Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrenten. Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen
Leitsatz (amtlich)
- Die Berufung eines Betriebsrentners auf das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB ist wegen Rechtsmißbrauchs nach § 242 BGB regelmäßig unzulässig, wenn der Arbeitgeber gegen eine Ruhegehaltsforderung mit einer Schadensersatzforderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung aufrechnen will.
- Es ist aber stets anhand der Umstände des Einzelfalles zu untersuchen, ob und inwieweit der den gesetzlichen Aufrechnungsgrenzen zu entnehmende Sozialschutz gegenüber den schützenswerten Interessen des Geschädigten zurücktreten muß. Hierbei sind die Interessen des Versorgungsberechtigten und seiner Angehörigen sowie die Interessen der Allgemeinheit auf der einen und das Ausgleichsinteresse des geschädigten Arbeitgebers auf der anderen Seite miteinander abzuwägen.
- Die individuellen Schutzinteressen des Schädigers müssen jedenfalls dann zurücktreten, wenn der vorsätzlich verursachte Schaden so hoch ist, daß er ihn unter normalen Umständen nicht ausgleichen kann, falls ihm der pfändungsfreie Teil seines Einkommens verbleibt.
- Im Interesse der Allgemeinheit darf der Geschädigte regelmäßig jedoch durch Aufrechnung nicht so weit in Versorgungsansprüche eingreifen, daß der Anspruchsberechtigte auf Sozialhilfe angewiesen ist, so daß die Schadensersatzansprüche bei wirtschaftlicher Betrachtung teilweise aus Mitteln der öffentlichen Hand befriedigt werden. Dem Schädiger muß deshalb das Existenzminimum verbleiben, das in Anlehnung an § 850d ZPO unter Berücksichtigung sonstiger Einkünfte zu ermitteln ist.
Normenkette
BGB § 394 S. 1, § 242; ZPO §§ 850c, 850d, 850 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29. August 1995 – 6 Sa 8/92 – aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, in welchem Umfang der Betriebsrentenanspruch des Klägers gegen die Beklagte durch Aufrechnung mit einer Schadensersatzforderung erloschen ist.
Der am 7. April 1926 geborene Kläger ist verheiratet. Er war seit dem 1. September 1955 bei der beklagten Bank beschäftigt. Seit 1976 war er in der Filiale der Beklagten in G… tätig, die er zusammen mit einem Mitdirektor leitete. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte das gesamte Privatkonten- und Effektengeschäft und ein Teil des Firmengeschäfts. Seine Bezüge beliefen sich zuletzt auf jährlich 167.000,00 DM.
Das Arbeitsverhältnis endete am 31. Dezember 1984 aufgrund außerordentlicher Kündigung der Beklagten vom 14. Dezember 1984. Die Kündigung wurde auf erhebliche Dienstverfehlungen und strafbare Handlungen des Klägers zum Nachteil der Beklagten gestützt. Ihm wurde vorgeworfen, daß er einen Kunden der Beklagten in Kenntnis von dessen Scheckreiterei ab Ende August 1984 vorsätzlich und fortlaufend unterstützt habe. Die gegen diese Kündigung gerichtete Kündigungsschutzklage wurde rechtskräftig abgewiesen. In einem Strafverfahren wurde der Kläger vom Landgericht Paderborn (1 KLs 6 Js 41/86 AK 23/90) am 11. Februar 1991 wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Wegen des der Beklagten entstandenen Schadens hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main den Kläger durch Urteil vom 29. August 1988 (1 Ca 384/84) zum Schadensersatz in Höhe von 1.384.711,97 DM verurteilt. Die gegen das arbeitsgerichtliche Urteil gerichtete Berufung ist durch zweites Versäumnisurteil verworfen worden.
Die Beklagte gewährt ihren Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Die dem Kläger erteilte Versorgungszusage hat die Beklagte wegen Treuepflichtverletzung widerrufen. Durch rechtskräftiges Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 8. April 1987 (8 Sa 246/86) wurde dieser Widerruf für rechtsunwirksam erklärt.
Nach der für den Kläger maßgeblichen Versorgungsordnung beläuft sich der Betriebsrentenanspruch, der dem Kläger ab 1. Mai 1991 (Vollendung seines 65. Lebensjahres) jeweils zum 15. eines Monats zusteht, auf 2.862,00 DM brutto. Dies waren bis zum 30. Juni 1991 2.689 DM netto, vom 1. Juli 1991 bis 30. Juni 1992 2.676,02 DM netto, vom 1. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1994 2.689,00 DM netto und seit dem 1. Januar 1995 2.676,02 DM netto.
