Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf von Zusagen einer Unterstützungskasse
Leitsatz (redaktionell)
1. Verspricht ein Arbeitgeber Altersversorgung über eine Unterstützungskasse, die auf ihre Leistungen keinen Rechtsanspruch gewährt (§ 1 Abs 4 BetrAVG), können Unterstützungskasse und Arbeitgeber die Versorgungszusage nicht nach freiem Belieben widerrufen. Der Widerruf von Versorgungszusagen ist nur aus sachlichen Gründen berechtigt (im Anschluß an BAGE 46, 80, 90 = AP Nr 3 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen und BVerfGE 74, 129 = AP Nr 11 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen).
2. Je stärker der Besitzstand ist, den die Arbeitnehmer erworben haben, um so gewichtiger muß der Grund sein, der einen Eingriff gestattet. Es gelten die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit.
3. Bei Besitzständen des Arbeitnehmers ist zu unterscheiden zwischen den nur ausnahmsweise antastbaren, insolvenzgeschützten Teilbeträgen, die sich aus der Berechnung nach § 2 Abs 1 BetrAVG ergeben, der sogenannten "zeitanteilig erdienten Dynamik" (Schutz des Berechnungsfaktors "ruhegehaltsfähiges Entgelt") und den Steigerungsbeträgen, die ausschließlich von der weiteren Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers abhängen (Bestätigung von BAGE 49, 57 = AP Nr 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen).
4. Bei den Eingriffsgründen des Arbeitgebers ist zu unterscheiden zwischen zwingenden, triftigen und sachlich- proportionalen Gründen (im Anschluß an BAGE 54, 261 = AP Nr 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung).
5. Bei der Beurteilung dieser Gründe kommt es im Regelfall auf die wirtschaftliche Lage des Trägerunternehmens einer Unterstützungskasse an. Dagegen ist auf die wirtschaftliche Lage des Konzern abzustellen, wenn das Trägerunternehmen mit seiner wirtschaftlichen Betätigung in einen Konzern eingebunden und speziell auf die Bedürfnisse des Konzern zugeschnitten ist (Fortführung des Urteils vom 14. Februar 1989 - 3 AZR 191/87 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Normenkette
BetrAVG § 2 Abs. 5, § 1 Abs. 4, § 7 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 18.11.1986; Aktenzeichen 6 Sa 1680/85) |
ArbG Minden (Entscheidung vom 08.05.1985; Aktenzeichen 1 Ca 1861/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe der Kläger von der beklagten Unterstützungskasse Leistungen der betrieblichen Altersversorgung verlangen kann.
Der schwerbehinderte Kläger, geboren am 20. April 1925, war vom 6. Januar 1953 bis zu seinem Ausscheiden wegen Erwerbsunfähigkeit am 31. März 1984 bei der S GmbH, (S &) beschäftigt. Das Unternehmen gehört zum H Konzern (H &), mit dem es personell und organisatorisch eng verflochten ist. Im Jahre 1977 hielt der Konzern 81 %, im Jahre 1984 87 % der Geschäftsanteile der S &.
Die S & gewährt ihren Mitarbeitern über die Beklagte Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Maßgebend waren zunächst die Richtlinien vom 1. Januar 1970. Diese sehen Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenrenten vor und enthalten den Hinweis, daß die Leistungen freiwillig und jederzeit widerruflich sind. In Nr. 7 der Richtlinien heißt es:
"Für die Berechnung der Pension wird das Durch-
schnitts-Bruttoeinkommen der letzten drei vollen
Kalenderjahre zugrundegelegt, ..."
Über die Höhe des Ruhegelds bestimmt Nr. 8:
"Nach der Zugehörigkeit von 10 Jahren
beträgt die Pension 12,5 %
...
Um jedes weitere Jahr der Zugehörigkeit zur Firma
S GmbH erhöht sich die Pension um
0,5 % bis zu einer maximalen Grenze von 50 Jahren
Betriebszugehörigkeit = 32,5 % des errechneten mo-
natlichen Durchschnitts-Brutto-Einkommens."
Aufgrund einer Betriebsvereinbarung des Trägerunternehmens mit seinem Betriebsrat vom 18. Mai 1977 wurden die Richtlinien aus dem Jahre 1970 mit Wirkung vom 15. Mai 1977 geändert. Grundlage der Neufassung war eine Gesamtbetriebsvereinbarung des Konzerns in der Fassung vom 22. Dezember 1976 (RGO 1975).
