Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatzanspruch wegen einer Hepatitis-C-Infektion. Ausschlussfrist
Orientierungssatz
- Die sich aus § 618 Abs. 1 BGB ergebenden zivilrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers werden durch das Arbeitsschutzgesetz konkretisiert.
- § 618 Abs. 3 BGB verwies in der bis zum 31. Juli 2002 geltenden Fassung nicht auf § 847 BGB, so dass im damaligen Zeitpunkt kein Anspruch auf Schmerzensgeld bestand, wenn der Arbeitgeber Pflichten aus § 618 BGB verletzt hat.
- Die bestandskräftige Feststellung eines Sozialversicherungsträgers, ob ein Versicherungsfall besteht oder nicht, bindet gemäß § 108 Abs. 1 SGB VII die Zivilgerichte. Hat ein Sozialversicherungsträger den Versicherungsfall verneint, ist eine zivilrechtliche Haftung des Arbeitgebers nach § 104 Abs. 1 SGB VII nicht mehr ausgeschlossen.
- Begehrt ein Arbeitnehmer zulässigerweise gemäß § 256 ZPO die Feststellung, dass der Arbeitgeber für zukünftige Schäden, die der Arbeitnehmer noch nicht beziffern kann, haftet, kommt vor dem Eintritt dieser Schäden ein Verfall des Schadensersatzanspruchs auf Grund einer Ausschlussfrist nicht in Betracht, auch wenn die Rechtsgutverletzung zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten ist (hier: Ersatz zukünftiger Personenschäden als Folge einer in der Vergangenheit liegenden Hepatitis-C-Infektion).
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, §§ 254, 280 Abs. 1, § 618; ArbSchG § 12 Abs. 1 S. 1, § 14; SGB VII § 104 Abs. 1 S. 1, § 108 Abs. 1; BAT § 70
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 21. Juni 2005 – 12 Sa 359/04 – teilweise aufgehoben.
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 1. Dezember 2003 – 2 Ca 501/01 – teilweise abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen, soweit die Klägerin beantragt hat, festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an sie den sich aus der Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus ergebenden immateriellen Schaden seit dem 17. September 1998 zu ersetzen.
Von den erst- und zweitinstanzlichen Kosten hat die Klägerin 75 % zu tragen, von den Kosten der Revision hat die Klägerin 50 % zu tragen, die übrigen Kosten hat das beklagte Land zu tragen.
Im Übrigen wird die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 21. Juni 2005 – 12 Sa 359/04 – zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche wegen einer Hepatitis-C-Infektion der Klägerin.
Die Klägerin ist als angestellte Berufsschullehrerin im Fach Praxisunterricht Lebensmittel bei einer Berufsbildenden Schule des beklagten Landes tätig. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Bundes-Angestelltentarifvertrag anwendbar.
Bei den praktischen Arbeiten kommt es häufiger vor, dass sich Schüler oder auch Lehrkräfte beim Hantieren mit Geräten verletzen, insbesondere treten häufig Schnittverletzungen vor allem an den Händen auf, wobei die Lehrer in der Regel die Schnittverletzungen der Schüler versorgen. Zu den von der Klägerin unterrichteten Berufsschülern gehören auch drogenabhängige männliche und weibliche Jugendliche. Nach einer Blutspende am 17. September 1998 erfuhr die Klägerin, dass sie mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert ist. Die Erkrankung wurde der Landesunfallkasse angezeigt.
Die Klägerin hat behauptet, sie könne sich nur im Rahmen ihrer Tätigkeit als Lehrerin bei der Wundversorgung eines Schülers oder einer Schülerin mit HCV infiziert haben. Da bei ihr seit Anfang 2000 Symptome der Infektion mit HCV aufgetreten seien, habe sie sich in ärztliche Behandlung begeben. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land habe seine Aufklärungspflicht betreffend die Gefährlichkeit, die Infektionswege und den möglichen Schutz vor Infektionen grob fahrlässig verletzt und sei deshalb zum Schadensersatz verpflichtet.
