Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung nach Einigungsvertrag
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 8, 13-14, 20; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1, Nr. 15; KSchG §§ 1, 4, 7; GG Art. 33 Abs. 2; ZPO § 138 Abs. 4, §§ 256, 259, 551 Nr. 7
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 24. November 1992 – 1 Sa 22/92 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 des Einigungsvertrages (fortan: Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
Die am 24. Juli 1946 geborene Klägerin ist Diplomlehrerin mit Qualifikation bis zur 12. Klasse für Sport und Geschichte. Sie war seit 1969 als Lehrerin an der … Schule in Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz) tätig. Seit 1970 war sie Mitglied der SED, von 1972 bis 1987 ehrenamtlicher Parteisekretär der SED an der Schule. An dieser Schule waren etwa 40 Lehrer tätig, von denen etwa 20 Mitglied der SED waren.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 18. Dezember 1991 zum 31. März 1992 unter Hinweis auf die frühere Tätigkeit der Klägerin als ehrenamtlicher Parteisekretär wegen persönlicher Nichteignung.
Mit der am 23. Dezember 1991 beim Kreisgericht Chemnitz eingegangenen Kündigungsschutzklage hat die Klägerin geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung des Personalrates unwirksam. Die Kündigung stütze sich auf Angaben in einer unzulässigerweise durchgeführten Fragebogenaktion.
Sie habe das Amt des Parteisekretärs 1972 aus idealistischen Vorstellungen übernommen. 1979 und 1982 habe sie die Aufforderung, die Bezirksparteischule zu besuchen, abgelehnt. Schon 1981/82 habe sie das Amt des Parteisekretärs niederlegen wollen. Dies sei ihr erst 1987 gelungen. Sie habe ihre Funktion als ehrenamtlicher Parteisekretär nicht ausgenutzt, um die Zielsetzungen der SED bei der Bildung und Erziehung der Kinder im Schulbereich und im Unterricht durchzusetzen. Sie habe keinesfalls stets rückhaltlos die Ziele der SED unterstützt, sondern bei Konflikten auch die Würde des anderen respektiert und sich z.B. für gläubige Schüler in Problemsituationen eingesetzt. Insbesondere habe sie es Zeugen Jehovas erspart, im Sportunterricht handgranatenähnliche Keulen zu werfen. Ab Oktober 1989 habe sie eine freiwillige Gesprächsrunde eingeführt und zusammen mit dem Jugendpfarrer 1990 in der Kreuzkirche einen Unterricht über die Entstehung des Christentums abgehalten. Sie habe die neuen Entwicklungen aufgenommen und sich aktiv damit auseinandergesetzt.
Die Klägerin hat beantragt,
- es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 18. Dezember 1991, zugestellt am 19. Dezember 1991, nicht aufgelöst wurde, sondern fortbesteht,
- das beklagte Land wird verurteilt, die Klägerin über den Ablauf der Kündigungsfrist am 31. März 1992 weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat geltend gemacht, die Klägerin sei als langjähriger ehrenamtlicher Parteisekretär persönlich für eine Weiterbeschäftigung als Lehrerin im öffentlichen Dienst nicht geeignet, weil sie den Schülern die Grundwerte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vermitteln könne. Die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Parteisekretärs sei mit Lenkungs- und Kontrollfunktionen und Berichtspflichten verbunden gewesen, die den ehrenamtlichen Parteisekretär derartig in den Aufbau der SED eingliederten, daß seine besondere Identifikation mit den Zielen des SED-Staates erhebliche Zweifel an der Eignung begründeten.
Das Kreisgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO).
