Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwicklung nach Einigungsvertrag
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 13, 20, 38; Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 18.08.1993; Aktenzeichen 3 Sa 159/92 L) |
ArbG Leipzig (Urteil vom 29.10.1992; Aktenzeichen 16 Ca 5104/91) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 18. August 1993 – 3 Sa 159/92 L. – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin gemäß Artikel 20 Absatz 1 Einigungsvertrag in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 und 5 (im folgenden: Nr. 1 Abs. 2 EV) geruht und mit Ablauf des 30. Juni 1991 geendet hat.
Die im Jahre 1958 geborene Klägerin war seit dem 1. Januar 1987 wissenschaftliche Assistentin an der Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” der Handelshochschule L.. Die 1969 gegründete Handelshochschule war juristische Person und nach § 1 ihres Statutes das wissenschaftliche Zentrum der Forschung, Erziehung, Aus- und Weiterbildung für den sozialistischen Binnenhandel. Sie gliederte sich in die sechs Sektionen Sozialistische Betriebswirtschaft, Sozialistische Volkswirtschaft, Marxismus-Leninismus (ab 15. Januar 1990 umbenannt in Politische Ökonomie/Sozialwissenschaften), Warenkunde und Technologie, Mathematik/Datenverarbeitung sowie Hotel- und Gaststättenwesen. Mit Wirkung vom 9. September 1990 wurden die Sektionen und Wissenschaftsbereiche durch den Rektor aufgelöst. Die Hochschule leitete den Prozeß der Herausbildung der Fachbereiche Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Wirtschaftsinformatik/Logistik ein. Die Fachbereiche und ihnen zugeordnete kommissarisch geleitete Institute übernahmen die bisherigen Mitarbeiter. Die Klägerin arbeitete nunmehr im „Institut für Handel und Marketing” des „Fachbereichs Betriebswirtschaft”.
Am 11. Dezember 1990 beschloß die Sächsische Landesregierung „erste Schritte zur Neuordnung des Hochschulbereichs”. An der Handelshochschule L. sollten die „Sektion Sozialistische Betriebswirtschaftslehre und deren Nachfolgeeinrichtungen, deren bisherige Aufgabenstellungen hinfällig geworden” seien, abgewikkelt werden. „Zur Fortführung der laufenden studentischen Ausbildung” wurde ein Studienprogramm „Betriebswirtschaft/Wirtschaftswissenschaften” eingerichtet, um den Studenten einen akademischen Abschluß zu ermöglichen. In dem Beschluß vom 11. Dezember 1990 heißt es weiter, es sei vorgesehen, neue Fakultäten, Fachbereiche und Institute zu gründen.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 1990 teilte der Rektor der Handelshochschule L. der Klägerin unter Hinweis auf die Abwicklungsentscheidung der Landesregierung mit, daß ihr Arbeitsverhältnis ab 1. Januar 1991 ruhe und nach Ablauf von sechs Monaten ende, wenn keine Weiterbeschäftigung erfolge. Die Klägerin wurde nach dem 31. Dezember 1990 nicht mehr beschäftigt.
