR-Spilger 8. Aufl. § 1a KSchG Rn. 60). Dabei darf allerdings nicht vorschnell auf ein solches Angebot geschlossen werden. Aus dem Kündigungsschreiben muss sich der Wille des Arbeitgebers, ein von der gesetzlichen Vorgabe abweichendes Angebot unterbreiten zu wollen, eindeutig und unmissverständlich ergeben (s. auch Preis aaO). Enthält das Kündigungsschreiben einen vollständigen Hinweis nach § 1a KSchG, so spricht dies für einen Anspruch des Arbeitnehmers nach § 1a Abs. 2 KSchG.
(1) Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte durch § 1a KSchG eine einfach zu handhabende, moderne und unbürokratische Alternative zum Kündigungsschutzprozess geschaffen werden: Der Arbeitgeber “muss in der schriftlichen Kündigungserklärung (§ 623 BGB) als Kündigungsgrund dringende betriebliche Erfordernisse nach § 1 Abs. 2 Satz 1 angeben. … Außerdem muss der Arbeitgeber … darauf hinweisen, dass der Arbeitnehmer die gesetzliche Abfindung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses beanspruchen kann, wenn er die dreiwöchige Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 verstreichen lässt. Dadurch, dass der Arbeitgeber beide Angaben schriftlich mitteilen muss, werden irrtümliche Erklärungen vermieden. Durch die gesetzliche Schriftform und den gesetzlich vorgegebenen Inhalt der Kündigungserklärung wird für den Arbeitnehmer die erforderliche Rechtsklarheit und Beweissicherung geschaffen. Der Arbeitnehmer kann jetzt frei darüber entscheiden, ob er die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung der gesetzlich festgesetzten Abfindung gegen sich gelten lässt oder ob er Kündigungsschutzklage erhebt, bevor die Kündigung wegen Ablaufs der Klagefrist als von Anfang an rechtswirksam gilt (§ 7).” (BT-Drucks. 15/1204 S. 12).
(2) Will der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit Ausspruch der Kündigung ein Angebot auf Abschluss eines Vertrags in Anlehnung an das gesetzliche Modell des § 1a KSchG unterbreiten, ohne jedoch die gesetzliche Abfindung anbieten zu wollen, so ist aus Gründen der Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Beweissicherung erforderlich, dass sich aus der schriftlichen Kündigungserklärung eindeutig und unmissverständlich ergibt, welche Abfindung der Arbeitgeber anbietet (s. auch Preis DB 2004, 70, 73). Der Arbeitnehmer muss nach Erhalt des Kündigungsschreibens innerhalb von drei Wochen entscheiden, ob er gegen Zahlung der angebotenen Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder ob er eine Kündigungsschutzklage erhebt. Zusätzlich muss der Arbeitnehmer in der Situation des Zugangs der Kündigung klar erkennen können, ob der Arbeitgeber ihm ein Angebot nach § 1a KSchG oder ein von § 1a KSchG abweichendes Angebot unterbereitet hat. Er muss wissen, worauf er sich einlässt. Andernfalls könnte sich erst bei Zahlung der Abfindung nach Ablauf der Kündigungsfrist (vgl. dazu Senat 10. Mai 2007 – 2 AZR 45/06 – Rn. 17, AP KSchG 1969 § 1a Nr. 3 = EzA KSchG § 1a Nr. 1) herausstellen, dass der Arbeitgeber ein von § 1a Abs. 2 KSchG abweichendes Angebot unterbreitet haben wollte. Der Arbeitnehmer hätte dann wegen § 4 KSchG häufig keine oder eine nur noch sehr eingeschränkte Möglichkeit, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerichtlich prüfen zu lassen. Es wären dann – soweit es den Bestandsschutz angeht – zu Lasten des Arbeitnehmers unumkehrbare Fakten geschaffen. Der Arbeitnehmer müsste im Übrigen die Abfindung zur vollständigen Disposition stellen: Mit der Klageerhebung würde er die Voraussetzung jedweden Abfindungsanspruchs selbst beseitigen.
b) Nach diesen Grundsätzen enthält das Kündigungsschreiben kein hinreichend eindeutiges Angebot der Beklagten, eine von § 1a Abs. 2 KSchG abweichende Vereinbarung mit dem Kläger treffen zu wollen.
aa) Das ergibt bereits die Auslegung des Kündigungsschreibens, wie sie das Landesarbeitsgericht vorgenommen hat. Das Landesarbeitsgericht versteht die Erklärung der Beklagten im Kündigungsschreiben zwar vor dem Hintergrund der vorausgegangenen Gespräche des Klägers mit dem Betriebsrat und der angehängten Mitteilung als ein von § 1a Abs. 2 KSchG abweichendes Angebot. Indes weist das Landesarbeitsgericht ausdrücklich darauf hin, die Erklärung der Beklagten sei selbst bei Einbeziehung der Vorgeschichte “missverständlich”. Trifft dies aber zu, so entbehrte sie der notwendigen Eindeutigkeit. Gerade die Missverständlichkeit muss nach dem oben beschriebenen Sinn des Gesetzes ausgeschlossen werden.
