Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 20 Abs. 1; Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1; Personalvertretungsgesetz der DDR §§ 79, 82, 116b; BPersVG §§ 79, 82; GG Art. 33 Abs. 2, 5; Bundes-Angestelltentarifvertrag-Ost § 53 Abs. 2; Bundes-Angestelltentarifvertrag-Ost § 53 Abs. 3; KSchG §§ 4, 7
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 28.10.1992; Aktenzeichen 3 Sa 130/92 L) |
KreisG Leipzig-Stadt (Urteil vom 08.05.1992; Aktenzeichen 20 Ca 246/91) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 28. Oktober 1992 – 3 Sa 130/92 L – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte unter Berufung auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) ausgesprochen hat.
Die Klägerin schloß im Jahre 1959 eine Ausbildung zur Erzieherin und Unterstufenlehrerin ab und besitzt seit 1976 auch die Qualifikation einer Sonderschulpädagogin. Seit dem 1. August 1959 war sie an Sonderschulen beschäftigt, seit 1970 an der „P. schule” für Lernbehinderte in L.
Von 1970 bis 1973 und von 1976 bis 1988 arbeitete die Klägerin als Freundschaftspionierleiterin mit einer Unterrichtsverpflichtung von 6 Wochenstunden. Seit 1976 war sie Mitglied der SED. Von 1983 bis 1989 übte sie die Funktion einer ehrenamtlichen Parteisekretärin der Grundorganisation der SED an ihrer Schule aus, 1985/86 besuchte sie die Bezirksparteischule der SED. In den Jahren 1986 bis 1989 war sie stellvertretende Direktorin ihrer Schule, in der Zeit vom 29. September 1989 bis 28. Januar 1990 amtierte sie als Direktorin.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 18. Dezember 1991 zum 31. März 1992 wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin.
Mit ihrer am 20. Dezember 1991 beim Kreisgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage hat die Klägerin geltend gemacht, sie sei nicht persönlich ungeeignet. Sie habe nach der Wende völlig unbeanstandet unterrichtet. Auch aus der Zeit davor gebe es keine konkreten Verhaltensverstöße. Es fehle somit an Anhaltspunkten für ein zukünftiges pflichtwidriges Verhalten. Eine einzelfallbezogene Prüfung sei nicht erfolgt. Zu den Aufgaben des ehrenamtlichen Parteisekretärs habe es gehört, die monatlichen Mitgliederversammlungen der Grundorganisation vorzubereiten, die Beiträge der SED-Mitglieder an der Schule zu kassieren und die „Monatsberichte” über die geleistete Parteiarbeit für die SED-Kreisleitung abzufassen. In diesen Berichten seien keine Namen genannt worden. Ferner habe der Parteisekretär an der Leitungsberatung des Direktors teilgenommen. Die politische Arbeit habe eine untergeordnete Rolle gespielt. In den Parteiversammlungen sei es vorwiegend darum gegangen, was für die Kinder zu tun sei. In den Monatsberichten an die Partei sei über Veranstaltungen, Parteileitungssitzungen und Mitgliederversammlungen stichpunktartig zu berichten gewesen.
Die Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin müsse unberücksichtigt bleiben. Sie, die Klägerin, sei vor allem mit den besonders Lernschwachen befaßt gewesen und habe sich stets für die ihr anvertrauten geistig behinderten Kinder intensiv eingesetzt. Sie habe die inkriminierten Funktionen insbesondere übernommen, um organisatorische Freiräume und materielle Mittel zu erhalten, durch welche die Arbeit mit den Kindern verbessert und erleichtert werden könnte. Sie habe sich als Sonderschulpädagogin fachlich und moralisch hohe Anerkennung erworben. Diese schlage sich u.a. in der Beurteilung durch den Schulleiter sowie in der Unterstützung durch Elternvertretung und Personalrat nieder. Beurteilungen von Kollegen habe ausschließlich die seinerzeitige Direktorin ohne ihre Mitwirkung angefertigt. Nach einem tiefen inneren Wandlungsprozeß bekenne sie sich zur Verfassung der Bundesrepublik Deutschland.