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die persönliche Eignung im Sinne von Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV umfasse auch die Erwartung, daß sich ein Lehrer den Anforderungen an eine Erziehung im Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung gewachsen zeigen müsse. Dazu sei auch auf die bisherige Einstellung und Tätigkeit zurückzugreifen. Ein Lehrer, der sich in der Vergangenheit besonders mit dem SED-Staat identifiziert habe, der die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik ablehnte oder bekämpfte, wecke Zweifel, die Grundwerte dieser Verfassung glaubwürdig vermitteln zu können. Die Beurteilung der persönlichen Eignung müsse anhand einer umfassenden persönlichen Würdigung geprüft werden, so daß es jeweils auf die gesamten Umstände des Einzelfalles ankomme. Dabei sei auf die Angaben in den Fragebögen zurückzugreifen, deren Beantwortung dem Fragerecht des öffentlichen Arbeitgebers im Zusammenhang mit den besonderen Kündigungsgründen des Einigungsvertrages entspreche. Dem stehe weder das informationelle Selbstbestimmungsrecht noch das Datenschutzgesetz entgegen. Die Erhebung personenbezogener Daten sei zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung der Aufgaben der erhebenden Stellen erforderlich sei. Dies gelte auch im Arbeitsverhältnis und ergebe sich aus § 94 Abs. 1 BetrVG und den entsprechenden Vorschriften des Personalvertretungsrechts. Auskunftspflicht des Arbeitnehmers und Fragerecht des Arbeitgebers stünden in einem Verhältnis der beiderseitigen Interessenabwägung. Diese Abwägung führe im öffentlichen Dienst der neuen Bundesländer zu einem weitgehenden Fragerecht des Arbeitgebers und einer entsprechenden Auskunftspflicht des Arbeitnehmers. Da Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 des Einigungsvertrages eine Sonderregelung für die Bereinigung des öffentlichen Dienstes darstelle, sei es notwendig, alle dafür erforderlichen Daten zu erheben. Dies gelte auch für die Tätigkeiten, die nach Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV auf eine mangelnde persönliche Eignung schließen lassen könnten. Die dazu erheblichen Fragen könnten zulässigerweise gestellt und müßten wahrheitsgemäß beantwortet werden.
Die Klägerin sei von 1972 bis 1987, also über eine sehr lange Zeitdauer, ehrenamtlicher Parteisekretär der SED an ihrer Schule gewesen. Dadurch habe sie Zweifel an ihrer persönlichen Eignung erweckt. Der Beklagte habe seiner Darlegungspflicht zum Kündigungsgrund nach Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV genügt, indem er die lange Amtstätigkeit der Klägerin und die Aufgaben sowie Befugnisse eines ehrenamtlichen Parteisekretärs an einer Schule geschildert habe. Es spreche alles dafür, daß sich die Klägerin in besonderem Maße mit dem SED-Staat identifiziert und ihn auch besonders unterstützt habe. Anderenfalls hätte sie so lange dieses Amt in einem totalitären Staat nicht unbeanstandet führen können. Es sei deshalb Sache der Klägerin darzulegen, daß dieser Eindruck falsch sei und jedenfalls spätere Ereignisse zu einem gegenteiligen Schluß führten. Dies sei der Klägerin in ausreichendem Maße gelungen. Die Vernehmung der Zeugen habe zwar noch nicht ergeben, daß die Klägerin sich nicht mit dem SED-Staat identifizierte und trotz ihrer Arbeit als Parteisekretär als Lehrerin schon als geeignet angesehen werden müsse. Vielmehr habe es sich um Gefälligkeitsaussagen gehandelt, die in Form von nach dem Weltkrieg üblichen „Persilscheinen” Günstiges herausstrichen und den pädagogischen Einsatz der Klägerin bezeugten. Ähnliches gelte für die schriftlich eingereichten positiven Aussagen und die Tatsache, daß die Klägerin die Initiative für einen Unterricht über die Entstehung des Christentums in der Kreuzkirche übernommen habe. Dies seien Erkenntnisse nach der Wende und sagten nichts Entscheidendes über den Einsatz der Klägerin für die SED und den totalitären Staat aus. Sie könnten allenfalls mitberücksichtigt werden. Entscheidend sei vielmehr die vom Beklagten nur mit Nichtwissen bestrittene Tatsache, daß es die Klägerin abgelehnt habe, zur Bezirksparteischule zu gehen, sich lange Jahre bemüht habe, das Amt des Parteisekretärs abzugeben und ihr das auch 1987, also lange vor der Wende, gelungen sei. Ihre diesbezüglichen Erklärungen seien glaubhaft, denn sie habe zugleich erklärt, daß sie ihre Ernennung zum Parteisekretär im Jahre 1972 als Auszeichnung empfunden habe, daß sie diesem Staat dienen und sich für ihn einsetzen wollte, dann aber doch die Unzulänglichkeiten erkannt habe, die Unvereinbarkeit mit einer ordnungsgemäßen pädagogischen Erziehung festgestellt und immer wieder versucht habe, das Amt abzugeben. Der Beklagte hätte demgegenüber vortragen müssen, daß die Klägerin trotzdem bis zuletzt sich für den SED-Staat engagierte. Deshalb könne davon ausgegangen werden, daß die Klägerin auch in Zukunft als Lehrerin geeignet sein werde.
B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern.
I. Die Klägerin hat in der Revisionsverhandlung klargestellt, daß der Feststellungsantrag allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG umfaßt. Auf das Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für einen weitergehenden Antrag kommt es daher nicht an.
II. Nach Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht.
1. Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränitat, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BVerfGE 2, 1 – Leitsatz 2 –).