Die Klägerin hat mit der dem beklagten Land am 17. September 2001 zugestellten Klage beantragt,
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an sie den sich aus der Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus ergebenden materiellen wie immateriellen Schaden seit dem 17. September 1998 zu ersetzen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es hat die Auffassung vertreten, eventuelle Schadensersatzansprüche der Klägerin seien gemäß § 70 BAT verfallen. In Fällen wie dem vorliegenden, in welchen eine Schadensbezifferung ungewiss sei bzw. erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen könne, müsse zur Bejahung der Fälligkeit der Anspruchberechtigte nur auf Grund ihm bekannter Tatsachen mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg Klage erheben können, wobei auch eine Feststellungsklage ausreiche. Andernfalls bliebe ein Anspruchsgegner für eine unter Umständen mehrjährige Dauer über eventuelle Schadensersatzforderungen im Unklaren. Auch die Verjährungsregeln stellten für die Fälligkeit auf die Kenntnis des Schadens ab, welcher nicht gleichbedeutend mit der Kenntnis von Umfang und Höhe des Schadens sei. Die Grundsätze der Verjährung müssten auch für Ausschlussfristen gelten. Die Sechsmonatsfrist des § 70 BAT habe deshalb spätestens zur Zeit der Meldung an die Landesunfallkasse im Jahre 1999 zu laufen begonnen und sei bei Klageerhebung bereits verstrichen gewesen. Schließlich habe die Klägerin zumindest die immateriellen Schäden bereits zum Zeitpunkt der Meldung an die Landesunfallkasse im Jahre 1999 beziffern können. Weiter sei eine haftungsbegründende Kausalität, für die die Klägerin die volle Darlegungs- und Beweislast habe, nicht festgestellt. Die fehlende Aufklärung über Ansteckungsgefahren sei nicht die Ursache für die Infektion gewesen. Letztlich sei die Abwägung der Mitverschuldensbeiträge durch das Landesarbeitsgericht fehlerhaft, schon deshalb, weil es gar keinen kausalen Tatbeitrag des beklagten Landes gebe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit einer Quote von 75 % stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes die Mitverschuldensquote mit 50 % bewertet und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen umfassenden Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet, soweit die Klägerin den Ersatz immaterieller Schäden begehrt. Im Übrigen ist die Revision unbegründet, denn die Klägerin hat gegen das beklagte Land einen Anspruch auf Ersatz der materiellen Schäden, die durch die Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus entstanden sind bzw. entstehen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf das arbeitsgerichtliche Urteil einen Schadensersatzanspruch auf Grund positiver Vertragsverletzung bejaht, die Mitverschuldensquote aber nur mit 50 % festgesetzt. Dass die Klägerin die Infektion bei ihrer Unterrichtstätigkeit erlitten habe, stehe fest. Das beklagte Land hat nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts die Klägerin nicht hinreichend über die erhöhten Risiken aufgeklärt. Die Forderung der Klägerin sei schon deshalb nicht verfallen gewesen, da der Schaden – unstreitig – nicht bezifferbar gewesen sei. Das Entstehen des Anspruchs reiche für eine Fälligkeit nicht aus.
II. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nur teilweise stand.
1. Die Klage ist zulässig. Das besondere Feststellungsinteresse des § 256 Abs. 1 ZPO muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen. Bei Feststellungsklagen, die sich auf künftigen Schadensersatz beziehen, liegt das rechtliche Interesse bereits dann vor, wenn Schadensfolgen in der Zukunft möglich sind, auch wenn ihre Art, ihr Umfang und sogar ihr Eintritt noch ungewiss sind. Es muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts bestehen. Insoweit reicht es aus, wenn die nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Ersatzpflicht durch Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer und voraussehbarer Leiden besteht (Senat 19. August 2004 – 8 AZR 349/03 – AP SGB VII § 104 Nr. 4 mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn bei einer Hepatitis-C-Infektion handelt es sich um eine langwierige Erkrankung, bei der, wie sich auch aus dem vom Arbeitsgericht eingeholten Gutachten ergibt, weitere Spätfolgen eintreten können.