Die Änderung sieht den Übergang von der bisherigen endgehaltsabhängigen Zusage zu einem Festrentensystem vor. In § 6 RGO 1975 heißt es:
"(1) Die Mitarbeiter erhalten ein monatliches Ruhegeld,
das durch die Zuordnung zu den Ruhegeldstufen
nach Anhang 1 dieser Ruhegeldordnung bestimmt wird.
(2) Maßgebend für die Zuordnung zu den Ruhegeldstufen
ist die tarifliche Lohn-/Arbeitswert/Gehaltsgruppe
oder die vertraglich bestimmte außertarifliche
Rangstufe, in welcher der (die) Mitarbeiter(in)
während der letzten zehn Dienstjahre bei S& über-
wiegend geführt wurde."
Weiterhin wurde eine Bestandsregelung getroffen. Diese lautet (Nr. 4 der Betriebsvereinbarung): "Mitarbeiter, die am 15. Mai 1977 in einem ununterbrochenen Arbeits-/Dienstverhältnis von mindestens 10 S&-Dienstjahren standen und das 50. Lebensjahr vollendet hatten und Mitarbeiter mit 15 Dienstjahren, die das 45. Lebensjahr vollendet hatten und Mitarbeiter mit 20 Dienstjahren, die das 40. Lebensjahr vollendet hatten, erhalten das mit Inkrafttreten der neuen Ruhegeldordnung erreichte Ruhegeld (Besitzstand) nach der bisherigen Richtlinie vom 1. Januar 1970 zum Zeitpunkt ihrer Pensionierung, wenn diese günstiger als das Ruhegeld nach der neuen Ruhegeldordnung ist."
Aufgrund der Neuregelung müßte der Kläger Versorgungseinbußen hinnehmen; seine Betriebsrente betrüge 211,-- DM monatlich (Ruhegeldstufe V, 32 Dienstjahre). Bei Anwendung der Besitzstandsklausel ergibt sich ein Betrag von 511,37 DM. Eine Erwerbsunfähigkeitsrente in dieser Höhe zahlt die Beklagte seit dem 1. April 1984.
Der Kläger, seinerzeit selbst Mitglied des Betriebsrats, hält die Betriebsvereinbarung vom 18. Mai 1977 zwar für wirksam, meint aber, Rentensteigerungen in den Jahren von 1977 bis 1984 dürften nicht völlig ausgeschlossen werden; anderenfalls habe er in dieser Zeit Betriebstreue ohne jede Gegenleistung bei der betrieblichen Altersversorgung erbracht. Demgemäß hat der Kläger auf der Basis seines Durchschnittseinkommens in den Jahren 1981 bis 1983 in Höhe von 3.717,50 DM monatlich und einer Betriebszugehörigkeit von 31 Jahren und 3 Monaten einen Rentenanspruch in Höhe von 859,86 DM monatlich errechnet. Ferner hat er Hilfsberechnungen angestellt.
Der Kläger hat beantragt, an ihn mit Wirkung vom 1. April 1984 eine Betriebsrente von monatlich 859,86 DM abzüglich in den jeweiligen Monaten bereits gezahlter 511,37 DM nebst 4 % Zinsen auf den sich daraus jeweils ergebenden Differenzbetrag seit dem 11. Januar 1985 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der teilweise Widerruf der Zusagen sei unumgänglich gewesen. Der H & Konzern habe sich seit 1976 angesichts starker Auftragseinbrüche in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden. Der Konzern sei Zulieferant der Investitionsgüterindustrie und damit von dem krisenanfälligen Markt der Eisen- und Stahlindustrie sowie von anfälligen Exportmärkten abhängig. Um einen drohenden Unternehmenszusammenbruch zu vermeiden, habe er fast 20 % der Belegschaft entlassen, Kurzarbeit einführen und außertarifliche Leistungen auf tarifliche Lohn- und Gehaltssteigerungen anrechnen müssen. Weiterhin sei er genötigt gewesen, eine Reihe freiwilliger Sozialleistungen zurückzunehmen. Unter diesen Umständen hätten auch die Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer nicht geschont werden können. Dennoch habe man die Altersversorgung insgesamt nur maßvoll gekürzt. Dem Kläger sei die am Ablösungsstichtag erdiente Rente nach dem bis dahin maßgebenden Durchschnittsverdienst der letzten drei Jahre erhalten worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine monatliche Betriebsrente von insgesamt 665,78 DM zu zahlen. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie schuldet dem Kläger keine höhere Rente.
