Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Altersversorgung. Anpassung. Ausgleich des Kaufkraftverlustes. reallohnbezogene Obergrenze
Orientierungssatz
1. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Diese Verpflichtung gilt nach § 16 Abs. 2 BetrAVG als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum. Prüfungszeitraum ist die Zeit vom individuellen Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag. Dies gilt für die Ermittlung sowohl des Kaufkraftverlustes als auch der reallohnbezogenen Obergrenze.
2. Bei der Ermittlung der für die reallohnbezogene Obergrenze maßgeblichen Nettoeinkommen der aktiven Beschäftigten ist nicht auf ein Jahreseinkommen, sondern auf die Verhältnisse in den jeweiligen Monaten vor dem Rentenbeginn und dem Anpassungsprüfungszeitpunkt abzustellen. Etwaige jahresbezogene Einmalzahlungen können anteilig berücksichtigt werden. Handelt es sich um variable jahresbezogene Vergütungsbestandteile, deren Höhe zum Zeitpunkt der Anpassungsprüfung noch nicht feststeht, spricht nichts dagegen, die jeweils zuletzt vor Rentenbeginn und Anpassungsprüfungsstichtag erfolgten Zahlungen anteilig mit in die Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze einzubeziehen.
3. Die reallohnbezogene Obergrenze dient dazu, das Versorgungsniveau der Versorgungsempfänger in demselben Umfang aufrechtzuerhalten wie das Einkommensniveau der Aktiven. Maßgeblich dafür ist das verfügbare Einkommen. Betriebsrentenanwartschaften, die auf einer vom Arbeitgeber finanzierten betrieblichen Altersversorgung beruhen, gehören nicht zum verfügbaren Arbeitseinkommen der aktiv Beschäftigten. Daher kann ihre Wertentwicklung nicht bei der Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze berücksichtigt werden.
Normenkette
BetrAVG § 16 Abs. 1-2; BGB § 315 Abs. 3, § 288 Abs. 1, § 291
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 16. Februar 2012 – 4 Sa 1001/11 B – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Gesamtbetrag der von der Beklagten ab dem 1. Juni 2011 an den Kläger zu zahlenden monatlichen Betriebsrente 2.042,79 Euro beträgt. Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2008.
Der Kläger war Arbeitnehmer der Beklagten. Seit dem 1. Juli 2005 zahlt die Beklagte an ihn eine Betriebsrente. Diese belief sich zunächst auf monatlich 1.905,59 Euro brutto. Die Beklagte passte die Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2008 um 1,57 % auf 1.935,59 Euro brutto an. Dieser Anpassung lag die Entwicklung des durchschnittlichen Nettojahreseinkommens der in einem Großteil der Unternehmen des I-Konzerns in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter – mit Ausnahme der sog. „Executives” – in den Kalenderjahren 2004 bis 2007 zugrunde.
Mit seiner der Beklagten am 16. März 2011 zugestellten Klage hat der Kläger eine Erhöhung seiner Betriebsrente um den seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust von 7,2 % sowie die Nachzahlung des jeweiligen monatlichen Differenzbetrags zur gezahlten Betriebsrente iHv. 107,20 Euro brutto nebst Zinsen begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, einen Anspruch auf Anpassung seiner Ausgangsrente entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland im Zeitraum von Juni 2005 bis Juni 2008 zu haben. Die Anpassungsentscheidung der Beklagten sei bereits deshalb zu beanstanden, weil diese für die Ermittlung der sog. reallohnbezogenen Obergrenze von einem unzutreffenden Prüfungszeitraum ausgegangen sei. Auch bei der Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze sei auf den Zeitraum vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag abzustellen. Die Beklagte habe zudem eine ermessensfehlerhafte Vergleichsgruppenbildung vorgenommen. Daher schulde sie ihm die Zahlung der rückständigen an den Kaufkraftverlust angepassten Betriebsrente sowie von Zinsen auf die jeweiligen Differenzbeträge ab Fälligkeit der monatlichen Betriebsrentenansprüche.