Am 20. Dezember 1984 hatte der Kläger seine Anwartschaft auf die betrieblichen Versorgungsleistungen an seine Ehefrau abgetreten. Einen erstrangigen Teilbetrag in Höhe von 68.300,00 DM trat diese am 17. Januar 1991 an die Sparkasse Gütersloh weiter ab zur Sicherung von Verbindlichkeiten des Klägers in Höhe von 650.000,00 DM.
Der Kläger bezieht eine weitere Versorgungsleistung vom Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes von derzeit etwa 1.200,00 DM. Er hat von der Beklagten die Zahlung der nach seiner Auffassung unpfändbaren Teile der Bankrente verlangt. Den unpfändbaren monatlichen Teil hat er zunächst auf 1.837,47 DM, später auf 2.198,00 DM beziffert; ab dem 1. Juli 1992 belaufe er sich auf 2.434,96 DM. Der Kläger macht mit seiner Klage diese Beträge seit Mai 1991 geltend. Dabei läßt er sich 5.512,41 DM für die Monate Mai bis Juli 1991 anrechnen, die die Beklagte aufgrund einer später aufgehobenen einstweiligen Verfügung des Arbeitsgerichts Bielefeld an den Kläger gezahlt hat.
Der Kläger hat den Standpunkt vertreten, die Abtretung an seine Ehefrau sei rechtsunwirksam, soweit sie den unpfändbaren Teil der Betriebsrente betreffe. Insoweit sei die Beklagte zur Auszahlung verpflichtet. Eine Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung sei ihr verwehrt. Er sei nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt anders, als durch die genannten Versorgungsbezüge zu bestreiten. Seine Anwaltszulassung sei wegen Vermögensverfalls widerrufen worden. Im übrigen sei es auch – unabhängig von den gegen ihn ergangenen Urteilen nicht richtig, daß er wissentlich und gewollt die Beklagte geschädigt habe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
zu zahlen;
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
zu zahlen;
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
17,75 % Zinsen |
auf 1.837,47 DM vom 15.08. bis 14.09.1991, |
auf 3.674,94 DM vom 15.09. bis 14.10.1991, |
auf 5.512,41 DM vom 15.10. bis 14.11.1991, |
auf 7.349,88 DM vom 15.11. bis 14.12.1991, |
auf 9.187,35 DM vom 15.12. bis 15.01.1992, |
|
18,25 % Zinsen |
auf 9.187,35 DM vom 06.01. bis 14.01.1992, |
auf 11.024,82 DM vom 15.01. bis 14.02.1992, |
auf 12.862,29 DM vom 15.02. bis 18.02.1992, |
|
11,23 % Zinsen |
auf 12.862,29 DM vom 19.02. bis 14.03.1992, |
auf 14.699,76 DM vom 15.03. bis 14.04.1992, |
auf 15.500,00 DM seit dem 15.04.1992, |
|
sowie weitere 4 % Zinsen |
auf 1.037,23 DM vom 15.04. bis 14.05.1992, |
auf 2.874,70 DM vom 15.05. bis 14.06.1992, |
auf 4.712,17 DM seit dem 15.06.1992, |
- zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stünden die geltend gemachten Ansprüche schon deshalb nicht zu, weil er sie am 20. Dezember 1984 rechtswirksam an seine Ehefrau abgetreten habe. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger noch in den Diensten der Beklagten gestanden und Einkommen bezogen. Die Abtretung unterliege deshalb nicht dem gesetzlichen Abtretungsverbot des § 400 BGB. Darüber hinaus könne sie mit ihrer Schadensersatzforderung in Höhe von 1.384.711,97 DM gegenüber den vom Kläger geltend gemachten Beträgen voll aufrechnen. Der Kläger sei angesichts seiner vorsätzlichen unerlaubten Handlung auf die öffentliche Fürsorge zu verweisen. Der notwendige Unterhalt sei ihm nicht zu belassen. Dies entspreche den Regelungen, die der Bundes- und Landesgesetzgeber für seine Bediensteten getroffen habe. Im übrigen betrage das pfändungsfreie Existenzminimum nicht 1.837,47 DM, sondern lediglich 969,60 DM.