A. Die Revision ist zulässig. Die Annahme des Klägers, die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten hätten das Rechtsmittel ohne ausreichende Bevollmächtigung durch die Beklagte eingelegt, trifft nicht zu. Die Beklagte hat die Prozeßvollmacht schon in erster Instanz erteilt. Sie ist von den beiden damaligen Vorstandsmitgliedern der Beklagten unterzeichnet. Sie ermächtigt die Prozeßbevollmächtigten auch zur Einlegung von Rechtsmitteln. Die Prozeßvollmacht ist auch nicht widerrufen, sondern in der Revisionsinstanz von beiden Vorstandsmitgliedern der Beklagten nochmals erteilt worden.
B. Die Beklagte war berechtigt, die seit 1970 geltenden Versorgungszusagen zu widerrufen. Durch die Neuregelung werden die Versorgungsbesitzstände der Arbeitnehmer hinreichend gewahrt. Da nach den unangegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen der Arbeitgeber und die beklagte Unterstützungskasse den Widerruf der Versorgungszusagen erklärt haben, kommt es nicht darauf an, ob unmittelbar durch eine ablösende Betriebsvereinbarung in die vertragsrechtlich begründeten Ansprüche der Arbeitnehmer eingegriffen werden konnte (BAG Großer Senat BAGE 53, 42 = AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972).
1. Die Beklagte war allerdings nicht berechtigt, die Versorgungszusagen, wie sie meint, nach freiem Belieben zu widerrufen. Der Senat hat den Ausschluß des Rechtsanspruchs bei Unterstützungskassen (§ 1 Abs. 4 BetrAVG) in ständiger, durch das Bundesverfassungsgericht gebilligter Rechtsprechung (BVerfGE 65, 196 = AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen; BVerfGE 74, 129 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen) als ein an sachliche Gründe gebundenes Widerrufsrecht verstanden und damit dem Arbeitnehmer durchaus einen Anspruch auf die zugesagten Leistungen eingeräumt. Die Bindung der Unterstützungskasse beruht auf dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, der Verfassungsrang hat. Der Arbeitgeber nimmt die Betriebstreue der Arbeitnehmer als Vorleistung entgegen. Er würde treuwidrig handeln, wollte er die Gegenleistung mit dem Hinweis verweigern, er habe sich nicht rechtlich gebunden (BAGE 46, 80, 90 ff. = AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu IV 1 der Gründe, mit Anmerkung von Schulin). Die Beklagte schuldet somit für ihre Maßnahme eine Rechtfertigung in der Weise, daß sie sachliche Gründe dartun muß. Die rechtliche Position der begünstigten Arbeitnehmer ist nicht ungeschützt.
Welches Gewicht ein sachlicher Grund haben muß, um in die Rechtsposition der Arbeitnehmer einzugreifen, läßt sich nicht schematisch festlegen. Nicht alles, was aus der Sicht des Arbeitgebers und Trägers der Unterstützungskasse sachlich erscheinen mag, rechtfertigt es, gegebene Zusagen zu widerrufen und das darauf gegründete Vertrauen der Begünstigten zu enttäuschen. Das Gewicht des sachlichen Grundes richtet sich vielmehr auf der Seite des Arbeitgebers danach, ob die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen zur Zeit der Zusage, deren Fortbestand erwartet werden durfte, sich wesentlich verändert haben. Andererseits ist die - unterschiedliche - Stärke der rechtlichen Position der Arbeitnehmer und Rentner zu berücksichtigen. Je stärker der Besitzstand ist, um so gewichtiger muß der Grund sein, der einen Eingriff gestattet. Es gelten, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, die Verfassungsgrundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit (BVerfGE 65, 196 = AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu C III 1 der Gründe; BVerfGE 74, 129 = AP Nr. 11 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu B II 2 der Gründe).