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn rückständige Betriebsrente für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Mai 2011 (35 Monate) in Höhe von 3.752,00 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 107,20 Euro seit dem 1. August 2008 und aus jeweils weiteren 107,20 Euro seit dem jeweils Ersten der Folgemonate,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab 1. Juni 2011 eine gegenüber dem von der Beklagten angenommenen Zahlbetrag von 1.935,59 Euro um 107,20 Euro höhere monatliche Betriebsrente von monatlich insgesamt 2.042,79 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, mit der Anhebung der Betriebsrente des Klägers um 1,57 % ab dem 1. Juli 2008 ihrer Anpassungsverpflichtung ausreichend nachgekommen zu sein. Sie sei berechtigt, die Anpassung entsprechend der Entwicklung des durchschnittlichen Nettojahreseinkommens der in einem Großteil der Unternehmen des I-Konzerns in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter mit Ausnahme der sog. „Executives” in den Kalenderjahren 2004 bis 2007 vorzunehmen. Es sei auf die Nettolohnentwicklung der Arbeitnehmer in denjenigen Konzernunternehmen abgestellt worden, in denen die für den Kläger maßgebliche Versorgungsordnung gelte. Selbst wenn man für die Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze auf den Zeitraum vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag abstelle, entspreche eine unter dem vollen Kaufkraftausgleich liegende Anpassung billigem Ermessen. Die Einkommen in den jeweils letzten zwölf Monaten vor dem Rentenbeginn des Klägers und vor dem Anpassungsstichtag seien – bezogen auf die in einem Großteil der Unternehmen des I-Konzerns in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter mit Ausnahme der sog. „Executives” – im Durchschnitt nur um 1,53 % und – bezogen auf die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter mit Ausnahme der sog. „Executives” – nur um 1,66 % gestiegen. Im Übrigen könne bei der Nettolohnentwicklung auch berücksichtigt werden, dass die Arbeitnehmer durch die Beiträge des Arbeitgebers zur betrieblichen Altersversorgung Anwartschaften auf Versorgungsleistungen erwerben und dadurch einen Vermögenszuwachs erhielten. Dieser Vermögenswert – das sog. bAV-Lohnäquivalent – sei als Versorgungslohn dem Barlohn hinzuzurechnen. Dementsprechend sei die Nettogesamtvergütung einschließlich des bAV-Lohnäquivalents der in einem Großteil der Konzernunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer in den letzten zwölf Monaten vor dem Rentenbeginn des Klägers und den letzten zwölf Monaten vor dem Anpassungsstichtag durchschnittlich um 3,49 % gestiegen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen; die Berufung hatte lediglich insoweit Erfolg, als das Arbeitsgericht dem Kläger Zinsen für die Zeit vor der Rechtskraft der Entscheidung zugesprochen hatte; insoweit hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision. Mit seiner Anschlussrevision begehrt er die vollständige Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Anschlussrevision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers sind unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juli 2008 eine um 107,20 Euro brutto höhere monatliche Betriebsrente schuldet und daher verpflichtet ist, an den Kläger rückständige Betriebsrente iHv. 3.752,00 Euro brutto zu zahlen. Zinsen hat es dem Kläger zu Recht erst ab dem Folgetag des Tages, an dem das Urteil rechtskräftig wird, zugesprochen.
I. Die Klage ist zulässig. Dies gilt auch für den Klageantrag zu 2.
Bei dem Antrag zu 2. handelt es sich um eine Klage auf wiederkehrende Leistungen iSd. § 258 ZPO. Bei wiederkehrenden Leistungen, die – wie Betriebsrentenansprüche – von keiner Gegenleistung abhängen, können grundsätzlich auch künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde (vgl. etwa BAG 19. Juni 2012 – 3 AZR 464/11 – Rn. 10 mwN, BAGE 142, 116).
II. Die Klage ist überwiegend begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an den Kläger ab dem 1. Juli 2008 eine um 107,20 Euro brutto höhere monatliche Betriebsrente zu zahlen. Daher schuldet sie dem Kläger für die Zeit von Juli 2008 bis Mai 2011 rückständige Betriebsrente iHv. 3.752,00 Euro brutto. Zinsen auf die monatlichen Erhöhungsbeträge stehen dem Kläger jedoch erst ab dem Folgetag des Tages zu, an dem das Urteil rechtskräftig wird, mithin erst ab dem 19. März 2014. Hinsichtlich der weitergehenden Zinsen ist die Klage – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – unbegründet.