Das Arbeitsgericht hat dem in erster Instanz allein gestellten Antrag zu 1. stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Auf die Anschlußberufung des Klägers mit den Anträgen zu 2. und 3. hat das Landesarbeitsgericht entschieden, daß dem Kläger bis Juni 1992 monatlich weitere 54,55 DM, von Juli 1992 an monatlich 350,03 DM und ab Januar 1995 347,05 DM zustehen. Daneben hat das Landesarbeitsgericht die Zinsforderungen des Klägers teilweise als begründet angesehen und im übrigen die Anschlußberufung zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die bisherigen Feststellungen rechtfertigen keine Verurteilung der Beklagten in der vom Landesarbeitsgericht angenommenen Höhe. Es bedarf weiterer tatsächlicher Feststellungen um zu klären, in welcher Höhe der Kläger berechtigt ist, von der Beklagten die Zahlung von betrieblichen Versorgungsleistungen zu verlangen. Der Rechtsstreit muß deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden.
I. Der Kläger hat mit Vollendung des 65. Lebensjahres ab dem 1. Mai 1991 einen Anspruch auf betriebliche Versorgungsleistungen in Höhe von 2.862,00 DM monatlich erworben. Der Widerruf der Versorgungszusage durch die Beklagte steht dem nicht entgegen. Er war rechtsunwirksam. Dies steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 8. April 1987 (8 Sa 246/86) fest.
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, inwieweit der Kläger von der Beklagten verlangen kann, den der Pfändung nicht unterworfenen Teil der Versorgungsansprüche an ihn auszuzahlen.
II. Der Kläger hat sein Forderungsrecht nicht dadurch verloren, daß er seine Versorgungsansprüche an seine Ehefrau abgetreten hat. Die Abtretung ist, soweit es um den nach § 850c ZPO unpfändbaren Teil der Versorgungsansprüche des Klägers geht, nach § 400 BGB rechtsunwirksam. Dies haben die Vorinstanzen rechtsfehlerfrei erkannt. Die Revision ist dem nicht entgegengetreten.
III. Dem Kläger steht nach der Aufrechnung der Beklagten nur der Teil der Betriebsrente zu, der der Sicherung des Existenzminimums dient.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe der unpfändbare Teil seiner Betriebsrentenansprüche zu. Die Aufrechnung habe nicht zum Erlöschen der Klageforderung geführt, weil insoweit der Pfändungsschutz nach § 850c in Verb. mit § 850 Abs. 2 ZPO und damit das Aufrechnungsverbot nach § 394 Satz 1 BGB greife. Die Berufung auf dieses Aufrechnungsverbot verstoße nicht gegen Treu und Glauben. Zwar habe die Beklagte eine vorsätzliche Schadenszufügung durch den Kläger schlüssig dargelegt und der Kläger diesen Vortrag nicht bestritten. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ließen es jedoch nicht zu, die Aufrechnungserklärung der Beklagten aus diesem Grund voll durchgreifen zu lassen. Dem Sozialschutz des § 394 Satz 1 BGB und der §§ 811 ff., 850 ff. ZPO sei erhebliches Gewicht beizumessen. Die durch die Arbeitsleistung geschaffene Lebensgrundlage solle für den Arbeitnehmer und die von ihm abhängigen Personen möglichst erhalten bleiben. Diese gesetzlich angeordnete Rechtsfolge diene nicht nur dem Schutz des Schuldners. Die öffentliche Ordnung werde gestört, wenn die Pfändung oder Aufrechnung zu einer völligen Mittellosigkeit des Schuldners führe. Zwar bestehe für den Aufrechnenden ein erhebliches Bedürfnis, daß der eingetretene Schaden wiedergutgemacht werde. Greife die Aufrechnung aber voll durch, müsse der Arbeitnehmer zur Existenzsicherung die öffentliche Fürsorge in Anspruch nehmen. Die durch die unerlaubte Handlung entstandenen Schäden wären danach letztlich aus Mitteln der öffentlichen Hand zu befriedigen.