a) Um die unbestimmten Rechtsbegriffe "Vertrauensschutz" und "Verhältnismäßigkeit" zu konkretisieren, hat der Senat auf der Seite der Arbeitnehmer danach unterschieden, ob in der Vergangenheit erworbene Besitzstände oder zugesagte Steigerungen geschmälert werden sollen (BAGE 36, 327, 337 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, zu III der Gründe; 37, 217, 224 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu III der Gründe). Im Urteil vom 17. April 1985 (BAGE 49, 57, 66 ff. = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen, zu B II 3 c der Gründe) hat der Senat erstmals eine genauere Abstufung vorgenommen: Er unterscheidet seither den nur ausnahmsweise antastbaren und insolvenzgeschützten Teilbetrag gemäß § 2 Abs. 1 BetrAVG, die sog. zeitanteilig erdiente Dynamik und die rein dienstzeitabhängigen Steigerungsbeträge.
b) Die Beklagte erhebt gegen die Rechtsprechung des Senats Einwendungen. Sie will bei den Steigerungen eine Unterscheidung in erdiente Dynamik und bloß dienstzeitabhängige Zuwächse nicht gelten lassen. Die Auffassung der Revision überzeugt nicht:
(1) Die Revision macht geltend, die Rechtsprechung des Senats verstoße gegen die Gesetze der Logik. Bis zu einem bestimmten Stichtag, an dem eine Versorgungsregelung abgelöst werde, könne eine künftige und ungewisse Beteiligung an einer Gehaltsentwicklung noch nicht erdient sein. Das ist nicht richtig. Die Beklagte übersieht, daß bei einer gehaltsabhängigen Dynamik ein eventueller Wertzuwachs der Anwartschaft gerade ohne Bindung an die Dienstzeit möglich ist; die Anwartschaft soll der Entwicklung eines Berechnungsfaktors folgen, der zwar variabel ist, aber von der Dienstzeit gelöst ist. Zeitanteilig kann ein solcher Faktor auch schon in der Vergangenheit erdient, d.h. mit Betriebstreue belegt werden.
(2) Ein weiterer Einwand der Beklagten geht dahin, daß bei einer endgehaltsbezogenen Dynamik der Rentenanspruch erst an Wert gewinne, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis tatsächlich fortsetze. Dieser Hinweis läßt außer Betracht, daß bei einer endgehaltsabhängigen Versorgung gerade der im aktiven Arbeitsverhältnis zuletzt erreichte Einkommensstand den Maßstab für die Bemessung der Versorgungsleistung abgeben soll. Gehaltssteigerungen im aktiven Arbeitsverhältnis dienen im Grundsatz nicht dazu, in der Vergangenheit geleistete Betriebstreue zu entgelten, sie sind Teilhabe an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung und Ergebnis einer persönlichen beruflichen Entwicklung. Diese Teilhabe ist den Arbeitnehmern im dynamischen Versorgungssystem zugesagt. Dafür leisten sie Betriebstreue und diese haben sie bis zum Zeitpunkt der Ablösung schon teilweise erbracht (zum Teil anderer Ansicht für Gehaltssteigerungen infolge Beförderungen Hanau/Preis, RdA 1988, 65, 78 ff.).
(3) Der Hinweis der Beklagten auf § 2 Abs. 5 BetrAVG überzeugt ebenfalls nicht. Nach dieser Vorschrift bleiben Änderungen der Berechnungsgrundlagen nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers bei der Ermittlung des Unverfallbarkeitswerts der Anwartschaft und beim Insolvenzschutz (§ 7 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG) außer Betracht. In beiden Fällen muß eine umgehende Klärung stattfinden und sogleich festgestellt werden können, welchen Wert die Anwartschaft hat. Dagegen läßt sich bei der Kürzung von Versorgungsrechten in einem fortbestehenden Arbeitsverhältnis die weitere Lohnentwicklung unschwer feststellen. § 2 Abs. 5 BetrAVG kann daher auf die Verschlechterung betrieblicher Versorgungsregelungen nicht übertragen werden.