1. Die Beklagte ist nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2008 anzupassen und an ihn eine um 107,20 Euro brutto höhere monatliche Betriebsrente zu zahlen. Der Anpassungsbedarf des Klägers besteht in dem vom Rentenbeginn am 1. Juli 2005 bis zum Anpassungsstichtag 1. Juli 2008 eingetretenen Kaufkraftverlust von 7,2 %. Die reallohnbezogene Obergrenze rechtfertigt keine die Teuerungsrate unterschreitende Anpassung. Die Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass ihre wirtschaftliche Lage der Anpassung entgegensteht.
a) Nach § 16 Abs. 1 Halbs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei hat er insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Die Belange des Versorgungsempfängers bestehen in erster Linie in der Erhaltung des wirtschaftlichen Wertes der ihm zugesagten Versorgungsleistungen. Nach § 16 Abs. 2 BetrAVG gilt die Verpflichtung nach Abs. 1 als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland (Nr. 1) oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens (Nr. 2) im Prüfungszeitraum. Der Prüfungszeitraum ist die Zeit vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag. Dies gilt sowohl für den Anstieg des Kaufkraftverlustes als auch der Nettolöhne. Der Prüfungszeitraum steht nicht zur Disposition des Arbeitgebers.
b) Danach entspricht die Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2008 nicht an den Kaufkraftverlust, sondern entsprechend der Entwicklung des durchschnittlichen Nettojahreseinkommens der in einem Großteil der Unternehmen des I-Konzerns in Deutschland beschäftigten Arbeitnehmer – mit Ausnahme der sog. „Executives” – in den Kalenderjahren 2004 bis 2007 um 1,57 % anzupassen, nicht billigem Ermessen. Die Beklagte kann sich – unabhängig von der Frage, ob sie damit eine sachgerechte Vergleichsgruppenbildung vorgenommen hat – auf eine Begrenzung des dem Kaufkraftverlust entsprechenden Anpassungsbedarfs des Klägers bereits deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil sie lediglich auf die Nettolohnentwicklung in den Kalenderjahren 2004 bis 2007 abgestellt hat. Damit hat sie entgegen § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG bei der Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze nicht den zutreffenden Prüfungszeitraum vom individuellen Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag zugrunde gelegt.
aa) Die Beklagte war nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet, zum 1. Juli 2008 zu prüfen, ob eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers an den Kaufkraftverlust zu erfolgen hatte.
Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Dies war – ausgehend vom Rentenbeginn des Klägers am 1. Juli 2005 – der 1. Juli 2008.
bb) Die Beklagte, deren wirtschaftliche Lage der Anpassung nicht entgegensteht, hat bei ihrer Anpassungsentscheidung die Belange des Klägers als Versorgungsempfänger nicht ausreichend berücksichtigt.
(1) Die Belange des Versorgungsempfängers werden durch den Anpassungsbedarf und die sog. reallohnbezogene Obergrenze bestimmt. Ausgangspunkt der Anpassungsentscheidung ist der Anpassungsbedarf des Versorgungsempfängers. Er richtet sich nach dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust. Dies hat der Gesetzgeber in § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG nunmehr ausdrücklich klargestellt. Nach dieser Bestimmung, die durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999 -RRG 1999) mit dem 1. Januar 1999 in § 16 BetrAVG eingefügt und durch das Gesetz zur Änderung von Fristen und Bezeichnungen im Neunten Buch Sozialgesetzbuch und zur Änderung anderer Gesetze mit Wirkung vom 1. Januar 2003 neu gefasst wurde, gilt die Verpflichtung nach Abs. 1 als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland im Prüfungszeitraum. Der so ermittelte Anpassungsbedarf der Versorgungsempfänger wird durch die Nettoverdienstentwicklung bei den aktiven Arbeitnehmern begrenzt. Dies wird durch die in § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG getroffene Regelung bestätigt, wonach die Verpflichtung nach Abs. 1 auch dann als erfüllt gilt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum. Der Billigkeit widerspricht es nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebsrente nur bis zur durchschnittlichen Steigerung der Nettoverdienste der aktiven Arbeitnehmer anpasst. Soweit die Entwicklung der Nettoverdienste der aktiven Arbeitnehmer hinter dem Kaufkraftverlust zurückbleibt, müssen sich auch die Betriebsrentner mit einer entsprechend geringeren Rentenerhöhung begnügen. Damit wird das Versorgungsniveau in demselben Umfang aufrechterhalten wie das Einkommensniveau der Aktiven (vgl. BAG 19. Juni 2012 – 3 AZR 464/11 –Rn. 21 mwN, BAGE 142, 116).
