Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Kinderpflegerin
Leitsatz (redaktionell)
Keine Höhergruppierung, weil Ausbildungsvoraussetzungen fehlen bei vergleichbarer Beschäftigung.
Normenkette
Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) § 12; Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) § Anlage 2 a VergGr. Kr 5
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 16.06.1992; Aktenzeichen 6 (8) Sa 1408/91) |
ArbG Oberhausen (Urteil vom 14.11.1991; Aktenzeichen 2 Ca 1651/91) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. Juni 1992 – 6 (8) Sa 1408/91 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin, eine examinierte Kinderpflegerin, ist seit 1981 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages auf der Neugeborenen-Station des E.-Krankenhauses der Beklagten beschäftigt. Sie ist nicht als Krankenpflegerin oder Krankenschwester ausgebildet.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Auf der Neugeborenen-Station verrichtet die Klägerin gemeinsam mit fünf weiteren Pflegepersonen den Stationsdienst im Schichtbetrieb. Allen Pflegepersonen der Neugeborenen-Station, so auch den teilweise eingesetzten examinierten Krankenschwestern, sind die gleichen Tätigkeiten übertragen, über die hinaus lediglich die Stationsschwester zusätzliche Leitungsaufgaben erfüllt. Inhalt der Tätigkeit der Klägerin ist die Grund- und Behandlungspflege neugeborener Kinder.
Im E.-Krankenhaus gibt es keine Kinderstation, die Neugeborenen-Station ist vielmehr Teil der Gynäkologie. Nur soweit nach der Auffassung des verantwortlichen Arztes das Neugeborene im E.-Krankenhaus nicht hinreichend versorgt werden kann, wird das betroffene Kind in ein anderes Krankenhaus verlegt.
Aufgrund einer rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 21. März 1990 in einer vorausgegangenen Eingruppierungsstreitigkeit zwischen den Parteien wird die Klägerin nach der Vergütungsgruppe Kr 3 der Anlage 2 a zu den AVR vergütet.
Mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht am 7. November 1990 eingereichten Klage verlangt die Klägerin Bezahlung nach der Vergütungsgruppe Kr 5 der Anlage 2 a zu den AVR auf der Grundlage der seit dem 1. August 1989 neu geltenden Richtlinien.
Sie hat die Ansicht vertreten, sie sei wegen nicht erfüllter Ausbildungsvoraussetzung bei gleicher Tätigkeit wie eine examinierte Krankenschwester nach Ziffer I c der Anlage 1 zu den AVR eine Vergütungsgruppe niedriger als die in der Neugeborenen-Station eingesetzten examinierten Krankenschwestern bei gleicher Bewährungszeit und Berufstätigkeitsdauer zu vergüten. Da eine Krankenschwester mit entsprechender Tätigkeit nach sechsjähriger Berufstätigkeit und vierjähriger Bewährung nach Vergütungsgruppe Kr 5 a vergütet werde, habe sie einen Anspruch auf die geringere Vergütung der Vergütungsgruppe Kr 5 der Anlage 2 a zu den AVR.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, sie seit dem 1. August 1989 gemäß der Vergütungsgruppe Kr 5 AVR zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat geltend gemacht, die Klägerin könne nicht besser als eine ausgebildete Krankenpflegehelferin eingruppiert werden, die allenfalls in die Vergütungsgruppe Kr 4 eingruppiert werden könne. Die Klägerin sei vielmehr als Mitarbeiterin in der Pflege ohne entsprechende Ausbildung schon in der Vergütungsgruppe Kr 3 unrichtig zu hoch eingruppiert. Zudem stehe dem Klagebegehren auch die materielle Rechtskraft des bereits im Vorprozeß ergangenen Urteils entgegen, wonach die Klägerin in die Vergütungsgruppe Kr 3 AVR eingruppiert sei.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichts. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe Kr 5 der AVR.