Im übrigen sei die Kündigung auch deswegen unwirksam, weil der Beklagte den Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt habe. Bis zur Bildung von Stufenvertretungen seien die bestehenden Personalräte – Schul- und Kreisschulpersonalräte – zu beteiligen gewesen. Der Beklagte habe die Erfüllung seiner Verpflichtung, die Wahl des Bezirks- und Hauptpersonalrates bis Mitte Januar 1992 zu ermöglichen, versäumt. Schließlich sei die Kündigungsfrist in § 9 der weitergeltenden Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 29. November 1979 nicht gewahrt.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 18. Dezember 1991 nicht beendet worden sei, sondern unverändert fortbestehe,
- im Falle des Obsiegens zu 1. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin über den 31. März 1992 hinaus bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsfeststellungsantrag zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Lehrerin weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, die Klägerin sei für eine Tätigkeit als Lehrerin persönlich nicht geeignet im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV. Als Parteisekretärin sei die Klägerin damit betraut gewesen, die Ziele der SED im schulischen Bereich durchzusetzen. Auch an den Hilfsschulen sei es darum gegangen, den Schülern die Politik der SED nahezubringen und Begeisterung für das System zu wecken. Der Parteisekretär habe den Direktor kontrolliert und überwacht, daß dieser die von der Partei vorgegebenen politischen Ziele realisiere. Er habe kraft Amtes auf den Direktor Druck ausüben müssen. Bei jeder politischen Entscheidung des Direktors habe er ein Mitspracherecht gehabt und sei vor allem für die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer verantwortlich gewesen. Unabdingbare Voraussetzung für die Übertragung des Amtes des Parteisekretärs sei ein hohes Maß an Identifikation mit den Zielen der SED sowie deren besondere Unterstützung gewesen. In ihrer Funktion sei die Klägerin eingebunden gewesen in das System der Staatsüberwachung der DDR.
Die mangelnde persönliche Eignung der Klägerin ergebe sich auch aus ihrer Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin und aus ihrem Besuch der Bezirksparteischule. Die Tätigkeiten als stellvertretende Direktorin und als amtierende Direktorin machten deutlich, daß die Klägerin aufgrund ihrer parteiinternen Bewährung von der SED-Parteispitze als tauglich für gehobene Positionen im SED-Überwachungssystem eingeschätzt worden sei. Insbesondere Direktoren seien verpflichtet gewesen, Mitarbeitern des MfS jederzeit für Auskünfte zur Verfügung zu stehen. Es hätten auch sogenannte „außergewöhnliche Vorkommnisse” an den Schulen gemeldet werden müssen. Eine der ehemaligen Kolleginnen der Klägerin habe sich dahin geäußert, daß diese an allen repressiven Maßnahmen beteiligt gewesen sei.
Das Kreisgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte das Ziel der Klagabweisung weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§ 565 Abs. 1 ZPO).
A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Kündigung nach Abs. 4 EV seien nicht erfüllt. Der Vortrag des Beklagten lasse nicht erkennen, daß die Klägerin wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen an einen Lehrer einer Sonderschule nicht entspreche. Ein Lehrer habe, geleitet von humanistischen Bildungszielen, dazu beizutragen, daß sich die Schüler zu mündigen, kritischen Staatsbürgern entwickelten. Er müsse sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und den Schülern die Grundwerte der bundesdeutschen und der Sächsischen Verfassung glaubwürdig vermitteln. Ein Verhalten des Lehrers in der Vergangenheit könne geeignet sein, Zweifel zu begründen, ob er zukünftig diese Anforderungen erfüllen werde. Derartige Zweifel ergäben sich erst dann, wenn dem Lehrer eine Teilnahme an konkreten repressiven Maßnahmen vorgeworfen werden könne oder wenn er solche (Staats- oder Partei-)Funktionen innegehabt habe, die auf eine aktive Beteiligung am repressiven System des SED-Regimes schließen ließen. Auch in diesen Fällen könnten allerdings Einzelumstände, charakterliche Merkmale, Verhalten des Lehrers seit der Wende in die Bewertung einfließen.