Bei der Abwägung, inwieweit abweichend vom Wortlaut des § 394 Satz 1 BGB eine vollständige Aufrechnung zuzulassen sei, müsse berücksichtigt werden, daß die Beklagte sich durch die Gewährung der Bankrente verpflichtet habe, zum angemessenen Lebensunterhalt des Klägers nach seiner Pensionierung beizutragen. Als Gegenleistung hierfür habe der Kläger über Jahrzehnte Betriebstreue gezeigt und seine Arbeitsleistung beanstandungsfrei erbracht. Die dem Kläger angelasteten strafbaren Handlungen hätten schließlich erst im letzten der 29 Beschäftigungsjahre des Klägers bei der Beklagten begonnen. Darüber hinaus sei der Kläger wie typischerweise ein Versorgungsempfänger in besonderer Weise auf die Versorgungsleistungen angewiesen. Aufgrund seines Alters und des Widerrufs seiner Rechtsanwaltszulassung sei er nicht in der Lage, Einkünfte aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit zu erzielen. Daher geböten es Gesichtspunkte der Fürsorge, dem Versorgungsempfänger die zugesagten Versorgungsleistungen zu belassen, zumal von einer vollständigen Aufrechnungsmöglichkeit für die Beklagte nicht nur der Kläger, sondern auch dessen Ehefrau betroffen wäre, die für die vorsätzlichen Vertragsverletzungen keine Verantwortung trage. Es stehe mit Art. 1 und Art. 20 des Grundgesetzes nicht im Einklang, würde man den Kläger außerstande setzen, seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Frau angemessen nachzukommen.
Die im Beamtenrecht geltenden besonderen Aufrechnungsregeln zwischen Dienst- und Versorgungsbezügen auf der einen Seite und Schadensersatzansprüchen auf der anderen Seite seien auf zivilrechtliche Arbeitsverhältnisse nicht zu übertragen.
Die Umstände des Einzelfalles ließen es schließlich auch nicht angemessen erscheinen, dem Kläger nur die unterste Stufe des Sozialschutzes, wie er sich aus § 850d ZPO ergebe, zu belassen. Hiergegen sprechen nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts auch Gesichtspunkte der Klarheit. Während der der Pfändung unterliegende Teil der Betriebsrente tabellarisch einfach zu ermitteln sei, sei der Sozialhilfebedarf, auf den ein auf § 850d ZPO begrenzter Schutz vor Aufrechnungen hinauslaufe, häufigen Schwankungen unterworfen.
2. Diesen Erwägungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nur teilweise folgen. Dem Kläger darf unter den vorliegenden Umständen nach der Aufrechnung mit Ansprüchen aus vorsätzlicher Schadenszufügung von seinem Betriebsrentenanspruch nur das Existenzminimum verbleiben. Wegen dessen genauer Feststellung ist der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
a) Gegen die Betriebsrentenansprüche des Klägers kann die Beklagte nach Maßgabe des § 394 Satz 1 BGB grundsätzlich nur insoweit wirksam aufrechnen, wie sie der Pfändung unterworfen sind. Da es sich bei diesen Ansprüchen um Arbeitseinkommen im Sinne von § 850 Abs. 2 ZPO handelt, ist die Aufrechnungsmöglichkeit im Grundsatz beschränkt.
b) Die Berufung auf das Aufrechnungsverbot des § 394 Satz 1 BGB ist aber nach dem Grundsatz des Rechtsmißbrauchs nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) dann unzulässig, wenn der Arbeitgeber gegen eine Lohn- oder Ruhegehaltsforderung mit einer Schadensersatzforderung aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des früheren Arbeitnehmers aufrechnen will (BAG Urteile vom 31. März 1960 – 5 AZR 441/57 – AP Nr. 5 zu § 394 BGB, zu 4b der Gründe; vom 16. Juni 1960 – 5 AZR 121/60 – AP Nr. 8 zu § 394 BGB, zu II der Gründe; vom 28. August 1964 – 1 AZR 414/63 – AP Nr. 9 zu § 394 BGB, zu III 2 der Gründe; vom 16. Dezember 1986 – 3 AZR 198/85 – AP Nr. 1 zu § 8 BetrAVG, zu C 2 der Gründe; BGH Urteile vom 25. April 1959 – IV ZR 255/58 – BGHZ 30, 36, 39; vom 16. Juni 1993 – XII ZR 6/92 – NJW 1993, 2105, 2106; Staudinger/Gursky, BGB, 13. Aufl., § 394 Rz 52; MünchKomm-BGB/von Feldmann, 3. Aufl., § 394 Rz 9; Erman/Westermann, BGB, 9. Aufl., § 394 Rz 3).