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Arbeitsverhältnis bestehe fort. Eine Abwicklungsentscheidung sei nicht getroffen, jedenfalls nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben worden und wäre als unzulässige Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes unwirksam. Eine Abwicklung der Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaftslehre” komme nicht in Betracht, da es sich nicht um eine eigenständige Teileinrichtung gehandelt habe. Die Sektion sei auch tatsächlich nicht abgewickelt worden. Die seit dem 9. September 1990 bestehende Struktur sei nach dem 31. Dezember 1990 im wesentlichen beibehalten worden. Am 11. Dezember 1990 habe die Sektion gar nicht mehr existiert. Die Aufgabenstellung des Fachbereichs Betriebswirtschaft sei nicht weggefallen. Es fehle an dem ernsthaften und endgültigen Willen des Beklagten, den Fachbereich Betriebswirtschaft aufzulösen und abzuwickeln. Die Lehre sei bereits unmittelbar nach der Wende im Wintersemester 1989/90 entsprechend den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen inhaltlich umgestaltet und erweitert worden; sie sei vorher zu stark auf den Handel fixiert gewesen.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht ab dem 1. Januar 1991 geruht und nicht am 30. Juni 1991 geendet habe, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 31. Dezember 1990 fortbestehe.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Abwicklungsentscheidung sei wirksam. Das Arbeitsverhältnis sei mangels einer positiven Überführungsentscheidung beendet worden. Die Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” sei abgewickelt worden. Grundstrukturen und zu erfüllende Aufgaben hätten sich wesentlich geändert. Das zahlenmäßige Verhältnis von Studierenden und Lehrenden an der Sektion habe etwa 6 zu 1 betragen. Ganz anders als früher sei der neugegründete Fachbereich mitverantwortlich für die Pflege und Sicherstellung der Wissenschaft in freier Forschung, freier Lehre und freiem Studium. Dabei sei auf die Sektion in ihrer Erscheinung vor September 1990 abzustellen. Denn sämtliche Versuche der Neu- und Umorientierung bis zum Zeitpunkt des Beitritts seien lediglich Versuche gewesen, die alten Strukturen durch bloße Umbenennung ohne weitergehende, tiefgreifendere Reformen aufrechtzuerhalten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Das Arbeitsverhältnis habe infolge der Abwicklung geruht und mit Ablauf des 30. Juni 1991 geendet. Der Beklagte habe nach Art. 13 EV durch seine Landesregierung die Überführung oder Abwicklung für die auf ihn übergegangenen Einrichtungen regeln müssen. Wesentlich sei allein die sich möglicherweise nur aus den Umständen ergebende wahre Entscheidung, die auch im Gegensatz zu der verlautbarten Entscheidung stehen könne. Bei der Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaftslehre” der Handelshochschule L. habe es sich unabhängig von der Namensänderung im Jahre 1990 um eine isoliert abwickelbare Einrichtung gehandelt. Diese sei aufgelöst worden. Ihre wesentliche Aufgabenstellung, nämlich die Heranbildung der Führungs- und Leitungskader und der Spezialisten für den sozialistischen Binnenhandel, sei vollständig weggefallen. Dem könne nicht entgegengehalten werden, zum Zeitpunkt der Abwicklungsentscheidung habe sich die frühere Sektion bereits in Richtung auf das einzurichtende Studienprogramm „Betriebswirtschaft/Wirtschaftswissenschaften” geändert. Denn die Organisationsentscheidung, ob und mit welchen Mitteln, Personen und Inhalten ein neues Studienprogramm eingerichtet werde, habe allein den zuständigen Organen des Beklagten, nicht aber einer wegfallenden (Teil-)Einrichtung oblegen. Die Nichtübernahme der lediglich umbenannten Einrichtung sei nicht willkürlich. Es bestehe ein berechtigtes Interesse, Einrichtungen, die der Verwirklichung des Marxismus-Leninismus in einer sozialistischen Gesellschaft dienten, aufzulösen und durch anders organisierte, an der Wissenschaftsfreiheit orientierte Einrichtungen zu ersetzen.
B. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
I. Der Senat hat die Voraussetzungen des Ruhens und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen nach Nr. 1 Abs. 2 EV wie folgt konkretisiert:
1. Wurde bis zu dem nach dem Einigungsvertrag vorgesehenen letztmöglichen Zeitpunkt keine positive, ggf. auch konkludente Überführungsentscheidung getroffen, trat kraft Gesetzes die Auflösung der Einrichtung oder der nicht überführten Teile ein. Wurde ein überführungsfähiger Teil überführt, erfaßte die Abwicklung den Rest der früheren Gesamteinrichtung. Die Abwicklung diente der Umsetzung dieser Auflösung und war auf die Liquidation der Einrichtung oder der nicht überführten Teile gerichtet. Mit dem Eintritt der Abwicklung war kraft Gesetzes das Ruhen der Arbeitsverhältnisse gem. Nr. 1 Abs. 2 EV verbunden. Der Übergang eines aktiven Arbeitsverhältnisses konnte nur als gesetzliche Folge der Überführung der Beschäftigungseinrichtung eintreten (BAG Urteil vom 3. September 1992 – 8 AZR 45/92 – AP Nr. 1 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
Die Überführung einer Einrichtung oder Teileinrichtung gem. Art. 13 EV bedurfte einer auf den verwaltungsinternen Bereich zielenden Organisationsentscheidung der zuständigen Stelle. Die Überführungsentscheidung war mangels außenwirksamer Regelung kein Verwaltungsakt (BAG, a.a.O.; BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992 – 7 C 5/92 – ZIP 1992, 1275). Eine Einrichtung oder Teileinrichtung wurde im Sinne von Art. 13 EV überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die (Teil-)Einrichtung unverändert fortführte oder er sie unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Die Überführung erforderte nicht nur die vorübergehende, sondern eine auf Dauer angelegte Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit. Wurde die (Teil-)Einrichtung nur vorläufig mit dem Ziele der Auflösung fortgeführt, lag hierin keine Überführung im Sinne von Art. 13 EV (BAG Urteil vom 28. Januar 1993, a.a.O.).
2. Eine Teileinrichtung setzte eine organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit mit eigener Aufgabenstellung und der Fähigkeit zu einer aufgabenbezogenen Eigensteuerung voraus. Bei der Feststellung einer organisatorischen Abgrenzbarkeit der Teileinrichtung ist nicht abzustellen auf die für jede öffentliche Einrichtung typischen internen Untergliederungen wie Abteilung, Referat oder Dezernat, die lediglich zu Zwecken der Geschäftsverteilung gebildet werden. Entscheidend ist vielmehr, daß der betroffene Teil als organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit auch nach außen mit einem gewissen Grad an Selbständigkeit erscheint, ohne daß ihm damit zugleich eine eigene Rechtspersönlichkeit oder ein Behördencharakter zukommen müßte (vgl. BVerfGE 84, 133, 151). Auf eine organisatorische Eigenständigkeit lassen eine eigene interne Geschäftsverteilung sowie eine zumindest teilweise selbständige Wahrnehmung von Dienst- und Organisationsangelegenheiten innerhalb des der betroffenen Einheit zugewiesenen Aufgabenbereichs schließen (BAG Urteil vom 3. September 1992, a.a.O., zu 1 2 der Gründe).
3. Die ruhenden Arbeitsverhältnisse endeten kraft Gesetzes nach Ablauf von sechs bzw. neun Monaten Wartezeit, wenn nicht der einzelne Arbeitnehmer weiterverwendet wurde. Macht ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR geltend, sein Arbeitsverhältnis sei gem. Nr. 1 Abs. 2 Satz 1 EV auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen und bestehe als aktives fort, hat er die Überführung seiner Beschäftigungs(teil-)einrichtung darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG Urteil vom 15. Oktober 1992 – 8 AZR 145/92 – AP Nr. 2 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
II. Art. 38 Abs. 1 EV bewirkte nicht die gesetzliche Überführung aller Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung. Diese Bestimmung ist nicht die speziellere Regelung gegenüber Art. 13 EV. Beide Normen stehen vielmehr selbständig nebeneinander. Art. 13 Abs. 3 EV bezieht Einrichtungen der Bildung und Wissenschaft in die Regelung der Überführung oder Abwicklung ausdrücklich mit ein. Der besondere Zweck von Art. 13 EV besteht darin, überflüssig gewordene (Teil-)Einrichtungen vereinfacht zu liquidieren. Art. 38 EV, der eine Erneuerung der gesamten Wissenschaft und Forschung ermöglichen soll, ist hiervon unabhängig.
III. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat gem. Art. 20 Abs. 1 EV in Verbindung mit Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 und 5 EV ab dem 1. Januar 1991 geruht und nach Ablauf von sechs Monaten geendet. Die Klägerin gehörte zu den übrigen Arbeitnehmern der öffentlichen Verwaltung der DDR im Sinne von Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 EV, deren Arbeitsverhältnisse wegen unterbliebener Überführung ihrer Beschäftigungsteileinrichtung kraft Gesetzes ruhten und endeten.