2. Den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes wird nur genügt, wenn den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtige Eingriffsgründe des Arbeitgebers gegenübergestellt werden. Das Gewicht des Eingriffsgrunds muß der Stärke des Besitzstands entsprechen. Hiervon ausgehend lassen sich zwingende, triftige und sachlich-proportionale Gründe unterscheiden (vgl. im einzelnen die Urteile des Senats vom 17. April 1985, aa0, zu B II 3 c (3) der Gründe und vom 17. März 1987, BAGE 54, 261 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrAVG Ablösung).
Die Revision wendet ein, das Merkmal des triftigen Grundes sei zu unbestimmt und daher ungeeignet, den Eingriffsanlaß zu gewichten. Es mag zutreffen, daß die Unterscheidung nach zwingenden, weniger gewichtigen und bloß sachlichen Gründen auf Schwierigkeiten stößt. Sie ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geboten (BVerfGE 65, 196 = AP Nr. 2 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen). Im Sinne eines Orientierungsmaßstabs hat der Senat auf die weniger zwingende gesetzliche Regelung über die Anpassung von Betriebsrenten hingewiesen (so zutreffend Otto, BAG EWiR § 1 BetrAVG 1/87, 331). Es geht um die Heranziehung der Wertungen zu § 16 BetrAVG, nicht um deren schematische Übertragung. Danach braucht der Arbeitgeber die Renten nicht anzupassen, wenn dadurch die Gefahr entsteht, daß die Entwicklung des Unternehmens beeinträchtigt und seine Substanz aufgezehrt wird (BAGE 48, 272 = AP Nr. 17 zu § 16 BetrAVG und 48, 284 = AP Nr. 16 zu § 16 BetrAVG).
Das Berufungsgericht hat unter Hinweis auf die Kritik an der Rechtsprechung des Senats (Blomeyer, Anm. zu AP Nr. 16 und 17 zu § 16 BetrAVG; ders. RdA 1986, 69, 80 ff.; ders. SAE 1986, 98, 99; Schulin, Anm. zu AP Nr. 3 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen; Loritz, Anm. zu AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen; ders. ZfA 1988, 1) ausgeführt, der triftige Grund i.S. des § 16 BetrAVG sei ungeeignet. Die Anwartschaftsdynamik wirke erst langfristig, und langfristig lasse sich nicht zuverlässig vorhersagen, ob das Unternehmen übermäßig belastet werde. Deswegen müsse es genügen, wenn das Unternehmen in Modellberechnungen die finanziellen Auswirkungen der abgelösten und der neuen Versorgungsregelung einsichtig mache.
Es mag zutreffen, daß die vom Berufungsgericht aufgeführten Schwierigkeiten bestehen. Das Berufungsgericht zeigt jedoch mit seinen Erwägungen keine von der Rechtsprechung des Senats abweichenden Wertungsmaßstäbe auf. Es geht auch nach der Auffassung des Senats um die Frage, ob dem Unternehmen im Interesse einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung eine Entlastung nicht verwehrt werden darf.
3. Hieran gemessen durfte der H & Konzern die seinen Mitarbeitern erteilten dynamischen Versorgungszusagen auf ein Festrentensystem umstellen.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die wirtschaftliche Lage des H & Konzerns bis zum Jahre 1975 bedrohlich geworden war. Der Zusammenbruch konnte nur mit Mühe und unter großen Opfern aller Beteiligter verhindert werden. 20 % der Belegschaft wurde entlassen. Zusätzlich wurde Kurzarbeit eingeführt. Außerdem wurden freiwillige Sozialleistungen zurückgenommen und übertarifliche Zahlungen auf Tariflohnerhöhungen angerechnet. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, anhand der vorgelegten Daten lasse sich nicht erkennen, ob eine Bestandsgefährdung bestanden habe, da der Konzern seit 1977 die laufenden Versorgungsleistungen an § 16 BetrAVG angepaßt habe. Eine Krisensituation lasse sich aber nicht bezweifeln. Da der Konzern als Zulieferant der Investitionsgüterindustrie von dem anfälligen Markt der Eisen- und Stahlindustrie sowie von kritischen Exportmärkten abhänge, sei mit einer kurzfristigen Besserung nicht zu rechnen gewesen. Diese schwierige Lage habe die Eingriffe in das bisher geltende Versorgungssystem gerechtfertigt. Es sei nicht unbillig, daß der Konzern im Einvernehmen mit den Betriebsräten der einzelnen Unternehmen die Rentensteigerungen in feste Größen überführt habe, so daß die Versorgungslast für die Zukunft langfristig besser kalkuliert werden könne. Die Auffassung des Berufungsgerichts ist rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Da sich die wirtschaftliche Lage des Konzerns bis 1975 so verschlechtert hatte, daß sogar ein Unternehmenszusammenbruch zu befürchten war, sind die Voraussetzungen gegeben, unter denen die Beklagte nicht nur die dienstzeitabhängigen Rentenzuwächse widerrufen, sondern auch in die anteilig schon erdiente dienstzeitunabhängige Dynamik eingreifen durfte. Die Eingriffsgründe der Beklagten waren triftige im Sinne der Rechtsprechung des Senats. Das mindeste, was die Beklagte zu befürchten hatte, war ein weiterer nachhaltiger Substanzverlust. Hieran gemessen erscheint der Eingriff in die Versorgungsrechte der Arbeitnehmer sogar maßvoll: Mitarbeiter, die unter die Übergangsregelung der Ruhegeldordnung von 1975 fallen, können über den insolvenzgeschützten Teilbetrag nach § 2 Abs. 1 BetrAVG hinaus sogar künftige Steigerungen in Festbeträgen erreichen.