2. Die Klage ist im vom Landesarbeitsgericht ausgeurteilten Umfang begründet, soweit die Klägerin die Erstattung anderer materieller Schäden begehrt, denn das beklagte Land ist der Klägerin zum Ersatz der Hälfte des durch die unterlassene Aufklärung insoweit entstehenden Schadens gemäß § 280 Abs. 1 und § 618 Abs. 3 iVm. §§ 842, 254 BGB verpflichtet. Soweit die Klägerin jedoch den Ersatz entstehender immaterieller Schäden begehrt, ist die Klage unbegründet.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass das beklagte Land seine gegenüber der Klägerin bestehende Aufklärungspflicht verletzt hat.
aa) Aus einem Schuldverhältnis erwachsen einer Vertragspartei nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Diese nunmehr in § 241 Abs. 2 BGB ausdrücklich normierten Pflichten waren bereits vor Inkrafttreten dieser Norm aus § 242 BGB abgeleitet worden. Diese Pflichten können sich ua. auch auf Aufklärung richten. Der Schuldner ist dann zur Aufklärung verpflichtet, wenn Gefahren für das Leistungs- oder Integritätsinteresse des Gläubigers bestehen, von denen dieser keine Kenntnis hat. Das Verschweigen von Tatsachen begründet eine Haftung, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte (zum Ganzen BAG 14. Juli 2005 – 8 AZR 300/04 – AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 242 Nr. 1; Palandt/Heinrichs BGB 65. Aufl. § 242 Rn. 37, § 311 Rn. 42). Konkrete Aufklärungsund Hinweispflichten des Arbeitgebers können sich im Einzelfall darüber hinaus auch aus dem Gesetz ergeben. Aus § 618 Abs. 1 BGB folgt allgemein eine Pflicht des Dienstberechtigten, Dienstleistungen so zu regeln, dass der Dienstverpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet. § 618 BGB ist eine Teilausprägung der allgemeinen Fürsorgepflicht des Dienstberechtigten (BAG 10. März 1976 – 5 AZR 34/75 – AP BGB § 618 Nr. 17 = EzA BGB § 618 Nr. 2). Die sich aus § 618 Abs. 1 BGB ergebenden zivilrechtlichen Pflichten werden hinsichtlich der Ordnungs- und Organisationsvorschriften des Arbeitgebers durch das Arbeitsschutzgesetz konkretisiert (ErfK/Wank 6. Aufl. § 3 ArbSchG Rn. 1, § 618 BGB Rn. 4; HWK/Krause 2. Aufl. § 618 BGB Rn. 17, 24). Gemäß den §§ 14, 12 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG muss der Arbeitgeber die Arbeitnehmer über Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz ausreichend und angemessen unterweisen. Damit Arbeitnehmer eine Gesundheitsgefährdung erkennen und entsprechend den vorgesehenen Maßnahmen auch handeln können, verlangt § 12 Abs. 1 Satz 2 ArbSchG, dass die Unterweisung auf die individuelle Arbeitsplatzsituation des Beschäftigten zugeschnittene Informationen, Erläuterungen und Anweisungen enthalten muss. Ergeben sich Veränderungen bei der Gefahrensituation, sind des Weiteren erneute Unterweisungen vorzunehmen. Je schwerer ein möglicher Schaden für den Arbeitnehmer sein kann, desto stärker müssen die Schutzmaßnahmen sein, die der Arbeitgeber zu treffen hat (ErfK/Wank § 618 BGB Rn. 15, 17). Diese öffentlich-rechtlichen Maßstäbe gelten auch im Rahmen des § 618 BGB und damit im Streitfall.