Der Parteisekretär sei für die Erfüllung der Aufgaben der Grundorganisation der Partei verantwortlich gewesen. Er habe als Repräsentant der Partei auf unterster Ebene gegolten, also das Vertrauen der Partei genießen müssen. Ob er selbst in jedem Falle begeisterter Anhänger der Ziele der SED gewesen sei, möge dahinstehen. Die Klägerin behaupte nicht, die Funktion des Parteisekretärs nur widerwillig übernommen zu haben. Durch die Abgabe der Monatsberichte habe die Kreisleitung der SED in die Lage versetzt werden sollen, rechtzeitig über mißliebige, von ihr als gefährlich angesehene („staatsfeindliche”) Strömungen informiert zu sein, um ggf. Maßnahmen treffen zu können. Die Kontrolle des „Klimas” in einem Betrieb oder einer Einrichtung habe für die Partei unterschiedliches Gewicht besessen. Sonderschulen hätten nicht zu den von der Partei im besonderen Maße kontrollierten Einrichtungen gehört. Demzufolge sei auch die Bedeutung des dortigen Parteisekretärs geringer gewesen. Einige Aufgaben, wie z.B. die Rekrutierung des Offiziersnachwuchses, seien an Sonderschulen gänzlich weggefallen oder in ihrer Bedeutung zurückgetreten. Darüber hinaus dürfe die Funktion des Parteisekretärs auch allgemein nicht überschätzt werden. Diese sei im Statut der SED nicht einmal genannt. Hier sei lediglich von den Aufgaben der Grundorganisation als Kollektiv die Rede. So hätten sich viele Parteisekretäre, wie auch die Klägerin, eher als zuständig für die Organisation der Parteigliederung an der Schule verstanden.
Wie viele andere sei auch der Parteisekretär an einer Sonderschule eine Stütze des SED-Regimes gewesen, wenn auch auf unterer Ebene. Die Klägerin habe jedoch glaubwürdig bekundet, sie habe die Tätigkeit als Parteisekretärin benutzen wollen, um für die ihr anvertrauten Kinder etwas herauszuholen. Sie sei also der Meinung gewesen, als Parteisekretärin könne sie mehr Einfluß auf die Partei gewinnen, um der Schule und den Kindern zu nutzen.
Dies sei insbesondere deshalb glaubhaft, weil die Klägerin allseits als qualifizierte Sonderschulpädagogin geschätzt werde. Es gebe keine Anzeichen dafür, die Klägerin habe ihr Amt als Parteisekretärin zum Nachteil von Kollegen, Eltern oder Kindern ausgeübt. Dies sei der Klägerin auch nicht konkret vorgeworfen worden.
Die Klägerin sei auch nicht aufgrund ihres Einsatzes als stellvertretende Direktorin und als Direktorin für den Lehrerberuf persönlich ungeeignet. Das Amt eines stellvertretenden Direktors habe die Zuständigkeit für die außerunterrichtliche Betreuung der Schüler beinhaltet. Die politischen Elemente dieser Betreuung seien an einer Sonderschule naturgemäß weniger bedeutsam gewesen als an einer Oberschule. Repressive Maßnahmen, Maßregelungen, Indoktrinationen, die über das Maß des im Lehrerbereich Üblichen hinausgingen, seien der Klägerin nicht vorgeworfen worden. Die Organisation der Rituale des realen Sozialismus und die Abgabe der dabei üblichen Lippenbekenntnisse (etwa bei den Fahnenappellen) könnten nicht den Ausschlag geben.
B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten nicht in allen Punkten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
I. Der Feststellungsantrag der Klägerin umfaßt allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG. Er führt – wie von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin generell klargestellt – keinen weitergehenden Streitgegenstand in den Prozeß ein. Auf ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO kommt es daher nicht an.
II. Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts die in der Anlage I zum EV vereinbarten Regelungen. Die Klägerin unterrichtete zum Zeitpunkt des Beitritts an einer öffentlichen Schule, gehörte daher dem öffentlichen Dienst an.
III. Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht.
1. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 18. März 1993 und 4. November 1993 (– 8 AZR 356/92 – und – 8 AZR 127/93 –, jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen) die Wirksamkeit der Kündigung nach einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung beurteilt und hierzu im einzelnen folgende Grundsätze entwickelt:
a) Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BVerfGE 2, 1 – Leitsatz 2 –).
b) Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfG Beschluß vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG).
c) Der Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt zugrunde, daß Arbeitnehmer von einem früheren Arbeitgeber eingestellt worden sind, mit denen der jetzige Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er an ihrer persönlichen Eignung berechtigte Zweifel gehabt hätte. Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt daher – auch – eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Deshalb zwingt die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen (vgl. zum Beurteilungsspielraum BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 7 AZR 456/82 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a, aa der Gründe; BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu III der Gründe; BVerwG Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 – AP Nr. 10 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen; BVerwG Urteil vom 28. November 1980 – 2 C 24.78 – AP Nr. 12 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Entlassung eines Beamten auf Probe); denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
d) Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Anwendung von Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II, S. 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründeten Zweifel, ob er zukünftig für die freiheitliche demokratische Grundordnung und damit aus der Sicht der ehemaligen DDR für eine revanchistische und imperialistische verfassungsmäßige Ordnung eintreten wird. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht das mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltende Übereinkommen Nr. 111 verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 13. Oktober 1988 – 6 AZR 144/85 – AP Nr. 4 zu § 611 BGB Abmahnung).