I.1. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, die nicht nur im öffentlichen Dienst üblich und zulässig ist (vgl. statt vieler BAG Urteil vom 20. Juni 1984 – 4 AZR 208/82 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel).
2. Die Klage ist auch nicht deshalb unzulässig, weil ihr die materielle Rechtskraft des im Vorprozeß ergangenen Urteils nach § 322 Abs. 1 ZPO entgegenstände. Im damaligen Prozeß war Streitgegenstand Zahlung einer Vergütung nach der Vergütungsgruppe Kr 3. Im jetzigen Verfahren wird darüber hinausgehend Vergütung nach Vergütungsgruppe Kr 5 verlangt. Streitgegenstand ist also gerade die Differenz der Vergütungen zwischen Kr 3 und Kr 5.
II. Die Klage ist aber nicht begründet.
1. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung die Eingruppierungsregelungen der AVR Anwendung.
a) Nach § 12 AVR richten sich die Dienstbezüge der Mitarbeiter in erster Linie nach deren Tätigkeit und Vorbildung. Die Höhe der Dienstbezüge ergibt sich aus der diesen Richtlinien beigefügten Vergütungsordnung (Anlage 1 zu den AVR).
Unter Abschnitt I der Anlage 1 zu den AVR heißt es:
- „Die Eingruppierung des Mitarbeiters ist bei seiner Einstellung nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppeneinteilung nach Anlage 2 oder 2 b zu den AVR bzw. Anlage 2 a oder 2 c zu den AVR vorzunehmen.
- Für die Eingruppierung des Mitarbeiters ist die vorgesehene Tätigkeit maßgebend. …”
Nach dem unstreitigen Sachverhalt ist die Klägerin im Krankenhaus der Beklagten in der gynäkologischen Station mit der Grund- und Behandlungspflege neugeborener Kinder wie eine Krankenschwester betraut, so daß sie eine dem Berufsbild einer examinierten Krankenschwester entsprechende Tätigkeit im Pflegedienst in einer stationären Einrichtung verrichtet.
b) Damit ist für die Eingruppierung der Klägerin die Anlage 2 a zu den AVR heranzuziehen, in der die Vergütungsgruppen für Mitarbeiter im Pflegedienst in stationären Einrichtungen geregelt sind.
Für die Klägerin kommen folgende Vergütungsgruppen in Betracht:
„Vergütungsgruppe Kr 1
Kranken- und Altenpflege
1 Mitarbeiter/-innen in der Pflege ohne entsprechende Ausbildung (z.B. Pflegehelfer/-in).
Vergütungsgruppe Kr 2
Kranken- und Altenpflege
1 Krankenpflegehelfer/-innen mit entsprechender Tätigkeit.
…
3 Mitarbeiter/-innen in der Pflege ohne entsprechende Ausbildung nach Ableistung eines qualifizierenden Kurses.
4 Mitarbeiter/-innen in der Pflege ohne entsprechende Ausbildung nach sechsjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe Kr 1 Ziffer 1.
Vergütungsgruppe Kr 3
Kranken- und Altenpflege
1 Krankenpflegehelfer/-innen mit entsprechender Tätigkeit nach zweijähriger Tätigkeit in Vergütungsgruppe Kr 2 Ziffer 1.
…
Vergütungsgruppe Kr 4
Krankenpflege
1 Krankenschwester/-pfleger mit entsprechender Tätigkeit.
2 Krankenpflegehelfer/-innen mit entsprechender Tätigkeit nach vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe Kr 3 Ziffer 1.
…
Vergütungsgruppe Kr 5
Krankenpflege
1 Krankenschwester/-pfleger mit entsprechender Tätigkeit nach zweijähriger Tätigkeit in Vergütungsgruppe Kr 4 Ziffer 1.
…
Vergütungsgruppe Kr 5a
Krankenpflege
1 Krankenschwestern/-pflegern der Vergütungsgruppe Kr 5 Ziffern 1 bis 3 nach vierjähriger Bewährung in einer dieser Ziffern, frühestens jedoch nach sechsjähriger Berufstätigkeit nach Erlangung der staatlichen Erlaubnis.