1. Das Landesarbeitsgericht hat die Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” zutreffend als überführungsfähige Teileinrichtung der öffentlichen Verwaltung nach Art. 13 EV angesehen, die als solche abgewickelt werden konnte. Es hat darauf hingewiesen, die Sektion sei organisatorisch gegenüber anderen Sektionen abgrenzbar gewesen und habe eine besondere eigene Aufgabenstellung besessen, nämlich die Forschung sowie die Aus- und Weiterbildung der Ökonomen auf dem Gebiet Handel in der sozialistischen Betriebswirtschaft; es habe auch ein entsprechendes Direktstudium gegeben. Die Fähigkeit zu einer aufgabenbezogenen Eigensteuerung habe sich aus § 16 Abs. 2 des Statuts ergeben, wonach die Sektion als Träger der Forschung, Erziehung, Aus- und Weiterbildung ausgewiesen gewesen sei. Gemäß § 14 Abs. 2 des Statuts hätten die Direktoren der Sektionen diese nach dem Prinzip der Einzelleitung und der kollektiven Beratung geleitet.
Die Rügen, die die Revision hiergegen erhebt, greifen nicht durch. Insbesondere steht dem Charakter als Teileinrichtung nicht entgegen, daß die Hochschule als ganze durch den Rektor geleitet wurde und die Direktoren der Sektionen in allen für ihren Verantwortungsbereich geltenden Fragen dem Rektor gegenüber rechenschaftspflichtig waren. Auch wenn der Sektion keine Personal-, Finanz- und Verwaltungshoheit und keine Außenvertretung zukam, so bestanden doch eigenständige Antrags- und Vorschlagsrechte, die eine zumindest teilweise selbständige Wahrnehmung von Organisationsangelegenheiten ermöglichten. Vor allem waren Forschung, Erziehung, Aus- und Weiterbildung den Sektionen als Dienstaufgaben verantwortlich zugewiesen. Deren rechenschaftsfreie Wahrnehmung wurde für das Vorliegen einer Teileinrichtung nach Art. 13 EV nicht vorausgesetzt. Dementsprechend hat der Senat die Sektion Philosophie der Universität L. als überführungsfähige Teileinrichtung gem. Art. 13 EV angesehen und sie mit einer Fakultät nach bundesdeutschem Muster, zumindest einem selbständig arbeitenden Hochschulinstitut verglichen (Urteil vom 4. August 1994 – 8 AZR 641/92 – n.v., zu B II 1 der Gründe; entsprechend Senatsurteile vom 15. Dezember 1994 – 8 AZR 23/93 – und – 8 AZR 51/93 –jeweils zu B III 1 der Gründe).
2. Der Beklagte hat die Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” weder durch ausdrückliche noch durch konkludente Organisationsentscheidung überführt.
a) Der Beklagte hat eine ausdrückliche Abwicklungsentscheidung getroffen, wie das Landesarbeitsgericht für den Senat bindend festgestellt hat. Die Landesregierung war nach Art. 13 Abs. 1 EV hierfür zuständig. Im Falle ihrer Unzuständigkeit oder bei völligem Fehlen einer Entscheidung wäre im übrigen ebenfalls die Abwicklung eingetreten, da diese nur durch eine positive (ausdrückliche oder konkludente) Überführungsentscheidung verhindert werden konnte. Anhaltspunkte dafür, die Abwicklungsentscheidung habe gegen Vorschriften des Einigungsvertrags verstoßen oder sei willkürlich gewesen, bestehen nicht.
b) Die Sektion „Sozialistische Betriebswirtschaft” wurde in Vollzug des Kabinettsbeschlusses vom 11. Dezember 1990 aufgelöst und abgewickelt. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ihre wesentliche Aufgabenstellung sei vollständig weggefallen, ist nicht zu beanstanden. Zwar werden offenbar Räume und ein Teil der Arbeitsmittel weiter verwendet. Entscheidend ist jedoch, daß die bisherigen Aufgaben und Strukturen nicht fortbestehen. Daher liegt eine konkludente Überführungsentscheidung nicht vor.
