Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung eines unbefristeten Arbeitsvertrages
Normenkette
BGB § 620
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 28. Mai 1996 – 11 Sa 102/95 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin ist promovierte Diplom-Biologin und stand seit 1979 in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur beklagten Universität. Nachdem die Klägerin seit 1. November 1993 (zunächst bis zum 31. Oktober 1994) Sonderurlaub für einen Forschungsaufenthalt in den Vereinigten Staaten erhalten hatte, schlossen die Parteien unter dem 15. Dezember 1993 einen Änderungsvertrag, demzufolge das Arbeitsverhältnis bis zum 30. September 1996 befristet sein sollte. Die Klägerin hat diesen Vertrag nur „unter Vorbehalt des § 2 des Kündigungsschutzgesetzes und der sozialen Gerechtigkeit” unterzeichnet. Daraufhin kündigte die Beklagte unter dem 20. Dezember 1993 das Arbeitsverhältnis wegen mangelnden Bedarfs. Nachdem die Klägerin am 29. Dezember 1993 ihren Vorbehalt zurückgezogen hatte, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 29. Dezember 1993 die erklärte Beendigungskündigung vom 20. Dezember 1993 für gegenstandslos. Mit Schreiben vom 27. Oktober 1994 verlängerte die Beklagte den der Klägerin gewährten Sonderurlaub bis zum 30. September 1996.
Mit ihrer am 1. Februar 1995 eingereichten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Befristung des Arbeitsverhältnisses sei unwirksam. Sie hat beantragt,
- festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 30. September 1996 hinaus unbefristet fortbesteht;
- die Beklagte zu verurteilen, sie als Diplom-Biologin zu den bisherigen Bedingungen auch nach dem 30. September 1996 weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe mit ihrer wohlüberlegten Unterschrift das Änderungsangebot angenommen und damit bewußt und gewollt auf sämtliche Rechte verzichtet, die sie im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens hätte geltend machen können. Ein sachlicher Grund für die Befristung sei nicht erforderlich, da sich dieser aus dem hier vorliegenden außergerichtlichen Vergleich ergebe. Im übrigen sei die Befristung auch sachlich gerechtfertigt. Es sei notwendig, die Struktur der Beklagten an die des bundesdeutschen Hochschulrechts anzupassen. Das Berliner Hochschulpersonal-Übernahmegesetz enthalte die notwendigen Grundlagen, um Personalentscheidungen wie die Befristung des Arbeitsvertrages nachzuholen, die an sich bereits im Zeitpunkt der Einstellung des Arbeitnehmers hätten getroffen werden müssen. Zudem sei die Befristung auch durch haushaltsrechtliche Gesichtspunkte gem. §§ 57 a ff. HRG sachlich gerechtfertigt. Der Beklagten habe eine Soll-Stelle für eine dauerhafte Weiterbeschäftigung der Klägerin nicht zur Verfügung gestanden. Auf das Zitiergebot des § 57 b Abs. 5 HRG komme es nicht an, weil der Sachgrund der Befristung im Arbeitsvertrag ausreichend konkret umschrieben worden sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben; das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des Ersturteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Unrecht mit der Begründung abgewiesen, ein sachlicher Grund für die vereinbarte Befristung liege in einem von den Parteien abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleich. Im erneuten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob ein anderer Sachgrund die Befristung rechtfertigt.
I. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß auch die nachträgliche Befristung eines unbefristeten Arbeitsvertrages eines sachlichen Grundes bedarf. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats (vgl. BAG Urteil vom 24. Januar 1996 – 7 AZR 496/95 – AP Nr. 179 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die vorliegend vereinbarte Befristung sei dadurch sachlich gerechtfertigt, daß es sich um einen außergerichtlichen Vergleich handele. Der Senat hat bereits in seinem angeführten Urteil vom 24. Januar 1996 (aaO) ausgeführt, die Anerkennung eines außergerichtlichen Vergleichs als Befristungsgrund setze zumindest voraus, daß ein offener Streit der Parteien über die Rechtslage hinsichtlich des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses bestehe. Beide Parteien müssen gegensätzliche Standpunkte darüber eingenommen haben, ob bzw. wie lange zwischen ihnen noch ein Arbeitsverhältnis besteht. Nur dann kann in der Befristungsabrede ein Vergleich im Sinne des § 779 BGB gesehen werden. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall ebensowenig wie bei der Senatsentscheidung vom 24. Januar 1996 (aaO) gegeben. Über das Bestehen eines unbefristeten Dauerarbeitsverhältnisses bestand zwischen den Parteien kein Streit. Die Auseinandersetzungen der Parteien begannen erst, als die Beklagte die nachträgliche Befristung des Arbeitsverhältnisses erreichen wollte. Die nachfolgende Kündigung wurde nur ausgesprochen, um den Druck auf die Klägerin zu verstärken, nachdem diese die Befristung nicht vorbehaltslos akzeptiert hatte. Es fehlt damit ferner an einem Nachgeben der Arbeitgeberin. Vielmehr hat sie ihre schon anfangs eingenommene Position durchgesetzt, so daß auch deswegen nicht von einem Vergleich ausgegangen werden kann.