3. Das Landesarbeitsgericht hat die dargestellten Maßstäbe nicht durchgehend zugrundegelegt.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zunächst zu Unrecht angenommen, der Vortrag des Beklagten lasse eine mangelnde persönliche Eignung der Klägerin nicht erkennen. Damit wird verkannt, daß die wiederholte Ausübung des Amtes eines Parteisekretärs den Eignungsmangel indiziert (Senatsurteil vom 16. Dezember 1993 – 8 AZR 15/93 – n.v., zu B II 2 der Gründe). Der Parteiapparat unterhalb der Ebene der SED-Kreisleitung umfaßte auch die ehrenamtlichen Parteisekretäre an Schulen. Sie waren immer Mitglied der Schulleitung, hatten Mitspracherecht bei jeder politischen Entscheidung des Direktors und bei Auszeichnungen und Beförderungen. Der Parteisekretär kontrollierte und überwachte den Direktor hinsichtlich der Durchsetzung der vorgegebenen politischen Ziele. Er leitete die Parteiversammlung und war verantwortlich für die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer. Er hatte über das politische Klima der Schule an die SED-Kreisleitung zu berichten. Damit war er Repräsentant der staatstragenden Partei SED in der Schule. Insoweit gilt für Sonderschulen nichts anderes als für die anderen Schulen.
Wenn das Landesarbeitsgericht eine Teilnahme an konkreten repressiven Maßnahmen oder die Innehabung solcher Funktionen verlangt, die auf eine aktive Beteiligung am repressiven System schließen lassen, verläßt es den oben zu B III 1 d entwickelten Maßstab. Zumindest wird nicht erkennbar, wie die Funktion des Parteisekretärs grundsätzlich eingeschätzt wird, nämlich ob bei ihm auf eine aktive Beteiligung am repressiven System geschlossen werden kann.
b) Damit kann die Einzelfallprüfung des Landesarbeitsgerichts insgesamt keinen Bestand haben. Das Landesarbeitsgericht nimmt zwar eine Einzelfallprüfung vor, berücksichtigt aber nicht genügend die besondere Identifikation mit dem SED-Staat durch längerfristige Wahrnehmung der Funktion als Parteisekretär. Dabei ist die unterschiedliche Bedeutung der politischen Kontrolle durch die Parteisekretäre in den verschiedenen Einrichtungen durchaus zu beachten. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß den Sonderschulen hier eine geringere Bedeutung zukam. Die politische Erziehung der Kinder und Jugendlichen trat gegenüber der Kontrolle und Beeinflussung der Lehrer je nach der Art der Sonderschule mehr oder weniger stark zurück. Andererseits ist die Erwägung des Landesarbeitsgerichts nicht nachvollziehbar, die Klägerin habe durch die Tätigkeit als Parteisekretärin etwas für die ihr anvertrauten Kinder herausholen wollen. Ohne den genauen Vortrag, was die Klägerin hier auf welche Art und Weise bewirken wollte und was sie tatsächlich erreicht oder nicht erreicht hat, kann sie sich nicht entlasten; denn sie war nicht nur kurze Zeit, sondern von 1983 bis 1989 Parteisekretärin.
4. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist daher aufzuheben. Der Senat kann nicht selbst abschließend entscheiden.