aa) Die wesentliche Aufgabenstellung der Sektion bestand nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts darin, die Führungs- und Leitungskader und Spezialisten für den sozialistischen Binnenhandel auf der Grundlage der marxistischleninistischen Theorie heranzubilden. Es ging insbesondere darum, „die marxistisch-leninistische Theorie des sozialistischen Binnenhandels unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen Revolution und des ökonomischen Systems des Sozialismus in der DDR zu entwickeln”, „die steigende Zahl an Hochschulkadern für den sozialistischen Binnenhandel entsprechend den prognostischen und perspektivischen Anforderungen rationell und effektiv aus- und weiterzubilden” sowie „die Führungskader des sozialistischen Binnenhandels durch Vermittlung neuer und moderner sozialistischer führungswissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden zur Beherrschung der komplexen und komplizierten Führungsaufgaben im sozialistischen Reproduktionsprozeß aus- und weiterzubilden” (§ 2 des Statuts). Im Mittelpunkt der Aus- und Weiterbildung hatte „die marxistisch-leninistische Bildung und Erziehung sowie die Vermittlung der fortgeschrittensten Erkenntnisse von der Leitung der Gesellschaft, des Staates und des Wirtschaftszweiges” zu stehen (§ 7 Abs. 1 des Statuts).
Die neuen Ausbildungsziele unterscheiden sich hiervon grundlegend. Die Leitung des Betriebs in einer sozialen Marktwirtschaft geschieht gänzlich anders als in einer sozialistischen Planwirtschaft. Schon das spricht dafür, nicht lediglich eine (teilweise) Änderung der Lehrinhalte in einer weiterhin bestehenden Einrichtung anzunehmen. Eine wissenschaftliche Einrichtung erhält nämlich das maßgebende Gepräge durch den Inhalt ihrer Forschung und Lehre. Die Sektion wurde durch die genannten Aufgaben entscheidend geprägt. Deren Wegfall läßt die Verwaltungstätigkeit insgesamt als eine andere erscheinen.
bb) Demgegenüber hat die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin die Voraussetzungen einer Überführung nicht dargelegt. Ein schlüssiger Vortrag hätte die substantiierte Darstellung der bisherigen Strukturen, Einzelaufgaben und wesentlichen sächlichen Mittel der Organisationseinheit vorausgesetzt. Darüber hinaus wären die fortgeführten Aufgaben und übernommenen Strukturen und Sachmittel anzugeben gewesen (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 1993 – 8 AZR 369/92 – n.v., zu 2 a der Gründe). Der Vortrag der Klägerin wird dem nicht gerecht.
Der Abwicklung steht insbesondere nicht entgegen, daß ein Teil der Hochschullehrer und Mitarbeiter befristet weiterbeschäftigt wurde. Der Beklagte ist damit nur seiner gesetzlichen. Verpflichtung nachgekommen, die Arbeitnehmer nach Möglichkeit wiedereinzugliedern. Die Fortführung von Aufgaben oder Übernahme von bestehenden Strukturen ist damit nicht notwendig verbunden. Der Beklagte mußte sich nicht auf die Kündigung einzelner fachlich nicht ausreichend qualifizierter, persönlich ungeeigneter oder wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbarer Arbeitnehmer beschränken. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn lediglich Teilaufgaben und einzelne Strukturen weggefallen oder verändert worden wären. Dagegen war hier die grundlegende Zielsetzung der gesamten Sektion betroffen.