bb) Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts gab es zwischen 1995 und Herbst 1998, dem Infektionszeitraum, an der beruflichen Schule, an der die Klägerin unterrichtet, in allen Klassen zahlreiche drogenabhängige, auch schwerst drogenabhängige Schüler. Ferner steht fest, dass die Gruppe der hartdrogenabhängigen Schüler zu mindestens 80 % mit dem HC-Virus infiziert war. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen waren beide Umstände der verantwortlichen Schulbehörde bekannt. Ebenso ist erwiesen, dass es bei dem Unterricht, den die Klägerin erteilt, in erheblichem Umfang zu Schnittwunden und Hautverletzungen an den Händen kommt. Die Ansteckungsgefahr ist hierbei besonders hoch, da der Hepatitis-C-Virus insbesondere durch Eindringen infizierten Blutes übertragen wird. Die Klägerin übernahm als Fachpraxislehrerin meist die Wundversorgung bei den Schülern. In dieser Situation wären angesichts der gravierenden Auswirkungen einer Hepatitis-C-Infektion, welche auch durch das vom Arbeitsgericht eingeholte Gutachten belegt sind, verstärkte Informationen und Vorkehrungen gegen eine Infektion erforderlich gewesen. Konkrete Aufklärung hat es seitens des beklagten Landes jedoch nicht gegeben, weder über die erhöhten Risiken noch über Vorkehrungsmaßnahmen. Noch nicht einmal bei einer Informationsveranstaltung zum Thema Drogenmissbrauch am 9. März 1998 gab es Hinweise zum Umgang mit hartdrogenabhängigen Schülern. Dabei kann mit dem Landesarbeitsgericht dahingestellt bleiben, ob – worüber die Parteien streiten – genügend Einmalschutzhandschuhe zur Verfügung gestellt waren oder nicht.
b) Das beklagte Land hat die Aufklärungspflichten schuldhaft verletzt, denn es hat keine Umstände vorgetragen, die ein Verschulden ausschließen. Es reicht aus, wenn der Arbeitnehmer, der durch die Schutzpflichtverletzung des Arbeitgebers einen Personenschaden erlitten hat, beweist, dass ein ordnungswidriger Zustand vorgelegen hat, der geeignet war, den eingetretenen Schaden herbeizuführen; es ist dann Sache des Arbeitgebers zu beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft (BAG 27. Februar 1970 – 1 AZR 258/69 – AP BGB § 618 Nr. 16 = EzA BGB § 618 Nr. 1; BGH 6. April 1995 – VII ZR 36/94 – NJW 1995, 2629; ErfK/Wank § 618 BGB Rn. 40). Die gleiche Rechtsfolge ergibt sich auch aus § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB.
c) Durch die schuldhafte Pflichtverletzung des beklagten Landes ist die von der Klägerin behauptete Gesundheitsverletzung eingetreten.
Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat bindend in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin die Infektion bei ihrer Unterrichtstätigkeit erlitten hat. Verfahrensrügen hat das beklagte Land insoweit nicht erhoben. Es rügt lediglich, das Landesarbeitsgericht habe nicht festgestellt, dass Pflichtverletzungen des Landes kausal für die Infektion gewesen seien. Insbesondere sei nicht festgestellt, dass die Klägerin bei entsprechender Aufklärung ihr Verhalten geändert, insbesondere Handschuhe benutzt hätte. Diese Rüge geht jedoch fehl, denn für das Vorliegen eines derartigen ursächlichen Zusammenhangs streitet die Vermutung des aufklärungsgerechten Verhaltens. Diese Vermutung ist bei der Prüfung eines Schadensersatzanspruchs wegen unterlassener Aufklärung stets einzubeziehen (vgl. BAG 17. April 2002 – 5 AZR 89/01 – BAGE 101, 75, 81 = AP NachwG § 2 Nr. 6 = EzA NachwG § 2 Nr. 5; 17. Oktober 2000 – 3 AZR 69/99 – AP BetrAVG § 1 Zusatzversorgungskassen Nr. 56; LAG Berlin 26. November 2002 – 3 Sa 1530/02 – LAGE BGB § 134 Nr. 9a; Palandt/Heinrichs § 280 Rn. 39 mwN). Hiernach ist grundsätzlich davon auszugehen, dass jedermann bei ausreichender Information seine Eigeninteressen in vernünftiger Weise wahrt. Die Vermutung betrifft die Nichtbefolgung von Hinweisen und setzt voraus, dass ein auf ein bestimmtes Verhalten gerichteter Rat zu erteilen war. Wie sich aus dem vom Arbeitsgericht eingeholten Gutachten ergibt, hätte das beklagte Land die Klägerin über bestimmte Vorsichtsmaßnahmen bei Kontakt mit Blut aufklären müssen, zum Beispiel über das Unterlassen des Kontakts mit offenen Wunden oder das Verwenden von Einmalhandschuhen. Es ist davon auszugehen, dass die Klägerin nach erfolgter Aufklärung sich an die Hinweise gehalten hätte; diese Vermutung hat das beklagte Land jedenfalls nicht widerlegt oder zumindest entkräftet.
d) Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, wenn es von einer Verschuldensquote von 50 % des beklagten Landes ausgeht. Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe § 254 BGB fehlerhaft angewandt, geht fehl. Die Verteilung der Verantwortlichkeit im Rahmen des § 254 BGB ist in erster Linie Sache tatrichterlicher Würdigung. Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob die Tatsachengerichte alle Umstände ordnungsgemäß festgestellt, bei der Abwägung verwertet und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen haben (BAG 19. März 1992 – 8 AZR 370/91 – EzA BGB § 611 Gefahrgeneigte Arbeit Nr. 26; BGH 13. Dezember 2004 – II ZR 17/03 – NJW 2005, 981). Die Abwägung selbst ist Tatfrage und daher von dem Revisionsgericht nur eingeschränkt auf Verfahrensfehler zu überprüfen. Solche sind dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.
Soweit das beklagte Land insoweit rügt, das Landesarbeitsgericht habe keinen eigenen Tatbeitrag des Landes festgestellt, ist das unzutreffend. Das Landesarbeitsgericht ist von einer unterlassenen Aufklärung durch das Land ausgegangen. Dass es andere erhebliche Umstände bei der Abwägung außer Acht gelassen hat, ist nicht ersichtlich.
e) Das beklagte Land haftet der Klägerin für den sich aus der Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus ergebenden Personenschaden seit dem 17. September 1998. Hierzu gehören auch Vermögensschäden, die durch die Behandlung entstehen können. Des Weiteren kommen für die Klägerin Ansprüche gemäß § 618 Abs. 3, §§ 842, 843 BGB in Betracht, denn die Haftung aus § 280 Abs. 1 BGB für den eingetretenen Personenschaden wird insoweit gemäß § 618 Abs. 3 BGB erweitert (ErfK/Wank § 618 BGB Rn. 39).
Das beklagte Land ist der Klägerin aber nicht zur Erstattung immaterieller Schäden verpflichtet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes. § 618 Abs. 3 BGB verwies in dem für den Streitfall maßgeblichen Zeitraum hinsichtlich der Rechtsfolgen auf die §§ 842 bis 846 BGB, jedoch nicht auf § 847 BGB. Bei § 618 Abs. 3 BGB handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung, durch die der Charakter des Anspruchs als vertraglicher unberührt bleibt (ErfK/Wank § 618 BGB Rn. 39). Da § 618 Abs. 3 BGB ausdrücklich nicht auf § 847 BGB verwies, stand dem Arbeitnehmer bei Verletzung der Pflichten aus § 618 Abs. 1 BGB kein Schmerzensgeldanspruch zu (hM BGH 15. Juni 1971 – VI ZR 262/69 – BGHZ 56, 269; LAG Baden-Württemberg 5. März 2001 – 15 Sa 106/00 – AP BGB § 611 Mobbing Nr. 2; ErfK/Wank aaO).