(2) Da die reallohnbezogene Obergrenze den auf der Grundlage des zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlustes ermittelten Anpassungsbedarf begrenzt und damit die Belange der Versorgungsempfänger ebenso betrifft wie der Kaufkraftverlust, gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats für beide derselbe Prüfungszeitraum. Dieser reicht vom individuellen Rentenbeginn bis zum jeweiligen Anpassungsstichtag (vgl. ausführlich dazu BAG 19. Juni 2012– 3 AZR 464/11 – Rn. 22 ff. mwN, BAGE 142, 116).
(3) Demnach entspricht die Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrente des Klägers an die Entwicklung des durchschnittlichen Nettojahreseinkommens der in einem Großteil der Unternehmen des I-Konzerns in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter – mit Ausnahme der sog. „Executives” – in den Kalenderjahren 2004 bis 2007 anzupassen, nicht billigem Ermessen, da die Beklagte nicht die Nettolohnentwicklung vom Rentenbeginn des Klägers am 1. Juli 2005 bis zum 1. Juli 2008 zugrunde gelegt hat (vgl. bereits BAG 19. Juni 2012 – 3 AZR 464/11 – Rn. 44, BAGE 142, 116).
c) Die Entscheidung der Beklagten, die Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2008 um 1,57 % anzuheben, entspricht auch nicht deshalb billigem Ermessen, weil die Nettoeinkommen der von der Beklagten in den Vergleich einbezogenen Mitarbeiter in den jeweils letzten zwölf Monaten vor dem Rentenbeginn des Klägers (1. Juli 2005) und vor dem Anpassungsstichtag (1. Juli 2008) durchschnittlich nur um 1,53 % gestiegen sind.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Beklagte zwar nicht gehindert, sich zur Begründung ihrer Anpassungsentscheidung auch auf weitere Berechnungen zur Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze zu stützen; entscheidend ist, dass ihre Leistungsbestimmung – trotz etwaiger, zunächst unterlaufener Fehler bei der Ermittlung einer reallohnbezogenen Obergrenze – im Ergebnis der Billigkeit entspricht (vgl. dazu BAG 30. August 2005– 3 AZR 395/04 – zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 353; 20. Mai 2003 – 3 AZR179/02 – zu II 8 der Gründe; 23. Mai 2000 – 3 AZR 103/99 – zu 2 b der Gründe). Die Anpassungsentscheidung der Beklagten entspricht jedoch auch bei Zugrundelegung der geänderten Berechnung nicht billigem Ermessen, da auch hierbei die Belange des Klägers als Versorgungsempfänger nicht ausreichend berücksichtigt werden.