Das Landesarbeitsgericht, das hiervon zu Recht ausgegangen ist, hat auch überzeugend begründet, daß der gegenüber den betrieblichen Versorgungsansprüchen des Klägers zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch eine Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung ist. Es hat festgestellt, daß dem Kläger die Scheckreiterei und die damit zusammenhängenden erheblichen Liquidationsschwierigkeiten seines Mitangeklagten bekannt waren und er trotz dieser Kenntnis nichts unternahm, um die weitere Inanspruchnahme von Krediten zu verhindern. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger es zugelassen, daß die eingeräumten Kreditlinien durch die Dauer des Postlaufs verdeckt weiter überschritten wurden. Da der Kläger im Falle eines Vermögensverfalls seines Mitangeklagten und von dessen Unternehmen befürchten mußte, aus einer Bürgschaft in Anspruch genommen zu werden und auch einen eigenen Anspruch zu verlieren, ist das Landesarbeitsgericht von persönlichen Interessen des Klägers bei seinem Verhalten ausgegangen. Daraus hat das Berufungsgericht mit Recht den Schluß gezogen, daß der Kläger den Eintritt eines Schadens bei der Beklagten zumindest billigend in Kauf genommen hat. Es hat deshalb eine Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266 StGB angenommen. Der Kläger ist den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht entgegengetreten. Deren rechtliche Würdigung durch das Landesarbeitsgericht ist nicht zu beanstanden.
c) Der Senat folgt dem Berufungsgericht jedoch nicht bei seiner Einschätzung, wonach der vom Gesetzgeber angestrebte Sozialschutz unter den Umständen des Einzelfalles eine uneingeschränkte Geltung des Aufrechnungsverbotes aus § 394 Satz 1 BGB, § 850c ZPO fordert. Nach Treu und Glauben kann der Kläger wegen des von ihm durch vorsätzliche unerlaubte Handlung verursachten Schadens nur verlangen, daß ihm das Existenzminimum verbleibt.
Zwar ist anhand der Umstände des Einzelfalles zu untersuchen, ob und inwieweit die Grundsätze von Treu und Glauben ein Zurücktreten des Sozialschutzes aufgrund der gesetzlichen Aufrechnungsgrenzen gegenüber den schützenswerten Interessen des Geschädigten gebieten. Dabei sind die persönlichen Interessen des Versorgungsberechtigten und seiner Angehörigen sowie die vom Landesarbeitsgericht zu Recht angesprochenen Interessen der Allgemeinheit auf der einen Seite und das Ausgleichsinteresse des vorsätzlich geschädigten Arbeitgebers auf der anderen Seite miteinander abzuwägen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann bei dieser Abwägung aber nicht entscheidend zu Gunsten des Klägers ins Gewicht fallen, daß er während der weitaus längsten Zeit seines Arbeitsverhältnisses seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Beklagten beanstandungsfrei erfüllt und lediglich im letzten Jahr des Arbeitsverhältnisses die schadensverursachende strafbare Handlung begangen hat. Diese Überlegung rechtfertigt nur die vom Landesarbeitsgericht angezogene Rechtsprechung, wonach eine Versorgungszusage im Regelfall nicht in vollem Umfang widerrufen werden kann, sondern wonach der Umfang des Widerrufs davon abhängt, in welchem Umfang die Betriebstreue des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber aufgrund von dessen unerlaubten Handlungen wertlos geworden ist (BAGE 32, 139 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Treuebruch; Urteil vom 19. Juni 1980 – 3 AZR 137/79 – AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Treuebruch; Urteil vom 11. Mai 1982 – 3 AZR 1239/79 – AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Treuebruch; BAGE 41, 338 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Treuebruch; BAGE 41, 333 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Treuebruch; BAG Urteil vom 8. Mai 1990 – 3 AZR 152/88 – AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Treuebruch). Der genannte Umstand rechtfertigt es jedoch nicht, dem Versorgungsschuldner gegenüber dem in vollem Umfang und unwiderruflich entstandenen Versorgungsanspruch zum Ausgleich seiner Schadensersatzansprüche aus vorsätzlich unerlaubter Handlung nur solche Aufrechnungsmöglichkeiten einzuräumen, wie sie gegenüber jedem Gläubiger bestehen. Der Sozialschutz muß zurücktreten, soweit er auf den individuellen Interessen des Schädigers beruht. Dies gilt zumindest dann, wenn der vorsätzlich verursachte Schaden so hoch ist, daß der Schädiger ihn unter normalen Umständen nicht ausgleichen kann, falls ihm der pfändungsfreie Teil seines Einkommens verbleibt. Es wäre unbillig, vom vorsätzlich Geschädigten in einem solchen Fall zu verlangen, daß er die allgemeinen Aufrechnungsgrenzen einhält und Zahlungen im Bewußtsein erbringt, daß der vom Zahlungsempfänger vorsätzlich verursachte Schaden auch nicht annähernd ausgeglichen werden wird.