b) Der Kläger hat die krisenhafte Situation des Konzerns nicht in Abrede gestellt. Er hat aber geltend gemacht, es komme allein auf die wirtschaftliche Lage des Trägerunternehmens der Beklagten an; bei diesem sei die Entwicklung sogar in den 70er Jahren günstig verlaufen. Dieser Betrachtung kann sich der Senat nicht anschließen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts befand sich zwar das Trägerunternehmen der Beklagten zur Zeit der Änderung der Versorgungsordnung nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Dennoch war das Trägerunternehmen, so das Berufungsgericht, aus eigener Kraft nicht lebensfähig. Die S & produziert Geräte der Meß- und Regeltechnik, die wiederum in die vom Konzern hergestellten Erzeugnisse der Prozeßleittechnik und Energieerzeugung eingehen. Die S & ist aus diesen Gründen personell und organisatorisch eng in den H &-Konzern eingebunden. Ihre organisatorische Struktur und ihre wirtschaftliche Betätigung sind erkennbar speziell auf die Bedürfnisse des Konzerns zugeschnitten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts drängt sich der Schluß auf, daß die S & einer rechtlich selbständigen Betriebsabteilung gleicht. Dann aber muß die wirtschaftliche Betrachtung eine einheitliche sein. Es gilt dann nichts anderes, als wenn unter der Geltung eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrags die Lage des Konzerns gut, die wirtschaftliche Lage des Einzelunternehmens aber schlecht ist (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 14. Februar 1989 - 3 AZR 191/87 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
4. Die Beklagte hat dem Kläger den zur Zeit der Ablösung der Richtlinien vom 1. Januar 1970 erdienten Teilbetrag von 511,37 DM gezahlt. Mehr steht ihm entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu. Das Berufungsgericht erhält dem Kläger einen Teil der Gehaltsdynamik, obwohl die Beklagte diesen Versorgungsanteil, auch nach Auffassung des Berufungsgerichts, wirksam widerrufen hat. Steigerungen nach der neuen Festrententabelle hat der Kläger bis zu seinem Ausscheiden nicht erreicht, so daß er eine höhere Rente nicht verlangen kann.
Dr. Heither Schaub Griebeling
Dr. Krems Schoden
Fundstellen
BAGE 61, 273-283 (LT1-5) |
BAGE, 273 |
DB 1989, 1876-1878 (LT1-5) |
Stbg 1990, 188-188 (T) |
EWiR 1990, 11 (S1-4) |
NZA 1989, 845-848 (LT1-5) |
RdA 1989, 377 |
ZIP 1990, 195 |
ZIP 1990, 195-198 (LT1-5) |
AP § 1 BetrAVG Unterstützungskassen (LT1-5), Nr 23 |
AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung III Entsch 5 (LT1-5) |
AR-Blattei, ES 460.3 Nr 5 (LT1-5) |
EzA § 1 BetrAVG Unterstützungskasse, Nr 7 (LT1-5) |
JuS 1990, 152 |
JuS 1990, 152-153 (ST1-3) |
VersR 1989, 1171-1173 (LT1-5) |