aa) Der Prüfungszeitraum für den die Belange des Versorgungsempfängers bestimmenden Anpassungsbedarf und dessen Begrenzung durch die reallohnbezogene Obergrenze reicht vom individuellen Rentenbeginn bis zum jeweiligen Anpassungsstichtag. Zur Ermittlung des für den Anpassungsbedarf maßgeblichen Kaufkraftverlustes ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland für die dem Rentenbeginn und dem jeweiligen Anpassungsstichtag unmittelbar vorausgehenden Monate abzustellen (vgl. etwa BAG 20. August 2013 – 3 AZR 750/11 – Rn. 23; 28. Mai 2013 – 3 AZR 125/11 – Rn. 29; 27. März 2012 – 3 AZR 218/10 – Rn. 21; 11. Oktober 2011 – 3 AZR 527/09 – Rn. 25, BAGE 139, 252). Nur auf diesem Weg ist der gebotene volle Kaufkraftausgleich sichergestellt (ausführlich dazu BAG 30. August 2005 – 3 AZR 395/04 – zu II 1 c bb der Gründe, BAGE 115, 353). Der nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG erforderliche Gleichlauf der Prüfungszeiträume für den Kaufkraftverlust und die reallohnbezogene Obergrenze gebietet es, entgegen der Ansicht der Beklagten, auch bei der Ermittlung der Nettoeinkommen auf die Verhältnisse in den jeweiligen Monaten vor dem Rentenbeginn und dem Anpassungsprüfungszeitpunkt abzustellen (vgl. BAG 12. Februar 2013 – 3 AZN 2341/12 – Rn. 5; 20. Mai 2003 – 3 AZR 179/02 –zu II 6 c aa der Gründe). Etwaige jahresbezogene Einmalzahlungen können anteilig berücksichtigt werden. Soweit es sich um variable jahresbezogene Vergütungsbestandteile handelt, deren Höhe zum Zeitpunkt der Anpassungsprüfung noch nicht feststeht, spricht nichts dagegen, die jeweils zuletzt vor Rentenbeginn und Anpassungsprüfungsstichtag erfolgten Zahlungen anteilig mit in die Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze einzubeziehen, da dadurch die Realeinkommen der aktiven Arbeitnehmer vor Rentenbeginn und vor dem jeweiligen Anpassungsstichtag beeinflusst werden. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, bei den monatlich festen Vergütungsbestandteilen eine Jahresvergütung zugrunde zu legen.
bb) Danach kann die Beklagte ihre Anpassungsentscheidung auch nicht erfolgreich darauf stützen, dass die Nettoeinkommen der von der Beklagten in den Vergleich einbezogenen Mitarbeiter in den jeweils letzten zwölf Monaten vor dem Rentenbeginn des Klägers (1. Juli 2005) und vor dem Anpassungsstichtag (1. Juli 2008) durchschnittlich nur um 1,53 % gestiegen sind. Die Beklagte hat entgegen den Vorgaben des § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG nicht auf die Realeinkommen der Arbeitnehmer im Monat vor dem Rentenbeginn des Klägers und dem Anpassungsprüfungsstichtag, sondern auf die Einkommen in den jeweils zwölf Monaten vor diesen Zeitpunkten abgestellt.
d) Die Beklagte ist daher verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers an den in der Zeit vom Rentenbeginn (1. Juli 2005) bis zum Anpassungsstichtag (1. Juli 2008) eingetretenen Kaufkraftverlust anzupassen. Der Kaufkraftverlust in diesem Zeitraum beträgt 7,2 %. Eine Begrenzung des dem Kaufkraftverlust entsprechenden Anpassungsbedarfs des Klägers durch die weiteren von der Beklagten ermittelten reallohnbezogenen Obergrenzen auf 1,66 % oder 3,49 % im Rahmen der nach § 315 Abs. 3 BGB durch Urteil zu treffenden Leistungsbestimmung kommt nicht in Betracht. Eine solche Begrenzung würde die Belange des Klägers als Versorgungsempfänger nicht ausreichend berücksichtigen und damit nicht billigem Ermessen entsprechen. Daher steht dem Kläger der volle Teuerungsausgleich zu. Dementsprechend war die Ausgangsrente des Klägers iHv. 1.905,59 Euro zum 1. Juli 2008 um 137,20 Euro auf 2.042,79 Euro zu erhöhen.
aa) Der Kaufkraftverlust in der Zeit vom Rentenbeginn des Klägers (1. Juli 2005) bis zum Anpassungsstichtag (1. Juli 2008) beläuft sich auf 7,2 %.
(1) Zur Ermittlung des Kaufkraftverlustes ist auf den Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis: 2005 abzustellen. Da die Anpassung jeweils zu einem bestimmten Stichtag zu prüfen und ggf. vorzunehmen ist, kommt es aus Gründen der Rechtssicherheit auf die aktuelle statistische Grundlage an, die zum maßgeblichen Anpassungszeitpunkt vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht war (BAG 19. Juni 2012 – 3 AZR 464/11 – Rn. 45, BAGE 142, 116; 28. Juni 2011 – 3 AZR 859/09 – Rn. 28 und 29, BAGE 138, 213). Dies ist der Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis: 2005. Dieser wurde am 29. Februar 2008 veröffentlicht. Für die Ermittlung des Anpassungsbedarfs sind die Indexwerte der Monate maßgeblich, die dem Rentenbeginn und dem aktuellen Anpassungsstichtag unmittelbar vorausgehen.