Auch nach § 253 BGB in der bis zum 31. Juli 2002 geltenden Fassung ergab sich kein Anspruch auf Schmerzensgeld. § 253 Abs. 2 BGB in der jetzt geltenden Fassung wurde erst durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften neu in das BGB aufgenommen (Art. 2 Nr. 2 Buchst. b vom 19. Juli 2002, BGBl. I 2674) und gilt mit Wirkung vom 1. August 2002. § 253 Abs. 2 BGB ersetzt in der heutigen Fassung § 847 aF, der bisher den Geldersatz für immaterielle Schäden regelte; er fasst den Anwendungsbereich allerdings erheblich weiter: Das Gesetz sieht heute sowohl bei der Vertragshaftung als auch bei der Gefährdungshaftung einen Ersatz immaterieller Schäden vor, während diese Bereiche früher nicht mit umfasst waren. Deshalb schließt nunmehr auch die Haftung aus § 618 BGB einen Schmerzensgeldanspruch mit ein (Palandt/Heinrichs § 253 Rn. 8; Palandt/Weidenkaff § 618 Rn. 8; HWK/Krause § 618 BGB Rn. 42). Gem. Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB gilt die Neuregelung aber erst für Schadensereignisse, die sich nach dem 31. Juli 2002 ereignet haben. Die Infektion der Klägerin erfolgte jedoch vor dem 17. September 1998.
Ein Anspruch auf Ersatz immateriellen Schadens ergibt sich auch nicht aus Delikt (§ 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 618 BGB). Die Pflichten aus dem Arbeitschutzgesetz begründen nicht ohne Weiteres deliktische Verkehrsicherungspflichten. Auch ist das im Rahmen einer deliktischen Haftung von der Klägerin darzulegende und zu beweisende Verschulden des beklagten Landes nicht nachgewiesen. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass das beklagte Land im Zeitpunkt der Infektion der Klägerin positive Kenntnis von dem Gefährdungspotential ihrer Schule hatte oder angesichts der damaligen durchaus ungewöhnlichen Zusammensetzung der Schüler zumindest damit rechnen musste, dass eine erhöhte Hepatitis-C-Infektionsgefahr besteht, wenn Lehrer blutende Wunden ihrer Schüler im praktischen Unterricht verbinden. Ein zumindest fahrlässiges Verhalten des beklagten Landes ist im Zusammenhang mit § 823 Abs. 1 BGB damit nicht dargelegt.
f) Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz des materiellen Schadens ist nicht durch § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind Unternehmer den gesetzlich Unfallversicherten, die für ihr Unternehmen tätig sind, zum Ersatz von Personenschäden nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 – 4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Die Norm bezieht sich auf alle Haftungsgründe des bürgerlichen Rechts (Senat 19. August 2004 – 8 AZR 349/03 – AP SGB VII § 104 Nr. 4 = EzA SGB VII § 104 Nr. 2 mwN).
Der Senat hat jedoch davon auszugehen, dass der von der Klägerin geltend gemachte Schaden nicht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 104 Abs. 1 SGB VII eingetreten ist. Das folgt aus der Bindungswirkung des § 108 Abs. 1 SGB VII.
Hat ein Gericht über Ersatzansprüche der in den §§ 104 bis 107 SGB VII genannten Art zu entscheiden, ist es hiernach an eine unanfechtbare Entscheidung nach diesem Buch oder nach dem SGG in der jeweils gültigen Fassung gebunden, insbesondere auch für die Frage, ob ein Versicherungsfall vorliegt. Die Vorschrift dient dazu, widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden. Sowohl die positive als auch die negative Feststellung des Sozialversicherungsträgers ist bindend für die Frage, ob ein Versicherungsfall nach den §§ 104 ff. SGB VII vorgelegen hat (HWK/Giesen § 108 SGB VII Rn. 4; ErfK/Rolfs § 108 SGB VII Rn. 1). Die zur Entscheidung über den privatrechtlichen Schadensersatzanspruch berufenen Gerichte haben daher etwaige Fehlentscheidungen im sozialrechtlichen Verfahren auch dann hinzunehmen, wenn die dortige Entscheidung auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage beruht und sie selbst abweichende Feststellungen treffen könnten (KG Berlin 24. März 1975 – 12 U 2281/74 – VersR 1976, 290; ErfK/Rolfs aaO). Das Sozialgericht hat hier rechtskräftig entschieden, dass die Klägerin keine unfallversicherungsrechtlichen Ansprüche hat.