Die Fortführung der Ausbildung der Studenten bei steigender Zahl von Neuimmatrikulationen besagt nichts für eine Überführung. Sie lag entweder im Rahmen der Abwicklung (vgl. Senatsurteil vom 4. August 1994, a.a.O., zu B II 2 der Gründe, m.w.N.) oder erfolgte schon innerhalb der neu gebildeten Einrichtung der Hochschule. Gegen eine Übernahme von Strukturen spricht schließlich die Veränderung des hierarchischen Prinzips der Einzelleitung und kollektiven Beratung hin zu einer an der Wissenschaftsfreiheit orientierten Einrichtung, was auch in dem zahlenmäßigen Verhältnis von Studierenden und Lehrenden zum Ausdruck kommt.
cc) Die Überführungsentscheidung betrifft die (Teil-)Einrichtung in ihrer aktuellen Gestalt. Etwaige Änderungen der Aufgabenstellung und der Organisation bis zum Beitrittszeitpunkt, insbesondere im Verlaufe des Jahres 1990, sind daher zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 27. Oktober 1994 – 8 AZR 247/93 – n.v., zu III 2 b der Gründe). Die Klägerin hat allerdings keine derart grundlegenden Änderungen vorgetragen, daß sich die Entscheidung der Landesregierung vom 11. Dezember 1990 und ihre Umsetzung in Wahrheit nur noch als Übernahme einer schon vorher errichteten neuen Einrichtung darstellen würde. Die „Entideologisierung” und inhaltliche Erweiterung der Lehre mit Hilfe westdeutscher Fakultäten ab dem Wintersemester 1989/90, die Öffnung der Einrichtung unter Bereinigung von wissenschaftsfeindlichen Positionen, rechtfertigt nicht die Annahme eines völligen Neuaufbaus in bezug auf Aufgabenstellung und Struktur. Auch die Umbenennungen, Planstudien und Beschlüsse in der Folgezeit bedeuten nicht die Verwirklichung einer grundlegenden Änderung, sondern lassen sich nur als Schritte dorthin verstehen. Die Klägerin hat auch nicht schlüssig vorgetragen, wesentliche Änderungen seien am 9. September 1990 dauerhaft verwirklicht worden. Das Landesarbeitsgericht spricht in diesem Zusammenhang zutreffend von einer lediglich umbenannten Einrichtung. Das gilt insbesondere für den Beschluß, die Sektionen aufzulösen und Fachbereiche zu bilden, wobei die Mitarbeiter übernommen und neu zugeordnet wurden, ohne daß tatsächlich neue Strukturen errichtet worden wären. Neue Studiengänge und eine andere Personalstruktur wurden erst ab 1991 geschaffen. Es ist nicht ersichtlich, die Einrichtung habe schon vorher die neuen Forschungs- und Ausbildungsziele endgültig übernommen.
3. Die Rüge der Klägerin, sie sei über die Abwicklungsentscheidung nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden, bleibt erfolglos. Die kraft Gesetzes eingetretene Abwicklung einer (Teil-)Einrichtung mit der Folge des Ruhens der Arbeitsverhältnisse bedurfte zu ihrer Wirksamkeit keiner Bekanntgabe. Doch konnte sich der neue Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Verhältnis zum einzelnen Arbeitnehmer auf das Ruhen des Arbeitsverhältnisses erst ab Bekanntgabe der gesetzlichen Ruhensfolge berufen (Senatsurteile vom 3. September 1992 – 8 AZR 45/92 – und vom 15. Oktober 1992 – 8 AZR 145/92 – AP Nr. 1 und 2 zu Art. 13 Einigungsvertrag, beide zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, jeweils zu III der Gründe). Die Bekanntgabe mußte nicht notwendig durch den für die Abwicklung zuständigen Rechtsträger erfolgen (Senatsurteile vom 26. August 1993 – 8 AZR 249/92 – und – 8 AZR 257/92 – beide n.v., zu III 4 bzw. II 4 der Gründe). Im Streitfalle genügte es jedenfalls, daß der Rektor der Hochschule im Schreiben vom 21. Dezember 1990 auf den Beschluß der Landesregierung vom 11. Dezember 1990 hinwies. Ein förmlicher Akt des Ministers war nicht erforderlich. Eine Ungewißheit über die Abwicklung konnte für die Klägerin nicht entstehen.
C. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Dr. Pühler, B. Hennecke
Fundstellen