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfG Beschluß vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG; BAG Urteil vom 18. März 1993 – 8 AZR 356/92 – zur Veröffentlichung bestimmt, unter B III 1, 2 der Gründe).
Der Regelung in Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt zugrunde, daß Arbeitnehmer von einem früheren Arbeitgeber eingestellt worden sind, mit denen der jetzige Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er an ihrer persönlichen Eignung berechtigte Zweifel gehabt hätte. Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt daher – auch – eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Die Regelung in Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber im übergeordneten staatlichen Interesse nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers in jedem Falle zunächst zu erproben (BAG Urteil vom 18. März 1993, a.a.O.). Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen (vgl. zum Beurteilungsspielraum BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 7 AZR 456/82 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a aa der Gründe; BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – zur Veröffentlichung bestimmt, zu III der Gründe; BVerwG Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 – AP Nr. 10 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen; BVerwG Urteil vom 28. November 1980 – 2 C 24.78 – AP Nr. 12 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Entlassung eines Beamten auf Probe), denn durch eine auf Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen. Darum geht es im Streitfalle jedoch nicht.
Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften.
Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Anwendung von Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. II 1961, 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründeten Zweifel, ob er zukünftig für die freiheitliche demokratische Grundordnung und damit aus der Sicht der ehemaligen DDR für eine revanchistische und imperialistische verfassungsmäßige Ordnung eintreten wird. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht das mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltende Übereinkommen Nr. 111 verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 13. Oktober 1988 – 6 AZR 144/85 – AP Nr. 4 zu § 611 BGB Abmahnung).
2. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die ca. 15 Jahre währende Tätigkeit der Klägerin als ehrenamtlicher Parteisekretär an einer Oberschule Zweifel im vorstehend dargestellten Sinne begründet. Der Parteiapparat unterhalb der Ebene der SED-Kreisleitung umfaßte auch die ehrenamtlichen Parteisekretäre an Schulen. Sie waren immer Mitglied der Schulleitung, hatten Mitspracherecht bei jeder politischen Entscheidung des Direktors und bei Auszeichnungen und Beförderungen. Der Parteisekretär kontrollierte und überwachte den Direktor hinsichtlich der Durchsetzung der vorgegebenen politischen Ziele. Er leitete die Parteiversammlung. Er war verantwortlich für die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer. Er hatte über das politische Klima der Schule an die SED-Kreisleitung zu berichten. Er war damit Repräsentant der staatstragenden Partei SED in der Schule. Wurde dieses wichtige Amt wiederholt ausgeübt, ist die besondere Identifikation des ehrenamtlichen Parteisekretärs mit den Zielen des SED-Staates indiziert.
Das Berufungsgericht hat weiter in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, daß die Klägerin diese Indizwirkung nicht durch die Aussagen der im Berufungsrechtszuge vernommenen Zeugen erschüttert habe. Vielmehr hat das Berufungsgericht diese Zeugenaussagen „als Gefälligkeitsaussagen ähnlich historisch bekannter Persilscheine” gewürdigt. In gleicher Weise hat es die von der Klägerin eingereichten Schreiben von ehemaligen Schülern und Eltern gewertet. Es hat allerdings zwei vom Beklagten mit Nichtwissen bestrittene Behauptungen der Klägerin als unstreitig behandelt und hierauf, wie es selbst ausführt, „entscheidend” abgestellt. Zum einen hatte die Klägerin vorgetragen, sie habe es abgelehnt, zur Bezirksparteischule zu gehen, zum anderen habe sie sich lange Jahre bemüht, das Amt des Parteisekretärs abzugeben. Damit hat das Landesarbeitsgericht gegen § 138 Abs. 4 ZPO verstoßen. Danach ist eine Erklärung mit Nichtwissen über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Sowohl der Sachvortrag der Klägerin zu ihrem Bemühen, das Amt des ehrenamtlichen Parteisekretärs abzugeben, als auch ihr Sachvortrag zu ihrer Weigerung, die Bezirksparteischule zu besuchen, betrafen weder eigene Handlungen des Beklagten noch waren sie Gegenstand seiner Wahrnehmung. Der Beklagte konnte sich deshalb auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränken. Das Berufungsgericht hätte die entsprechenden Tatsachen nur bei Nachholung der für eine Beweisaufnahme notwendigen Konkretisierung aufgrund der dann zu erhebenden Beweise feststellen dürfen.