III. Der Rechtsstreit ist indessen nicht entscheidungsreif, weil die vorliegende Befristung auch durch einen anderen Sachgrund gerechtfertigt sein könnte. Hierzu muß das Landesarbeitsgericht noch tatsächliche Feststellungen treffen.
1. Der im Änderungsvertrag vom 15. Dezember 1993 angegebene Befristungsgrund „§ 4 Hochschulpersonal-Übernahmegesetz” trägt die Befristung allerdings nicht. Nach dieser Vorschrift können Dienstkräfte (wie die Klägerin) „im Überhang oder, für eine Übergangszeit von längstens fünf Jahren, unter Inanspruchnahme einer Stelle im Stellenplan, beschäftigt werden”, soweit ihre Weiterbeschäftigung unter Berücksichtigung der Empfehlungen der jeweiligen Struktur- und Berufungskommission und unter Beachtung der Bestimmungen des § 1 Satz 2 Berliner Hochschulpersonal-Übernahmegesetz nach Maßgabe der hierfür im jeweiligen Haushalt vorgesehenen und verfügbaren Stellen und Mittel für nicht planmäßige Beschäftigte möglich ist. Der Senat hat bereits in seinem angeführten Urteil vom 24. Januar 1996 entschieden, daß § 4 Hochschulpersonal-Übernahmegesetz schon seinem Inhalt nach keinen Befristungsgrund enthält, so daß es nicht mehr darauf ankommt, daß es dem Landesgesetzgeber auch nicht gestattet wäre, im Hochschulbereich gesetzliche Befristungsgründe einzuführen (vgl. auch BAG Urteil vom 14. Februar 1996 – 7 AZR 613/95 – AP Nr. 4 zu § 57 c HRG).
2. Aufgrund des Sachvortrags der Beklagten erscheint es jedoch auch im vorliegenden Falle denkbar, daß die Haushaltsmittel, aus denen die Klägerin für die Laufzeit des befristeten Arbeitsvertrages vergütet werden sollte, haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind (§ 57 b Abs. 2 Nr. 2 HRG). Dies wird das Landesarbeitsgericht anhand der haushaltsrechtlichen Vorgaben zu prüfen haben. Bejaht es diese Frage, so wird es weiter zu prüfen haben, ob nach den Grundsätzen der Senatsurteile vom 31. Januar 1990 (– 7 AZR 125/89 – BAGE 65, 16 = AP Nr. 1 zu § 57 b HRG), vom 19. August 1992 (– 7 AZR 560/91 – BAGE 71, 118 = AP Nr. 2 zu § 57 b HRG) und vom 14. Dezember 1994 (– 7 AZR 342/94 – AP Nr. 3 zu § 57 b HRG) dem Zitiergebot des § 57 b Abs. 5 HRG ausreichend Rechnung getragen wurde.
3. Sollte das Landesarbeitsgericht hiernach das Vorliegen des Befristungsgrundes des § 57 b Abs. 2 Nr. 2 HRG verneinen, so wird es nach Maßgabe der näheren Darlegungen des Senats unter III 3a bis c seines angeführten Urteils vom 24. Januar 1996 zu prüfen haben, ob nach den Grundsätzen der allgemeinen arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle ein sachlicher Befristungsgrund vorlag.
4. Besonderer Prüfung bedarf im vorliegenden Sachverhalt, ob ein Befristungsgrund darin zu sehen ist, daß für eine dauerhafte Beschäftigung der Klägerin möglicherweise keine Planstelle mehr zur Verfügung stand. Insoweit wird sich das Landesarbeitsgericht insbesondere an den Ausführungen des Senats unter III 3 d seines angeführten Urteils vom 24. Januar 1996 orientieren können.
Unterschriften
Dörner, Steckhan, Schmidt, Knapp, Olga Berger
Fundstellen