Das Landesarbeitsgericht wird die persönliche Eignung der Klägerin erneut prüfen müssen. Es wird bei dem gegebenen Sachverhalt davon auszugehen haben, daß die besondere Identifikation der Klägerin mit den Zielen des SED-Staates indiziert ist. Das folgt bereits aus ihrer wiederholten Amtsausübung als Parteisekretärin bis zum Jahre 1989. Hinzu kommen ihre Tätigkeit als stellvertretende und amtierende Direktorin, der Besuch der Bezirksparteischule und die langjährige Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin, die allein Anlaß zu einer kritischen Prüfung der persönlichen Eignung gibt (vgl. Senatsurteile vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 613/92 – und – 8 AZR 24/93 –, n.v., zu B II 3 bzw. B III 2 c der Gründe). Die Parteien können im erneuten Berufungsverfahren wieder unbeschränkt Sachvortrag leisten. Der Klägerin wird Gelegenheit zu geben sein, ihre subjektiven Ziele bei der Übernahme des Parteiamtes und insbesondere auch bei dessen Verlängerungen näher darzulegen. Es wird zu berücksichtigen sein, daß eine geringere Bedeutung der politischen Kontrolle bei Sonderschulen für sich allein die Indizwirkung der Funktionsausübung nicht generell erschüttert; denn auch der Parteisekretär an einer Sonderschule repräsentierte den SED-Staat nach außen mit den entsprechenden Merkmalen dieses Amtes. Gleichwohl wird die Klägerin Gelegenheit haben, Besonderheiten der Sonderschule, insbesondere ihrer „P. schule” aufzuzeigen, die ihre Mitwirkung an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED als gering erscheinen lassen. Andererseits stellt es keinen entlastenden Umstand dar, wenn der Klägerin nicht konkret vorgeworfen wird, sie habe ihr Amt zum Nachteil von Kollegen, Eltern oder Kindern ausgeübt, sofern bereits die Funktionsausübung eine Nichteignung indiziert.
IV. Soweit die Klägerin meint, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil der Personalrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei, kann ihr nicht gefolgt werden.
1. Nach § 79 Abs. 1 des Personalvertretungsgesetzes der DDR vom 22. Juli 1990 (GBl. I S. 1014) – PersVG-DDR –, der nahezu wörtlich mit § 79 Abs. 1 BPersVG übereinstimmt, ist der Personalrat vor ordentlichen Kündigungen zu hören. Nach § 79 Abs. 4 beider Gesetze ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Kündigungsberechtigt war das Oberschulamt L. Die Schule, an der die Klägerin zuletzt beschäftigt wurde, war nicht zur Kündigung berechtigt. Nach § 82 Abs. 1 PersVG-DDR/BPersVG wäre die Stufenvertretung zu beteiligen gewesen. Eine solche bestand bei der Schulaufsichtsbehörde nicht.
2. Eine andere Vertretung war nach § 82 Abs. 6, § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR nicht zu beteiligen.
a) Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschriften auf die vorliegende Kündigung überhaupt noch anzuwenden waren oder ob nicht bereits ausschließlich das Bundespersonalvertretungsgesetz galt, das eine entsprechende Regelung nicht enthält (vgl. Senatsurteil vom 9. Juni 1993 – 8 AZR 659/92 – n.v., zu B II 2 a der Gründe).
b) Auch bei Annahme der Weitergeltung der §§ 82, 116 b PersVG-DDR ergab sich nicht die Notwendigkeit, einen anderen Personalrat anzuhören.
aa) Die Regelung des § 82 Abs. 1 und Abs. 5 PersVG-DDR ist zwingend. Ist bei der für die Entscheidung zuständigen Dienststelle eine Stufenvertretung nicht gebildet worden, ergibt sich daraus nicht eine Beteiligungszuständigkeit des Personalrates der nachgeordneten, nicht entscheidungsbefugten Dienststelle (vgl. Lorenzen/Haas/Schmitt, BPersVG, Stand November 1993, § 82 Rz 18 und 48; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 82 Rz 6 und 22; Grabendorff/Windscheid/Ilbertz/Widmaier, BPersVG mit WO, 7. Aufl., § 82 Rz 27). Auch im Einverständnis der Beteiligten kann von der Zuständigkeitsregelung des § 82 Abs. 1 und 5 PersVG-DDR nicht abgewichen werden, so daß aus einer etwaigen Zusage, eine nicht zuständige Personalvertretung zu beteiligen, eine Zuständigkeit nicht hergeleitet werden kann.