(2) Danach beläuft sich die Teuerungsrate vom Rentenbeginn (1. Juli 2005) bis zum aktuellen Anpassungsstichtag (1. Juli 2008) auf 7,2 %. Der Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis: 2005 betrug im Juni 2005 99,8 und im Juni 2008 107. Daraus errechnet sich eine Preissteigerung von 7,2 % [(107 ./. 99,8 – 1) x 100].
bb) Der Anpassungsbedarf des Klägers wird nicht durch die weiteren von der Beklagten ermittelten reallohnbezogenen Obergrenzen auf 1,66 % oder 3,49 % begrenzt.
(1) Dies folgt bereits daraus, dass die Beklagte bei der Ermittlung der beiden reallohnbezogenen Obergrenzen entgegen den Vorgaben des § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG nicht auf das erzielte Einkommen der in den jeweiligen Vergleich einbezogenen Mitarbeiter im Monat vor dem Rentenbeginn des Klägers und dem Anpassungsprüfungszeitpunkt abgestellt hat, sondern auf das in den jeweils letzten zwölf Monaten vor den genannten Zeitpunkten erzielte durchschnittliche Einkommen. Damit ist der gebotene Gleichlauf des Prüfungszeitraums für die Ermittlung des Kaufkraftverlustes und der reallohnbezogenen Obergrenze nicht gewahrt.
(2) Darüber hinaus widerspricht die von der Beklagten vorgenommene Ermittlung einer reallohnbezogenen Obergrenze von 3,49 % unter Einbeziehung eines sog. bAV-Lohnäquivalents § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG.
(a) Sinn und Zweck der reallohnbezogenen Obergrenze ist es, das Versorgungsniveau der Versorgungsempfänger in demselben Umfang aufrechtzuerhalten wie das Einkommensniveau der Aktiven. Deshalb sind grundsätzlich sämtliche Vergütungsbestandteile der maßgeblichen Beschäftigten zu berücksichtigen. Die reallohnbezogene Obergrenze stellt allerdings nur auf den Teil des Arbeitsverdienstes ab, der den aktiven Beschäftigten nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsabgaben üblicherweise verbleibt. Damit geht es um die Aufrechterhaltung eines bestimmten Lebensstandards. Dieser hängt vom verfügbaren Einkommen ab (BAG 20. Mai 2003 – 3 AZR 179/02 – zu II 6 a der Gründe; 10. September 2002 – 3 AZR 593/01 – zu III 2 a cc (1) der Gründe; 23. Mai 2000 – 3 AZR 103/99 – zu 2 d bb der Gründe). Betriebsrentenanwartschaften, die auf einer vom Arbeitgeber finanzierten betrieblichen Altersversorgung beruhen und deren Wertentwicklung die Beklagte mit dem sog. bAV-Lohnäquivalent berücksichtigen möchte, gehören indes nicht zu dem verfügbaren Arbeitseinkommen der aktiv Beschäftigten (vgl. bereits BAG 18. September 2012 – 3 AZN 952/12 – Rn. 9). Damit unterscheiden sie sich entgegen der Ansicht der Revision auch von einem vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassenen Dienstwagen; dieser Sachbezug steht dem Arbeitnehmer bereits während seiner aktiven Dienstzeit zur Verfügung. Durch den Erwerb von Betriebsrentenanwartschaften wird das verfügbare Nettoeinkommen der aktiven Beschäftigten auch nicht deshalb erhöht, weil sie Aufwendungen für eine private Altersvorsorge einsparen. Es obliegt der Disposition der aktiven Beschäftigten, wie sie ihr Einkommen verwenden und ob und ggf. in welchem Umfang sie dieses zum Aufbau einer privaten Altersvorsorge nutzen.