Zu Lasten der Beklagten sind jedoch die Interessen der Allgemeinheit an der Einhaltung von Pfändungsgrenzen zu berücksichtigen. Der Schuldner von Versorgungsansprüchen darf nicht so weitgehend in die Versorgungsansprüche eingreifen, daß der Anspruchsberechtigte auf Sozialhilfe angewiesen ist. Der Einwand der Arglist rechtfertigt es nicht, Schadensersatzansprüche des Versorgungsverpflichteten im wirtschaftlichen Ergebnis aus Mitteln der öffentlichen Hand zu befriedigen. Diesem schützenswerten Interesse ist genügt, wenn dem Versorgungsberechtigten das Existenzminimum verbleibt (BAG Urteil vom 16. Juni 1960 – 5 AZR 121/60 – AP Nr. 8 zu § 394 BGB; BGH Urteil vom 16. Juni 1993 – XII ZR 6/92 – NJW 1993, 2105, 2106).
IV. Bei der Ermittlung des dem Kläger zu belassenden Existenzminimums hat das Landesarbeitsgericht in Anlehnung an den im Unterhaltsrecht maßgebenden sog. notwendigen Selbstbehalt (§ 850d ZPO) anhand der jeweiligen Leitlinien zum Unterhaltsrecht der Familiensenate des Oberlandesgerichts Hamm zu ermitteln, welche Beträge dem Kläger und seiner Ehefrau verbleiben müssen.
Dabei sind auch anderweitige Einkünfte zu Lasten des Klägers zu berücksichtigen. Das gilt etwa für das Unterhaltsgeld, das der Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes zahlt. Andererseits sind zusätzliche Mietkosten zu berücksichtigen, soweit sie nicht in die Werte der Hammer Tabelle eingearbeitet sind.
V. Soweit das Landesarbeitsgericht hiernach feststellt, daß die Beklagte trotz ihrer Aufrechnungserklärung dem Kläger einen Teil der von diesem erworbenen Betriebsrentenansprüche schuldet, wird es weiter zu prüfen haben, inwieweit der Kläger wegen dieses Betrages noch Zahlung an sich verlangen kann. Dem könnte zumindest teilweise die Pfändung und Überweisung der Versorgungsansprüche des Klägers zu Gunsten der Deutschen Bau- und Bodenbank AG durch die Beschlüsse des Amtsgerichts Bielefeld vom 25. Januar 1988 – 21 M 882/88 –, vom 14. März 1988 – 21 M 1212/88 –, vom 21. April 1988 – 21 M 882/88 –, und vom 9. Mai 1988 – 21 M 2940/88 – sowie der Beschluß des Landgerichts Bielefeld vom 10. Februar 1992 – 3 T 22/92 – entgegenstehen. Allerdings erfassen diese Beschlüsse nur den pfändbaren Teil der Betriebsrente. Sie belassen dem Kläger vermutlich trotz des Zusammenrechnungsbeschlusses nach § 850e Nr. 2 ZPO mehr als zur Sicherung des Existenzminimums (vgl. Abschnitt IV) notwendig ist. Auch dann ist es zur Klärung des Umfangs der Rechtskraft (§ 322 Abs. 2 ZPO) erforderlich festzustellen, inwieweit dem Kläger bereits die Einziehungsbefugnis fehlt.
VI. Die genannten Beschlüsse können auch von Bedeutung sein, soweit der Kläger beantragt, die Beklagte für die Zukunft zur Zahlung des unpfändbaren Teils seiner Versorgungsansprüche zu verurteilen. Wenn nicht festgestellt werden kann, in welcher genauen Höhe der Kläger befugt sein wird, die ihm zustehenden Versorgungsansprüche einzuziehen, wird sich die Frage stellen, ob der Kläger überhaupt Klage auf künftige Leistung erheben kann.
Unterschriften
Dr. Heither, Kremhelmer, Bepler, G. Hauschild, Kaiser
Fundstellen
Haufe-Index 884894 |
BAGE, 274 |
NJW 1997, 3261 |
JR 1999, 263 |
NZA 1997, 1108 |
SAE 1998, 189 |
ZIP 1997, 935 |
AP, 0 |
MDR 1997, 848 |
VersR 1998, 615 |