bb) Auch nach Auffassung des Senats ist die Erklärung der Beklagten zumindest missverständlich. Wie bereits ausgeführt, entsprach der schriftliche Wortlaut der im Kündigungsschreiben enthaltenen Erklärungen unzweifelhaft § 1a KSchG.
cc) Ein Hinweis darauf, dass die Beklagte eine geringere Abfindung zahlen wollte, konnte sich zwar aus dem beigefügten Vermerk und den zuvor vom Kläger mit dem Betriebsrat geführten Gesprächen ergeben. Eindeutig war dies jedoch aus mehreren Gründen nicht: Zum einen bot sich auch an, das Kündigungsschreiben im Zusammenhang mit dem Vermerk des Betriebsrats dahin zu verstehen, eine Abfindung von 8000,00 Euro werde in jedem Falle, also auch bei Klageerhebung, gezahlt. Zum anderen war der Vermerk aus Sicht des Klägers eine Erklärung des Betriebsrats, nicht der Beklagten. Er war auch nicht Teil des Kündigungsschreibens.
3. Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien nach Ausspruch der Kündigung eine von § 1a KSchG abweichende vertragliche Vereinbarung getroffen haben, sind nicht ersichtlich. Die Angabe in der Betriebsratsanhörung ist hierzu nicht geeignet. Sie erfüllt das Schriftformerfordernis des § 1a Abs. 1 KSchG nicht (vgl. dazu KR-Spilger 8. Aufl. § 1a KSchG Rn. 29), denn die Betriebsratsanhörung ist nicht Bestandteil der Kündigung vom 28. Oktober 2004 und kann auch nicht als eigenständiges Angebot aufgefasst werden.
4. Das Landesarbeitsgericht hat auch nicht festgestellt, dass die unter Vermittlung des Betriebsratsvorsitzenden zustande gekommene Vereinbarung ein eigenständiger Aufhebungsvertrag war. Ein solcher hätte jedenfalls auch der Schriftform des § 623 BGB genügen müssen, die erkennbar fehlt.
5. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist dem Kläger die Geltendmachung einer Abfindungszahlung in der sich aus § 1a Abs. 2 KSchG ergebenden Höhe nicht nach Treu und Glauben verwehrt.
a) Der Kläger hat seine Rechtsposition nicht unredlich erworben. Aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts und dem Vortrag der Parteien im gesamten Rechtsstreit lässt sich nicht entnehmen, dass das Vorgehen der Beklagten nach § 1a KSchG vom Kläger veranlasst wurde. Insbesondere hat die Beklagte nicht geltend gemacht, dass sie sich erst nach Abschluss der Vereinbarung über die Zahlung einer Abfindung in Höhe von 8.000,00 Euro mit dem Kläger zu einem Vorgehen entsprechend § 1a KSchG entschlossen hätte.
b) Ein widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgesellt, dass der Kläger gegenüber der Beklagten zu erkennen gegeben hätte, er werde einen sich aus § 1a KSchG ergebenden Abfindungsbetrag nicht beanspruchen. Außerdem betrifft das Verhalten des Klägers seine Beziehung zum Betriebsratsvorsitzenden, nicht zur Beklagten. Umstände, aus denen die Geltendmachung des Abfindungsanspruchs in Höhe des § 1a Abs. 2 KSchG gegenüber der Beklagten widersprüchlich zum vorangegangenen Verhalten des Klägers erscheinen könnte, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt und sind auch sonst nicht ersichtlich.
c) Abgesehen davon könnte die Treuwidrigkeit allenfalls daraus hergeleitet werden, dass der Kläger sich an die vor der Kündigung etwa getroffene Absprache nicht gehalten hat. Diese Absprache selbst war jedoch unwirksam, weil sie einen vor Ausspruch der Kündigung erklärten Verzicht des Klägers auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage enthalten hätte. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (grundlegend: Senat 3. Mai 1979 – 2 AZR 679/77 – BAGE 32, 6, zu II 2a der Gründe) und der überwiegenden Auffassung in der Literatur (v. Hoyningen-Huene KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 15 ff.; KR-Friedrich 8. Aufl. § 4 KSchG Rn. 297; Stahlhacke/Preis/Vossen-Preis Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1253) kann ein Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung nicht auf die Erhebung oder Durchführung einer Kündigungsschutzklage verzichten.
6. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 292, 288 Abs. 1 BGB.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO.
Unterschriften
Rost, Eylert, Schmitz-Scholemann, K. Schierle, R. Gans
Fundstellen
Haufe-Index 1971372 |
DB 2008, 1276 |