Die Revision rügt diesbezüglich mit Recht, daß der vom Landesarbeitsgericht als unstreitig behandelte Sachvortrag der Klägerin unsubstantiiert sei, weil er keine konkreten, nachvollziehbaren und nachprüfbaren Tatsachenbehauptungen enthalte. Dieser pauschale Sachvortrag sei nicht geeignet, die aus der langjährigen Tätigkeit als Schulparteisekretär begründeten Bedenken an der persönlichen Eignung der Klägerin auszuräumen. Es sei nicht festgestellt worden, wann und wodurch sich die Klägerin bemüht haben soll, aus der Funktion des Schulparteisekretärs entlassen zu werden. Es sei zudem nicht vorgetragen worden, aus welchen Gründen dieses Bemühen erfolgt sein sollte. Zudem stehe die Feststellung im Urteil des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin habe sich schon 1981/82 bemüht, das Amt des Parteisekretärs niederzulegen, im Gegensatz zu dem Sachvortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 21. Mai 1992. Dort heiße es, sie habe schon im Jahre 1983 den Willen bekundet, aus dem Amt auszuscheiden. Darüber hinaus habe die Klägerin keine konkreten nachvollziehbaren Tatsachen vorgetragen, ob, wann, wer wegen des Besuchs der Bezirksparteischule an die Klägerin herangetreten sei und wie sie wem gegenüber wann mit welcher Begründung den Besuch der Bezirksparteischule abgelehnt haben will.
Das Urteil des Berufungsgerichts ist deshalb aufzuheben. Der Senat ist zu einer eigenständigen Einzelfallprüfung wegen der notwendigen Sachverhaltsfeststellung nicht in der Lage. Die Sache ist dementsprechend zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
III. Soweit die Klägerin meint, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Die dahingehenden Ausführungen des Berufungsgerichts sind ohne Rechtsfehler.
1. Nach § 79 Abs. 1 des Personalvertretungsgesetzes der DDR vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 1014) – PersVG-DDR, der nahezu wörtlich übereinstimmt mit § 79 Abs. 1 BPersVG, ist der Personalrat vor ordentlichen Kündigungen zu hören. Nach § 79 Abs. 4 beider Vorschriften ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist.
Kündigungsberechtigt war das Oberschulamt Chemnitz. Die Oberschule war nicht zur Kündigung berechtigt. Nach § 82 Abs. 1 PersVG-DDR/BPersVG wäre die Stufenvertretung zu beteiligen gewesen. Eine solche bestand bei der Schulaufsichtsbehörde nicht,
2. Eine andere Vertretung war nach § 82 Abs. 6, § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR nicht zu beteiligen.
3. Es kann hierbei dahingestellt bleiben, ob diese Vorschriften auf die vorliegende Kündigung überhaupt noch anzuwenden waren oder ob nicht bereits ausschließlich das Bundespersonalvertretungsgesetz galt, das eine entsprechende Regelung nicht enthält.
Nach Art. 8 EV trat mit dem Wirksamwerden des Beitritts im Beitrittsgebiet Bundesrecht in Kraft, soweit es nicht in seinem Geltungsbereich auf bestimmte Länder oder Landesteile der Bundesrepublik Deutschland beschränkt ist und soweit durch diesen Vertrag, insbesondere dessen Anlage I, nichts anderes bestimmt ist.
Nach der Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 15 trat das Bundespersonalvertretungsgesetz vom 15. März 1974 (BGBl. I S. 693) einschließlich der späteren Änderungen mit den Maßgaben in Kraft, daß – so Buchstabe a) – in Angelegenheiten der nach dem Gesetz zur sinngemäßen Anwendung des Bundespersonalvertretungsgesetzes (BPersVG) – Personalvertretungsgesetz – der Deutschen Demokratischen Republik vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 1014) gebildeten oder noch zu bildenden Personalvertretungen und Organe, die bei weiterbestehenden Dienststellen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 und 2 und des Art. 14 EV im Amt blieben, dessen Bestimmungen weiterhin, längstens bis zum 31. Mai 1993, entsprechende Anwendung finden, soweit sie nicht außer Kraft gesetzt oder obsolet werden.
Auch bei Annahme der Weitergeltung der §§ 82, 116 b PersVG-DDR ergab sich nicht die Notwendigkeit, einen anderen Personalrat anzuhören. Die Regelung des § 82 Abs. 1 und Abs. 5 PersVG-DDR ist zwingend. Ist bei der für die Entscheidung zuständigen Dienststelle eine Stufenvertretung nicht gebildet worden, ergibt sich daraus entgegen der Ansicht der Revision nicht eine Beteiligungszuständigkeit des Personalrates der nachgeordneten, nicht entscheidungsbefugten Dienststelle (vgl. Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, Stand November 1993, § 82 Rz 18 und 48; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 82 Rz 6 und 22; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG mit WO, 7. Aufl., § 82 Rz 27). Auch im Einverständnis der Beteiligten kann von der Zuständigkeitsregelung des § 82 Abs. 1 und 5 PersVG-DDR nicht abgewichen werden, so daß aus einer etwaigen Zusage, eine nicht zuständige Personalvertretung zu hören, eine Zuständigkeit nicht begründet werden kann.
