Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage auf zukünftige Leistung
Normenkette
ZPO § 259
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 12. Juni 1996 – 2 Sa 134/96 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 15. Februar 1996 – 1b Ca 2360/95 – abgeändert und die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit zum 31. März 1995 beendet worden ist.
Die 1954 geborene Klägerin ist seit 1978 als stellvertretende Solo-Fagottistin im Orchester der beklagten Stadt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Nach § 42 TVK kann der Klägerin, da sie das 40. Lebensjahr vollendet hat und dem Orchester mindestens 15 Jahre angehört, nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden.
Mit Bescheid vom 9. März 1995 bewilligte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) der Klägerin eine befristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit für die Zeit vom 26. Oktober 1994 bis zum 31. August 1997. Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin unter Hinweis auf § 45 TVK mit, daß das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. März 1995 ende. Die Klägerin erhält neben der gesetzlichen Rente eine Zusatzversorgung, zu der die Beklagte Mittel beigesteuert hat.
§ 45 TVK i.d.F.v. 15. Dezember 1992 hat folgenden Wortlaut:
„§ 45
Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Berufs- und Erwerbsunfähigkeit
(1) Wird durch den Bescheid eines Rentenversicherungsträgers festgestellt, daß der Musiker berufsunfähig oder erwerbsunfähig ist, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem der Bescheid zugestellt wird, sofern der Musiker eine außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung bestehende Versorgung durch den Arbeitgeber oder durch eine Versorgungseinrichtung erhält, zu der der Arbeitgeber Mittel beigesteuert hat. Der Musiker hat den Arbeitgeber von der Zustellung des Rentenbescheides unverzüglich zu unterrichten. Beginnt die Rente wegen Berufsunfähigkeit oder wegen Erwerbsunfähigkeit erst nach der Zustellung des Rentenbescheides, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des dem Rentenbeginn vorangehenden Tages.
…
(5) Nach Wiederherstellung der Berufsfähigkeit soll der Musiker, dem bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Absatz 1 oder Absatz 2 nur noch aus wichtigem Grunde gekündigt werden konnte (§ 42 Abs. 1), auf Antrag in seinem früheren Orchester wieder als Musiker eingestellt werden, wenn dort ein für ihn geeigneter Arbeitsplatz frei ist. Satz 1 gilt entsprechend für kündbare Musiker, die eine befristete Rente bezogen haben.”
Die Klägerin ist der Ansicht, ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten bestehe fort. Die Regelung des § 45 TVK sei zwar dahin auszulegen, daß sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch für den Fall der Gewährung einer lediglich befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente vorsehe. Insoweit sei die Tarifnorm jedoch wegen Umgehung zwingenden Kündigungsrechts unwirksam.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, sie ab 1. September 1997 zu unveränderten Arbeitsbedingungen als stellvertretende Solo-Fagottistin im Orchester der H. weiterzubeschäftigten, wenn ihre Berufsfähigkeit bis dahin wiederhergestellt ist,
hilfsweise festzustellen,
daß ihr Arbeitsverhältnis bei der Beklagten nicht mit Ablauf des 31. März 1995 geendet hat, sondern lediglich in der Zeit vom 1. April 1995 bis 31. August 1997 ruht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin habe am 31. März 1995 sein Ende gefunden. Die tarifliche Regelung des § 45 Abs. 1 TVK sei aufgrund der besonderen künstlerischen Belange eines Kulturorchesters sachlich gerechtfertigt. Um die ungetrübte Homogenität des Orchesterklanges nicht zu beeinträchtigen, müsse die Position der Klägerin im Orchester auf Dauer neu besetzt werden, weil jeder Musikerwechsel das Zusammenspiel beeinträchtige.
Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin lediglich die Zurückweisung der Berufung beantragt; das Landesarbeitsgericht hat nach diesem Antrag erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Die Klägerin beantragt, die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin ab 1. September 1997 zu unveränderten Arbeitsbedingungen als stellvertretende Solo-Fagottistin im Orchester der H. weiterzubeschäftigen, wenn der Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente zum 31. August 1997 endet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Klage war abzuweisen, denn der Hauptantrag der Klägerin ist sowohl in seiner ursprünglichen als auch in seiner in der Revisionsinstanz geänderten Fassung unzulässig. Der Hilfsantrag der Klägerin ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens, weil ihn die Klägerin schon im Berufungsverfahren nicht mehr verfolgt hat.
I. Für den Hauptantrag fehlt es an der besonderen Prozeßvoraussetzung einer Klage auf zukünftige Leistung. Gem. § 259 ZPO kann eine Klage auf künftige Leistung außer in den – hier nicht vorliegenden – Fällen der §§ 257, 258 ZPO erhoben werden, wenn nach den Umständen die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, gilt § 259 ZPO zwar auch für bedingte Ansprüche (BGH Urteil vom 17. April 1952 – III ZR 109/50 – BGHZ 5, 342, 344). Abgesehen vom Eintritt der Bedingung aber muß die Verpflichtung des Schuldners zur Erbringung der zukünftigen Leistung in ihrem Bestände gewiß sein (BGH Urteil vom 16. Dezember 1964 – VIII ZR 47/63 – BGHZ 43, 28, 31). Für den Streitfall bedeutet dies, daß der Senat in der Lage sein müßte, die Verpflichtung der Beklagten zur Beschäftigung der Klägerin als stellvertretende Solo-Fagottistin für alle denkbaren Fallgestaltungen zu bejahen, falls die Klägerin ab 1. September 1997 keine Erwerbsunfähigkeitsrente mehr beziehen wird.
Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, selbst wenn der Ansicht der Vorinstanzen zu folgen sein sollte, daß das Arbeitsverhältnis nicht gem. § 45 Abs. 1 TVK zum 31. März 1995 geendet hat. Neben der Ungewißheit, ob das Arbeitsverhältnis auch noch am 1. September 1997 bestehen wird, steht nicht fest, ob die Beklagte zur Beschäftigung der Klägerin als stellvertretende Solo-Fagottistin verpflichtet sein wird, wenn der Bezug von Erwerbsunfähigkeitsrente zum 31. August 1997 endet. Eine Beendigung des Bezugs von Erwerbsunfähigkeitsrente kann auf unterschiedlichsten Ursachen beruhen, ohne daß die Klägerin in jedem dieser Fälle in der Lage wäre, ihre Tätigkeit als Musikerin auch tatsächlich wieder auszuüben. So könnte die Klägerin beispielsweise arbeitsunfähig sein, obwohl ihre Erwerbsfähigkeit wieder hergestellt ist, oder es könnte an formellen Voraussetzungen für eine erneute Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente fehlen, obwohl die Klägerin zur Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit bei der Beklagten nicht in der Lage ist.
II. Der erstinstanzlich gestellte Hilfsantrag der Klägerin ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Er war schon im Berufungsverfahren nicht mehr gestellt worden. Die Klägerin hatte dort lediglich beantragt, die Berufung zurückzuweisen, ohne auch den Hilfsantrag zu wiederholen. Damit war schon im Berufungsverfahren nur noch die Verurteilung der Beklagten nach dem Hauptantrag anhängig.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Zugleich für den durch Urlaub verhinderten Vorsitzenden Richter Dörner, Steckhan, Schmidt, Günter, Metzinger, Niehues
Fundstellen