(b) Die Beklagte kann das sog. bAV-Lohnäquivalent auch nicht als sonstigen Aspekt im Rahmen der nach § 16 Abs. 1 BetrAVG vorzunehmenden Ermessensentscheidung berücksichtigen. Die Anpassungsentscheidung widerspricht nicht billigem Ermessen im Sinne des § 16 Abs. 1 BetrAVG, wenn der Arbeitgeber eine die reallohnbezogene Obergrenze überschreitende Anpassung ablehnt. Dies galt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats schon vor der Einfügung von § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999-RRG 1999) zum 1. Januar 1999 (vgl. etwa BAG 14. Februar 1989 – 3 AZR 313/87 – zu II 2 der Gründe, BAGE 61, 102; 11. August 1981 – 3 AZR 395/80 – zu III 3 der Gründe, BAGE 36, 39). Der Gesetzgeber hat dies mit der Regelung in § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG nunmehr ausdrücklich anerkannt. Dies schließt es aus, den Wert einer für die Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze unmaßgeblichen Betriebsrentenanwartschaft als sonstigen Aspekt im Rahmen von § 16 Abs. 1 BetrAVG zu berücksichtigen.
2. Die Beklagte schuldet dem Kläger daher für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Mai 2011 rückständige Betriebsrente iHv. 3.752,00 Euro brutto. Zinsen auf den Nachzahlungsbetrag in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz stehen dem Kläger allerdings erst ab dem Folgetag des Tages, an dem das Urteil rechtskräftig wird, mithin ab dem 19. März 2014 zu. Für die davorliegende Zeit fehlt es jedenfalls an der notwendigen Fälligkeit der Anpassungsforderung. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
a) Der Anspruch auf Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 BGB entsteht – da Verzug erst ab Fälligkeit eintreten kann – frühestens ab der Fälligkeit der Forderung. Die Fälligkeit der Anpassungsforderungen des Klägers tritt nicht vor der Rechtskraft des klagestattgebenden Urteils ein. Leistungen, die nach billigem Ermessen zu bestimmen sind, werden bei gerichtlicher Bestimmung erst aufgrund eines rechtskräftigen Gestaltungsurteils nach § 315 Abs. 3 BGB fällig. Dazu gehören auch die aufgrund einer Anpassungsentscheidung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zu gewährenden Leistungen (vgl. etwa BAG 10. Dezember 2013 – 3 AZR 595/12 – Rn. 9; 20. August 2013 – 3 AZR 750/11 –Rn. 57; 19. Juni 2012 – 3 AZR 464/11 – Rn. 49, BAGE 142, 116; 28. Juni 2011 – 3 AZR 859/09 – Rn. 32, BAGE 138, 213). Entgegen der Ansicht des Klägers bietet § 315 Abs. 3 BGB keine rechtliche Grundlage dafür, ermessensfehlerhaftes Verhalten des Arbeitgebers mit Hilfe der Zuerkennung von Zinsen bereits ab Fälligkeit der monatlichen Leistungen zu „sanktionieren”. Das Gericht hat bei einer unbilligen Leistungsbestimmung durch den Versorgungsschuldner nach § 315 Abs. 3 BGB vielmehr eine eigene, der Billigkeit entsprechende Sachentscheidung zu treffen (vgl. BAG 3. Dezember 2002 – 9 AZR 457/01 –zu A II 2 a dd (1) der Gründe, BAGE 104, 55; MüKoBGB/Würdinger 6. Aufl. § 315 BGB Rn. 51). Diese bezieht sich nur auf die vom Versorgungsschuldner nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zu treffende Anpassungsentscheidung, nicht jedoch auf eine Verzinsung.
b) Ob Prozesszinsen nach § 291 BGB im Fall der Bestimmung der Leistung durch Gestaltungsurteil überhaupt zugesprochen werden können (dagegen BGH 4. April 2006 – X ZR 122/05 – Rn. 23, BGHZ 167, 139; 4. April 2006 – X ZR 80/05 – Rn. 24; vgl. BAG 19. Juni 2012 – 3 AZR 464/11 – Rn. 50, BAGE 142, 116), kann offenbleiben. Denn jedenfalls könnte auch der Anspruch auf Prozesszinsen frühestens ab der Fälligkeit der Forderung (§ 291 Satz 1 Halbs. 2 BGB) entstehen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Unterschriften
Gräfl, Schlewing, Ahrendt, Wischnath, Brunke
Fundstellen
Haufe-Index 6779910 |
BB 2014, 1460 |