…”
Die in Bezug genommenen Anmerkungen zu den Tätigkeitsmerkmalen haben – soweit es hier interessiert – folgenden Wortlaut:
„…
7. Ein qualifizierender Kurs im Sinne dieses Tätigkeitsmerkmals liegt vor, wenn der Kurs mindestens 110 theoretische Unterrichtsstunden umfaßt (z.B. Schwesternhelferinnen-Kurs).
…”
2. Die Klägerin ist unstreitig auf der Neugeborenen-Station Mitarbeiterin in der Krankenpflege ohne eine entsprechende Ausbildung und erfüllt damit jedenfalls nicht die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe Kr 5. Denn die Klägerin ist keine Krankenschwester mit entsprechender Tätigkeit, so daß sie schon nicht in die Vergütungsgruppe Kr 4 Fallgruppe 1 und dementsprechend auch nicht in die Vergütungsgruppe Kr 5 Fallgruppe 1 eingruppiert werden kann.
Nach den Blättern für Berufskunde, Kinderpfleger(in), Bd. 2 (2 – VI A 12) der Bundesanstalt für Arbeit, Ziff. 1.2.1, arbeitet die Kinderpflegerin vielmehr als pädagogisch-pflegerische Fachkraft in öffentlichen und privaten Einrichtungen sowie in Familien zur Unterstützung von Erziehern, Sozialpädagogen, Pflegepersonal und Eltern.
Angesichts der unterschiedlichen Berufsbezeichnungen und Ausbildungswege kann schon bei einer Auslegung des Begriffs „Krankenschwester” nach dem in erster Linie zu berücksichtigenden Tarifwortlaut (vgl. hierzu BAGE 46, 308, 314 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien auch Kinderpflegerinnen hierunter fassen wollten.
3. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe Kr 5 aufgrund der Regelung in Abschnitt I c der Anlage 1 zu den AVR. Dieser hat folgenden Wortlaut:
„Wird für eine Eingruppierung eines Mitarbeiters in einer Vergütungsgruppe eine bestimmte Ausbildung vorausgesetzt und übt er die Tätigkeit dieser Vergütungsgruppe aus, ohne die Ausbildungsvoraussetzung hierfür zu erfüllen, so ist er bei der Einstellung (Abschn. I der Anlage 1 zu den AVR) bzw. bei einer Höhergruppierung (Abschn. I a der Anlage 1 zu den AVR) eine Vergütungsgruppe niedriger als im Vergütungsgruppenverzeichnis (Anlage 2 oder 2 b bzw. Anlage 2 a oder 2 c zu den AVR) vorgeschrieben, einzugruppieren, sofern im Vergütungsgruppenverzeichnis im Einzelfall nichts anderes bestimmt ist. …”
Bei Anwendung dieser Regelung kann die Klägerin ebenfalls nicht in die Vergütungsgruppe Kr 5 eingruppiert werden, denn die ausdrückliche Regelung der Vergütung für Mitarbeiter in der Pflege ohne die hierfür erforderliche Ausbildung in den Vergütungsgruppen Kr 1 und Kr 2 ist ja gerade eine solche „andere Bestimmung im Einzelfall” des Vergütungsgruppenverzeichnisses. Allein diese Auslegung wird im übrigen dem System der nach Ausbildung und Tätigkeitsdauer aufeinander aufbauenden Vergütungsgruppen i.Verb.m. § 12 AVR gerecht, wonach sich die Dienstbezüge in erster Linie neben der Art der Tätigkeit nach der Vorbildung richten.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Dr. Wißmann, Für Richter am BAG Schneider, der sich im Urlaub befindet. Schaub, Grätz, Kiefer
Fundstellen