g) Der Anspruch der Klägerin war bei Klageerhebung nicht bereits nach § 70 BAT verfallen. Nach § 70 BAT, der wie die Vorinstanzen festgestellt haben, kraft einzelvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, sind Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen sechs Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen.
aa) Ansprüche wegen der Verletzung der Gesundheit werden grundsätzlich von der Ausschlussfrist des § 70 BAT erfasst (BAG 27. April 1995 – 8 AZR 582/94 – ZTR 1995, 520). Die sechsmonatige Frist beginnt ab “Fälligkeit”.
Die Fälligkeit tritt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei Schadensersatzansprüchen ein, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist und geltend gemacht werden kann (20. Juni 2002 – 8 AZR 488/01 – EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 11 mwN). Feststellbar ist der Schaden, sobald der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätte erlangen können (BAG 27. April 1995 – 8 AZR 582/94 –; 16. Mai 1984 – 7 AZR 143/81 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 85 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 58, zu II 1 der Gründe). Geltend gemacht werden können Schadensersatzforderungen, sobald der Gläubiger in der Lage ist, sich den erforderlichen Überblick ohne schuldhaftes Zögern zu verschaffen und seine Forderungen wenigstens annähernd zu beziffern (BAG 17. Juli 2003 – 8 AZR 486/02 – AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers Nr. 27 mwN; 27. Oktober 2005 – 8 AZR 3/05 – AP BGB § 310 Nr. 5 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 181). Zur Fälligkeit der Forderungen reicht es aus, dass der Arbeitnehmer die Ansprüche so deutlich bezeichnen kann, dass der Arbeitgeber erkennen kann, aus welchem Sachverhalt und in welcher ungefähren Höhe er in Anspruch genommen werden soll (BAG 27. April 1995 – 8 AZR 582/94 –). Dementsprechend ist der Gläubiger grundsätzlich verpflichtet, bei der Geltendmachung auch zumindest die ungefähre Höhe seiner Forderung zu nennen (BAG 17. Juli 2003 – 8 AZR 486/02 – aaO).
Die Fälligkeit eines Schadensersatzanspruchs setzt darüber hinaus voraus, dass ein Schaden überhaupt entstanden ist. Erst mit der Entstehung des Schadens kann auch ein Schadensersatzanspruch entstehen, der in der Regel auch mit seiner Entstehung fällig wird (BAG 25. Januar 1967 – 4 AZR 532/65 – AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 35 = EzA TVG § 4 Nr. 13; 7. März 1995 – 3 AZR 282/94 – BAGE 79, 236, 258 = AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 26 = EzA BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 9 unter Verweis auf BGH 19. Dezember 1990 – VIII ARZ 5/90 – BGHZ 113, 188, 193).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Verjährungsrecht beginnt die Verjährung eines Anspruchs mit seiner Entstehung (§ 198 BGB aF; § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB nF). Ein Anspruch ist entstanden, sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Nicht erforderlich ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Anspruch bereits beziffert werden und Gegenstand einer Leistungsklage sein kann. Um die Verjährung in Lauf zu setzen, genügt vielmehr die Möglichkeit, eine die Verjährung unterbrechende Feststellungsklage zu erheben (17. Februar 1971 – VIII ZR 4/70 – BGHZ 55, 340, 341; 22. Februar 1979 – VII ZR 256/77 – BGHZ 73, 363, 365; 18. Dezember 1980 – VII ZR 41/80 – BGHZ 79, 176, 178; Palandt/Heinrichs § 199 Rn. 3). Aber auch hier ist die Fälligkeit Voraussetzung der Erhebung einer Leistungs- oder Feststellungsklage. Maßgebend für den Beginn der Verjährungsfrist ist somit der Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung (BGH 28. September 1989 – VII ZR 298/88 – NJW 1990, 1170 mwN; 19. Dezember 1990 – VIII ARZ 5/90 – BGHZ 113, 188, 193 ff. mwN).