bb) Eine Zuständigkeit des Kreisschulpersonalrates oder des Schulpersonalrates folgt nicht aus § 82 Abs. 6 PersVG-DDR. Diese Vorschrift begründet keine neue sachliche Zuständigkeit für eine Personalvertretung. Sie betrifft, wie sich aus den dort aufgeführten Fällen des § 69 Abs. 3 und 4, §§ 70, 71, 72 Abs. 4 ergibt, die Beteiligung der Stufenvertretung im „Instanzenzug”. Wesentlich ist in diesen Fällen, daß die personalvertretungsrechtliche Zuständigkeit beim jeweils zuständigen örtlichen Personalrat liegt und die Stufenvertretungen erst in Aktion treten, nachdem die erste örtliche Ebene ausgeschöpft ist. Ist ein Hauptpersonalrat noch nicht gebildet, der im mehrstufigen Beteiligungsverfahren mitwirken kann, soll nach § 82 Abs. 6 PerVG-DDR die im Instanzenzug in einer vorangegangenen Stufe bereits beteiligte Personalvertretung oder, falls auch diese nicht vorhanden ist, die bereits beteiligte und zuständige Personalvertretung an seine Stelle treten, um sich nochmals an der zu treffenden Maßnahme zu beteiligen. Der Sinn des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR liegt also allein darin, ein mehrstufiges Verfahren auch dann zu gewährleisten, wenn ein Hauptpersonalrat nicht besteht.
cc) Dieselben Überlegungen wie für § 82 Abs. 6 PersVG-DDR gelten auch für § 116 b Abs. 2 Nr. 5 Satz 4 PersVG-DDR. § 116 b PersVG-DDR will die in § 82 Abs. 6 PersVG-DDR getroffene Regelung nicht inhaltlich erweitern. Eine analoge Anwendung des § 82 Abs. 6 PersVG-DDR hätte das Vorhandensein einer ursprünglichen personalvertretungsrechtlichen Zuständigkeit des Kreisschulpersonalrates und/oder Schulpersonalrates zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers vorausgesetzt. Auch § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR will nur den „Instanzenzug” sichern unter der Voraussetzung, daß ein personalvertretungsrechtlich erstzuständiger Personalrat vorhanden ist.
3. Die Unwirksamkeit der Kündigung kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß das Sächsische Staatsministerium für Kultus die Einleitung der Wahl eines Hauptpersonalrates bzw. Bezirkspersonalrates in rechtswidriger Weise unterlassen haben soll. Eine Rechtsvorschrift, aus der eine solche Folge hergeleitet werden könnte, existiert nicht und kann auch nicht aus der Denkschrift zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 entnommen werden. Dem dort geäußerten Anliegen hat das PersVG-DDR bereits Rechnung getragen.
V. Sofern das Berufungsgericht im erneuten Berufungsverfahren die Rechtswirksamkeit der Kündigung bejaht, kommt die Kündigungsfrist des § 55 Abs. 2 AGB-DDR zum Zuge. Die Anwendung dieser Vorschrift folgt aus Abs. 4 Satz 4 EV. Die Kündigungsfrist von drei Monaten zum Schuljahresende gemäß § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 29. November 1979 (GBl. I S. 444), zuletzt geändert durch die Zweite Verordnung zur Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 25. Januar 1990 (GBl. I S. 24), war nach dem 2. Oktober 1990 nicht mehr anwendbar. Diese Bestimmung gehört nicht zu dem in Anlage II zum Einigungsvertrag aufgeführten DDR-Recht, das seit dem 3. Oktober 1990 als Bundesrecht weitergilt. Dementsprechend könnte sie nur gemäß Art. 9 EV als Landesrecht weitergelten, wenn der Beklagte die Gesetzgebungskompetenz für den Erlaß dieser Kündigungsfristenregelung besäße. Die Regelung der Kündigungsfristen für Lehrkräfte gehört jedoch nicht zum Schulrecht, sondern zum materiellen Arbeitsrecht. Insofern hat der Bund von seinem konkurrierenden Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht.
Die Kündigungsfrist des § 53 Abs. 2 BAT-O findet unabhängig von der Tarifbindung der Parteien nach § 53 Abs. 3 BAT-O keine Anwendung. Diese Bestimmung stellt ausdrücklich klar, daß die Regelungen des Einigungsvertrages in Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 vorgehen (BAG Urteil vom 25. März 1993 – 6 AZR 252/92 – BB 1993, 2162 f., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
VI. Mit der Aufhebung des Feststellungsausspruchs entfällt die Grundlage für die Verurteilung des Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung. Daher ist das angefochtene Urteil auch insoweit aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Mikosch, Wittendorfer, Sperl
Fundstellen