Eine Zuständigkeit des Kreisschulpersonalrates oder des Schulpersonalrates ergibt sich auch nicht aus § 82 Abs. 6 PersVG-DDR bzw. aus § 116 b Abs. 2 Nr. 5 Satz 4 PersVG-DDR. Beide Vorschriften begründen keine neue sachliche Zuständigkeit für eine Personalvertretung.
§ 82 Abs. 6 PersVG-DDR betrifft, wie sich aus den dort aufgeführten Fällen des § 69 Abs. 3 und 4 sowie der §§ 70, 71, 72 Abs. 4 ergibt, die Beteiligung der Stufenvertretung im „Instanzenzug”. Wesentlich ist in diesen Fällen, daß die personalvertretungsrechtliche Zuständigkeit beim jeweils zuständigen örtlichen Personalrat liegt und die Stufenvertretungen erst in Aktion treten, nachdem die erste örtliche Ebene ausgeschöpft ist.
Ist im Falle des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR und der dort aufgeführten Fälle ein Hauptpersonalrat noch nicht gebildet und kann daher im mehrstufigen Beteiligungsverfahren nicht mitwirken, soll nach § 82 Abs. 6 PersVG-DDR die im Instanzenzug in einer vorangegangenen Stufe bereits beteiligte Personalvertretung oder, falls auch diese nicht vorhanden ist, die bereits beteiligte und zuständige Personalvertretung an seine Stelle treten, um sich nochmals an der zu treffenden Maßnahme zu beteiligen.
Der Sinn des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR liegt darin, ein mehrstufiges Verfahren auch dann zu gewährleisten, wenn ein Hauptpersonalrat nicht besteht. Eine neue sachliche Zuständigkeit für eine Personalvertretung soll durch § 82 Abs. 6 PersVG-DDR gerade nicht begründet werden.
Dieselben Überlegungen gelten auch für § 116 b Abs. 2 Nr. 5 Satz 4 PersVG-DDR. Er will die in § 82 Abs. 6 PersVG-DDR getroffene Regelung nicht inhaltlich erweitern. Eine analoge Anwendung des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR hätte das Vorhandensein einer ursprünglichen personalvertretungsrechtlichen Zuständigkeit des Kreispersonalrates und/oder Schulpersonalrates zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers vorausgesetzt. Auch § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR will nur den „Instanzenzug” sichern unter der Voraussetzung, daß ein personalvertretungsrechtlicher erstzuständiger Personalrat vorhanden ist.
Die Unwirksamkeit der Kündigung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß das Sächsische Staatsministerium für Kultus die Einleitung der Wahl eines Hauptpersonalrates bzw. Bezirkspersonalrates in rechtswidriger Weise unterlassen haben soll. Eine Rechtsvorschrift, aus der eine solche Folge hergeleitet werden könnte, existiert nicht und kann auch nicht aus der Denkschrift zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 entnommen werden. Dem dort geäußerten Anliegen hat das PersVG-DDR bereits Rechnung getragen.
C. Das Kreisgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt, die Klägerin über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiterzubeschäftigen. Die Entscheidungsgründe des Urteils erster Instanz erwähnen diesen Teil der Entscheidung nicht. Dem Tenor kann weder eine Befristung der Weiterbeschäftigung noch ein Hinweis auf ihre Vorläufigkeit entnommen werden (vgl. § 259 ZPO). Ebenso fehlt jede Konkretisierung der Weiterbeschäftigung nach Ort und Art. Die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils gehen auf den Streitgegenstand „Weiterbeschäftigung über den 31. März 1992 hinaus” nicht ein. Der somit gegebene absolute Revisionsgrund nach § 551 Nr. 7 ZPO (Fehlen von Entscheidungsgründen) ist vom Beklagten zwar nicht gerügt worden, doch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts über die Berechtigung des Rechtsmittels hinsichtlich dieses Streitgegenstandes nicht möglich, weil die Gründe, die zur Verurteilung des Beklagten geführt haben, nicht ersichtlich sind. Die Sache ist deshalb auch insoweit auf die Revision des Beklagten aufzuheben und zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Dr. Ascheid Dr. Müller-Glöge, Dr. Mikosch, Schmidt, Dr. Pühler
Fundstellen