bb) Das Landesarbeitsgericht hat im Streitfall zutreffend angenommen, dass der Anspruch bei Erhebung der Feststellungsklage noch nicht verfallen war. Vorliegend begehrt die Klägerin Ersatz des Personenschadens. Dabei handelt es sich zunächst um einen immateriellen Schaden, der jedoch zur Quelle eines Vermögensschadens werden kann, sei es, dass zu seiner Beseitigung oder Milderung Geldaufwendungen erforderlich sind, sei es, dass er einen Erwerbsausfall, vermehrte Bedürfnisse oder einen sonstigen allgemeinen Vermögensschaden zur Folge hat (vgl. ErfK/Rolfs § 104 SGB VII Rn. 25). Wie sich aus den Erläuterungen der Klägerin ergibt, macht sie den Schaden geltend, der dann eintreten wird, wenn die chronische Infizierung zum Ausbruch kommt. Sie kennt den Schaden derzeit nicht und kann ihn auch nicht beziffern. Die Klägerin hat bisher lediglich eine Rechtsgutverletzung erlitten, ohne dass ein Schaden eingetreten ist. Ein Schadensersatzanspruch ist demnach auch noch nicht fällig. Die Klägerin kann den Schaden auch weder beziffern noch ihn der Höhe nach geltend machen. Da Schäden zwar wahrscheinlich, aber noch gar nicht eingetreten sind, kommt es auf den vom Land herangezogenen Hinweis auf den Beginn der Verjährung nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht an. Eine Ausschlussfrist wirkt sich zudem wesentlich gravierender aus als die zivilrechtliche Verjährung. Während der Ablauf der Ausschlussfrist rechtsvernichtende Wirkung hat und von Amts wegen zu berücksichtigen ist, gibt die Verjährung dem Schuldner nur eine Einrede (§ 214 BGB). Damit besitzt die Ausschlussfrist in den Rechtsfolgen eine stärkere, für den Betroffenen nachteiligere Wirkung als die Verjährung (vgl. auch 25. Mai 2005 – 5 AZR 572/04 – AP BGB § 310 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 3, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Außerdem ist die Kürze einer Ausschlussfrist für den Schuldner wesentlich belastender als die Verjährungsfrist. Auch deshalb kann die Möglichkeit der Erhebung einer unbezifferten Feststellungsklage für den Beginn einer Ausschlussfrist nicht als maßgeblich angesehen werden. Zudem dient die Notwendigkeit der wenigstens annähernden Bezifferung auch dem Schutz des Gläubigers.
Schließlich überzeugt der Hinweis des beklagten Landes, dem Schuldner sei es schon aus Rechtsverteidigungsgründen nicht zumutbar, zu lange abzuwarten und deshalb sei das strengere Verjährungsrecht anzuwenden, im Streitfall nicht, da die Forderung der Klägerin bei Klageerhebung noch nicht verjährt war, weder nach dem früheren Recht noch nach § 199 BGB nF. Denn nach § 199 Abs. 2 BGB nF gilt für Schadensersatzansprüche wegen Gesundheitsverletzungen sogar eine 30-jährige Verjährungsfrist, womit der Gesetzgeber derartige Ansprüche privilegieren wollte.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 97 ZPO.
Unterschriften
Hauck, Dr. Wittek, Laux, Umfug, Pauli
Fundstellen